Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 94 I 279



94 I 279

41. Urteil vom 13. Juli 1968 i.S. Hobi gegen Volkswirtschaftsdepartement
des Kantons St. Gallen. Regeste

    Veräusserung von Grundstücken; Sperrfrist (Art. 218 - 218 quater OR).

    1.  Regel und Ausnahmen; Voraussetzungen der Art. 218 und 218 bis OR
(Erw. 2).

    2.  Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemäss Art. 218 quater OR:

    a) Legitimation des Käufers zur Beschwerde (Erw. 1);

    b) der letztinstanzliche kantonale Entscheid im Sinne dieser
Bestimmung; Voraussetzungen (Erw. 3);

    c) gebricht es an einem letztinstanzlichen kantonalen Entscheid,
so steht der Überweisung der Streitsache an die zuständige kantonale
Behörde kein Satz des Bundesrechtes entgegen (Erw. 5).

    Irrtümliche Rechtsmittelbelehrung; Folgen (Erw. 4).

Sachverhalt

    A.- Der am 31. Januar 1967 verstorbene Hans John war seit dem 11. Mai
1948 Eigentümer eines landwirtschaftlichen Heimwesens in Mels (Kanton
St. Gallen), zu dem die Parzellen Nr. 478, 481, 462 und 473 mit Wohnhaus,
Ställen, Wiesen, Riedern, Wäldern und Wegen gehören. Die Bodenfläche
macht gesamthaft 85'416 m2 aus. Um die Erbschaft teilen zu können, haben
die Erben das Heimwesen durch das Waisenamt Mels am 16. September 1967
öffentlich versteigern lassen. Dabei ist das Gantobjekt für Fr. 93'000.--
dem Gottfried Hobi, Bauunternehmer in Esslingen (Kt. Zürich), zugeschlagen
worden. Die Ortsgemeinde Mels hatte Fr. 92'000.-- geboten.

    Das Volkswirtschaftsdepartement des Kantons St. Gallen hatte sich
auf Gesuch der Verkäuferschaft mit der Sache zu befassen. Der Käufer
Hobi wurde zur Vernehmlassung eingeladen. Er beantragte am 4. Januar
1968, es sei festzustellen, dass keine Bewilligung erforderlich sei,
weil die Sperrfrist des Art. 218 OR vom Eigentumserwerb des Erblassers
an zu laufen begonnen habe und längst verstrichen sei. Eventuell ersuchte
Hobi um eine Ausnahmebewilligung nach Art. 218 bis OR, weil die Erbschaft
des Hans John ohne den Verkauf der Liegenschaft nicht geteilt werden könne.

    Das Volkswirtschaftsdepartement befasste sich mit dem Hauptantrag
des Käufers nur in den Erwägungen, wobei es ausführte, mit dem Erbfall
habe eine neue Sperrfrist zu laufen begonnen. Im Dispositiv verweigerte
es der Erbengemeinschaft die vorzeitige Veräusserung des Grundeigentums
an Hobi, weil der Erwerber spekulative Absichten hege. Es sei den Erben
zumutbar, das Heimwesen der Ortsgemeinde Mels zu verkaufen. Dem Sinne
nach hat das Volkswirtschaftsdepartement mit seinem an die Verkäufer
gerichteten Entscheid auch das Hauptbegehren und das Eventualbegehren
des Käufers abgewiesen.

    B.- Gegen den Entscheid des kantonalen Volkswirtschaftsdepartementes
erhebt Gottfried Hobi Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht. Der
Beschwerdeführer verlangt, es sei festzustellen, dass der Verkauf der
Parzellen Nr. 478, 481, 462 und 473 in Mels nicht unter die Sperrfrist
gemäss Art. 218 ff. OR falle; eventuell beantragt der Beschwerdeführer,
die vorzeitige Veräusserung der erwähnten Parzellen sei zu bewilligen
oder es sei die Vorinstanz anzuhalten, die Bewilligung zu erteilen.

    C.- Das Volkswirtschaftsdepartement des Kantons St.  Gallen beantragt,
auf die Vorbringen des Beschwerdeführers, soweit neu, nicht einzutreten
und die Verwaltungsgerichtsbeschwerde im übrigen abzuweisen.

    D.- Das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement führt aus, die
Bundesverwaltung habe die Anwendbarkeit der Sperrfrist als antispekulatives
Mittel in jahrzehntelanger Praxis im Zweifel bejaht. Die Zuteilung der
Liegenschaft an einen unter mehreren Erben sei nicht als Veräusserung
betrachtet worden, wohl aber der Verkauf an Dritte, wobei die Frist mit
dem Erbgang als Eigentumsübertragungsfall zu laufen beginne. Sei die
Erbengemeinschaft zum Verkauf an einen Dritten gezwungen, so habe die
kantonale Behörde gleichwohl zu prüfen, ob in der Person des Erwerbers der
Zweck der Sperrfrist vereitelt werde. Habe das Volkswirtschaftsdepartement
des Kantons St. Gallen die Beweggründe des Beschwerdeführers und der
Ortsgemeinde Mels richtig gewürdigt, so sei der angefochtene Entscheid
dem Antrag des Beschwerdeführers vorzuziehen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Durch das Bundesgesetz vom 19. März 1965 über die Änderung
der Vorschriften des Zivilgesetzbuches und des Obligationenrechtes
betreffend das Baurecht und den Grundstückverkehr (AS 1965 S. 445)
ist ein neuer Art. 218 quater ins OR eingefügt worden. Dieser sieht
gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide über die Anwendung der
Art. 218, 218 bis und 218 ter OR die Verwaltungsgerichtsbeschwerde vor.
Obwohl das Volkswirtschaftsdepartement nur "der Gesuchstellerin",
d.h. der Erbengemeinschaft des Hans John, die Bewilligung zur Handänderung
verweigert hat, ist der Beschwerdeführer als Käufer von der Verfügung in
seiner Rechtsstellung betroffen und damit im Sinne des Art. 103 Abs. 1
OG zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert (BGE 92 I 63).

Erwägung 2

    2.- Das Volkswirtschaftsdepartement des Kantons St. Gallen hat sich
im vorgedruckten Ingress und Text seines Entscheides nur auf Art. 218
bis OR berufen. Art. 218 bis OR umschreibt die Voraussetzungen, unter
denen eine kantonale Behörde die Veräusserung eines landwirtschaftlichen
Grundstücks vor dem Ablauf der in Art. 218 OR vorgesehenen Sperrfrist
von 10 Jahren gestatten darf. Die Frage aber, ob die Sperrfrist überhaupt
bestehe oder ob sie abgelaufen sei (was hier zutrifft, wenn den Erben die
gleiche Rechtsstellung zugebilligt wird wie dem Erblasser), ist nicht eine
Frage der Anwendung von Art. 218 bis OR, sondern des Art. 218 OR. Sie ist
mit dem Hauptbegehren des Beschwerdeführers aufgeworfen; die Frage, ob -
gemäss Eventualbegehren - eine Ausnahme von der Sperrfrist zu bewilligen
sei, stellt sich erst, wenn vorher durch Abweisung des Hauptbegehrens
festgestellt worden ist, die Sperrfrist sei anwendbar und nicht abgelaufen.

Erwägung 3

    3.- Im vorgedruckten Text weist das Volkswirtschaftsdepartement darauf
hin, es sei gegen seinen Entscheid "gemäss Art. 218 quater OR innert 30
Tagen seit Empfang die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht
zulässig." Dieser Rechtsmittelbelehrung liegt die Annahme zugrunde, der
Entscheid des Volkswirtschaftsdepartementes sei ein letztinstanzlicher
kantonaler Entscheid. Die Annahme trifft indessen nicht zu.

    a) Soweit das Volkswirtschaftsdepartement in Anwendung des Art. 218
OR über das Hauptbegehren des Beschwerdeführers entschieden und die
Sperrfrist als anwendbar und als nicht abgelaufen bezeichnet hat, ist
sein Entscheid - mangels einer speziellen Zuständigkeitsvorschrift - an
den Regierungsrat weiterziehbar (vgl. das kantonale Gesetz vom 16. Mai
1965 über die Verwaltungsrechtspflege - abgekürzt VRP -, GS neue Reihe
Band 3 S. 477). Art. 43 VRP sieht den Weiterzug an den Regierungsrat
generell vor gegen "Verfügungen und Entscheide der Verwaltungsbehörden des
Staates". Zu diesen Verwaltungsbehörden gehören auch die Departemente des
Regierungsrates; das ergibt sich aus dem Wortlaut des Art. 44 VRP. Die
Anrufung des Regierungsrates ist laut Art. 43 Abs. 1 VRP allerdings nur
zulässig, "sofern nicht der Weiterzug an die Verwaltungsrekurskommission
oder an das Versicherungsgericht offensteht." Die Fälle des Weiterzugs
an die Verwaltungsrekurskommission sind in Art. 41 erschöpfend
aufgezählt. Dort sind unter lit. b auch einige Verfügungen aus dem
Bereich der Landwirtschaft erwähnt. Doch gehören Verfügungen über die
Anwendung des Art. 218 OR nicht dazu. Die beim Versicherungsgericht
anfechtbaren Verfügungen sind in Art. 42 VRP bezeichnet. Keiner der
dort erwähnten Fälle hat auf den Art. 218 OR Bezug. Daraus ergibt sich,
dass der Entscheid des Volkswirtschaftsdepartementes beim Regierungsrat
angefochten werden kann. Der kantonale Instanzenzug ist hinsichtlich des
Hauptbegehrens nicht erschöpft, weshalb in diesem Umfang nicht auf die
Beschwerde einzutreten ist.

    b) Bezüglich des Entscheids über die Verweigerung einer Ausnahme
von der Sperrfrist gemäss Art. 218 bis OR ist vom kantonalen
Einführungsgesetz vom 22. Dezember 1952 zum BG über die Erhaltung
des bäuerlichen Grundbesitzes (EG zum EGG; Bereinigte GS des Kantons
St. Gallen Band 3 S.11) auszugehen. Dieses Gesetz enthält einen Abschnitt
"V. Sperrfrist und Pacht". Dort ist in Art. 15 Abs. 1 Ziff. 1 das
Volkswirtschaftsdepartement als zuständig erklärt für die "Bewilligung
zur Veräusserung eines landwirtschaftlichen Grundstückes vor Ablauf der
Sperrfrist beim Vorliegen wichtiger Gründe gemäss Art. 218 bis OR". In
den anschliessenden Ziffern 2 und 3 sind weitere Zuständigkeiten des
Volkswirtschaftsdepartementes aufgezählt, und im zweiten Absatz wird für
diese - also nur für die in den Ziffern 2 und 3 genannten Verfügungen -
der Weiterzug an die Rekurskommission für Bodenrecht geöffnet. Daraus
ist zu schliessen, dass die in der Ziffer 1 erwähnten Entscheide über die
Anwendung des Art. 218 bis nicht an die Rekurskommission für Bodenrecht
weitergezogen werden konnten.

    Durch Art. 120 lit. c VRP ist Art. 15 Abs. 2 des EG zum EGG
geändert worden. Die Änderung besteht darin, dass die Beschwerde an die
Bodenrechtskommission durch die Beschwerde ans Verwaltungsgericht ersetzt
worden ist. Sie lässt aber die Beschränkung auf die in den Ziffern 2 und
3 von Art. 15 Abs. 1 des EG zum EGG bezeichneten Fälle unberührt.

    Konnten auf Grund der früheren Fassung des Art. 218 bis (AS 1952
S. 418) Zweifel darüber bestehen, ob das Bundesrecht die Kantone an
der Einführung eines Instanzenzuges hindere - es ist dort die Rede
von "einer" Behörde, die "endgültig" entscheidet -, so schliesst
die heutige Fassung des Art. 218 quater OR eine solche Unsicherheit
aus. Zwar spricht Art. 218 bis immer noch von "der" kantonalen Behörde,
aber der Zusatz, dass sie endgültig entscheide, fehlt. Dadurch, dass
Art. 218 quater OR in der Fassung vom 19. März 1965 (AS 1965 S. 449)
die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen letztinstanzliche kantonale
Entscheide öffnet, ermöglicht er, innerhalb des Kantons einen Instanzenzug
vorzusehen. Die Frage, ob es einen solchen gebe, ist ausschliesslich
eine solche des kantonalen Rechts. Im sankt-gallischen Recht ist diese
Frage durch die Generalklausel des Art. 43 Abs. 1 VRP gelöst. Da kein
Weiterzug an eine andere Instanz möglich ist, ist eine solche Verfügung
beim Regierungsrat anfechtbar.

    Der kantonale Instanzenzug ist daher auch mit Bezug auf das
Eventualbegehren des Beschwerdeführers nicht erschöpft. Auf die Beschwerde
ist auch in diesem Punkt nicht einzutreten.

Erwägung 4

    4.- Möglicherweise ist der Beschwerdeführer durch die vorgedruckte
Rechtsmittelbelehrung auf dem Entscheid des Volkswirtschaftsdepartementes
irregeleitet worden. Allein dadurch wird die mangelnde Zuständigkeit
des Bundesgerichts nicht aufgehoben. Ob der nicht rechtskundige
Beschwerdeführer sich auf die irrtümliche Rechtsmittelbelehrung hätte
berufen dürfen, und welche Folge das gehabt hätte (vgl. BGE 76 I 189/90
und 77 I 274), kann hier offen bleiben; denn er war schon im kantonalen
Verfahren durch einen Anwalt vertreten. Dem Anwalt aber konnte bei
zumutbarer Vigilanz nicht entgehen, dass die Rechtsmittelbelehrung
unrichtig oder mindestens zweifelhaft sei (BGE 78 I 297/98). In diesem Fall
wäre er gehalten gewesen, die Frage abzuklären, oder - bei Fortbestand
des Zweifels - den Entscheid des Volkswirtschaftsdepartements beim
Regierungsrat und beim Bundesgericht anzufechten; denn beiden Instanzen
steht für den vorliegenden Streitfall die gleiche Kognition zu (Art. 46
Abs. 1 VRP einerseits, Art. 104 OG und BGE 92 I 338 anderseits). Auch
die Frist von 30 Tagen ist im vorliegenden Falle für die Anrufung beider
Instanzen gleich, weil Art. 47 Abs. 3 VRP die Rekursfrist bei fehlerhafter
Rechtsmittelbelehrung auf 30 Tage erstreckt.

    Obschon sich der Beschwerdeführer an eine unzuständige Instanz
gewandt hat, ist ihm kein Rechtsnachteil erwachsen. Art. 30 Abs. 2
VRP sieht für den kantonalen Bereich vor, mit einer an unzuständiger
Stelle rechtzeitig eingereichten Eingabe sei die Frist eingehalten. Diese
Vorschrift steht allerdings im "Zweiten Teil" des VRP: "Verfahren vor den
Verwaltungsbehörden". Nach Art. 58 Abs. 1 VRP gilt sie aber in gleicher
Weise für den "Dritten Teil: Rechtsschutz in Verwaltungsstreitsachen". Zu
dieser Auslegung ist auch der Regierungsrat des Kantons St. Gallen gelangt
(vgl. Schreiben vom 9. Juli 1968).

Erwägung 5

    5.- Einer Überweisung der Streitsache an den Regierungsrat steht
kein Satz des Bundesrechts entgegen. Art. 96 Abs. 1 OG sieht eine
analoge Regelung im Verhältnis zwischen Bundesrat und Bundesgericht
vor. Die in Art. 78 Abs. 1 OG enthaltene Vorschrift, dass die Beschwerde
in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen bei der kantonalen Instanz
anzubringen sei, wird im Sinne von Art. 32 Abs. 3 OG als Ordnungsvorschrift
gehandhabt; sie schliesst die Beurteilung einer direkt beim Bundesgericht
eingereichten Beschwerde nicht aus. Allen diesen Vorschriften liegt der
Gedanke zugrunde, dass der Rechtsuchende nicht ohne Not um die Beurteilung
seines Rechtsbegehrens durch die zuständige Instanz gebracht werden
soll. In diesem Sinne ist auch hier zu erkennen.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht

    Die Beschwerde wird dem Regierungsrat des Kantons St. Gallen zur
Beurteilung überwiesen und am Geschäftsverzeichnis des Bundesgerichts
abgeschrieben.