Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 94 IV 49



94 IV 49

13. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 11. Juli 1968
i.S. Füchslin und Beglinger gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau.
Regeste

    Art. 41 Ziff. 1 Abs. 1, 68 Ziff. 2, 363 Abs. 4 StGB. Der Vollzug
einer Zusatzstrafe, die zusammen mit der Grundstrafe ein Jahr übersteigt,
kann selbst dann nicht bedingt aufgeschoben werden, wenn die Grundstrafe
im Strafregister bereits gelöscht worden ist.

Sachverhalt

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde von Füchslin richtet sich einzig gegen
die Weigerung des Obergerichts, dem Verurteilten für die Zusatzstrafe
von sechs Monaten Gefängnis den bedingten Aufschub zu gewähren.

    a) Die Vorinstanz begründet die Weigerung vor allem damit, dass die
neue Strafe zusammen mit einer frühern Zusatzstrafe von vier Monaten
Gefängnis (Urteil des Bezirksgerichtes Uster vom 14. Februar 1968) und
der Grundstrafe von acht Monaten Gefängnis (Urteil des Obergerichts des
Kantons Thurgau vom 7. Januar 1965) eine Gesamtstrafe von 18 Monaten
ergebe, folglich schon von Gesetzes wegen nicht bedingt aufgeschoben
werden dürfe. Der Beschwerdeführer hält dem insbesondere entgegen, dass
die Grundstrafe vom 7. Januar 1965 im Strafregister bereits gelöscht
worden sei und daher bei der Anwendung des Art. 41 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
nicht mehr herangezogen werden könne, da sonst eine erneute Verurteilung
mit bedingtem Strafvollzug aus rein formalen Gründen verunmöglicht würde.

    Wie der Kassationshof in BGE 76 IV 75 entschieden hat, kann der VOIlzug
einer Zusatzstrafe nicht bedingt aufgeschoben werden, wenn diese Strafe
und die Grundstrafe zusammen ein Jahr übersteigen. Dass im vorliegenden
Fall die Löschung der Grundstrafe bereits angeordnet war, als die zweite
Zusatzstrafe ausgefällt wurde, rechtfertigt keine Ausnahme. Selbst wenn
die Löschung zu Recht erfolgte, wurde das Urteil über die Grundstrafe
dadurch nicht aufgehoben. Eine solche Massnahme bewirkt bloss, dass das
Urteil gewissen Behörden nicht mehr mitgeteilt und die darin ausgesprochene
Freiheitsstrafe nicht mehr vollzogen werden darf. Für Untersuchungsämter
und Strafgerichte bleibt der Strafregistereintrag dagegen auch nachher
noch von Bedeutung, da er ihnen unter Hinweis auf die Löschung weiterhin
mitzuteilen ist, wenn die Person, über welche sie Auskunft verlangen,
sich strafrechtlich zu verantworten hat (Art. 363 Abs. 4 StGB). Diese
Mitteilung aber hat ihren Sinn gerade darin, dass die Strafgerichte bei
einer neuen Aburteilung eines Angeschuldigten auch gelöschte Strafen
berücksichtigen (BGE 69 IV 202 Erw. 4, 71 IV 31).

    Das ist kein Formalismus, sondern entspricht dem Sinn und Zweck
des Gesetzes, insbesondere von Art. 68 Ziff. 2 StGB. Diese Bestimmung
will das Gleichgewicht mit der Gesamtstrafe ermöglichen, welche bei
gleichzeitiger Beurteilung aller Straftaten auszufällen gewesen wäre;
sie will den Täter durch die Aufteilung der Strafverfolgung in mehrere
Verfahren also weder benachteiligen noch besserstellen (BGE 69 IV 58, 80 IV
225). Die Besserstellung lässt sich hier freilich insofern nicht vermeiden,
als es unter der Voraussetzung, dass die Löschung der Grundstrafe zu
Recht erfolgte (BGE 76 IV 10), nicht nur dabei bleibt, sondern auch
beim bedingten Aufschub der ersten Zusatzstrafe sein Bewenden hat,
bei gleichzeitiger Beurteilung dagegen alle Straftaten mit unbedingter
Strafe hätten gesühnt werden müssen. Umso stossender wäre es, wenn das
Obergericht die Grundstrafe wegen der Löschung hätte ignorieren müssen,
als es über den bedingten Aufschub der zweiten Zusatzstrafe zu entscheiden
hatte. Eine solche Auslegung des Gesetzes hat der Kassationshof denn
auch schon für den Fall, dass eine Grund- oder Zusatzstrafe gnadenweise
erlassen worden ist, als irrtümlich verworfen (BGE 80 IV 10).

    b) Der bedingte Aufschub der zweiten Zusatzstrafe wäre übrigens auch
nach dem Vorleben und Charakter des Verurteilten nicht gerechtfertigt
(was näher ausgeführt wird).