Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 94 II 44



94 II 44

6. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 9. Januar 1968
i.S. André von Spaendonck & Zonen N.V. gegen International Latex
Corporation. Regeste

    Art. 3 Abs. 2 MSchG. Ein nicht oder nicht mehr als Marke geschütztes
Wort ist schon dann Warenname, wenn nur ein bestimmter Kreis, z.B. nur
die Fachleute, es allgemein zur Bezeichnung einer bestimmten Warenart
verwendet. Bestätigung der Rechtsprechung (Erw. 6).

    Die Tatsache, dass die gleiche Ware einen zweiten Namen ("Elastomer")
hat, nimmt dem andern Wort ("Spandex") die Eigenschaft als Gemeingut nicht
(Erw. 7).

    Wer eine gemeinfreie Sachbezeichnung verwendet, begeht grundsätzlich
weder eine Markenrechtsverletzung noch unlautern Wettbewerb (Erw. 8).

    Rechtsmissbräuchliches Verhalten des Inhabers einer eingetragenen
Marke, der im Prozess den Standpunkt einnimmt, die angefochtene Marke
sei gemeinfrei? (Erw. 9).

Sachverhalt

    A.- Die Firma André van Spaendonck & Zonen N.V. in Tilburg ist
Inhaberin der seit 1946 im internationalen Markenregister stehenden
Wortmarke "SPANDON", die unter anderem für Fasern, Fäden, Gewebe und
Kleider bestimmt ist, sowie einer im Jahre 1950 in das gleiche Register
eingetragenen Wort- und Bild-Marke "SPANDON PURE WOOL" für Wollstoffe.

    Die in den Vereinigten Staaten von Amerika niedergelassene
International Latex Corporation liess im Jahre 1961 die Marken "SPANDEX"
und "SPANTEX" in das schweizerische Register eintragen, beide für
Oberkleider, Unterwäsche, elastische Gewebe, Kunststoffgewebe und
Stückwaren.

    B.- Am 12. November 1962 klagte die Firma Spaendonck beim
Handelsgericht des Kantons Zürich gegen die International Latex Corporation
auf Löschung der Marken "SPANDEX" und "SPANTEX" und auf Untersagung des
Gebrauchs der beiden Wörter und sonstiger Bezeichnungen mit dem Stamme
"Spand" oder "Spant" mit Beziehung auf Fasern, Garne, Gewebe und daraus
herzustellende Waren. Am 17. Mai 1963 liess die Beklagte die beiden Marken
löschen. Am 4. Juli 1966 nahm das Handelsgericht davon Vormerk und wies
das Untersagungsbegehren ab. Auf Nichtigkeitsbeschwerde der Klägerin hob
das Kassationsgericht des Kantons Zürich dieses Urteil am 20. Juni 1967
auf und wies die Sache zur Beweisergänzung und neuen Beurteilung an das
Handelsgericht zurück.

    Das Handelsgericht fällte am 7. September 1967 das neue Urteil. Es
merkte wiederum die Löschung der beiden Marken Spandex und Spantex
vor. Zudem schützte es das Untersagungsbegehren mit Bezug auf den Gebrauch
des Wortes Spantex.

    C.- Die Klägerin verlangt mit der Berufung die vollumfängliche
Gutheissung des Untersagungsbegehrens; eventuell beantragt sie, die
Sache zur Vervollständigung des Beweisverfahrens an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zicht in Erwägung:

Erwägung 6

    6.- Ein weiterer Einwand der Klägerin geht dahin, das Handelsgericht
habe bei der Beurteilung der Frage, ob "Spandex" Gemeingut sei, nicht auf
die Auffassung der richtigen Verkehrskreise abgestellt. So wie eine Marke
erst dann zum Freizeichen werde, wenn sie in allen in Betracht kommenden
Verkehrskreisen die Bedeutung einer Marke verloren habe, so könnte auch
im vorliegenden Falle von einem Warennamen nur gesprochen werden, wenn
jedermann im Worte Spandex einen solchen sähe. Es gebe aber noch Abnehmer
der Ware, die das Wort Spandex nicht als Warennamen betrachteten.

    Es trifft zu, dass die Umwandlung einer Marke in ein Freizeichen
erst abgeschlossen ist, wenn alle an der Herstellung, dem Vertrieb und
dem Kauf der Ware beteiligten Kreise das Zeichen nicht mehr als Hinweis
auf einen bestimmten Geschäftsbetrieb, sondern als Gemeingut, besonders
als Warenname, ansehen (BGE 42 II 171, 57 II 606 f., 60 II 254, 62 II
325). Diese Rechtsprechung trägt dem Interesse des Markeninhabers an
der Erhaltung seines eingetragenen Zeichens Rechnung; solange dieses in
gewissen Kreisen seine hinweisende Kraft nicht verloren hat, soll der
Markeninhaber den Schutz weiterhin beanspruchen können. Es steht ihm
aber frei, darauf zu verzichten, bevor die Umbildung in ein Freizeichen
vollendet ist. Tut er das, so stellt sich die Frage, ob die Umbildung
abgeschlossen sei, für ihn nicht mehr. Das Zeichen ist von der Löschung
an nicht mehr geschützt. Dritte können sich nicht darauf berufen, die
Umwandlung in ein Freizeichen sei noch nicht in allen beteiligten Kreisen
vollendet. Vielmehr ist für Dritte die Lage gleich, wie wenn das Zeichen
nie als Marke eingetragen gewesen wäre. Es fragt sich einfach, ob der Kreis
von Personen, die das Wort als Warenname betrachten, genügend weit sei,
damit es als Gemeingut im Sinne des Gesetzes gelten könne.

    Diese Frage ist nicht erst zu bejahen, wenn alle Kreise, die mit der
Herstellung oder dem Verkehr der Ware zu tun haben, sich der Bedeutung
des betreffenden Wortes als Warenname bewusst sind. Ein nicht oder nicht
mehr als Marke geschütztes Wort ist schon dann Warenname, wenn nur ein
bestimmter Kreis, z.B. nur die Fachleute, es allgemein zur Bezeichnung
einer bestimmten Warenart verwendet. Auf diesen Standpunkt stellte sich
das Bundesgericht schon in BGE 36 II 445. Die gleiche Auffassung liegt
BGE 80 II 176 Erw. 3 zugrunde, wo sich die Frage stellte, ob das mit der
eingetragenen Marke Clix verwechselbare Wort Clip "eine Sachbezeichnung,
eine Beschaffenheitsangabe" sei und sein Gebrauch daher nicht gegen das
Gesetz über den unlautern Wettbewerb verstosse.

    Daher ist unerheblich, ob auch alle Hausfrauen, die Stoffe
aus Kunstfasern oder Bekleidungsstücke aus solchen kaufen, im Worte
Spandex einen Warennamen sehen. Nach den verbindlichen Feststellungen der
Vorinstanz ist dieses Wort in der Schweiz in den Kreisen der Textilchemie,
in der das Erzeugnis verarbeitenden Textilindustrie, im Grosshandel und
Detailverkauf als Warenname bekannt geworden. Namentlich fassen auch
die leitenden Organe der Warenhäuser es als solchen auf. Dem kaufenden
Publikum ist er durch die Zeitungsreklame zum mindesten zur Kenntnis
gebracht worden. Das Wort Spandex hat daher als Warenname genügend
Verbreitung gefunden und sich im schweizerischen Sprachschatz einen Platz
als Gemeingut erobert.

Erwägung 7

    7.- Die Klägerin bringt sodann vor, das Wort Spandex werde mehr
und mehr durch das Wort Elastomer ersetzt; es sei im Verschwinden
begriffen. Sie behauptet sogar, es werde heute als Sachbezeichnung nicht
mehr verwendet. Zudem macht sie geltend, es genüge nicht, dass ein Wort
die Art oder Beschaffenheit der Ware während kurzer Zeit wiedergebe;
Gemeingut sei es nur dann, wenn es das auf die Dauer tue. Was nach kurzer
Zeit nicht mehr oder nur noch in vermindertem Masse als Begriff für eine
Sache verwendet werde, sei keine Sachbezeichnung im rechtlichen Sinne.

    Die Behauptung, das Wort sei als Sachbezeichnung verschwunden, setzt
sich über die verbindliche Feststellung der Vorinstanz hinweg, wonach
es in den Fachkreisen immer noch als Warenname verstanden werde. Das
Handelsgericht räumt nur ein, es habe zugunsten der Bezeichnung Elastomer
an Verbreitung eingebüsst, weil die Klägerin im Verlaufe des Prozesses
bei den Erzeugern und Grossverbrauchern der Ware unter Hinweis auf das
ihr günstige niederländische Urteil vorstellig geworden sei. Nach wie
vor werden Waren aus den Vereinigten Staaten mit Spandex-Etiketten in die
Schweiz eingeführt. Im übrigen ist festgestellt, dass auch die Beklagte
auf die Weiterverwendung des Wortes Spandex als Warenname nicht verzichtet
hat. Die Behauptung der Klägerin, die Beklagte gebrauche es nicht mehr, ist
nicht zu hören und übrigens nicht zu verstehen, da, wenn sie zuträfe, das
Unterlassungsbegehren und die Berufung der Klägerin gegenstandslos wären.

    Wird das Wort Spandex weiterhin als Warenname verwendet, wenn auch
weniger häufig als früher, so ist es nach wie vor Gemeingut. Der Verzicht
gewisser Erzeuger und Grossverbraucher, die angesichts der (nicht
gerechtfertigten) Intervention der Klägerin eine abwartende Haltung
einnehmen, ändert nichts, da, wie bereits ausgeführt wurde, ein Wort
nicht bloss dann Gemeingut ist, wenn es lückenlos von allen Leuten, die
es tatsächlich verwenden könnten, tatsächlich gebraucht wird. Auch der
Umstand, dass die gleiche Ware einen zweiten Namen (Elastomer) hat, nimmt
dem Worte Spandex die Eigenschaft als Gemeingut nicht. Diese Auffassung
liegt schon BGE 36 II 442 zugrunde, wo der Name Haematogen als Gemeingut
gewürdigt wurde, obwohl die betreffende Ware auch als Ferratin bekannt war.

Erwägung 8

    8.- Da das Wort Spandex als Warenname für eine bestimmte Kunstfaser
Gemeingut ist, kann der Beklagten nicht verboten werden, es zur Bezeichnung
dieser Faser und im Zusammenhang mit den aus ihr hergestellten Erzeugnissen
zu verwenden. Sie begeht dadurch weder eine Markenrechtsverletzung noch
unlautern Wettbewerb (BGE 80 II 173 f., 84 II 227). Dass die Klägerin
in einem Zeitpunkt, in dem das Wort Spandex noch nicht bekannt war, das
ähnliche Wort Spandon als Marke eintragen liess, ist unerheblich. Diese
Marke besteht weiter, nur ist sie im Verhältnis zu Spandex nicht mehr
durchsetzbar, also insofern ein schwaches Zeichen geworden. Die Klägerin
muss das auf sich nehmen, wie ein Markeninhaber sich sogar damit abfinden
muss, wenn seine anfänglich schutzfähige Marke im Laufe der Zeit zum
Warennamen und damit vollständig schutzunfähig wird.

    Unlauteren Wettbewerb beginge die Beklagte nur, wenn sie das Wort
Spandex auch im Zusammenhang mit Fasern gebrauchen würde, die anders
zusammengesetzt wären als jene, für die es im gegenwärtigen Sprachgebrauch
bestimmt ist. Dass sie das jemals getan habe, behauptet die Klägerin
aber nicht.

Erwägung 9

    9.- Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt kein offenbarer
Rechtsmissbrauch darin, dass die Beklagte sich auf die Natur des Wortes
Spandex als Warenname beruft, nachdem sie es vorher als Marke hatte
eintragen lassen. Gewiss kann ein Zeichen nicht Marke und Gemeingut
zugleich sein. Der Beklagten konnte aber nicht verwehrt werden, ihren
Standpunkt zu wechseln, nachdem sie eingesehen hatte, dass "Spandex"
des Markenschutzes nicht fähig sei, weil dieses Wort sich auch in der
Schweiz als Sachname durchgesetzt habe. Nicht jeder Wechsel einer
Auffassung ist als "venire contra factum proprium" missbräuchlich
(vgl. MERZ, N. 401 zu Art. 2 ZGB). Rechtsmissbrauch kommt in Frage,
wenn jemand einen Rechtsstandpunkt einnimmt, der sich mit seinem eigenen
tatsächlichen Verhalten schlechterdings nicht verträgt. Wer z.B. den
Rücktritt vom Vertrag erklärt, hierauf aber die empfangene Leistung
weiterveräussert, statt sie zurückzuerstatten, kann je nach den Umständen
sich nicht mehr auf Rücktritt berufen. Auch kann es Treu und Glauben
widersprechen, mit einer bestimmten Stellungnahme die Gegenpartei zu
einem für sie nachteiligen Verhalten zu veranlassen und sich hernach auf
einen anderen Standpunkt zu stellen. Der Beklagten fällt im vorliegenden
Falle nichts Derartiges zur Last. Indem sie das Wort Spandex als Marke
registrieren liess, veranlasste sie die Klägerin nicht zu einem für diese
schädlichen Verhalten. Die Auffassung der Klägerin, die Beklagte habe
dadurch auf dem schweizerischen Markt Verwirrung gestiftet, die Klägerin
zum Eingreifen genötigt und sie so geschädigt, kann nicht zur Bejahung
eines offenbaren Rechtsmissbrauches und damit zur Gutheissung der nach den
Regeln des Rechts unbegründeten Unterlassungsklage führen. Die unbefugte
Registrierung des Wortes Spandex als Marke verbunden mit der Anerkennung
des Löschungsbegehrens der Klägerin während des Prozesses, wurde vom
Handelsgericht bei der Verteilung der Prozesskosten berücksichtigt. Damit
ist die Klägerin für den Nachteil entschädigt, der ihr durch ihr
prozessuales Eingreifen mit dem Löschungsbegehren entstanden ist. Die
Folgen der unbegründeten Stellung eines Unterlassungsbegehrens hat sie
selber zu tragen. Die Berufung auf BAUMBACH/HEFERMEHL, Wettbewerbs- und
Warenzeichenrecht, 9. Auflage, Bd. I, Anm. 295 der Einleitung zum UWG,
hilft ihr nichts. Die Beispiele unzulässiger Rechtsausübung, mit der sich
ein Wettbewerber nach der Auffassung der Verfasser dieses Werkes mit seinem
eigenen früheren Verhalten in Widerspruch setzt, haben mit dem heute zu
beurteilenden Sachverhalt nichts gemeinsam. BAUMBACH/HEFERMEHL sagen, wer
z.B. durch eigene rechtswidrige Benutzungshandlungen die Verkehrsgeltung
einer fremden Bezeichnung geschwächt oder zerstört habe, könne sich dem
Verletzten gegenüber nicht auf den Wegfall der Verkehrsgeltung berufen. Im
vorliegenden Fall spielt die Verkehrsgeltung des Zeichens der Klägerin
überhaupt keine Rolle, sondern zu entscheiden ist nur, ob die Beklagte,
wie alle andern Interessierten, berechtigt sei, ein dem Gemeingebrauch
offenstehendes Wort trotz der von der Klägerin hinterlegten Marken zu
benützen. Von einem Rechtsmissbrauch fehlt hier jede Spur, geschweige denn,
dass er offenbar wäre, wie Art. 2 Abs. 2 ZGB voraussetzt.

    Ob die Beklagte während der Zeit, da das Wort Spandex zu ihren
Gunsten als Marke eingetragen war, gegen Dritte "markenrechtliche
Verwarnungsbriefe" erliess, ist rechtlich unerheblich. Insbesondere spielt
diese Behauptung für die Frage des Rechtsmissbrauches keine Rolle. Nur die
Verwarnten könnten aus den angeblichen Verwarnungen allenfalls etwas gegen
die Beklagte ableiten. Die Klägerin behauptet nicht, sie sei ebenfalls
verwarnt worden, und die Verwarnung anderer musste ihr gleichgültig sein;
nicht sie hat im Warenzeichenwesen für allgemeine Ordnung zu sorgen. Die
Nichteinvernahme eines Zeugen, durch den die Klägerin ihre Behauptung
betreffend "markenrechtliche Verwarnungsbriefe" der Beklagten beweisen
wollte, verletzt daher Bundesrecht nicht.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichts des
Kantons Zürich vom 7. November 1967 bestätigt.