Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 94 III 43



94 III 43

9. Entscheid vom 17. September 1968 i.S. Aufina

AG Regeste

    Auskunft über Betreibungen (Art. 8 Abs. 2 SchKG).  Nachweis eines
Interesses. Dafür genügt nicht, dass der Gesuchsteller eine Kopie eines
den Eingang eines Kreditgesuchs bestätigenden Schreibens an die Person
vorlegt, über die er Auskunft verlangt (Verschärfung der Rechtsprechung).

Sachverhalt

    A.- Im Januar/Februar 1968 ersuchte eine Handelsauskunftei im Auftrag
der Finanzierungsgesellschaft Aufina AG das Betreibungsamt Zihlschlacht in
Amriswil um Auskunft über allfällige Betreibungen gegen Bruno Farinelli und
Reinhard Portenier in Amriswil. Den Gesuchen lagen Kopien von Schreiben
der Aufina AG an die Genannten vom 7. Januar bzw. 7. Februar 1968 bei,
die mit dem Stempelaufdruck "Gilt als Interessen-Nachweis gem. BGE 52
III 75" versehen waren und deren vorgedruckter Text lautete:

    "Für Ihre Kreditanfrage danken wir Ihnen bestens. Wir sind mit deren
Prüfung beschäftigt und werden Sie innert Kürze von unserm Entscheid
unterrichten.

    Für das entgegengebrachte Vertrauen danken wir Ihnen nochmals bestens
und grüssen Sie freundlich."

    Am 8. Februar 1968 schrieb das Betreibungsamt der Auskunftei, sie
gebe ihr die beiden Auskunftsgesuche zurück, weil kein Interessenachweis
beiliege; das Schreiben der Aufina sei kein solcher.

    B.- Gegen diese Verfügung führte die Aufina AG Beschwerde mit dem
Antrag, das Betreibungsamt sei anzuweisen, ihr die verlangte Auskunft
über Farinelli und Portenier zu erteilen. Sie machte geltend, mit der
Vorlegung eines Doppels ihrer Mitteilung an die möglichen Kreditnehmer
sei der Nachweis eines Interesses im Sinne von Art. 8 Abs. 2 SchKG
geleistet; ein schriftliches Kreditgesuch habe sie nicht einreichen können,
weil ein solches - wie in 70 - 75% aller Fälle - nicht existiere; wenn
jemand bei einem Händler, mit dem sie zusammenarbeite, einen Gegenstand
(insbesondere ein Auto) auf Abzahlung kaufen wolle, teile der Händler ihr
das telephonisch mit; sie trage die Angaben des Händlers über den Käufer,
den Kaufgegenstand, die Anzahlung usw. in das Formular "Kreditgesuch" ein
und beginne sofort mit der Prüfung der Angelegenheit, wozu der Auftrag
an die Auskunftei gehöre, sich beim Betreibungsamt zu erkundigen; der
Entscheid über die Gewährung eines Kredits müsse mit Rücksicht auf die
grosse Konkurrenz in diesem Geschäftszweig rasch gefällt werden. Zum
Beweis dafür, dass Farinelli und Portenier ihre Mitteilung erhielten,
berief sie sich auf diese beiden als Zeugen.

    Am 24. April 1968 wies die untere Aufsichtsbehörde die Beschwerde ab;
ebenso am 17. Juni 1968 die obere kantonale Aufsichtsbehörde.

    C.- Den Entscheid der obern kantonalen Aufsichtsbehörde hat die Aufina
AG an das Bundesgericht weitergezogen.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 8 Abs. 2 SchKG kann jedermann, der ein Interesse
nachweist, die von den Betreibungs- und den Konkursämtern geführten
Protokolle einsehen und sich Auszüge aus ihnen geben lassen. Erforderlich
ist nach der Rechtsprechung ein besonderes und gegenwärtiges Interesse
rechtlicher Art, das Schutz verdient (BGE 93 III 6 mit Hinweisen, 9
lit. c). Dieses Interesse kann darin bestehen, dass der Gesuchsteller
von der Person, über die er in den Betreibungsprotokollen Aufschluss
suchen will, um einen Kredit ersucht wurde (BGE 52 III 75 Erw. 1). Das
Betreibungsamt hatte also der Rekurrentin die verlangte Auskunft zu
erteilen, wenn die Rekurrentin nachwies, dass Farinelli und Portenier
sie um einen Kredit ersucht hatten.

Erwägung 2

    2.- Ein strenger Nachweis des Interesses darf vom Gesuchsteller
nach der Rechtsprechung nicht verlangt werden. Erforderlich ist aber
immerhin, dass ernsthafte Indizien das Bestehen des behaupteten Interesses
wahrscheinlich machen (BGE 93 III 6 mit Hinweisen).

    Im vorliegenden Falle konnten das Betreibungsamt und die kantonalen
Aufsichtsbehörden ohne Verletzung von Bundesrecht annehmen, die Rekurrentin
habe diesem Erfordernis mit der Vorlegung von Doppeln ihrer Schreiben
an Farinelli und Portenier nicht genügt. Müssten die Betreibungsämter
auf Grund solcher vom Gesuchsteller selber hergestellter Belege die
Einsicht in die Betreibungsprotokolle gewähren bzw. die verlangten
Auszüge ausstellen, so wären Missbräuche zu befürchten. Der Rekurrentin
war zuzumuten, schriftliche Kreditgesuche vorzulegen, die zu beschaffen
bei zweckmässiger Organisation nur wenig Zeit und Mühe forderte. Indem das
Betreibungsamt Zihlschlacht das Gesuch der Rekurrentin ablehnte, verstiess
es also nicht gegen Art. 8 Abs. 2 SchKG. Soweit aus den Erwägungen des
Entscheides BGE 52 III 73 ff. (Erw. 2) ein anderer Schluss gezogen werden
könnte, ist daran nicht festzuhalten.

Erwägung 3

    3.- Im Beschwerdeverfahren hat sich die Rekurrentin nicht bloss
auf die erwähnten Briefdoppel, sondern ausserdem auf das Zeugnis von
Farinelli und Portenier berufen. Sollten iese bestätigen, dass sie die
Schreiben der Rekurrentin erhielten und widerspruchslos entgegennahmen,
so wäre das behauptete Interesse hinlänglich belegt. Die Vorinstanz hat
nicht etwa auf Grund einer vorweggenommenen Beweiswürdigung festgestellt,
ihren Aussagen wäre nicht zu trauen. Die Rekurrentin hat daher Anspruch
auf Vernehmung dieser Zeugen.

Entscheid:

Demnach erkennt die Schuldbetr. u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird dahin gutgeheissen, dass der angefochtene Entscheid
aufgehoben und die Sache zur Abnahme des von der Rekurrentin angebotenen
Zeugenbeweises für das von ihr behauptete Interesse und zu neuer
Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.