Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 94 IV 105



94 IV 105

28. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 25. September 1968
i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern gegen Zai. Regeste

    Art. 133 StGB, Raufhandel. Passivität der angegriffenen Partei, wodurch
Raufhandel ausgeschlossen wird, liegt nur vor, wenn der Angegriffene sich
bloss zu schützen sucht, ohne selber tätlich zu werden.

Sachverhalt

    A.- Im Zusammenhang mit einem Autokauf kam es am 4.  April 1967
zwischen dem Garagisten Marius Zai und dessen Sohn Peter einerseits sowie
dem Käufer Hans Verzeri anderseits zu tätlichen Auseinandersetzungen. In
deren Verlauf erhielt Verzeri von Marius Zai einen Stoss, durch den er
zu Boden kam, von beiden Zai zudem Schläge; schliesslich wurde er von
diesen unsanft in sein Auto verbracht. Verzeri versetzte dem Marius Zai
einen einzigen Schlag ins Gesicht, nachdem ihn dieser von hinten gestossen
hatte. Sonst verhielt Verzeri sich rein passiv.

    B.- Mit Urteil vom 19. März 1968 wurden Marius und Peter Zai vom
Amtsgericht Luzern-Stadt der Beteiligung an einem Raufhandel (Art.
133 StGB) schuldig erklärt; Marius Zai wurde mit einem Monat Gefängnis,
bedingt erlassen auf 3 Jahre, und Fr. 100.-- Busse, Peter Zai mit Fr. 80.-
Busse bestraft.

    Auf ihre Appellation wurden Marius und Peter Zai vom Obergericht des
Kantons Luzern am 11. Juni 1968 lediglich der Tätlichkeiten (Art. 126
StGB) schuldig erklärt; Marius Zai wurden Fr. 100.--, Peter Zai Fr. 30.-
Busse auferlegt.

    C.- Gegen das obergerichtliche Urteil führt die Staatsanwaltschaft des
Kantons Luzern Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf dessen Aufhebung
und Rückweisung der Sache zur Verurteilung beider Beschwerdegegner wegen
Beteiligung an einem Raufhandel.

    Marius and Peter Zai beantragen Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

    Das Obergericht verneint das Vorliegen eines Raufhandels mit der
Begründung, der einzige Schlag, den Verzeri dem Marius Zai, als Abwehr
des unerwarteten tätlichen Angriffs von hinten, versetzte, vermöge die
Auseinandersetzung noch nicht zu einem Raufhandel zu machen; nachher habe
Verzeri sich rein passiv und abwehrend verhalten. Das hatte zur Folge,
dass die beiden Angreifer nur wegen Tätlichkeit bestraft wurden, obwohl
der Angegriffene nicht unbedeutende Verletzungen erlitt (Rippenfissur, ev.
-fraktur; ausgeschlagener Stiftzahn). Fälle, wo mehrere tätlich aneinander
geraten und dabei einer getötet oder verletzt wird, ohne dass festgestellt
werden kann, wer der Urheber ist, hat aber Art. 133 StGB gerade im Auge. Im
Entscheid BGE 70 IV 128, den die Vorinstanz anführt, wurde freilich gesagt,
man könne nicht mit jemandem raufen, der sich nicht darauf einlasse,
sondern passiv bleibe oder den Angriff bloss abwehre. Unter dieser
Passivität wird indessen im Zusammenhang mit dem vorhergehenden Satz
nur eine Abwehr verstanden, die nicht auch wieder in Schläge und Stösse
u.s.f. ausartet, wo sich der Angegriffene vielmehr bloss zu schützen sucht,
ohne selber tätlich zu werden. So, völlig passiv also, verhielt sich in
jenem Fall der angegriffene Grunder. Wo der Angegriffene hingegen selber
ebenfalls dreinschlägt, sei es auch nur zur Abwehr, hat man es nach dem
allgemein anerkannten Wortsinn, auf den BGE 70 IV 127 abstellt, mit einem
Raufhandel zu tun.

    Im vorliegenden Fall hat sich der Kläger Verzeri aktiv zur Wehr
gesetzt, indem er dem Marius Zai einen Schlag ins Gesicht versetzte,
nachdem ihn dieser von hinten gestossen hatte. Damit sind die Merkmale
des Raufhandels erfüllt. Auf die Anzahl der Schläge kommt es nicht an.

Entscheid:

Demnach erkennt der Kassationshof:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das angefochtene Urteil
aufgehoben und die Sache zur Verurteilung der Beschwerdegegner wegen
Beteiligung an einem Raufhandel an die Vorinstanz zurückgewiesen.