Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 94 II 342



94 II 342

50. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 8. November 1968
i.S. Fölmli und Imme AG gegen Fölmli Regeste

    Vorkaufsrecht nach Art. 6 ff. EGG. Voraussetzungen der Ausübung. Fall,
dass der Eigentümer eines landwirtschaftlichen Gewerbes mit einem Dritten
zwecks Umgehung des Vorkaufsrechts eines Nachkommen einen Tauschvertrag
abschliesst, der nach Zweck und Wirkung einem Kaufvertrag gleichkommt.

Sachverhalt

                      Gekürzter Tatbestand:

    A.- Josef Fölmli-Lustenberger, geb. 1900, ist Eigentümer des
landwirtschaftlichen Gewerbes Gutenegg in der Gemeinde Menznau (Grundstück
Nr. 133 GB Menznau), das zusammen mit einer Land- und Waldparzelle in
der Gemeinde Willisau-Land rund 14,5 ha umfasst. Er hat fünf Töchter und
einen Sohn, Josef Fölmli-Meier, geb. 1938. Dieser lebte bei den Eltern
und arbeitete im väterlichen Betrieb, verliess ihn aber im Jahre 1964,
ein Jahr nach seiner Heirat, wegen Streitigkeiten mit den Eltern. Seither
ist er als Arbeiter in einer Bauunternehmung tätig.

    Am 12. November 1964 schloss Vater Fölmli mit der Imme AG, die den
Handel mit Grundstücken sowie Finanz- und Handelsgeschäfte aller Art
bezweckt, einen als Tauschvertrag bezeichneten öffentlich beurkundeten
Vertrag, der vorsah, dass er seine landwirtschaftlichen Grundstücke gegen
ein Wohnhaus mit Garten in Willisau-Stadt (Grundstücke Nr. 118 und 108 GB
Willisau-Stadt) tausche und dass ihm die Imme AG unter Berücksichtigung
der Grundpfandrechte samt Marchzinsen eine "Aufzahlung" von Fr. 60'101.90
leiste. Die Imme AG erwarb die Liegenschaften in Willisau-Stadt, die sie
in den Tausch gab, erst am 12. November 1964, dem Tage des Abschlusses
des Tauschvertrages.

    B.- Der Sohn Josef Fölmli-Meier machte rechtzeitig das Vorkaufsrecht
nach Art. 6 EGG geltend und verlangte gestützt auf Art. 12 Abs. 1 EGG die
Übertragung der landwirtschaftlichen Grundstücke seines Vaters an ihn zum
Schätzungswert im Sinne des LEG, der Fr. 43'000.-- beträgt. Vater Fölmli
bestritt das Vorkaufsrecht. Der Sohn erwirkte hierauf die Vormerkung
einer Verfügungsbeschränkung nach Art. 960 Ziff. 1 ZGB und klagte am
7. Juli 1965 beim Amtsgericht Willisau gegen seinen Vater und die Imme
AG auf Anerkennung des von ihm beanspruchten Vorkaufsrechtes und auf
Zusprechung des Eigentums an der Liegenschaft Gutenegg zum Schätzungswerte.

    Die Beklagten widersetzten sich diesen Begehren. Sie machten geltend,
der erwähnte Tauschvertrag bilde keinen Vorkaufsfall.

    C.- Das Amtsgericht Willisau und das Obergericht des Kantons
Luzern schützten die Klage, das Amtsgericht vor allem deswegen, weil
der Tauschvertrag nach Zweck und Wirkung einem Kaufvertrag entspreche
und zur Umgehung des Vorkaufsrechts des Klägers abgeschlossen worden
sei, das Obergericht mit der Begründung, beim Vertrag vom 12. November
1964 überwiege der Kaufcharakter, weil der Verkehrswert der Liegenschaft
Gutenegg (von mindestens Fr. 140'000.--) zum mindesten fast dreimal so hoch
sei wie der Verkehrswert der Tauschgrundstücke in Willisau (Fr. 50'000.--)
und weil die Aufzahlung der Imme AG den Verkehrwert der von ihr in Tausch
gegebenen Grundstücke übersteige.

    Das Bundesgericht weist die Berufung der Beklagten ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Das gesetzliche Vorkaufsrecht im Sinne von Art. 6 ff. EGG besteht
nach Art. 6 Abs. 1 EGG, wenn ein landwirtschaftliches Gewerbe oder ein
wesentlicher Teil eines solchen verkauft wird. Als Verkauf kann hier
wie bei der Umschreibung der Voraussetzungen für die Ausübung eines
rechtsgeschäftlich begründeten Vorkaufsrechts oder des Vorkaufsrechts
der Miteigentümer (BGE 85 II 481, 89 II 446) grundsätzlich nur ein
Geschäft gelten, das auf die Veräusserung einer Sache gegen Geld
gerichtet ist. Deshalb löst der Abschluss eines Tauschvertrags das
Vorkaufsrecht im Sinne von Art. 6 ff. EGG in der Regel nicht aus;
das auf jeden Fall dann nicht, wenn es sich um einen reinen Tausch,
zumal um einen solchen mit einem andern landwirtschaftlichen Grundstück
handelt (nicht veröffentlichtes Urteil vom 19. Mai 1960 i.S. Remy gegen
Gemeinde Broc und Mossu; JOST, Handkommentar zum EGG, 1953, S. 31/32 und
165; MEIER-HAYOZ, Das Vorkaufsrecht im Agrarrecht, Schweiz. Beiträge
zum IV. internat. Kongress für Rechtsvergleichung, 1954, S. 137 f.;
F. E. JENNY, Das bäuerliche Vorkaufsrecht, Diss. Freiburg/Schweiz 1955,
S. 85 f.; COMMENT, Le droit de préemption agricole..., ZBGR 1958 S. 5).

    Der vorliegende Vertrag hat nicht einen reinen Tausch und nicht einen
Tausch gegen ein anderes landwirtschaftliches Grundstück zum Gegenstand.
Vielmehr soll Vater Fölmli als Gegenleistung für sein landwirtschaftliches
Gewerbe städtische Grundstücke und daneben eine Barzahlung von rund Fr.
60'000.-- erhalten. Ein Tausch mit Aufzahlung lässt nach der Lehre das
Vorkaufsrecht im Sinne von Art. 6 ff. EGG entstehen, wenn der Kaufcharakter
überwiegt (JOST S. 32, 1965; MEIER-HAYOZ S. 138). Darüber hinaus wird
die Auffassung vertreten, zur Vermeidung der Gefahr einer Umgehung von
Art. 6 ff. EGG sollte der Tausch eines landwirtschaftlichen Gewerbes gegen
ein nichtlandwirtschaftliches Grundstück wenigstens im Zweifel oder sogar
allgemein als Vorkaufsfall behandelt werden (JOST S. 165, JENNY S. 86).

    Ob beim streitigen Vertrag, wie die Vorinstanz angenommen hat, schon
wegen des Verhältnisses zwischen den Verkehrswerten der ausgetauschten
Liegenschaften sowie zwischen der Geld- und der Sachleistung der Imme
AG der Kaufcharakter vorherrsche oder ob der Vertrag schon allein
deswegen, weil er den Tausch eines landwirtschaftlichen gegen ein
nichtlandwirtschaftliches Grundstück vorsieht, als Vorkaufsfall zu
behandeln sei, kann dahingestellt bleiben, wenn sich, wie vom Kläger dem
Sinne nach behauptet, aus den gesamten Umständen ergibt, dass der Vertrag
nach seinem Zweck und seiner Wirkung einem Kauf praktisch gleichkommt und
dass das Geschäft nur deshalb in die Form eines Tausches gekleidet wurde,
um das Vorkaufsrecht des Klägers auszuschalten. Bei einem derartigen
Sachverhalt kann nämlich das Vorkaufsrecht im Sinne von Art. 6 ff. EGG
wie das rechtsgeschäftlich begründete Vorkaufsrecht (vgl. hiezu BGE 85
II 482 ff. Erw. 4; MEIER-HAYOZ N. 175 zu Art. 681 ZGB mit Hinweisen)
auf jeden Fall ausgeübt werden.

Erwägung 3

    3.- a) Als Vater Fölmli mit der Imme AG über die Veräusserung seines
landwirtschaftlichen Gewerbes zu verhandeln begann, besass die Imme AG
die ihm schliesslich in Tausch gegebenen Grundstücke noch nicht, so dass
zunächst nicht ernstlich über den Austausch von Sachleistungen verhandelt,
sondern nur der Übernahmepreis des landwirtschaftlichen Gewerbes
besprochen werden konnte. Die Imme AG erwarb die Grundstücke in Willisau,
die laut Vertrag zusammen mit einer ihren Wert übersteigenden Barzahlung
die Gegenleistung für die Übertragung des landwirtschaftlichen Gewerbes
bildeten, erst am Tage des Vertragsabschlusses. Der Tausch entspricht
daher nach Zweck und Wirkung wie auch nach der Art seines Zustandekommens
einem Verkauf des Gewerbes, bei dem die Erwerberin ihre Kaufpreisschuld
zum Teil durch eine Barzahlung und zum Teil dadurch erfüllt, dass sie dem
Veräusserer zwei hiefür erworbene Grundstücke an Zahlungsstatt übereignet.

    b) Das von den Beteiligten verfolgte Ziel, der Imme AG das Heimwesen
Gutenegg und Vater Fölmli die Grundstücke in Willisau und eine Geldzahlung
zu verschaffen, hätte sich einfacher als auf dem gewählten Wege dadurch
erreichen lassen, dass Vater Fölmli mit der Imme AG einerseits und mit
dem Vorbesitzer der Grundstücke in Willisau anderseits einen Kaufvertrag
geschlossen und den von der Imme AG erhaltenen Kaufpreis zum Teil
für die Bezahlung der Grundstücke in Willisau verwendet hätte. Diese
Grundstücke hätten dann nur einmal die Hand wechseln müssen, wodurch
Gebühren eingespart worden wären. Wenn die Beteiligten gleichwohl in
der angegebenen Weise einen Tauschvertrag abschlossen, so musste das
einen besonderen Grund haben, und dieser Grund lag nach den Umständen,
wie das Amtsgericht zutreffend angenommen hat, unzweifelhaft darin,
dass das Vorkaufsrecht des Klägers ausgeschaltet werden sollte.

    c) Dass Vater Fölmli die Übernahme seines Gewerbes durch den
Kläger verhindern wollte, wird durch die Ergebnisse des Zeugenverhörs
bestätigt. Nach den Aussagen von Gemeinderat Unternährer, der zu den Zeugen
gehört, deren Aussagen das Obergericht in anderm Zusammenhang verwertet
und somit als glaubwürdig betrachtet hat, bestanden zwischen dem Kläger
und seinen Eltern Meinungsverschiedenheiten über finanzielle Fragen. Der
Kläger machte einen Lohnanspruch geltend, verlangte Auskunft über das
Betriebsergebnis und bestand auf einer Buchhaltung. Gemeindepräsident
Hüsler und Gemeinderat Unternährer versuchten, eine friedliche Lösung
herbeizuführen, und schlugen den Abschluss eines Pachtvertrages zwischen
dem Kläger und seinem Vater vor. Die Eltern Fölmli wollten jedoch davon
nichts wissen und liessen erkennen, dass ihnen der Wegzug des Sohnes nichts
ausmache. Sie gaben ferner zu verstehen, dass sie die Liegenschaft den
jungen Leuten nie übergeben würden, und äusserten nach den Zeugenaussagen
des Gemeindeschreibers Hess und des Nachbarn Emmenegger Dritten gegenüber
Verkaufsabsichten.

    d) Die Beklagten geben zu, dass Vater Fölmli sein Gewerbe nicht zum
Ertrags- oder zum Schätzungswert, sondern zum Verkehrswert veräussern
wollte. Sie machen jedoch geltend, er habe damit nicht das Vorkaufsrecht
des Klägers umgehen wollen, sondern den legitimen Zweck verfolgt,
sich und seiner Ehefrau einen einigermassen sorgenfreien Lebensabend
zu sichern. Dieses Ziel habe er, da er weder Vermögen noch Einkommen
besitze und da der im Falle einer Verpachtung des Gewerbes erhältliche
Pachtzins kaum zur Verzinsung der Grundpfandschulden ausgereicht hätte,
nur auf dem eingeschlagenen Wege erreichen können.

    Die Eltern Fölmli scheinen in der Tat neben dem Heimwesen Gutenegg kein
nennenswertes Vermögen zu besitzen. Sie lebten im wesentlichen vom Ertrag
dieses Gewerbes. Seit 1965 bezieht Vater Fölmli eine einfache Altersrente
nach AHVG. Seine Ehefrau, geb. 1909, ist noch nicht rentenberechtigt. Er
fühlte sich wegen seines Alters und seines Gesundheitszustandes nicht mehr
imstande, sein Gewerbe weiterzuführen. Es ist daher an sich begreiflich,
dass er versuchte, seinen Lebensabend durch Veräusserung seines Gewerbes
zu sichern, wenn aus dem von ihm behaupteten Grunde eine Verpachtung nicht
in Frage kam. Wenn Nachkommen da sind, die das Vorkaufsrecht im Sinne
von Art. 6 ff. EGG gemäss Art. 12 Abs. 1 EGG zum Schätzungswert nach LEG
ausüben können und wollen, ist es dem Eigentümer eines landwirtschaftlichen
Gewerbes jedoch versagt, dieses zum Verkehrswert, der heute oft ein
Mehrfaches des Schätzungswertes ausmacht, einem Dritten zu verkaufen, um
die nötigen Mittel zur weitern Fristung des Lebens zu gewinnen. Er muss
sich vielmehr die Ausübung des Vorkaufsrechts zum Schätzungswert gefallen
lassen und kann den Vorkaufsberechtigten hieran nicht dadurch hindern, dass
er ein Geschäft, das nach seinem Zweck und seiner Wirkung praktisch einem
Verkauf entspricht, in die Form eines Tauschvertrages kleidet. Die Beweise,
mit denen die Beklagten dartun möchten, dass die Wahl dieser Rechtsform
ihrem wahren Willen entsprochen habe und dass sie damit nur den von ihnen
erwähnten Zweck verfolgt hätten, brauchten daher wegen Unerheblichkeit
des unter Beweis gestellten Sachverhalts nicht abgenommen zu werden.

    Eltern in der Lage der Eheleute Fölmli-Lustenberger pflegen ihr
Heimwesen einem dazu geeigneten Kinde abzutreten und sich dabei das
lebenslängliche Recht auf Wohnung und Unterhalt auszubedingen. Wenn
eine solche Lösung den Eltern nicht passt oder aus einem andern Grunde
nicht in Frage kommt, so vermag das die Ausschaltung des Vorkaufsrechts
nach Art. 6 und 12 EGG auf einem Wege, wie er hier eingeschlagen wurde,
nicht zu rechtfertigen.

    Die Vorinstanz hat daher zu Recht angenommen, der Abschluss
des streitigen Tauschvertrags erlaube dem Kläger die Ausübung des
Vorkaufsrechts nach EGG.

Erwägung 4

    4.- Die Billigkeitserwägungen, welche die Beklagten unter Berufung auf
Art. 4 ZGB und MEIER-HAYOZ, N. 56 dazu, geltend machen, können an diesem
Ergebnis nichts ändern. Freilich ist die Entscheidung nicht nur gerade dann
nach Recht und Billigkeit zu treffen, wenn eine ausdrückliche Bestimmung
des Gesetzes den Richter - wie es in Art. 4 ZGB heisst - auf sein Ermessen,
auf die Würdigung der Umstände oder auf wichtige Gründe verweist, sondern
überall da, wo dem richterlichen Ermessen ein Spielraum gewährt wird (vgl.
MEIER-HAYOZ N. 68 ff. zu Art. 4 ZGB). Das trifft jedoch bei Art. 6 Abs. 1
und 12 Abs. 1 EGG nicht zu. Auf die behauptete Krankheit von Vater Fölmli
und auf seinen angeblichen Wunsch, sich in Willisau ein Heim zu schaffen,
kann daher nichts ankommen.

    Aus BGE 92 I 94 und 310 ff. Erw. 2 können die Beklagten entgegen ihrer
Ansicht nichts zu ihren Gunsten ableiten. Der erste dieser Entscheide,
der die Bemessung der Handänderungssteuer im Falle der Erhebung dieser
Abgabe bei Abtretung eines Kaufrechts betrifft, hat mit dem vorliegenden
Fall überhaupt nichts zu tun, und der zweite behandelt zwar eine Frage
aus dem Bereich des EGG, aber nicht die Anwendung der Bestimmungen über
das Vorkaufsrecht, sondern die Anwendung des Art. 19 Abs. 1 lit. c, der
im Gegensatz zu Art. 6 Abs. 1 und 12 Abs. 1 auf wichtige Gründe verweist
und damit eine Ent scheidung nach Recht und Billigkeit verlangt.