Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 94 II 96



94 II 96

14. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 28. Mai 1968 i.S. Erben
des Hermann Alfred Roth gegen Erben des Werner Roth Regeste

    Eine Eigentumsübertragung im Sinne des Art. 657 ZGB findet dann nicht
statt, wenn ein Gesamthandverhältnis durch ein anderes ersetzt wird und
die Beteiligten nicht wechseln. Daher genügt eine schriftliche Erklärung
der Gesamthänder, um die Berichtigung des Grundbuches zu erwirken.

Sachverhalt

    A.- Werner Roth und Hermann Alfred Roth gründeten im Jahre 1929
die Kollektivgesellschaft Roth & Co. Thusis und betrieben unter dieser
Firma eine Papeterie, eine Buchdruckerei und einen Verlag. Im Jahre 1964
kamen sie überein, dass Hermann Roth aus der Gesellschaft ausscheide
und abgefunden werde,Werner Roth dagegen das Geschäft in eine zu
gründende Aktiengesellschaft einbringe. Die Liegenschaft Kat. Nr. 312
in Thusis sollte von der Liquidation ausgenommen werden und weiterhin
den Gesellschaftern verbleiben. Diese trafen am 30. Juli 1964 folgende
Vereinbarung:

    "1. Als Kollektivgesellschafter der Firma Roth & Co. Thusis
beschliessen die Partner, die sich im Eigentum der obengenannten Firma
befindende Liegenschaft an der Hauptstrasse Nr. 86 in Thusis auf den
Namen der beiden Vertragspartner zu übertragen.

    ...

    5. Als Miteigentümer der Liegenschaft Nr. 86 an der Hauptstrasse
in Thusis ist Hermann Roth-Delnon bereit, den beiliegenden Mietvertrag
zu unterzeichnen.

    ..."

    Nach dem Abschluss dieser Vereinbarung wurden die Firma Roth AG und
die Liquidation der Kollektivgesellschaft Roth & Co. zur Eintragung in
das Handelsregister angemeldet. In der Folge lehnte es Hermann Roth
ab, die Löschungserklärung mitzuunterzeichnen. Da seines Erachtens
die Abfindungssumme zu tief angesetzt worden war, widerrief er die
Vereinbarung vom 30. Juli 1964. Zudem machte er geltend, der Vertrag
hätte der öffentlichen Beurkundung bedurft, da darin über ein Grundstück
verfügt werden sollte.

    B.- In der Folge klagten die Erben des inzwischen verstorbenen Werner
Roth beim Bezirksgericht Heinzenberg gegen Hermann Roth mit folgenden
Anträgen:

    "1. a) Es sei gerichtlich festzustellen, dass die Firma Roth &
Co. durch Vereinbarung vom 30. 7. 1964 aufgelöst und gemäss dieser
Vereinbarung liquidiert worden ist.

    b) Gerichtliche Anweisung an das Handelsregisteramt des Kantons
Graubünden, die Firma Roth & Co. im Handelsregister zu löschen.

    c) Gerichtliche Anweisung an das Grundbuchamt Thusis, die Liegenschaft
Nr. 86 an der Hauptstrasse in Thusis als Gesamteigentum der Kläger
einerseits und des Beklagten andererseits einzutragen.

    2. Eventuell:

    a) Gerichtliche Feststellung, dass durch die Vereinbarung vom 30. Juli
1964 die Auflösung der Firma Roth & Co. beschlossen wurde.

    b) Gerichtliche Durchführung der Liquidation und Löschung der Firma
im Handelsregister.

    3. Subeventuell:

    a) Gerichtliche Feststellung, dass die Firma Roth & Co.  durch den
am 22. August 1965 erfolgten Tod des Gesellschafters Werner Roth-Studer
sel. aufgelöst worden ist.

    b) Gerichtliche Durchführung der Liquidation und Löschung der Firma
im Handelsregister."

    Das Bezirksgericht Heinzenberg schützte am 16. März 1967 die Klage
und stellte fest, dass die Kollektivgesellschaft Roth & Co. aufgelöst
und liquidiert sei; ferner verfügte es die Löschung dieser Firma im
Handelsregister und ordnete die Eintragung der Liegenschaft Kat. Nr. 312
als Miteigentum von Werner und Hermann Roth an.

    Gegen dieses Urteil appellierten die Erben des inzwischen ebenfalls
verstorbenen Hermann Roth an das Kantonsgericht Graubünden. Dieses
bestätigte am 16. November 1967 das angefochtene Urteil mit der Änderung,
dass die Eintragung der Liegenschaft nicht zu Miteigentum, sondern zu
Gesamteigentum erfolgen müsse.

    C.- Gegen dieses Urteil haben die Beklagten die Berufung an das
Bundesgericht erklärt. Sie beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben
und die Klage abzuweisen, ferner festzustellen, dass in der Vereinbarung
vom 30. Juli 1964 Miteigentum begründet worden sei, und diese Vereinbarung
ungültig zu erklären.

    Das Bundesgericht weist die Berufung ab.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

    Die Beklagten verzichten im Berufungsverfahren auf die Geltendmachung
von Willensmängeln. Sie beschränken sich auf den im kantonalen Verfahren
erhobenen Einwand, die Liquidations- vereinbarung vom 30. Juli 1964 sei
formungültig, weil die darin vorgesehene Übertragung des Eigentums an
der Liegenschaft in Thusis hätte öffentlich beurkundet werden müssen.

    a) Zunächst fragt sich, ob an der streitigen Liegenschaft Miteigentum
oder Gesamteigentum der beiden Vertragspartner begründet werden sollte.

    Grundlage für die Beurteilung dieser Frage ist zunächst die
Liquidationsvereinbarung vom 30. Juli 1964. Massgebend für ihre Auslegung
ist nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise, sondern der
Inhalt, den die Parteien entweder übereinstimmend wirklich wollten (Art. 18
OR) oder nach den Umständen und den ausgetauschten Willensäusserungen
auf Grund der sogenannten Vertrauenstheorie als vereinbart erachten
durften. Ziff. 1 der Vereinbarung sagt nur, dass die im Eigentum der
Firma Roth & Co. stehende Liegenschaft auf die beiden Vertragspartner
zu übertragen sei; dagegen spricht Ziff. 5 verdeutlichend davon, dass
Hermann Roth als. "Miteigentümer" einen Mietvertrag über die Liegenschaft
abschliessen werde. Dieser Rechtsbegriff darf, auch wenn die Parteien seine
Bedeutung nicht notwendigerweise im juristischtechnischen Sinne verstanden
haben, nicht ohne weiteres ausser acht gelassen werden. Das Miteigentum
ist die herkömmliche Form gemeinschaftlichen Eigentums, sofern nicht
durch Gesetz oder Vertrag eine andere Ordnung Platz greift. Wenn daher die
Parteien die Absicht hatten, die gesellschaftlichen Bindungen vollständig
zu lösen, so konnte dieses Ziel durch Umwandlung des Gesamteigentums in
Miteigentum erreicht werden.

    Die Vorinstanz stellt jedoch fest, die Parteien hätten die bestehenden
Eigentumsverhältnisse an der Liegenschaft nicht ändern wollen. Das ergebe
sich aus dem Brief von Dr. Wettstein, dem Rechtsvertreter Hermann Roths,
vom 4. September 1964, der darauf hinweise, dass die Aufrechterhaltung des
Gesamteigentums an der Liegenschaft unter den Parteien zu Schwierigkeiten
Anlass geben könnte. Diese Auffassung werde von der Gegenpartei
durch die Klage auf Eintragung von Gesamteigentum bestätigt. Zudem
hätten die Gesellschafter nur eine teilweise Auflösung des durch die
Kollektivgesellschaft begründeten Gesamthandverhältnisses angestrebt.

    Diese Feststellungen über den inneren Parteiwillen dürfen
vom Bundesgericht im Berufungsverfahren nicht überprüft werden
(Art. 63 Abs. 2 OG; BGE 88 II 34 Erw. 4; 90 II 453 Erw. 1 und 498
Erw. 5). Demnach ist davon auszugehen, dass die Parteien beim Abschluss der
Liquidationsvereinbarung das Gesamteigentum an der streitigen Liegenschaft
aufrechterhalten wollten. Sie bildeten somit eine auf die Verwaltung
und Bewirtschaftung der Liegenschaft beschränkte einfache Gesellschaft
(Art. 530 OR).

    b) Zu prüfen ist, ob in der Übernahme der auf die Firma der
Kollektivgesellschaft eingetragenen Liegenschaft durch eine aus
den bisherigen Gesellschaftern gebildete einfache Gesellschaft eine
Eigentumsübertragung zu erblicken sei, die der öffentlichen Beurkundung
bedürfte (Art. 657 ZGB).

    Im vorliegenden Fall wechselten weder die Rechtssubjekte noch änderte
sich die Art ihres Eigentums. Die Vertragschliessenden ersetzten nur das
der gesamthänderischen Berechtigung zugrundeliegende Rechtsverhältnis,
indem sie die Kollektivgesellschaft durch eine einfache Gesellschaft
ablösten. Aber auch diese Umgestaltung änderte wenig, gelten doch für das
Rechtsverhältnis der Kollektivgesellschafter untereinander mangels anderer
Abrede grundsätzlich die Vorschriften über die einfache Gesellschaft
(Art. 557 Abs. 2 OR).

    Nach der Rechtsprechung liegt in einem solchen Falle eine
Eigentumsübertragung nicht vor. In diesem Sinne lautet ein Entscheid des
Bundesrates vom 10. August 1923, wo ein gleicher Tatbestand zu beurteilen
war (vgl. SALIS/BURCKHARDT, Schweiz. Bundesrecht, 3. Bd. Nr. 1334 II). Der
Bundesrat stellte sich damals auf den Standpunkt, die Umwandlung einer
Kollektivgesellschaft in eine einfache Gesellschaft müsse im Grundbuch
dadurch kenntlich gemacht werden, dass die Firma der Kollektivgesellschaft
gelöscht werde und durch die Namen der Gesellschafter mit einem das
Gemeinschaftsverhältnis angebenden Zusatz, z.B. "als Gesellschafter"
eingetragen werde (Art. 31-33 der Grundbuchverordnung). Für diese
Änderung bedürfe es aber keiner öffentlichen Urkunde, sondern es genüge
eine schriftliche Erklärung der aus dem Eintrage berechtigten Personen,
d.h. der bisherigen Kollektivgesellschafter (Art. 61 Abs. 2 GBV). Diese
Betrachtungsweise wird in BGE 59 III 109 geteilt. In BGE 60 III 97
erachtete das Bundesgericht diese Auffassung als "diskutabel", da die
Kollektivgesellschaft ein vom Vermögen der Gesellschafter ausgeschiedenes
Sondervermögen habe (Art. 559 OR), das, soweit aus Grundstücken bestehend,
im Grundbuch auf die Gesellschaftsfirma ohne irgendwelche Erwähnung der
Namen der Gesellschafter einzutragen sei (Art. 31 GBV). Damit liess das
Bundesgericht die Frage offen. Immerhin räumte es ein, dass auf Grund einer
schriftlichen Erklärung der aus dem Eintrag Berechtigten die Berichtigung
des Grundbuches mit der erforderlichen Bestimmtheit erfolgen könne.

    Auch nach der Lehre findet keine Eigentumsübertragung statt, wenn ein
Gesamthandverhältnis durch ein anderes ersetzt wird und die Beteiligten
nicht wechseln. Eine schriftliche Erklärung der Gesamthänder wird daher als
genügend erachtet, um die Berichtigung des Grundbuches zu erwirken (vgl.

MEIER- HAYOZ, N. 46-49 zu Art. 652 und N. 66 zu Art. 657 ZGB; HAAB,
N. 32 zu Art. 652-654 ZGB; SIEGWART, N. 68 zu Art. 530 OR; LEMP, N. 87
zu Art. 215 ZGB; ESCHER, N. 46 zu Art. 602 ZGB).

    Die Auffassung der Vorinstanz, die Liquidationsvereinbarung vom
30. Juli 1964 sei ein hinreichender Ausweis für die grundbuchliche
Berichtigung, verstösst somit nicht gegen Bundesrecht.