Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 94 I 412



94 I 412

56. Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. Mai 1968 i.S. Kull gegen Bräm.
Regeste

    Verwaltungsgerichtliche Beschwerde, Zulässigkeit.

    Mit der in Art. 218 quater OR vorgesehenen verwaltungsgerichtlichen
Beschwerde können nur Entscheide kantonaler Verwaltungsbehörden angefochten
werden.

Sachverhalt

    A.- Frau Margrit Kull ist seit dem 2. August 1956 Eigentümerin eines
landwirtschaftlichen Grundstücks im Halte von ca. 10'370 m2 in der Gemeinde
Egg (ZH). Mit öffentlich beurkundetem Vertrag vom 19. Oktober 1960 räumte
sie dem Kaufmann Walter Bräm an diesem Grundstück ein übertragbares und
vererbliches, bis zum 31. Dezember 1966 befristetes Kaufsrecht zum Preise
von Fr. 134'810.-- (Fr. 13.- pro m2) ein, das im Grundbuch vorgemerkt
wurde.

    Am 29. Dezember 1966 erklärte Bräm, dieses Kaufsrecht auszuüben. Frau
Kull weigerte sich jedoch, zu der grundbuchlichen Übertragung der
Liegenschaft Hand zu bieten. Sie machte geltend, der innerhalb
der Sperrfrist von 10 Jahren gemäss Art. 218 OR abgeschlossene
Kaufsrechtsvertrag sei nichtig.

    B.- Mit Eingabe vom 18. Januar 1967 stellte Bräm beim Einzelrichter
im summarischen Verfahren am Bezirksgericht Zürich das Begehren, Frau Kull
sei zu befehlen, bei der grundbuchlichen Übertragung des Grundstückes auf
ihn mitzuwirken. Zur Begründung machte er geltend, der Vertrag über die
Einräumung eines Kaufsrechts sei keine Veräusserung im Sinne von Art. 218
Abs. 1 OR; als solche könne erst die Ausübung des Kaufsrechts gelten;
diese sei aber nicht mehr in die Sperrfrist gefallen.

    C.- Der Einzelrichter schützte das Begehren des Klägers mit Verfügung
vom 9. Februar 1967.

    Das Obergericht des Kantons Zürich wies den von der Beklagten hiegegen
erhobenen Rekurs mit Beschluss vom 7. Dezember 1967 ab.

    D.- Gegen diesen Beschluss hat die Beklagte verwaltungsgerichtliche
Beschwerde an das Bundesgericht eingereicht. Sie beantragt, die
angefochtene Verfügung aufzuheben und die vom Kläger beim Einzelrichter
gestellten Begehren endgültig abzuweisen.

    Der Kläger beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten, eventuell
sie abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen einen Entscheid
einer gerichtlichen Instanz, der in einem Zivilrechtsstreit ergangen
ist, nämlich im Streit darüber, ob die Beschwerdeführerin verpflichtet
sei, den mit dem Beschwerdegegner abgeschlossenen Kaufsrechtsvertrag zu
erfüllen, oder ob dieser gemäss der Auffassung der Beschwerdeführerin
wegen Verstosses gegen Art. 218 OR nichtig sei.

    Für solche zivilrechtliche Streitigkeiten, die vor dem Zivilrichter
ausgetragen werden können, ist nach ständiger Rechtsprechung das
Rechtsmittel der verwaltungsgerichtlichen Beschwerde gemäss Art. 97 ff. OG
nicht gegeben. Mit dieser können nur Entscheide von Verwaltungsbehörden,
nicht auch Entscheide von Zivilgerichten angefochten werden (BGE 60 I 34,
62 I 168 Erw. 2, 65 I 159, 67 I 246, 84 I 85 Erw. 2, 94 I 190).

Erwägung 2

    2.- Die Beschwerdeführerin glaubt, die Zulässigkeit des von ihr
ergriffenen Rechtsmittels aus Art. 218 quater OR ableiten zu können,
wonach gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide über die Anwendung der
Art. 218, 218 bis und 218 ter OR die verwaltungsgerichtliche Beschwerde
an das Bundesgericht zulässig ist. Diese Auffassung ist irrtümlich.

    Die heute geltende Fassung der Bestimmungen über den Verkehr mit
landwirtschaftlichen Grundstücken (Art. 218 - Art. 218 quinquies OR) beruht
auf dem Bundesgesetz vom 19. März 1965 über die Änderung der Vorschriften
des ZGB und des OR betreffend das Baurecht und den Grundstückverkehr. Sie
trat an die Stelle der Fassung, welche diese Vorschriften des OR durch
Art. 50 des Bundesgesetzes vom 12. Juni 1951 über die Entschuldung des
bäuerlichen Grundbesitzes (EGG) erhalten hatten. Art. 218 bis OR in der
Fassung gemäss Art. 50 EGG bestimmte, die zuständige kantonale Behörde
entscheide endgültig darüber, ob die zehnjährige Sperrfrist des Art. 218
OR aus wichtigen Gründen abzukürzen sei. In einem Gutachten über die
Verfassungsmässigkeit der Sperrfrist, das im Laufe der parlamentarischen
Beratung des Revisionsentwurfs bei Prof. Hans Huber, Bern, eingeholt
wurde, wies dieser darauf hin, dass die Regelung des Art. 218 bis, die
nach dem Entwurf des Bundesrates unverändert übernommen werden sollte,
mangelhaft sei, da sie eine einheitliche Auslegung und Anwendung der
Sperrfristbestimmungen im ganzen Gebiete der Schweiz nicht gewährleiste;
die allein mögliche staatsrechtliche Beschwerde wegen Willkür (Art. 4 BV)
genüge wegen der nur beschränkten Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts
nicht, um eine von Kanton zu Kanton verschiedene Auslegung und Handhabung
der bundesrechtlichen Sperrfristvorschriften zu verhindern. Er schlug
daher die Einführung eines eidgenössischen Rechtsmittels mit freier
Kognitionsbefugnis vor.

    Das Departement entsprach dieser Anregung und änderte in seinem
Ergänzungsbericht vom 24. Oktober 1963 an die nationalrätliche Kommission
den ursprünglichen Art. 218 bis OR dahin ab, dass die letztinstanzlichen
kantonalen Entscheide über das Vorliegen wichtiger Gründe für eine
Abkürzung der Sperrfrist durch verwaltungsgerichtliche Beschwerde an das
Bundesgericht weiterziehbar sein sollten.

    Der Nationalrat beschloss auf Antrag von Nationalrat Furgler, diese
Weiterzugsmöglichkeit nicht in Art. 218 bis unterzubringen, sondern
sie zum Gegenstand eines besonderen Gesetzesartikels in der Fassung
des heutigen Art. 218 quater OR zu machen (StenBull Nationalrat 1964
S. 401 f.). Der Ständerat stimmte im Differenzbereinigungsverfahren
diesem Beschluss zu (StenBull Ständerat 1965 S. 37). Dabei wurde
jedoch ein Umstand übersehen: Nach dem Entwurf des Bundesrates, der die
Weiterzugsmöglichkeit in Art. 218 bis Abs. 3 vorgesehen hatte, war es
völlig klar, dass die verwaltungsgerichtliche Beschwerde nur zulässig
sein sollte gegen Entscheide, die auf Grund von Abs. 1 des gleichen
Artikels von kantonalen Verwaltungsbehörden über Begehren um Abkürzung der
Sperrfrist für landwirtschaftliche Grundstücke getroffen worden waren. Als
der Gesetzgeber beschloss, die Weiterzugsmöglichkeit in einem besonderen
Artikel zu ordnen und sie gegen "letztinstanzliche kantonale Entscheide
über die Anwendung der Art. 218, 218 bis und 218 ter" zu gewähren, dachte
er offensichtlich nicht daran, dass die Sperrfristbestimmungen nicht
nur Gegenstand von Entscheiden der Verwaltungsbehörden bilden können,
sondern auch von Zivilgerichten in Streitigkeiten über die Gültigkeit von
Kaufgeschäften über landwirtschaftliche Grundstücke anzuwenden sind. Nach
dem Wortlaut von Art. 218 quater OR, wie er in das Gesetz eingegangen
ist, würde es sich aber auch bei solchen Urteilen von Zivilgerichten um
"letztinstanzliche kantonale Entscheide über die Anwendung von Art. 218,
218 bis und 218 ter" handeln, gegen welche die verwaltungsgerichtliche
Beschwerde an das Bundesgericht zulässig wäre. Es ist jedoch völlig
ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber eine derart umwälzende Änderung der
herkömmlichen Abgrenzung des Zuständigkeitsbereichs der Verwaltungsbehörden
und der Zivilgerichte habe vornehmen wollen. Eine solche Annahme liesse
sich auch nicht etwa darauf stützen, dass der französische Text von
Art. 218 quater OR von "jugements" spricht, während das OG für die
Bezeichnung von Entscheiden der Verwaltungsbehörden sonst durchwegs den
Ausdruck "décision" braucht; denn da im deutschen wie im italienischen Text
von Art. 218 quater OR nicht von "Urteil", bzw. "giudizio", sondern von
"Entscheid", "decisione" die Rede ist, handelt es sich beim französischen
Text offensichtlich um einen Übersetzungsfehler. Art. 218 quater OR ist
deshalb trotz seiner redaktionellen Unebenheiten so zu verstehen, dass er
die verwaltungsgerichtliche Beschwerde nur gegen Entscheide der kantonalen
Verwaltungsbehörden, nicht dagegen auch gegen Urteile der kantonalen
Zivilgerichte gewährt. Auf die vorliegende verwaltungsgerichtliche
Beschwerde ist daher nicht einzutreten.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.