Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 94 III 19



94 III 19

5. Auszug aus dem Entscheid vom 31. Mai 1968 i.S. Frey. Regeste

    Kostenrechnung des Sachwalters im Nachlassverfahren.

    1.  Ersatz der notwendigen Auslagen (Art. 11 Abs. 1 GebT).  Zu den
Telephontaxen darf kein sog. Abonnementszuschlag erhoben werden (Erw. 2).

    2.  Durch die Gebühren für vorgeschriebene oder durch die Umstände
gebotene Schriftstücke (Art. 7 GebT) werden auch die Bemühungen für die
Abfassung, die Ausfertigung und den Versand dieser Schriftstücke abgegolten
(Erw. 4).

    3.  Welche Verrichtungen fallen bei der Festsetzung der Pauschalgebühr
(Art. 67 GebT) in Betracht? (Erw. 6, insbesondere Abs. 3 ff.;
Verdeutlichung der Rechtsprechung). Mitwirkung bei der Abfassung des
Formulars für die Zustimmungserklärungen der Gläubiger; Vervielfältigung
dieses Formulars (Erw. 3). Beizug eines Angestellten als Protokollführer
(Erw. 5). Wieweit darf sich der Sachwalter um das Zustandekommen des
Nachlassvertrags bemühen (Erw. 6 Abs. 5).

    4.  Der Sachwalter darf für Verrichtungen während der Nachlassstundung,
die mit seiner amtlichen Aufgabe nichts zu tun haben, wie für unnütze
Verrichtungen weder auf Grund des amtlichen noch auf Grund eines
privatrechtlichen Auftrags eine Entschädigung verlangen (Erw. 6 Abs. 4).

Sachverhalt

                      Gekürzter Tatbestand:

    A.- Der Amtsgerichtspräsident Luzern-Land gewährte dem Fritz Jakober
in Kriens am 12. Mai 1966 eine Nachlassstundung zum Abschluss eines
sog. Prozentvergleichs und ernannte Werner Frey-Dettwiler in Luzern
zum Sachwalter. Am 14. Juli 1966 verlängerte er die Stundung bis zum
12. November 1966. Am 14. Dezember 1966 verweigerte er die Bestätigung
des von Jakober vorgeschlagenen Nachlassvertrags. Am 24. Januar 1967
bestätigte die obere kantonale Nachlassbehörde diesen Entscheid.

    B.- Am 30. Juli 1967 reichte der Sachwalter eine Kostenrechnung
im Betrage von Fr. 12'792.15 ein, wovon Fr. 2'253.90 auf tarifierte
Gebühren, Fr. 10'000.-- auf die Pauschalgebühr gemäss Art. 67 GebT und
Fr. 538.25 auf Auslagen entfielen. Die obere kantonale Aufsichtsbehörde
ermässigte die Rechnung auf folgende Beträge: a) Tarifierte Verrichtungen
Fr. 1'118.70, b) Nichttarifierte Verrichtungen Fr. 4500.--, c) Auslagen
Fr. 140.35; Total Fr. 5759. 05. Sie strich u.a. die in Rechnung gestellten
"Abonnementszuschläge" zu den Telephontaxen und den Posten "Mithilfe eines
Angestellten als Protokollführer" bei einer Besprechung und stellte
fest, der nach der Auffassung des Sachwalters bei der Festsetzung
der Pauschalgebühr zu berücksichtigende Mühewalt für die Redaktion,
die Ausfertigung und den Versand von Schriftstücken werde durch die
Gebühren für die betreffenden Schriftstücke abgegolten. Eine Reihe von
Verrichtungen bezeichnete sie als nicht zu den gesetzlichen Aufgaben des
Sachwalters gehörig.

    C.- Den Entscheid der obern kantonalen Aufsichtsbehörde hat der
Sachwalter an das Bundesgericht weitergezogen.

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer weist die Sache an die
Vorinstanz zurück.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- (Prozessuale Fragen).

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 11 Abs. 1 GebT sind alle notwendigen Auslagen
zu ersetzen, die infolge einer in Art. 1 bezeichneten amtlichen
Verrichtung entstehen. Benützte der Rekurrent für eine solche amtliche
Verrichtung das Telephon, so sind ihm also die Taxen für die betreffenden
Gespräche zu ersetzen. Dass er darüber hinaus Anspruch auf einen
sog. Abonnementszuschlag habe, konnte die Vorinstanz ohne Verletzung von
Bundesrecht verneinen, da die Auslagen für das Telephonabonnement nicht
infolge der Tätigkeit des Rekurrenten als Sachwalter im vorliegenden
Nachlassverfahren, sondern unabhängig davon entstanden sind.

Erwägung 3

    3.- Mit Bezug auf die den Gläubigern zu unterbreitende
Zustimmungserklärung hat die Vorinstanz erwogen, an sich sei die Abfassung
dieser Erklärung Sache des Schuldners. Die Mitwirkung des Sachwalters
sei aber geboten, da der "Wortlaut der Formulierung" wesentlich sei. Die
Vervielfältigung der Zustimmungserklärung (wofür der Rekurrent die Kosten
der Matrize, Fr. 22.-, und eine Stunde Arbeit in Rechnung gestellt hatte;
Posten 171) gehöre dagegen nicht zum gesetzlichen Aufgabenbereich des
Sachwalters.

    Die Vorinstanz nimmt mit Recht an, der Sachwalter habe bei der
Abfassung des Formulars für die Zustimmungserklärungen mitzuwirken. Diese
Erklärungen bilden die Grundlage für das vom Sachwalter abzugebende
Gutachten darüber, ob der Nachlassvertrag angenommen sei (Art. 304
SchKG). Der Sachwalter, dem die Leitung des Nachlassverfahrens obliegt (BGE
92 III 45), hat deswegen über die richtige Abfassung dieser Erklärungen zu
wachen. Hat er aber bei der Abfassung dieser Erklärungen mitzuwirken, so
kann nicht beanstandet werden, dass er im Einvernehmen mit dem Schuldner
(der die Kosten auf jeden Fall zu tragen hat) auch die Vervielfältigung
des Formulars übernimmt, für die er oft besser eingerichtet ist als der
Schuldner. Im vorliegenden Falle hat der Schuldner nicht behauptet, der
Rekurrent habe diese Arbeit gegen seinen Willen besorgt. Die Streichung
des Postens 171 ist daher nicht gerechtfertigt... Die Bemessung des
erforderlichen Zuschlags zur Kostenrechnung (Art. 11 und 67 GebT) ist
Sache der Vorinstanz.

Erwägung 4

    4.- Der Vorinstanz ist darin beizustimmen, dass durch die Gebühren für
vorgeschriebene oder durch die Umstände gebotene Schriftstücke (Art. 7
GebT) und für Bekanntmachungen (Art. 66 in Verbindung mit Art. 52 GebT)
auch die Bemühungen für die Abfassung, die Ausfertigung und den Versand
der betreffenden Schriftstücke abgegolten sind. Diese Bemühungen können
daher nicht auch noch bei der Bemessung der Pauschalgebühr nach Art. 67
GebT berücksichtigt werden. Soweit der Rekurrent das verlangt, ist der
Rekurs also unbegründet...

Erwägung 5

    5.- Ausser der - nach Erwägung 4 hiervor zu Recht erfolgten -
Streichung der Bemühungen von Angestellten für die Ausfertigung und
den Versand tarifierter Schriftstücke beanstandet der Rekurrent, dass
die Vorinstanz die Mitarbeit eines Angestellten als Protokollführer bei
einer Besprechung als nicht zu entschädigende Verrichtung bezeichnete
(Posten 46). Die Vorinstanz strich diesen Posten, weil die Mitarbeit des
Angestellten den Rekurrenten von der Notwendigkeit entlastet habe, selbst
Notizen zu machen. Das trifft zwar zu, ist aber kein stichhaltiger Grund
dafür, den Arbeitsaufwand des Angestellten kurzerhand zu streichen. Hätte
der Rekurrent den Angestellten nicht beigezogen, so hätte sich seine
eigene zeitliche Beanspruchung verlängert. Die Bemühungen des Angestellten
verdienen daher, bei der Bemessung der Pauschalgebühr berücksichtigt zu
werden. Die Festsetzung des Zuschlags ist auch hier Sache der Vorinstanz.

Erwägung 6

    6.- Der Rekurrent führt aus, er müsse es der Beurteilung des
Bundesgerichts überlassen, ob gewisse Verrichtungen wirklich nicht
gebührenpflichtig seien. Nach seiner Auffassung könne nur der Sachwalter
allein ermessen, was notwendig sei und was nicht. Sollten gewisse
Verrichtungen nicht gebührenpflichtig sein, so wäre ihm gedient, wenn die
Aufsichtsbehörde ausdrücklich feststellen würde, dass es dem Sachwalter
überlassen sei, dafür dem Schuldner direkt Rechnung zu stellen.

    Das Gesuch um Prüfung der Frage, ob "gewisse Verrichtungen"
gebührenpflichtig seien oder nicht, genügt den Anforderungen des
Art. 79 OG nicht. Zur Abgrenzung der zu entschädigenden Verrichtungen
des Sachwalters ist aber immerhin von Amtes wegen (Art. 16 Abs. 1 GebT)
folgendes zu bemerken:

    In BGE 73 III 36 f. hat das Bundesgericht u.a. erklärt, alle
Verrichtungen, die der Sachwalter in Erfüllung seiner Aufgabe vornehmen
zu müssen glaube, seien als kraft seines amtlichen Auftrags ausgeführt zu
betrachten; neben diesem Auftrag sei für eine privatrechtliche Beziehung
zwischen dem Schuldner und ihm kein Raum; zur Sachwaltertätigkeit seien
ausser den im Tarif vorgesehenen Verrichtungen alle diejenigen zu rechnen,
die der Sachwalter im Interesse des Schuldners oder der Gläubiger
ausgeführt habe, einschliesslich der Nachforschungen in den Büchern,
der Erstellung der Rechnungen und der Bemühungen, die er unternehmen zu
sollen geglaubt habe, um die Gläubiger zu bewegen, den Vorschlägen des
Schuldners zuzustimmen; die Aufsichtsbehörde habe sich jedoch über die
Nützlichkeit seiner Bemühungen auszusprechen und die Entschädigung zu
kürzen, wenn sie gewisse Verrichtungen als unnütz betrachte oder finde,
dass sie zu dem zu erwartenden Erfolg in einem Missverhältnis standen.

    Die Vorinstanz ist der Auffassung, bei der Festsetzung der
Kostenrechnung des Sachwalters sei nicht bloss die Nützlichkeit und
Verhältnismässigkeit seiner Bemühungen, sondern auch die Frage zu prüfen,
ob die in Rechnung gestellten Verrichtungen in den Bereich seiner amtlichen
Aufgabe fallen oder nicht. Daran ist richtig, dass dem Sachwalter für
Verrichtungen, die den Rahmen seines gesetzlichen Auftrags offensichtlich
überschreiten, keine Entschädigung gebührt. Das gilt gegebenenfalls
namentlich für Verrichtungen, die er in Verletzung seiner Pflicht zu
gleichmässiger Wahrung der Interessen des Schuldners und der Gläubiger
(BGE 92 III 45) im einseitigen Interesse einer Partei vornimmt. Für
Verrichtungen während der Nachlassstundung, die mit der amtlichen Aufgabe
nichts zu tun haben oder ihr sogar widersprechen, kann der Sachwalter wie
für unnütze oder zum möglichen Erfolg in einem Missverhältnis stehende
Bemühungen weder auf Grund seines amtlichen Auftrags noch auf Grund eines
privatrechtlichen Auftrags (dessen Übernahme und Ausführung mit seiner
amtlichen Stellung unvereinbar wären) eine Entschädigung verlangen. Dem
Rekurrenten kann daher entgegen seinem Begehren nicht das Recht gewahrt
werden, dem Schuldner für während der Stundung ausgeführte Verrichtungen,
"die nach SchKG nicht belastet werden dürfen", gesondert Rechnung zu
stellen.

    Der Vorinstanz ist darin beizustimmen, dass Bemühungen, die
der Ernennung zum Sachwalter vorausgehen oder der Beendigung des
Nachlassverfahrens nachfolgen (vgl. BGE 81 III 31), und Bemühungen für
die Weiterziehung eines negativen Entscheids der erstinstanzlichen
Nachlassbehörde sowie für ein neues Stundungsverfahren nicht zu den
gesetzlichen Aufgaben des Sachwalters gehören (während die Verlängerung
der Stundung gemäss Art. 295 Abs. 4 SchKG auf Antrag des Sachwalters
erfolgt). Der Sachwalter hat auch nicht Angelegenheiten zu besorgen, die
zur Weiterführung des Geschäftsbetriebs des Schuldners gehören, sondern er
hat diesen Betrieb lediglich zu überwachen (Art. 295 Abs. 2, 298 SchKG),
wozu auch die Stellungnahme zu vom Schuldner geplanten Massnahmen gehören
kann. Die Beibringung der Zustimmungserklärungen der Gläubiger und die
Finanzierung des Nachlassvertrags sind grundsätzlich Sache des Schuldners
(vgl. zum ersten Punkt H. GLARNER, Das Nachlassvertragsrecht nach schweiz.
SchKG, 1967, S. 50). Das heisst aber entgegen der Auffassung der Vorinstanz
nicht, dass der Sachwalter sich mit diesen Angelegenheiten überhaupt
nicht zu befassen habe. Das Zustandekommen des Nachlassvertrags kann im
wohlverstandenen Interesse sowohl des Schuldners als auch der Gläubiger
liegen. Der Sachwalter überschreitet daher seine gesetzliche Aufgabe nicht,
wenn er in derartigen Fällen durch Aufklärung der Gläubiger über die
Lage des Schuldners, über die Gründe der Insolvenz und über die geplante
Sanierung sowie durch Stellungnahme zu allfälligen Einwendungen der
Gläubiger zum Zustandekommen des Nachlassvertrags beizutragen sucht. In
diesem Sinne ist an der in BGE 73 III 36 f. vertretenen Auffassung
festzuhalten. Ähnlich verhält es sich auch mit der Finanzierung des
Nachlassvertrags, für die sich der Sachwalter schon deshalb interessieren
muss, weil sich sein Gutachten u.a. darüber auszusprechen hat, ob
die Vollziehung des Nachlassvertrags hinlänglich sichergestellt sei
(Art. 304 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 306 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG). Bei
Beurteilung der Frage, ob und welche Bemühungen um das Zustandekommen des
Nachlassvertrags im einzelnen Falle gerechtfertigt sind, ist dem Ermessen
des Sachwalters ein gewisser Spielraum zuzubilligen.

    Im Sinne dieser Erwägungen hat die Vorinstanz die Posten, die sie
als nicht zur gesetzlichen Aufgabe des Sachwalters gehörend bei der
Festsetzung der Rechnung ausser Betracht gelassen hat, neu zu überprüfen.