Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 94 I 318



94 I 318

45. Auszug aus dem Urteil vom 3. Juli 1968 i.S. Erben X. gegen Kantone
Graubünden und Schaffhausen. Regeste

    Doppelbesteuerung. Art. 46 Abs. 2 BV.

    1.  Verwirkung des kantonalen Besteuerungsrechtes wegen verspäteter
Geltendmachung. Voraussetzungen. Legitimation zur Erhebung der
Verwirkungseinrede (Erw. 4).

    2.  Allgemeines Steuerdomizil der natürlichen Person.

    -  Verhältnis zum zivilrechtlichen Wohnsitz. Bestimmung des
Steuerdomizils einer Person, die trotz Aufenthalt in der Schweiz keinen
Wohnsitz (mehr) in diesem Land hat (Erw. 5a).

    - Allgemeines Steuerdomizil eines Rentners, der seinen bisherigen
Wohnsitz aufgegeben und bis zu seinem 9 Monate später eingetretenen Tod
keinen neuen Wohnsitz begründet hat (Erw. 5c, d). Bestimmung des Ortes,
zu dem er in dieser Zeit die stärksten Beziehungen unterhalten und der
daher als sein allgemeines Steuerdomizil zu gelten hat (Erw. 5e).

Sachverhalt

    A.- Der 1883 geb. M. X., Bürger von Andeer (Kt.  Graubünden),
wuchs in einem Vorort der Stadt Schaffhausen auf. Nach Beendigung seiner
juristischen Studien liess er sich in Basel nieder und war dort während
Jahrzehnten Leiter eines Treuhandunternehmens. Er blieb ledig. Auf Ende
1953 gab er seine Berufstätigkeit auf. Im November 1954 hinterlegte
er seine Schriften in Martigny (Kt. Wallis) und wohnte dort in einem
Hotel. Von Martigny aus errichtete er, um Steuern zu sparen, zwei
Familienstiftungen, auf die er einen grossen Teil seines beträchtlichen
Vermögens übertrug, die A-Stiftung mit Sitz in Andeer (Kt. Graubünden)
und die B-Stiftung mit Sitz in Vaduz (Fürstentum Liechtenstein). Am
19. November 1959 mietete er eine Villa in Schaffhausen und bezog sie am
29. Februar 1960 zusammen mit seinem unverheirateten Bruder B. und einer
Haushälterin. Gleichzeitig hinterlegte er seine Schriften in Schaffhausen,
wo auch seine Schwester und deren Ehemann (die Ehegatten Y.) wohnten und
sich sein in Frankreich wohnhafter Bruder Th. X. gelegentlich aufhielt.

    M. X. hatte seine Ferien häufig in Andeer verbracht, vorerst im
Hotel, seit 1954 in einer fest gemieteten Wohnung. Im Herbst 1960 kaufte
die A-Stiftung in Andeer ein Dreifamilienhaus, das vor 1914 Eigentum
des Vaters X. gewesen war. M. X. mietete darin eine Fünfzimmerwohnung
und verbrachte dort in der Folge mit seiner Haushälterin jedes Jahr 2-3
Monate. Eine weitere mit eigenen Möbeln ausgestattete Wohnung stand ihm
in Basel zur Verfügung in einem Hause, dessen wirtschaftlicher Eigentümer
er über eine Immobilienaktiengesellschaft und die A-Stiftung war.

    Im Frühjahr 1965 starb sein Bruder B.X. Um die gleiche Zeit kam es zu
einem Steuerstreit zwischen M. X. und den Schaffhauser Steuerbehörden,
weil diese ihm das Vermögen und die Erträge der A- und der B-Stiftung
anrechneten. Hierüber verärgert, kündigte X. den Mietvertrag über die
Villa in Schaffhausen auf Ende September 1965. Bis dahin verschlechterte
sich sein Gesundheitszustand. Am 14. Oktober 1965 begab er sich in
die Klinik Hirslanden in Zürich, wo er operiert wurde und bis zum
8. Dezember 1965 blieb. Vor dem Eintritt in die Klinik beauftragte er
seinen Bruder Th., ihn in Schaffhausen ab- und in Andeer anzumelden und
seine Schriften dort zu hinterlegen, was am 7. Oktober 1965 geschah. Ferner
liess er die bisher bewohnte Villa in Schaffhausen auf das Ende der bis
Mitte Oktober 1965 erstreckten Mietdauer räumen und das Mobiliar seines
Schlafzimmers sowie sein Schreibpult mit Akten ins Haus seines Schwagers
Y. in Schaffhausen, den gesamten übrigen Hausrat in ein Magazin in einem
ihm gehörenden Haus in Splügen und einen kleinen Teil in seine Wohnung
in Andeer verbringen.

    Am. 8. Dezember 1965 aus der Klinik entlassen, begab sich X. zunächst
zur Erholung nach Baden und bezog dann am 23. Dezember 1965 mit seiner
Haushälterin seine Wohnung in Basel, wo er am 3. Juli 1966 starb, nachdem
er sich dort vom 11. Februar bis 13. April 1966 nochmals in einem Spital
aufgehalten hatte.

    B.- Am 23. Mai 1967 erliess die kantonale Steuerverwaltung Graubünden
eine an den Vertreter der Erben gerichtete "Unterstellungsverfügung",
in welcher M. X. in der Annahme, sein Wohnsitz habe sich seit 7. Oktober
1965 in Andeer befunden, als ab 7. Oktober 1965 für die kantonalen und
kommunalen Steuern im Kt. Graubünden pflichtig erklärt wurde. Die Erben
erhoben hiegegen Einsprache und nach deren Abweisung Beschwerde.

    Mit Entscheid vom 27. September/15. Dezember 1967 wies die Kantonale
Steuerrekurskommission Graubünden die Beschwerde ab.

    Nachdem die Steuerverwaltung des Kantons Schaffhausen von diesem
Entscheid Kenntnis erhalten hatte, teilte sie dem Vertreter der Erben mit
Schreiben vom 27. Dezember 1967 mit, dass Schaffhausen weiterhin seinen
Steueranspruch für die Staats- und Gemeindesteuer bis und mit Todestag
des M. X. aufrecht erhalte.

    C.- Am 12. Januar 1968 haben die Erben des M. X.  staatsrechtliche
Beschwerde wegen Doppelbesteuerung erhoben. Sie beantragen, es sei die
Inanspruchnahme der unbeschränkten Steuerpflicht über M. X. durch den
Kanton Graubünden für die Zeit vom 7. Oktober 1965 bis 3. Juli 1965
abzuweisen; eventuell sei die unbeschränkte Steuerpflicht für diesen
Zeitraum zwischen den Kantonen Schaffhausen und Graubünden hälftig zu
teilen; subeventuell sei sie dem Kanton Graubünden erst mit Wirkung ab
15. Oktober 1965 zuzusprechen.

    D.- Die Kantonale Steuerverwaltung Schaffhausen beantragt Abweisung
der Beschwerde, soweit sie sich gegen den Kanton Schaffhausen richte.

    E.- Die Steuerverwaltung des Kantons Graubünden beantragt Abweisung
der Beschwerde, soweit sie sich gegen den Kanton Graubünden richte.

Auszug aus den Erwägungen:

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

    1./3. - (Prozessuales).

Erwägung 4

    4.- Sowohl die Beschwerdeführer als auch die Steuerverwaltung des
Kantons Schaffhausen machen geltend, der Kanton Graubünden habe seine
Steueransprüche durch verspätete Geltendmachung verwirkt.

    a) Nach der ständigen Rechtsprechung, von der abzuweichen kein Anlass
besteht, kann die Verwirkung, die nicht nur auf die periodischen Steuern
auf dem Einkommen und dem Vermögen, sondern auch auf die Erbschaftssteuer
anwendbar ist (BGE 74 I 271 Erw. 2 a), nur von andern Kantonen, nicht
dagegen vom Steuerpflichtigen eingewendet werden (BGE 74 I 273, 85 I
95 Erw. 1, 91 I 475 Erw. 4). Auf die von den Beschwerdeführern erhobene
Einrede ist daher nicht einzutreten. Beachtlich ist nur die Einrede des
Kantons Schaffhausen.

    b) Nach der Rechtsprechung verwirkt ein Kanton, der die für die
Steuerpflicht massgebenden Tatsachen kennt oder kennen kann, das Recht
auf Besteuerung, wenn er gleichwohl mit der Erhebung des Steueranspruchs
ungebührlich lange zuwartet und wenn überdies ein anderer Kanton - bei
Gutheissung dieses erst nachträglich erhobenen Steueranspruchs - zur
Rückerstattung von Steuern verpflichtet werden müsste, die er formell
ordnungsgemäss, in guten Treuen und in Unkenntnis des kollidierenden
Steueranspruchs bezogen hat (BGE 80 I 333 mit Verweisungen auf frühere
Urteile, 85 I 96, 91 I 475 Erw. 4). Von diesen Voraussetzungen fehlt im
vorliegenden Falle jedenfalls die letzte. Die Steuerverwaltung des Kantons
Schaffhausen hat (so wenig wie die Beschwerdeführer, auf deren Ausführungen
sie sich beruft) behauptet, geschweige denn dargetan, dass der Kanton oder
die Stadt Schaffhausen schon von M. X. oder seinen Erben für die Zeit vom
7. Oktober 1965 bis 3. Juli 1966 Einkommens- oder Vermögenssteuern oder
auf seinem beweglichen Nachlassvermögen Erbschaftssteuern erhoben hätten,
die sie im Falle der Anerkennung der bündnerischen Steueransprüche den
Beschwerdeführern zurückzuerstatten hätten. Die Schaffhauser Steuerbehörden
scheinen vielmehr, gleich wie die bündnerischen, den Beschwerdeführern
erst eröffnet zu haben, dass sie Steueransprüche gegen sie erheben; sie
haben aber offenbar die Veranlagungen noch nicht vorgenommen und noch
weniger Steuern bezogen, weshalb denn auch mit der staatsrechtlichen
Beschwerde keine Rückerstattungsansprüche geltend gemacht werden. Ist
aber nicht dargetan, dass Kanton oder Stadt Schaffhausen Steuern bezogen
haben, die sie im Falle der Anerkennung der bündnerischen Steueransprüche
zurückerstatten müssten, so erweist sich die Einrede der Verwirkung als
unbegründet, ohne dass zu prüfen ist, ob die übrigen Voraussetzungen der
Verwirkung erfüllt sind.

Erwägung 5

    5.- Streitig ist in erster Linie, welcher Kanton berechtigt ist, den
am 3. Juli 1966 verstorbenen M. X. für die Zeit vom 7. Oktober 1965 bis
zu seinem Tod für sein bewegliches Vermögen und dessen Ertrag zu besteuern.

    a) Diese Steuern haben die natürlichen Personen nach der Rechtsprechung
des Bundesgerichts in dem Kanton zu entrichten, in dem sie ihren Wohnsitz
haben. Als Steuerdomizil gilt dabei grundsätzlich der zivilrechtliche
Wohnsitz, d.h. der Ort, wo sich der Steuerpflichtige mit der Absicht
dauernden Verbleibens aufhält (Art. 23 Abs. 1 ZGB). Diese Absicht ergibt
sich aus dem Zweck, zu dem der Aufenthalt genommen wird. Der Aufenthalt
zu einem Sonderzweck, etwa zum Besuch einer Lehranstalt oder zur Heilung
von einer Krankheit, genügt in der Regel nicht (vgl. Art. 26 ZGB);
notwendig ist vielmehr der allgemeine Zweck, am betreffenden Ort das
Leben zu verbringen (BGE 46 I 38).

    Bei der Bestimmung des Steuerwohnsitzes hat das Bundesgericht in
Einzelfällen nicht auf die zivilrechtliche Regelung abgestellt. Da im
Steuerrecht der wirkliche tatsächliche Wohnsitz massgebend ist, genügt, wie
das Bundesgericht stets angenommen hat, der bloss formelle Wohnsitz, der
gemäss Art. 24 Abs. 1 ZGB nach Aufgabe des bisherigen bis zum Erwerb eines
neuen Wohnsitzes besteht, für das Steuerrecht nicht, um im Verhältnis von
Kanton zu Kanton den Steuerort zu begründen. Das Domizil des Art. 24 Abs. 1
ZGB ist eine blosse Aushilfebestimmung, damit bei Wechsel des Wohnsitzes in
der Zwischenzeit bis zum Erwerb eines neuen Wohnsitzes ein Ort vorhanden
sei, an den die durch den Wohnsitz bedingten zivilrechtlichen Beziehungen
angeknüpft werden können (BGE 67 I 104, 77 I 25, 80 I 188). Dieser für das
fiktive Weiterbestehen des früheren Wohnsitzes sprechende Grund gilt für
die steuerrechtlichen Domizilwirkungen nicht. Wenn der Steuerpflichtige
den Aufenthalt am bisherigen Wohnort endgültig aufgegeben hat, kann dieser
Ort nicht mehr tatsächlicher Mittelpunkt seiner persönlichen Verhältnisse
sein, auf die es im interkantonalen Steuerrecht allein ankommt.

    Das Bundesgericht hat wiederholt erklärt, dass bei Konkurrenz des
fiktiven Domizils des Art. 24 Abs. 1 ZGB mit dem tatsächlichen längeren
Aufenthaltsort in der Schweiz an die Anforderungen des Art. 23 ZGB
kein strenger Massstab anzulegen sei (BGE 67 I 104, 77 I 25). Diese
Wegleitung hilft aber nicht über alle Schwierigkeiten hinweg, die sich
bei der Bestimmung des Steuerwohnsitzes nach Aufgabe des bisherigen
tatsächlichen Wohnsitzes ergeben können. Es ist sehr wohl denkbar, dass
die tatsächlichen Verhältnisse so gestaltet sind, dass sie es auch bei
Anlegung eines weiten Massstabes nicht gestatten, in einem der Orte,
die nach Aufgabe des bisherigen Wohnsitzes als neuer in Betracht fallen,
den Lebensmittelpunkt zu erblicken, sei es weil die Aufenthalte an diesen
Orten zu kurz sind oder einem ausgesprochenen Sonderzweck dienen, sei es
weil der Pflichtige noch nicht weiss, ob er dauernd an einem dieser Orte
bleiben will, sei es weil er infolge besonderer Umstände verhindert ist,
an dem in Aussicht genommenen neuen Wohnort Aufenthalt zu nehmen, sei
es aus einem andern Grunde. Auch in dem durchaus möglichen Falle, dass
der Steuerpflichtige trotz Aufenthalt in der Schweiz überhaupt keinen
Wohnsitz (mehr) in diesem Lande hat (vgl. BGE 85 I 10 ff., 86 I 14/5),
kann nicht der fiktive Wohnsitz des Art. 24 Abs. 1 ZGB als Steuerwohnsitz
gelten. Vielmehr sind dann die tatsächlichen Beziehungen des Pflichtigen
zu den in Frage kommenden Orten gegeneinander abzuwägen und ist derjenige
Ort als sein allgemeines Steuerdomizil anzusehen, zu dem die stärksten
Beziehungen bestehen.

    b) Im vorliegenden Falle ist unbestritten, dass M. X. bis anfangs
Oktober 1965 in Schaffhausen wohnte. Streitig ist einerseits, ob er diesen
Wohnsitz endgültig aufgegeben hat, als er am 14. Oktober 1965 Schaffhausen
verliess, und anderseits, ob er in der Folge einen neuen Wohnsitz, und zwar
in Andeer, begründet hat, was beides vom Kanton Graubünden behauptet, von
den Beschwerdeführern und vom Kanton Schaffhausen dagegen bestritten wird.

    c) In den Verhältnissen, welche X. dazu bestimmt haben, sich - nach
Aufgabe seiner Berufstätigkeit in Basel und nach einem mehrjährigen
Aufenthalt im Kanton Wallis - im Februar 1960 in Schaffhausen
niederzulassen, sind in der Zeit vor seinem Wegzug wesentliche Änderungen
eingetreten. Zunächst ist im Jahre 1964 seine dort wohnende Schwester
und am 31. Mai 1965 auch sein Bruder B., mit dem er ein Einfamilienhaus
bewohnte, gestorben. Sodann kam es zu einem Steuerstreit, der durch Urteil
des Obergerichts Schaffhausen vom 25. Juni 1965 zu seinen Ungunsten
entschieden wurde. Daraufhin entschloss sich X., seinen Wohnsitz von
Schaffhausen an einen andern Ort zu verlegen. Er meldete sich daher
am 7. Oktober 1965 in Schaffhausen ab und liess seine Schriften in
Andeer hinterlegen. Dass der Entschluss zur Wohnsitzverlegung nicht
einer augenblicklichen Verärgerung oder vorübergehenden Laune entsprang,
sondern auf reiflicher Überlegung beruhte, kann nicht zweifelhaft sein,
hat X. doch seinen Willen zur Verlegung des Wohnsitzes durch zahlreiche
andere Handlungen bestätigt. So hat er in einem aus den Akten nicht
ersichtlichen Zeitpunkt, wohl Ende Juni oder Juli 1965, den Mietvertrag
über die seit Februar 1960 bewohnte Villa auf Ende September 1965
gekündigt. Ferner hat er die Villa nach Ablauf der (bis Mitte Oktober
verlängerten) Mietdauer räumen und den grössten Teil der Einrichtung
in ein eigenes Haus nach Splügen, in die Nähe des bei der Abmeldung in
Schaffhausen als künftigen Wohnsitz angegebenen Dorfes Andeer, verbringen
lassen. Schliesslich hat er Schaffhausen am 14. Oktober 1965 verlassen
und ist bis zu seinem Tode nie mehr dorthin zurückgekehrt. Bei dieser
Sachlage kann aus dem Umstand, dass er seine Schlafzimmereinrichtung sowie
seinen Schreibtisch mit Akten im Hause seines Schwagers in Schaffhausen
einstellte, nicht geschlossen werden, er habe beabsichtigt, wieder nach
Schaffhausen zurückzukehren. Einmal wird von keiner Seite behauptet, dass
ihm im Hause des Schwagers ein Zimmer zur Bewohnung eingerichtet wurde;
die genannten Möbel wurden offenbar nur eingestellt. Sodann benötigte
er das Schlafzimmer in Andeer nicht, da er dort bereits über eine gut
eingerichtete Fünfzimmerwohnung verfügte, während er den Schreibtisch mit
seinen Akten wohl deshalb beim Schwager in Schaffhausen einstellte und
nicht nach Andeer verbringen liess, weil er sich am 14. Oktober 1965 zu
einem voraussichtlich längeren Spitalaufenthalt nach Zürich begab, nicht
wusste, wann er sich in Andeer (oder allenfalls an einem andern Orte)
werde niederlassen können, und seine Akten bis dahin in der Nähe und in
vertrauten Händen haben wollte.

    Dass X. seit dem Wegzug von Schaffhausen je geäussert habe, er werde
vielleicht wieder dorthin zurückkehren, wird von keiner Seite behauptet,
während die Beschwerdeführer zugeben, dass er seinen Anwalt ausdrücklich
angewiesen hat, in dem am 29. Oktober 1965 beim Bundesgericht eingeleiteten
verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren Andeer als seinen Wohnort
anzugeben. Fehlt somit jeder Anhaltspunkt dafür, dass X. die Möglichkeit
einer Rückkehr nach Schaffhausen erwogen hätte und diesen Ort nicht
endgültig verlassen wollte, so darf unbedenklich angenommen werden,
er habe den Wohnsitz in Schaffhausen endgültig aufgegeben.

    d) Zweifelhafter ist, ob er nach seinem Wegzug von Schaffhausen einen
neuen Wohnsitz in Andeer begründet hat. Er stand zwar zu diesem Ort als
seinem Heimatort seit seiner Kindheit in Beziehungen, hat dort häufig
seine Ferien verbracht, zunächst in einem Hotel und seit 1954 in einer
festgemieteten Wohnung, und hat schliesslich im Herbst 1960, über die
von ihm beherrschte A-Stiftung, das vor dem ersten Weltkrieg veräusserte
väterliche Haus wieder erworben, darin eine Fünfzimmerwohnung für sich
eingerichtet und dort, wie die Steuerverwaltung des Kantons Schaffhausen
ausdrücklich zugibt, mit seiner Haushälterin bis und mit 1964 jedes Jahr
2-3 Monate verbracht. Er scheint jedoch im Jahre 1965 nicht mehr in
Andeer gewesen zu sein und hat sich jedenfalls nach seinem Wegzug von
Schaffhausen nie mehr dort aufgehalten. Selbst wenn er, was angesichts
seines Gesundheitszustandes und der längeren Spitalaufenthalte nicht
als völlig sicher erscheint, die feste Absicht hatte und ernstlich damit
rechnete, nach seiner Genesung sich nach Andeer zu begeben und dort zu
bleiben, dürfte es kaum angehen, diesen Ort, wo er sich nach Aufgabe des
Wohnsitzes in Schaffhausen nie aufgehalten hat, als seinen wirklichen,
tatsächlichen Wohnsitz zu betrachten. Damit ein Ort als Lebensmittelpunkt
einer Person gelten kann, ist zuallererst erforderlich, dass sie sich dort
aufhalte (BGE 86 I 15 Erw. 4; EGGER N. 20 zu Art. 23 ZGB). Der blosse
Wille zur Wohnsitzbegründung genügt nicht; er muss vielmehr in die Tat
umgesetzt sein (LOCHER, Das interkant. Doppelbesteuerungsrecht § 3 I A 2
b Nr. 4 und 5). Sofern X. wirklich den Willen hatte, seinen Wohnsitz nach
Andeer zu verlegen, hat er freilich durch die Hinterlegung seiner Schriften
in Andeer, durch die Verbringung des grössten Teils der Einrichtung der in
Schaffhausen bewohnten Villa in ein eigenes Haus im nahegelegenen Splügen
und durch die Beibehaltung seiner Fünfzimmerwohnung im eigenen Haus in
Andeer alles damals in seiner Macht stehende getan, um seinen Willen in
die Tat umzusetzen, und ist er nur durch seine Krankheit verhindert worden,
noch das Erfordernis des tatsächlichen Aufenthaltes zu erfüllen. Ob unter
diesen besonderen Umständen Andeer als sein Wohnsitz nach dem Wegzug
von Schaffhausen zu gelten hat, kann indes dahingestellt bleiben, da die
Beschwerde selbst dann zugunsten des Kantons Graubünden zu entscheiden ist,
wenn X. in Andeer keinen neuen Wohnsitz begründet haben sollte.

    e) In diesem Falle ist, da er den Wohnsitz in Schaffhausen endgültig
aufgegeben hat, davon auszugehen, dass er seither keinen Wohnsitz hatte,
was nach dem hievor Gesagten zur Folge hat, dass derjenige Ort als sein
allgemeines Steuerdomizil in der Zeit vom 14. Oktober 1965 bis 3. Juli
1966 zu betrachten ist, zu dem er in dieser Zeit die stärksten Beziehungen
unterhielt.

    X. hat sich nach seinem Wegzug von Schaffhausen und nach einem nicht
ganz zweimonatigen Spitalaufenthalt in Zürich und einem anschliessenden
zweiwöchigen Kuraufenthalt in Baden (AG) vom 23. Dezember 1965 bis
zu seinem Tode am 3. Juli 1966 ausschliesslich in Basel aufgehalten,
und zwar 2 Monate in einem Spital und etwas über 4 Monate in einer
eigenen Wohnung in einem ihm (über eine Immobiliengesellschaft und die
A-Stiftung) gehörenden Hause. Da der Kanton Basel-Stadt, offenbar weil
dieser Aufenthalt des X. in Basel durch seine Krankheit bedingt war, nie
behauptet hat, er habe damals seinen Wohnsitz in Basel gehabt, ist nur
zu prüfen, ob X. während dieser Zeit stärkere Beziehungen zu Schaffhausen
oder zu Andeer hatte.

    Es ist unbestritten, dass er sich in dieser Zeit an keinem dieser
beiden Orte je aufgehalten hat. Mit Schaffhausen, wo er 5 1/2 Jahre gewohnt
hatte, verbanden ihn verwandtschaftliche Beziehungen, doch waren diese
deshalb schwächer geworden, weil im Jahre 1964 seine Schwester und Ende
Mai 1965 auch sein Bruder B. gestorben waren; in Schaffhausen befanden
sich nur noch ein Schwager und eine Schwägerin, da sein in Frankreich
wohnender Bruder Th., wie in der Beschwerde ausgeführt und von keiner
Seite bestritten wird, sich nur selten in Schaffhausen aufhielt. Ferner
befand sich in Schaffhausen ein kleiner Teil des Mobiliars der früher
bewohnten Villa, jedoch nicht als Einrichtung eines für ihn reservierten
Zimmers, sondern bloss provisorisch eingestellt. Demgegenüber stand ihm
in Andeer, mit dem ihn lebenslängliche persönliche Beziehungen verbanden,
weiterhin eine guteingerichtete Fünfzimmerwohnung in einem eigenen Hause
zur Verfügung. Berücksichtigt man weiter, dass X. nach verschiedenen
Äusserungen und aus verständlichen Gründen den Wohnsitz in Schaffhausen
endgültig aufgeben und einen neuen Wohnsitz in Andeer begründen wollte
und diesen Willen bereits insoweit in die Tat umgesetzt hatte, dass
er die Schriften in Andeer hinterlegen und den grössten Teil seines
in Schaffhausen benützten Hausrates nach Splügen und Andeer verbringen
liess, so ist anzunehmen, dass seit dem Wegzug von Schaffhausen seine
Beziehungen zu Andeer stärker waren als diejenigen zu Schaffhausen,
und ist deshalb von diesem Zeitpunkt, d.h. vom 14. Oktober 1965 an,
Andeer als sein allgemeines Steuerdomizil zu betrachten. Die Beschwerde
ist daher, was die Besteuerung seines beweglichen Vermögens und des
Ertrags desselben betrifft, im Sinne des subeventuellen Antrags der
Beschwerdeführer gegenüber dem Kanton Schaffhausen gutzuheissen.

Erwägung 6

    6.- Zur Erhebung der Erbschafts- oder Nachlasssteuer auf dem
beweglichen Vermögen ist nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesgerichtes derjenige Kanton zuständig, in dem der Erblasser den
Wohnsitz zur Zeit seines Todes hatte (BGE 77 I 25, 73 I 17 Erw. 4 und
dort zitierte frühere Urteile). Hatte er keinen Wohnsitz, so muss das
Besteuerungsrecht, wie für die Vermögens- und Einkommenssteuer, demjenigen
Kanton zustehen, zu dem der Erblasser zur Zeit seines Todes die engsten
Beziehungen unterhielt. Da dies im vorliegenden Falle nach dem in Erw. 5
Ausgeführten der Kanton Graubünden war, ist die Beschwerde auch inbezug
auf die Erbschaftssteuer gegenüber dem Kanton Schaffhausen gutzuheissen.