Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 94 IV 11



94 IV 11

3. Urteil des Kassationshofes vom 16. Februar 1968 i.S. X. gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. Regeste

    Art. 41 Ziff. 2 Abs. 1 StGB.

    1.  Sinn und Zweck der Weisungen, die der Richter dem Verurteilten
für das Verhalten während der Probezeit erteilen kann.

    2.  Der Entzug des Führerausweises und die Weisung, während der
Probezeit kein Motorfahrzeug zu führen, schliessen einander nicht aus
(Erw. 1).

    3.  Wann hält sich eine solche Weisung im Rahmen richterlichen
Ermessens (Erw. 2)?

Sachverhalt

    A.- Der 1936 geborene X. ist Wirt und Koch von Beruf. Am 16. August
1966 fuhr er im Auto von Oeschgen nach Rapperswil, wo er Wein und Whisky
trank und mit der Ehefrau in Streit geriet. Als sie nach 23 Uhr die
Heimfahrt antraten, wollte er entgegen der sonstigen Gepflogenheit und
obwohl die Frau ihn daran erinnerte, das Steuer nicht ihr überlassen;
er wollte seiner Ehefrau vielmehr den Meister zeigen und den Wagen selber
lenken. Auf der Fahrt stritten sie sich weiter.

    Um 23.20 Uhr näherte er sich in Uerikon mit 80-90 km/Std einem
Fussgängerstreifen, auf dem zwei 23-jährige Mädchen die 10 m breite Strasse
von rechts nach links überqueren wollten. X. hätte sie auf der geraden und
gut beleuchteten Strasse schon aus 100 m Entfernung sehen können. Weil
er durch den andauernden Streit abgelenkt wurde, erblickte er die
Fussgängerinnen jedoch zu spät und konnte ihnen nicht mehr ausweichen. Die
Mädchen wurden in der Strassenmitte vom Wagen frontal erfasst und auf die
linke Fahrbahn geschleudert, wobei das eine getötet, das andere erheblich
verletzt wurde. Die Blutprobe ergab bei X. eine Alkoholkonzentration von
1,4-1,5 Gewichtspromille; bei seiner Frau verlief sie negativ.

    B.- Das Bezirksgericht Meilen erklärte X. am 22. Juni 1967 der groben
Verletzung von Verkehrsregeln (Art. 90 Ziff. 2 SVG), des Fahrens in
angetrunkenem Zustande (Art. 91 Abs. 1 SVG) sowie der fahrlässigen Tötung
(Art. 117 StGB) schuldig und verurteilte ihn zu vier Monaten Gefängnis. Den
bedingten Aufschub der Strafe lehnte es ab.

    Auf Berufung des Verurteilten gewährte ihm das Obergericht des
Kantons Zürich am 24. Oktober 1967, wenn auch mit Bedenken, den bedingten
Strafvollzug und setzte ihm fünf Jahre Probezeit. Die Massnahme wurde mit
der Weisung verbunden, während der Probezeit kein Motorfahrzeug zu führen.

    C.- X. führt gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag,
die ihm erteilte Weisung aufzuheben.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 41 Ziff. 2 Abs. 1 StGB kann der Richter dem Verurteilten
für sein Verhalten während der Probezeit bestimmte Weisungen erteilen,
so die Weisung, einen Beruf zu erlernen, sich geistiger Getränke zu
enthalten, den Schaden innerhalb bestimmter Frist zu ersetzen.

    Wahl und Inhalt der Weisung haben sich nach dem Zweck des bedingten
Strafvollzuges zu richten, durch den der Verurteilte dauernd und innerlich
gebessert werden soll. Das heisst insbesondere, dass der Richter dem
Verurteilten keine Weisung erteilen darf, die sich schon zur Zeit des
Urteils als unerfüllbar oder unzumutbar erweist; eine solche Weisung wäre
nicht nur sinnlos, sondern müsste den Verurteilten entmutigen und damit
seine Besserung gefährden. Auch darf die Weisung nicht vorwiegend oder
gar ausschliesslich darauf abzielen, dem Verurteilten Nachteile zuzufügen
oder Dritte vor ihm schützen zu wollen. Damit eine Weisung zulässig sei,
muss sie in erster Linie vielmehr im Interesse des Verurteilten liegen
und voraussichtlich befolgt werden können. Das ist dann der Fall, wenn
sie dazu bestimmt und geeignet ist, erzieherisch auf den Verurteilten
einzuwirken und damit der Gefahr neuer Verfehlungen vorzubeugen. Innerhalb
der sich daraus ergebenden Schranken sind Wahl und Inhalt der Weisung
ins richterliche Ermessen gestellt (vgl. BGE 71 IV 178, 79 IV 105 und
nicht veröffentlichtes Urteil des Kassationshofes vom 26. Januar 1951
i.S. Camenisch).

    Das gilt auch für die Weisung, während der Probezeit kein Motorfahrzeug
zu führen. Eine solche Weisung wird nicht dadurch gegenstandslos, dass
dem Verurteilten, der sich als Führer eines Motorfahrzeuges vergangen
hat, der Führerausweis entzogen wird. Die beiden Massnahmen können
unabhängig voneinander angeordnet werden, mögen sie für den Betroffenen
auch weitgehend die gleichen Folgen haben. Das ergibt sich schon daraus,
dass sie verschiedenen Behörden zustehen, der Führerausweis unter Umständen
entzogen werden muss (Art. 16 Abs. 3 SVG), die Weisung nach Art. 41 Ziff. 2
StGB aber stets dem freien Ermessen des Strafrichters anheimgestellt
ist. Dazu kommt, dass sie nicht notwendig nach den gleichen Gesichtspunkten
verhängt werden. Die Weisung soll vor allem zur Besserung des Verurteilten
beitragen, während der Führerausweisentzug in erster Linie eine sichernde
Massnahme zur Verhütung von neuen Verkehrsgefährdungen darstellt (vgl. BGE
77 IV 73; Botschaft des Bundesrates zum SVG, BBl 1955 II S. 23).

Erwägung 2

    2.- Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz war der
Entschluss des Beschwerdeführers, den Wagen selber zu lenken, vor
allem auf seinen Zorn über die Ehefrau zurückzuführen, von der er sich
zu Unrecht angegriffen fühlte. X. erklärte denn auch vor Obergericht,
dass er wegen des Streites mit der Frau und um ihr den Meister zu zeigen,
stur darauf ausgegangen sei, das Steuer selbst zu übernehmen. Nach seinen
eigenen Angaben hat er zudem die Geschwindigkeit zwischen Rapperswil
und Uerikon, obschon er sich mit der Frau ständig stritt, zuweilen bis
auf 120 km/Std gesteigert. Dadurch verriet er aber Charakterfehler,
denen gegenüber eine Erziehungsmassnahme am Platze ist. Wer, wie der
Beschwerdeführer, sich in einem Zornanfall des Steuers bemächtigt und
drauflosfährt, weil er sich zu Unrecht angegriffen glaubt und sich mit
allen Mitteln behaupten will, der gefährdet den Verkehr nicht minder
als ein angetrunkener Fahrer; er verdient, mit einer Weisung, ausser an
wichtige Verkehrsverpflichtungen, auch daran erinnert zu werden, dass
man seinem Zorn nicht zum Schaden anderer Luft machen darf, sondern ihn
beherrschen soll. Die dem Beschwerdeführer erteilte Weisung lag daher
nicht weniger nahe als die ihm offenbar genehmere Auflage, sich während
der Probezeit geistiger Getränke zu enthalten.

    Die Weisung an den Beschwerdeführer, während fünf Jahren kein
Motorfahrzeug zu führen, müsste als unangemessen bezeichnet werden, wenn X.
auf ein solches Fahrzeug angewiesen wäre. Dass dies der Fall sei, behauptet
er jedoch selber nicht und ist auch nicht zu ersehen, zumal seine Frau,
die ihm im Betriebe behilflich ist, einen Führerausweis besitzt. Die Dauer
der Weisung hält sich somit ebenfalls im Rahmen sachgemässen Ermessens,
in das der Kassationshof auf Nichtigkeitsbeschwerde hin nicht einzugreifen
hat. Zu Bedenken besteht umsoweniger Anlass, als X. nach einer weitern
Feststellung des Obergerichts zu Jähzorn neigt und in diesem Zustand
leicht die Selbstbeherrschung verliert. Dass er einen guten Leumund
geniesst und als Automobilist nur einmal versagt hat, hilft ihm deshalb
nicht. Die Weisung findet ihre Rechtfertigung denn auch nicht darin,
dass Dritte vor seinem Jähzorn geschützt werden, sondern darin, dass er
sich beherrschen lernt.

Entscheid:

Demnach erkennt der Kassationshof:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.