Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 94 III 17



94 III 17

4. Entscheid vom 27. März 1968 i.S. Schüpbach Regeste

    Ein Bevormundeter, der Gläubiger einer Lohnforderung ist, kann
im Konkurs des Arbeitgebers nicht selbständig die Abtretung von
Rechtsansprüchen der Masse (Art. 260 SchKG) verlangen und gegen die
Verweigerung oder den Widerruf einer solchen Abtretung Beschwerde führen,
selbst wenn man annimmt, Art. 412 ZGB gelte auch für die Ausübung einer
Erwerbstätigkeit in abhängiger Stellung (Frage offen gelassen) und
die Vormundschaftsbehörde habe dem Bevormundeten die hier vorgesehene
Bewilligung erteilt.

Sachverhalt

    Hans W. Schüpbach ist im Konkurs des Baugeschäftes Probau AG als
Gläubiger einer Lohnforderung von Fr.

    3'150.-- in 5. Klasse kolloziert. Am 4. August 1967 trat ihm
die Konkursverwaltung auf sein Begehren Rechtsansprüche der Masse im
Sinne von Art. 260 SchKG ab. Am 8. November 1967 widerrief sie diese
Abtretungen, weil sie erfahren hatte, dass Schüpbach bevormundet ist, und
weil Schüpbach die ihm für die gerichtliche Geltendmachung der abgetretenen
Ansprüche gesetzte Frist nicht eingehalten hatte. Der Vormund widerrief die
Mahnungen und Betreibungen, zu denen Schüpbach auf Grund der Abtretungen
geschritten war.

    Auf die Beschwerde, mit welcher Schüpbach eine Verlängerung der Frist
für die gerichtliche Geltendmachung der abgetretenen Ansprüche verlangte,
trat die untere Aufsichtsbehörde am 9. Januar 1968 nicht ein. Die obere
kantonale Aufsichtsbehörde wies den Rekurs Schüpbachs gegen diesen
Entscheid am 9. Februar 1968 ab.

    Den Entscheid der obern kantonalen Aufsichtsbehörde hat Schüpbach an
das Bundesgericht weitergezogen.

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer tritt auf den Rekurs
nicht ein.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Erwägungen:

    Nach Art. 412 ZGB kann der Bevormundete, dem die Vormundschaftsbehörde
den selbständigen Betrieb eines Berufs oder Gewerbes ausdrücklich
oder stillschweigend gestattet hat, alle Geschäfte vornehmen, die zum
regelmässigen Betrieb gehören. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese
Bestimmung, wie in BGE 67 II 83/84 und 85 III 163/64 angenommen, nur
für die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit gelte oder ob der
darin verwendete Ausdruck "selbständig" (den der französische Gesetzestext
nicht wiedergibt) lediglich die Unabhängigkeit vom gesetzlichen Vertreter
bezeichne, so dass die Bestimmung auch auf die Ausübung einer Tätigkeit
in abhängiger Stellung (auf Grund eines Arbeitsvertrags) anwendbar wäre
(in diesem Sinne EGGER N. 4 zu Art. 412 ZGB). Ebenso braucht nicht geprüft
zu werden, ob die Vormundschaftsbehörde dem Rekurrenten die Ausübung
eines Berufs im Sinne von Art. 412 ZGB ausdrücklich oder stillschweigend
gestattet habe. Fehlt nämlich eine solche Erlaubnis oder ist Art. 412 ZGB
auf eine Berufstätigkeit in abhängiger Stellung, wie der Rekurrent sie als
Angestellter der Probau AG ausübte, überhaupt nicht anwendbar, so ist von
vornherein klar, dass der Rekurrent nicht befugt war, im Konkurs der Probau

AG von sich aus Abtretungsbegehren im Sinne von Art. 260 SchKG zu
stellen und gegen die Aufhebung der ihm erteilten Abtretungen ohne
Einwilligung seines Vormunds Beschwerde zu führen, sondern dass diese
Handlungen der Zustimmung oder Genehmigung des Vormunds bedurften
(Art. 410 ZGB), die nicht erteilt wurde. Es handelte sich dabei nicht
etwa um die Ausübung von Rechten, die ihm im Sinne von Art. 19 Abs. 2
ZGB um seiner Persönlichkeit willen zustünden (vgl. BGE 88 III 10
Erw. 2). - Gleich verhält es sich aber auch, wenn man annimmt, Art. 412
ZGB gelte auch für die Berufsausübung in abhängiger Stellung und die
Vormundschaftsbehörde habe dem Rekurrenten, wie er behauptet, die in Frage
stehende Berufstätigkeit stillschweigend gestattet. In diesem Falle war
er zwar befugt, seine Lohnforderung im Konkurs seiner Arbeitgeberin von
sich aus anzumelden und nötigenfalls selbständig auf Anerkennung dieser
Forderung zu klagen. Dagegen fehlt ihm auch in diesem Falle die rechtliche
Fähigkeit, von sich aus Abtretungsbegehren im Sinne von Art. 260 SchKG zu
stellen, die abgetretenen Ansprüche gerichtlich geltend zu machen und wegen
Verweigerung oder Aufhebung einer solchen Abtretung Beschwerde zu führen;
denn diese Geschäfte gehören unzweifelhaft nicht zum regelmässigen Betrieb
der ihm angeblich bewilligten Berufstätigkeit, sondern es handelt sich
dabei um Vorkehren, die völlig ausserhalb der normalen Berufstätigkeit
eines technischen Angestellten eines Baugeschäfts liegen und unter
Umständen erhebliche Gefahren in sich bergen.

    Die untere Aufsichtsbehörde ist daher auf die Beschwerde des
Rekurrenten mit Recht nicht eingetreten.

    Wegen Fehlens der notwendigen Handlungsfähigkeit ist auch der
vorliegende Rekurs an das Bundesgericht durch Nichteintreten zu erledigen.