Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 94 I 248



94 I 248

37. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 25. Juni 1968
i.S. Behaton Beton- und Hartbeton GmbH und Mitbeteiligte gegen Eidgen. Amt
für geistiges Eigentum. Regeste

    Wiedereinsetzung in den früheren Stand, Art. 47 PatG.

    Dem Verschulden des Patentinhabers ist ein solches seiner Hilfspersonen
gleichzusetzen (Bestätigung der Rechtsprechung).

    Sinngemässe Anwendbarkeit von Art. 101 OR, 35 OG, 13 BZP und 32 ff. OR
(Erw. 2 a, b).

    Geltung dieser Vorschriften auch gegenüber dem ausländischen
Patentbewerber (Erw. 2 c).

    Anforderungen an die Sorgfaltspflicht der Hilfsperson (Erw. 3).

    Verschulden der Hilfsperson. Versehen des Amtes als Mitursache der
Säumnis (Erw. 4).

Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Der Patentinhaber ist in den früheren Stand wiedereinzusetzen,
wenn er glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert worden
sei, die versäumte Frist einzuhalten (Art. 47 Abs. 1 PatG).

    Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes ist dem Verschulden
des Patentinhabers ein solches seiner Hilfspersonen, namentlich seines
bevollmächtigten Stellvertreters, gleichzusetzen (BGE 87 I 219, 90 I 53
und 188). Die Beschwerdeführer fechten diese Rechtsprechung an.

    a) In erster Linie versuchen sie die in den genannten Entscheiden
vertretene Auffassung zu widerlegen, gemäss Art. 7 ZGB sei Art.
101 OR auch auf andere zivilrechtliche Verhältnisse als nur auf die
obligationenrechtlichen sinngemäss anwendbar. Sie machen geltend, das
Patentgesetz, insbesondere dessen Art. 47, regle ein öffentlichrechtliches
Verhältnis. Dass die im Patentgesetz vorgesehenen Fristen letztlich zur
Wahrung eines privaten Rechtes eingehalten werden müssten, mache Art. 47
PatG nicht zu einer zivilrechtlichen Norm und das Verhältnis zwischen
dem Patentinhaber und dem Amte nicht zu einem zivilrechtlichen. Auf
Verhältnisse des öffentlichen Rechts aber dürften zivilrechtliche
Vorschriften nur angewendet werden, wenn das Gesetz es ausdrücklich
vorsehe oder öffentliche Interessen oder das Gebot der Rechtsgleichheit
es verlangten.

    Das Recht am Erfindungspatent ist, gleich wie z.B. das Eigentum, ein
absolutes privates Recht. Dass es von einer Amtsstelle erteilt wird und die
Erteilung sowie der Fortbestand von der Erfüllung gewisser Obliegenheiten
gegenüber dem Amt abhangen, ändert nichts. Es drängt sich daher auf, den
Patentbewerber oder Patentinhaber, der diese Obliegenheiten durch eine
Hilfsperson besorgen lässt, gleich zu behandeln wie z.B. den Eigentümer
einer Sache oder den Gläubiger aus einem Schuldverhältnis, der sein Recht
durch eine Hilfsperson wahren lässt und es durch ein Versehen derselben
einbüsst. Ob der Hilfsperson das Versehen im rechtsgeschäftlichen Verkehr
mit Privaten unterläuft oder bei der Erfüllung einer Obliegenheit gegenüber
einer Amtsstelle, bedeutet keinen grundsätzlichen Unterschied. Immer
geht es um die Frage, ob das Verhalten der Hilfsperson, von dem der
Bestand oder Fortbestand des privaten Rechtes abhängt, dem Träger des
Rechtes anzurechnen sei oder nicht. Dass die Tätigkeit der Amtsstelle dem
öffentlichen Recht untersteht, ist unerheblich, wie auch nichts darauf
ankommt, ob man das Verhältnis zwischen ihr und dem Patentbewerber oder
Patentinhaber als öffentlichrechtlich bezeichne. Die Wiedereinsetzung
in den früheren Stand hat nicht der Bereinigung dieses Verhältnisses zu
dienen, sondern soll dem Patentbewerber oder Patentinhaber ermöglichen,
das nicht erlangte oder erloschene private Recht nachträglich doch noch
zu erhalten bezw. wieder aufleben zu lassen. Der sinngemässen Anwendung
des Art. 101 OR, der gemäss Art. 7 ZGB nicht nur für Schuldverhältnisse,
sondern auch für andere zivilrechtliche Verhältnisse gilt, steht daher
nichts im Wege. Es handelt sich nicht um die sinngemässe Anwendung auf
ein öffentlichrechtliches Verhältnis, sondern um die Übertragung des
Grundgedankens des Art. 101 OR auf einen Sachverhalt, der wegen seiner
zivilrechtlichen Wirkungen vorwiegend nach zivilrechtlichen Grundsätzen
beurteilt werden muss.

    Übrigens hat das Bundesgericht nicht ausschliesslich Art. 101 OR,
sondern auch Art. 35 OG und Art. 13 BZP sinngemäss angewendet. Auch
diese Normen sehen im Verhalten des Vertreters nur dann einen Grund zur
Wiederherstellung gegen die Folgen einer Säumnis, wenn den Vertreter
an dieser kein Verschulden trifft. Sie lassen also die Wiedereinsetzung
nur zu, wenn weder der Partei, noch ihrem Vertreter ein Vorwurf gemacht
werden kann. Weshalb es nicht zulässig sein sollte, diese prozessualen
Bestimmungen auf Fälle der sogenannten freiwilligen Gerichtsbarkeit
anzuwenden, zu denen das Patenterteilungsverfahren gehört (GULDENER,
Grundzüge der freiwilligen Gerichtsbarkeit der Schweiz, S. 13),
ist nicht zu ersehen. Art. 35 OG gilt gemäss der ausdrücklichen
Vorschrift von Art. 130 Abs. 1 OG nicht nur für das Verfahren vor
dem Bundesgericht, sondern auch für das Beschwerdeverfahren vor dem
Bundesrat in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts. Das Argument, die
öffentlichrechtliche Natur des Verhältnisses zwischen dem Patentbewerber
oder Patentinhaber und dem Amt für geistiges Eigentum schliesse es aus,
das Verschulden des Vertreters dem Vertretenen anzurechnen, hält somit
nicht stand.

    b) Damit ist auch der Einwand widerlegt, die Haftung für Hilfspersonen
gemäss Art. 101 OR sei ein Fall der Kausalhaftung, die im Obligationenrecht
die Ausnahme bilde und daher nicht durch sinngemässe Anwendung auf
Verhältnisse des öffentlichen Rechts ausgedehnt werden dürfe.

    Übrigens will Art. 101 OR nicht die Verschuldenshaftung durch eine
Kausalhaftung ersetzen; sein Grundgedanke gehtvielmehr dahin, wer sich
zur Ausübung von Rechten oder Erfüllung von Pflichten einer Hilfsperson
bediene, statt selber zu handeln, müsse sich deren Tun und Unterlassen
anrechnen lassen, wie wenn er selber gehandelt hätte (BGE 80 II 253,
92 II 18 Erw. 3). Es wird stets geprüft, ob dem Geschäftsherrn eine
Verletzung seiner Pflichten vorgeworfen werden könnte, wenn er sich selber
so verhalten hätte wie die Hilfsperson (BGE 46 II 130, 53 II 240, 70 II
221 oben, 82 II 534, 92 II 18 Erw. 3, 92 II 239). Wer den Vorteil hat,
seine Pflichten und Rechte durch Hilfspersonen erfüllen bezw. ausüben zu
dürfen, soll auch die Nachteile daraus tragen.

    Dass der Vertretene für das Verhalten des Vertreters einstehen muss,
ergibt sich zudem aus dem Begriff der Stellvertretung. Diese kommt nicht
nur im rechtsgeschäftlichen Verkehr vor, sondern auch im Verkehr zwischen
Privaten und Amtsstellen, z.B. Gerichten. Wie der Vertretene die Vorteile
der Stellvertretung geniesst, hat er auch ein ihm nachteiliges Verhalten
des Vertreters zu verantworten. Im Falle der Säumnis des Vertreters kommt
der Umstand, dass weder diesen selbst noch den Vertretenen ein Verschulden
trifft, dem Vertretenen zugute. Es ist daher folgerichtig und billig, dass
ein Verschulden des Vertreters ebenfalls dem Vertretenen angerechnet wird.
Sonst könnte man sich im Verkehr mit Behörden durch Bestellung eines als
sorgfältig bekannten Stellvertreters jeder Verantwortung entschlagen. Die
Fristen würden damit in allen Fällen des Handelns durch einen sorgfältig
ausgewählten Stellvertreter sinnlos. Gerade im Verkehr mit dem Amt
für geistiges Eigentum, der meistens durch Vertreter erfolgt, wäre das
unerträglich.

    c) Die Beschwerdeführer bringen ferner vor, ein im Ausland
niedergelassener Patentbewerber könne nicht frei entscheiden, ob er den
Verkehr mit dem Amt für geistiges Eigentum einem Vertreter übertragen
wolle; Art. 13 Abs. 1 PatG schreibe ihm die Bestellung eines in der Schweiz
niedergelassenen Vertreters vor. In diesem Falle treffe der Grundgedanke
des Art. 101 OR nicht zu, sondern müsse genügen, dass der Patentbewerber
oder Patentinhaber seine Angelegenheit einem als zuverlässig bekannten
Vertreter übertragen und diesen richtig unterrichtet habe.

    Auch diese Überlegung hält nicht stand. Der Zwang zur Beiziehung
eines Vertreters enthebt den Vertretenen nicht der Verantwortung,
die mit dem Handeln durch Stellvertreter verbunden ist. Das Gesetz
verpflichtet den Patentbewerber zur Bestellung eines in der Schweiz
niedergelassenen Vertreters, weil es das Amt für geistiges Eigentum
der Notwendigkeit entheben will, mit dem im Ausland niedergelassenen
Patentbewerber unmittelbar verkehren zu müssen; die Handlungen und
Unterlassungen des Vertreters sollen dem Amte gegenüber als solche des
Vertretenen gelten. Wäre dem ausländischen Patentbewerber erlaubt, sich
der Verantwortung für das Verhalten des Vertreters zu entschlagen, so
wäre der Zweck der zwangsweisen Vertretung nur teilweise erreicht. Der
Patentbewerber, der einen berufsmässigen Vertreter beizieht, könnte in
der Regel glaubhaft machen, es treffe ihn in der Auswahl desselben kein
Verschulden. Da das Gesetz von den Vertretern keinen Fähigkeitsausweis
verlangt, könnte einem ausländischen Patentbewerber kaum jemals vorgeworfen
werden, er habe sich in der Auswahl seines berufsmässigen Vertreters
schuldhaft vergriffen.

    An der Rechtsprechung, wonach der Vertretene für das Verschulden
des Vertreters einzustehen hat, ist daher festzuhalten, und zwar auch in
Fällen, in denen der Vertretene in der Schweiz keinen Wohnsitz hat.

Erwägung 3

    3.- Die Beschwerdeführer machen geltend, die Anforderungen an die
Sorgfaltspflichten des Vertreters seien nicht zu überspannen, weil
nach Art. 47 PatG der Wiedereinsetzungsgrund nur glaubhaft gemacht zu
werden brauche und der Wert des erloschenen Patents meistens die verspätet
bezahlte Patentgebühr weit übertreffe.

    Das Gesetz ist sehr weitherzig, indem es dem Patentinhaber drei
Monate Zeit lässt, um die Patentgebühr zu zahlen (Art. 42 Abs. 2 PatG),
ihm ferner weitere drei Monate einräumt, um das erloschene Patent
wiederherstellen zu lassen (Art. 46 Abs. 1 PatG) und schliesslich während
eines weiteren Jahres die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den
früheren Stand vorsieht, wobei es sich mit der blossen Glaubhaftmachung
des Wiedereinsetzungsgrundes begnügt (Art.47 PatG). Dieses grosse
Entgegenkommen, namentlich der Umstand, dass der Wiedereinsetzungsgrund
nicht streng bewiesen werden muss, ist kein Grund, auch noch bei der
Würdigung, ob die Säumnis verschuldet sei, Nachsicht zu üben. Auch der
hohe Wert, den ein erloschenes Patent möglicherweise hatte, gibt hiezu
nicht Anlass. Gerade in Fällen wo hohe Interessen auf dem Spiele stehen,
haben der Patentinhaber und sein Vertreter Grund, besonders sorgfältig
zu sein. Zudem darf nicht einseitig auf die Interessen des Patentinhabers
Rücksicht genommen werden. Auch Dritte sind daran interessiert, dass ein
erloschenes Patent nicht leichthin nachträglich wiederhergestellt werde.

Erwägung 4

    4.- Die Versäumung der Wiederherstellungsfrist ist darauf
zurückzuführen, dass der Vertreter der Beschwerdeführer wie schon
während der Zahlungsfrist auch noch während der Wiederherstellungsfrist
der Meinung war, die zweite Jahresgebühr sei für 1966 geschuldet und die
dritte für 1967, während in Wirklichkeit das zweite Patentjahr am 17. Juni
1965 und das dritte am 17. Juni 1966 begann. Dieser Irrtum hätte durch
aufmerksames Lesen des Art. 42 PatG und der Mahnung vom 11. Mai 1966 ohne
weiteres vermieden werden können. Er kann weder damit entschuldigt werden,
dass die Mahnung zur Zahlung der zweiten Jahresgebühr erst am 11. Mai 1966
erfolgte und diese Gebühr bis 31. Juli 1966 bezahlt werden konnte - was
dem Art. 42 Abs. 3 PatG entsprach - noch damit, dass der Vertreter der
Beschwerdeführer die Fristen in eine Agenda einzutragen pflege. Sollte
ihm das auf eine Verkennung des Art. 42 PatG zurückzuführende Versehen
nicht schon bei der Eintragung in die Agenda unterlaufen sein, so hat er
in der Folge die Eintragungen nicht beachtet oder falsch gelesen.

    Das Verschulden des Vertreters der Beschwerdeführer wird auch nicht
dadurch hinfällig, dass das Amt für geistiges Eigentum ihn versehentlich
weder auf das Ende der Zahlungsfrist und die Folgen der Nichtbezahlung
der dritten Jahresgebühr, noch auf das Erlöschen des Patentes und das
Ende der Wiederherstellungsfrist aufmerksam machte. Nach Art. 38 Abs. 2
und 3 PatV I hätte es das zwar tun sollen, doch sind diese Bestimmungen
nur Ordnungsvorschriften. Ihre Nichtbefolgung hemmt weder den Lauf der
Zahlungs- bezw. Wiederherstellungsfrist, noch enthebt sie den Patentinhaber
und seinen Vertreter der in Art. 38 Abs. 1 PatV I vorgesehenen eigenen
Verantwortung für deren Einhaltung (nicht veröffentlichte Entscheide der
I. Zivilabteilung vom 6. Mai 1967 i.S. Helmholz & Pauli und vom 9. Mai 1967
i.S. Erard). Die Unterlassung des Amtes mag eine Mitursache der Säumnis
der Beschwerdeführer gewesen sein, ändert aber nichts daran, dass auch
der Vertreter der Beschwerdeführer durch Verkennung des Art. 42 PatG und
unrichtige Führung der Agenda oder dadurch, dass er die Eintragungen in
dieser überhaupt nicht oder unrichtig las, eine Ursache setzte.

    Dass das Amt nach dem Ablauf der Wiederherstellungsfrist fast ein
Jahr verstreichen liess, bevor es den Vertreter der Beschwerdeführer
auf das Erlöschen des Patentes aufmerksam machte, kann entgegen der
Auffassung der Betroffenen ebenfalls nicht zur Wiedereinsetzung in den
früheren Stand führen. Eine raschere Mitteilung des Amtes hätte an der
schuldhaften Säumnis des Vertreters der Beschwerdeführer nichts zu ändern
vermocht. Mit dem Einwand, die Abweisung des Wiedereinsetzungsgesuches
sei zu hart, verkennen die Beschwerdeführer, dass es weder im Ermessen
des Amtes für geistiges Eigentum noch im Ermessen des Gerichtes liegt,
den Säumigen wiedereinzusetzen, wenn er oder seine Hilfsperson die Säumnis
verschuldet hat.