Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 94 I 146



94 I 146

23. Urteil vom 3. Mai 1968 i.S. Fabrik X. AG gegen Rekurskommission des
Kantons Bern. Regeste

    Wehrsteuer vom Reinertrag der Aktiengesellschaft:

    Gewinne und Aufwendungen des ersten Geschäftsjahres, das nach
Art. 58 WStB als Bemessungszeitraum für mehrere Veranlagungsperioden
dient, sind nur bei der Berechnung der Steuer für eine dieser Perioden
zu berücksichtigen, wenn sie als derart ausserordentlich erscheinen,
dass durch ihre wiederholte Anrechnung die steuerpflichtige Gesellschaft
über Gebühr benachteiligt oder begünstigt würde.

Sachverhalt

    A.- Die Beschwerdeführerin, Fabrik X. AG, wurde am 1.  Januar 1962
gegründet. Für das erste Geschäftsjahr (1962) wies sie einen Reinertrag
von Fr. 3134.-- aus, nachdem sie vom Einstandswert des Warenlagers 1/3 =
Fr. 115'523.-- abgestrichen hatte.

    Entsprechend diesem Jahresabschluss setzte die kantonale
Wehrsteuerverwaltung den steuerbaren Reinertrag der Beschwerdeführerin für
das noch in Betracht fallende zweite Jahr (1962) der 11. Wehrsteuerperiode
auf Fr. 3100.-- fest. Diese Veranlagung wurde rechtskräftig.

    Bei der Veranlagung der Beschwerdeführerin für die
12. Wehrsteuerperiode (1963/64) wurde der Berechnung des steuerbaren
Reinertrages wieder das Ergebnis des ersten Geschäftsjahres zugrunde
gelegt, doch wurde nun der Betrag von Fr. 115'523.--, den die
Steuerpflichtige vom Einstandswert des Warenlagers abgestrichen hatte,
nicht mehr zum Abzug zugelassen. Demgemäss wurde diesmal der steuerbare
Reinertrag auf Fr. 118'600.-- festgesetzt. Diese Einschätzung wurde
im Einspracheverfahren bestätigt. Die Beschwerde der Steuerpflichtigen
gegen den Einspracheentscheid wurde von der kantonalen Rekurskommission
am 30. Mai 1967 abgewiesen.

    B.- Die Steuerpflichtige ficht den Entscheid der Rekurskommission mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an. Sie beantragt, der steuerbare Reinertrag
sei für die 12. Wehrsteuerperiode auf Fr. 3100.-- herabzusetzen.

    Sie macht geltend, nach Art. 58 Abs. 4 WStB sei das Ergebnis ihres
ersten Geschäftsjahres für die Berechnung der Steuer nicht nur der 11.,
sondern auch der 12. Periode massgebend. Der angefochtene Entscheid
verstosse gegen diese Bestimmung. Einzig ausserordentliche, nicht auf der
normalen wirtschaftlichen Tätigkeit der Gesellschaft beruhende Erträge und
Aufwendungen wären nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 84 I
242) nur einmal zu berücksichtigen. Einen solchen Posten stelle aber der
Abstrich eines Drittels vom Einstandswert des Warenlagers nicht dar; werde
er doch von den Steuerbehörden als geschäftsmässig begründet betrachtet.

    C.- Die kantonale Rekurskommission und die eidgenössische
Steuerverwaltung beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Wehrsteuer vom Reinertrag der Aktiengesellschaft wird in
der Regel nach dem durchschnittlichen Ergebnis der zwei Geschäftsjahre
bemessen, die mit den beiden der Veranlagungsperiode vorangegangenen, die
Berechnungsperiode bildenden Kalenderjahren zusammenfallen oder in der
Berechnungsperiode vor Ablauf dieser Kalenderjahre abgeschlossen worden
sind (Art. 58 Abs. 1-3 WStB). In Abweichung von dieser Berechnungsweise
wird der Veranlagung das Ergebnis des ersten Geschäftsjahres zugrunde
gelegt: a) bei Neugründungen während eines Steuerjahres; b) wenn bei Beginn
der Veranlagungsperiode erst ein Geschäftsjahr abgelaufen ist oder wenn
das erste Geschäftsjahr erst im Laufe der Veranlagungsperiode abgeschlossen
wird (Art. 58 Abs. 4 lit. a und b WStB). Diese Ordnung hat zur Folge, dass
das erste Geschäftsjahr im allgemeinen als Bemessungszeitraum für zwei,
unter Umständen sogar für drei Veranlagungsperioden dienen muss. So ist
im vorliegenden Fall das Ergebnis des ersten, mit dem Kalenderjahr 1962
zusammenfallenden Geschäftsjahres Grundlage der Berechnung der Steuer
für das zur 11. Veranlagungsperiode gehörende Jahr 1962 (Art. 58 Abs. 4
lit. a WStB) wie auch der Steuern für die ganze, die Jahre 1963 und 1964
umfassende 12. Veranlagungsperiode (Art. 58 Abs. 4 lit. b WStB); wäre das
erste Geschäftsjahr erst im Laufe - vor dem Ende - des Kalenderjahres
1963 abgeschlossen worden, so wäre sein Ergebnis ausserdem noch bei
der Berechnung der Steuern der die Jahre 1965 und 1966 umfassenden
13. Veranlagungsperiode zu berücksichtigen (Art. 58 Abs. 1-3 WStB).

    Für die periodische Ertragsbesteuerung muss jedoch im allgemeinen
der Grundsatz wegleitend sein, dass jeder Ertrag einmal, aber auch nur
einmal, erfasst werden soll. Dieser Grundsatz entspricht dem Postulat,
dass jeder Steuerpflichtige nach Massgabe seiner wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit zu belasten ist. Es unterliegt keinem Zweifel, dass
auch der Wehrsteuerbeschluss eine in diesem Sinne gleichmässige und
gerechte Besteuerung zu verwirklichen sucht. Bei seiner Auslegung ist
dies zu berücksichtigen (E. BLUMENSTEIN, System des Steuerrechts S. 19).

    Die aus Art. 58 WStB sich ergebende Folge, dass eine und dieselbe
Zeitspanne als Berechnungszeitraum für mehrere Veranlagungsperioden
dient, gibt nicht Anlass zu Bedenken, wenn und solange die jährlichen
Reinerträge in ihrer Zusammensetzung und ihrem Umfang nicht erheblich
voneinander abweichen. Dagegen können Unzukömmlichkeiten entstehen,
wenn der Ertrag während des Zeitraums, der wiederholt der Steuerbemessung
zugrunde gelegt wird, durch ausserordentliche Gewinne oder Aufwendungen
erhöht oder vermindert wird. Würden solche Faktoren für mehr als
nur eine Veranlagungsperiode in Rechnung gestellt, so könnte die
steuerpflichtige Gesellschaft unter Umständen über Gebühr benachteiligt
oder begünstigt werden. Wo die wiederholte Berücksichtigung von Ertrags-
oder Aufwandsposten zu derart stossenden Ergebnissen führen würde,
ist sie nicht zulässig, weil nicht vereinbar mit den Grundsätzen
der Rechtsgleichheit und der Steuergerechtigkeit, von denen der
Wehrsteuerbeschluss getragen ist und die auch für die Auslegung seines
Art. 58 massgebend sein müssen.

    Im Sinne dieser Grundsätze hat denn auch das Bundesgericht den
Fall einer Aktiengesellschaft beurteilt, die im ersten Geschäftsjahr
einen ausserordentlichen, nicht aus ihrer normalen wirtschaftlichen
Tätigkeit stammenden Gewinn erzielt hatte. Es hat entschieden, dass
dieser Gewinn, der bei der ersten Veranlagung der Gesellschaft gemäss
Art. 58 Abs. 4 lit. a WStB erfasst worden war, bei der Veranlagung für die
folgende Periode nicht nochmals, gestützt auf Art. 58 Abs. 4 lit. b WStB,
angerechnet werden dürfe (BGE 84 I 242 ff.). Was in diesem Urteil über die
Gewinne ausgeführt wird, muss aber entsprechend auch für die Aufwendungen
gelten. Gewinne wie Aufwendungen dürfen nur für eine Veranlagungsperiode
berücksichtigt werden, wenn sie als derart ausserordentlich erscheinen,
dass ihre wiederholte Anrechnung dem oben dargelegten Sinne des Gesetzes
widerspräche. Der durch Auslegung des Gesetzes gewonnene Rechtssatz
muss in beiden Fällen angewandt werden; ob sich seine Anwendung für
die steuerpflichtige Gesellschaft günstig oder ungünstig auswirkt,
ist unerheblich.

Erwägung 2

    2.- Nach der Verwaltungspraxis werden Abzüge, die in der Bilanz
durch Unterbewertung des Warenlagers vorgenommen werden, bei der
Veranlagung zur Wehrsteuer in der Regel ohne weiteres als geschäftsmässig
begründet anerkannt, soweit sie einen Drittel der Gestehungskosten
oder des niedrigeren Marktwertes nicht übersteigen (Kreisschreiben der
eidgenössischen Steuerverwaltung vom 1. Februar und 26. November 1951,
ASA Bd. 19 S. 327 und Bd. 20 S. 241). Die Beschwerdeführerin hat im
ersten Geschäftsjahr 1962 vom Einstandswert der Warenvorräte einen Drittel
abgestrichen. Diesen Abzug hat die kantonale Wehrsteuerverwaltung bei der
- rechtskräftig gewordenen - ersten Veranlagung der Beschwerdeführerin,
für das zweite Jahr der 11. Wehrsteuerperiode, gemäss jener Praxis
berücksichtigt. Die Beschwerdeführerin verlangt, dass der Abstrich
auch noch bei der Veranlagung für die 12. Periode zugelassen werde,
weil nach Art. 58 Abs. 4 WStB für beide Perioden das Ergebnis des ersten
Geschäftsjahres massgebend sei. Dieses Begehren ist unbegründet.

    Die Unterbewertung des Warenlagers hat sich auf den Reinertrag
der Beschwerdeführerin im ersten Geschäftsjahr in einem grossen
Umfange ausgewirkt; das in diesem Jahr erzielte nicht unbeträchtliche
Betriebsergebnis ist dadurch fast völlig aufgezehrt worden. Dagegen hat der
Abstrich den Ertrag der folgenden Geschäftsjahre nicht mehr geschmälert;
die Unterbewertung ist in diesen Jahren - wirtschaftlich betrachtet
- jeweils aus dem Vorjahr übernommen, also nicht erneut vorgenommen
worden (BGE 91 I 291/2). Wohl sind weitere Unterbewertungen gleicher
Art möglich, wenn das Warenlager vergrössert wird; sie werden aber kaum
je oder doch nur ganz ausnahmsweise das Ausmass derjenigen erreichen,
die im ersten Geschäftsjahr in die Bilanz eingeführt worden ist. Der
umstrittene Abstrich gehört nicht zu den Aufwendungen, die das Ergebnis
eines normalen Geschäftsjahres beeinflussen. Er ist nach seinem Charakter
und seinem Umfang derart ausserordentlich, dass er nicht auch noch in der
12. Veranlagungsperiode berücksichtigt werden darf, nachdem er bereits
in der Vorperiode zugelassen worden ist. Seine nochmalige Anrechnung ist
umsoweniger gerechtfertigt, als die durch die Unterbewertung allenfalls
geschaffene stille Reserve bei ihrer späteren Auflösung auch nur einmal
der Steuer vom Reinertrag unterworfen werden könnte. Würde dem Begehren
der Beschwerdeführerin entsprochen, so genösse sie einen Steuervorteil, auf
den sie nach den für die Anwendung des Wehrsteuerbeschlusses massgebenden
Geboten der Rechtsgleichheit und Steuergerechtigkeit keinen Anspruch hat
(im gleichen Sinne: nicht veröffentlichtes Urteil vom 9. Februar 1968
i.S. Stettler, betreffend Art. 41 WStB).

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.