Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 93 I 722



93 I 722

91. Urteil vom 19. Dezember 1967 i.S. X. Regeste

    Wehrsteuer:

    1.  Begriff der Steuerumgehung (Erw. 1).

    2.  Anwendungsfall: Der Steuerpflichtige verkauft die Aktien
seiner industriellen Unternehmung an eine andere von ihm gegründete
Aktiengesellschaft und lässt darauf der Käuferin Gewinne ausschütten,
die sich in jener Unternehmung angehäuft haben (Erw. 2).

Sachverhalt

    A.- Die im Jahre 1943 gegründete X. AG stellt Maschinen her, die sie
hauptsächlich ins Ausland liefert. Ihr Grundkapital wurde auf Fr. 60'000.--
festgesetzt und in 60 Aktien zu Fr. 1'000.-- eingeteilt. Seit dem Jahre
1960 ist der Beschwerde führer X. alleiniger Aktionär. Die X. AG erzielte
hohe Gewinne. Sie schüttete regelmässig eine Dividende von 25% aus.
In den Jahren vor 1961 übertrug sie jeweils einen bedeutend grösseren
Teil der Gewinne auf das nächste Geschäftsjahr.

    Am 28. Dezember 1960 wurde die Y. AG gegründet, als deren Zweck
"die Beteiligung an anderen Unternehmen und die Verwaltung von solchen
Beteiligungen" angegeben wurde. Ihr Grundkapital von Fr. 1'000,000.--
wurde in bar liberiert. X. zeichnete 998 von den 1000 Aktien der neuen
Gesellschaft. Am 31. Dezember 1960 verkaufte er dieser sämtliche Aktien
der X. AG zum Preise von Fr. 2'970,000.--. Er liess sich von der Y. AG
Fr. 1'002,045.-- in bar auszahlen und Fr. 1'967,955.-- auf Kontokorrent
gutschreiben. Den in bar bezogenen Betrag verwendete er zur Rückzahlung
des bei einer Bank für die Liberierung des Aktienkapitals der Y. AG
aufgenommenen Darlehens. In der Folge schüttete die X. AG Gewinne, die sie
angesammelt hatte, durch Übereignung von Wertschriften an die Y. AG aus,
nämlich Fr. 2'575,000.-- im Jahre 1961 und Fr. 905'000.-- im Jahre 1962.

    B.- Bei der Einschätzung des Beschwerdeführers zur Wehrsteuer der
12. Periode (1963/64, Bemessungsjahre 1961/62) nahm die Veranlagungsbehörde
an, die Y. AG sei lediglich zum Zwecke der Steuerumgehung gegründet
worden. Sie anerkannte daher die Gründung nicht und rechnete zum Einkommen
des Beschwerdeführers in der Bemessungsperiode auch die folgenden Posten:
          1961    1962 Fr.     Fr.

    Gewinnausschüttungen der X. AG an die

    Y. AG durch Abtretung von Wertschriften

    (nach Abzug der Couponabgabe) 2'497,750       877'850

    Erträge dieser Wertschriften nach der Abtre-

    tung (Schätzung)      76'800  97'000
          2'574,550       974'850

    So ergab sich ein steuerbares Einkommen von Fr. 1'853,700.-- und für
ein Jahr ein Steuerbetrag von Fr. 133'466.40. Diese Veranlagung wurde im
Einspracheverfahren bestätigt.

    Die Beschwerde des Steuerpflichtigen gegen den Einspracheentscheid
wurde von der kantonalen Rekurskommission abgewiesen. Diese führte aus,
die Gründung der Y. AG und die damit zusammenhängenden Transaktionen
seien ungewöhnlich, ja absonderlich. X. habe beabsichtigt, durch dieses
Vorgehen Steuern beachtlichen Umfangs einzusparen. Diese Absicht würde
verwirklicht, wenn auf die von ihm gewählte Gestaltung der Verhältnisse
abgestellt würde. Somit seien alle Voraussetzungen für die Annahme einer
Steuerumgehung erfüllt. Die Gewinne, welche die X. AG der Y. AG in der
Berechnungsperiode zugewiesen habe, seien daher dem Beschwerdeführer
als Einkommen anzurechnen. Eventuell wäre anzunehmen, dass verdeckte
Gewinnausschüttungen der X. AG an den Beschwerdeführer vorliegen.

    C.- X. erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Begehren, der
Entscheid der kantonalen Rekurskommission sei aufzuheben.

    Er macht geltend, man habe es hier nicht mit einer Steuerumgehung
zu tun. Die von ihm gewählte Rechtsgestaltung sei weder ungewöhnlich
noch dem erstrebten wirtschaftlichen Ziel offensichtlich nicht
angemessen. Er habe die in Frage stehenden Gewinne, für welche der
Fabrikationsbetrieb der X. AG keine Verwendung gehabt habe, für den
Erwerb von Beteiligungen an industriellen Unternehmungen des In- und
Auslandes einsetzen wollen. Um dieses Ziel zu erreichen, habe er einen
durchaus normalen Weg eingeschlagen, nämlich eine Holdinggesellschaft
- Y. AG - gegründet, die Aktien seines industriellen Unternehmens zu
einem angemessenen Preise an sie verkauft und ihr jene Gewinne direkt
zukommen lassen. Tatsächlich habe er der Y. AG in den Jahren 1963 und
1966 Beteiligungen an einer schweizerischen Immobiliengesellschaft und
einer französischen Unternehmung verschafft. Er habe auch Verhandlungen
über Beteiligungen mit Vertretern einer schweizerischen Maschinenfabrik
(seit 1959) und einer amerikanischen Firma (seit 1963) geführt, leider
ohne Erfolg. Er habe nicht eine Steuerumgehung beabsichtigt. Die von ihm
gewählte Gestaltung der Verhältnisse habe - falls sie der Besteuerung
zugrunde gelegt werde - auch nicht eine beachtliche Einsparung von Steuern
zur Folge; denn er habe auf die Überführung der streitigen Gewinne in
sein Privatvermögen verzichtet, also "den wirtschaftlichen Erfolg, den
die angeblich umgangene Norm besteuert, nicht herbeigeführt". Er könne
nicht für ein Einkommen besteuert werden, das ihm nicht, oder jedenfalls
noch nicht, zugeflossen sei. Das Vorgehen der Steuerbehörde laufe auf
eine Besteuerung des von ihm beim Verkauf der Aktien der X. AG erzielten
Kapitalgewinns hinaus, was dem System der Wehrsteuer widerspreche.

    Auch für die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung fehlten die
Voraussetzungen, namentlich die Realität des Einkommens.

    Der Beschwerdeführer beantragt die Einholung eines Gutachtens über die
Frage, ob die umstrittenen Transaktionen "manifestement insolite" seien.

    D.- Die kantonalen Behörden und die eidgenössische Steuerverwaltung
schliessen auf Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach der Rechtsprechung der verwaltungsrechtlichen Kammer des
Bundesgerichts liegt eine Steuerumgehung vor, wenn

    a) die von den Beteiligten gewählte Rechtsgestaltung als ungewöhnlich
("insolite"), sachwidrig oder absonderlich, jedenfalls der wirtschaftlichen
Gegebenheit völlig unangemessen erscheint,

    b) anzunehmen ist, dass diese Wahl missbräuchlich, lediglich deshalb
getroffen worden ist, um Steuern einzusparen, welche bei sachgemässer
Ordnung der Verhältnisse geschuldet wären,

    c) das gewählte Vorgehen tatsächlich zu einer erheblichen
Steuerersparnis führen würde, sofern es von der Steuerbehörde hingenommen
würde.

    Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so wird der Besteuerung auch dann,
wenn die gewählte Rechtsform unter dem Gesichtspunkte des Zivilrechts
als gültig und wirksam erscheint, nicht diese Gestaltung zugrunde
gelegt, sondern die Ordnung, welche der sachgemässe Ausdruck des von den
Beteiligten erstrebten wirtschaftlichen Zweckes gewesen wäre (BGE 73 I 75,
80 I 34; ASA Bd. 16 S. 215, Bd. 19 S. 90, Bd. 29 S. 439).

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe die von der
X. AG im Laufe der Jahre angesammelten, "nicht betriebsnotwendigen"
Gewinne für den Erwerb von Beteiligungen an anderen industriellen
Unternehmungen verwenden wollen; deshalb habe er eine Holdinggesellschaft
- Y. AG - gegründet. Es ist ihm zuzugeben, dass die Gründung einer
Holdinggesellschaft an sich nichts Ungewöhnliches oder Absonderliches
ist. Solche Gesellschaften werden im allgemeinen als Steuersubjekte im
Sinne des Wehrsteuerbeschlusses anerkannt. Nach Art. 59 WStB geniessen
sie eine Steuererleichterung, das sog. Holdingprivileg; diese im Gesetz
vorgesehene Vergünstigung darf in der Regel in Anspruch genommen werden. Es
ist an sich auch nicht sachwidrig, wenn ein Industrieller Gewinne, die er
in seinem Betriebe angehäuft und für die er dort keine Verwendung hat,
in Beteiligungen an anderen industriellen Unternehmungen anlegen will
und zu diesem Zwecke eine Holdinggesellschaft gründet. Allerdings fällt
auf, dass der Beschwerdeführer die Absicht, die er mit der Ende 1960
durchgeführten Gründung der Y. AG verfolgt haben will, bei weitem nicht
verwirklicht hat. Erst im Jahre 1963 hat er dieser Gesellschaft eine
Beteiligung an einer - ebenfalls von ihm gegründeten - schweizerischen
Immobiliengesellschaft vermittelt (496 von 500 Aktien zu Fr. 1'000.--), und
erst im Jahre 1966 ist eine Beteiligung an einer den Handel mit Maschinen
treibenden französischen Gesellschaft dazugekommen (90 Aktien im Buchwert
von Fr. 11'250.--, die bisher im Besitz der X. AG gewesen waren). Für
den Erwerb dieser Beteiligungen ist nur ein verhältnismässig kleiner
Teil der bedeutenden Mittel der Y. AG in Anspruch genommen worden. Nach
der Darstellung des Beschwerdeführers hatten Verhandlungen über weitere
Beteiligungen keinen Erfolg. Indessen kann angenommen werden, dass er
ernsthaft bestrebt war, der Y. AG noch andere Beteiligungen zu verschaffen.
Es besteht kein genügender Grund, die Gründung dieser Gesellschaft an
sich (abgesehen von der Art der Durchführung) geradezu als sachwidrig
zu erachten.

    Sonderbar ist dagegen, dass der Beschwerdeführer der Y. AG drei Tage
nach ihrer Gründung sämtliche Aktien der X. AG verkauft hat. Die Y. AG
war nach seinen eigenen Angaben einzig dazu bestimmt, die von der X. AG
angesammelten, für deren Fabrikationsbetrieb nicht notwendigen Gewinne
aufzunehmen, sie zum Erwerb von Beteiligungen an anderen industriellen
Unternehmungen zu verwenden und diese Beteiligungen zu verwalten. Um diesen
Zweck zu erreichen, war es keineswegs nötig, ihr die Aktien der X. AG zu
verkaufen. Es hätte genügt, ihr jene Gewinne - in Form der Wertschriften,
in denen sie angelegt waren, oder allenfalls in bar - zuzuweisen und ihr
Grundkapital durch Anrechnung eines entsprechenden Teils dieser Sach- oder
Barleistung aufzubringen. Diese Lösung hätte dem wirtschaftlichen Ziel
entsprochen, das der Beschwerdeführer - nach seiner Darstellung - mit der
Gründung der Y. AG verfolgt hat. Der Verkauf der Aktien der X. AG an die
(wirtschaftlich mit dem Verkäufer identische) Y. AG mag zivilrechtlich
gültig und wirksam sein, doch war er auf jeden Fall sachwidrig, jenem Ziel
völlig unangemessen. Er lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass
der Beschwerdeführer einen Teil des Kaufpreises, rund eine Million Franken,
in bar bezogen und zur Rückzahlung eines Bankdarlehens verwendet hat, das
zur Barliberierung des Grundkapitals der Y. AG aufgenommen worden war. Der
Beschwerdeführer war keineswegs darauf angewiesen, sich die Mittel für die
Liberierung dieses Kapitals durch eine Bank vorschiessen zu lassen. Wenn
er schon Aktien der X. AG einsetzen wollte, hätte es übrigens nahegelegen,
das Grundkapital der zu gründenden Gesellschaft direkt durch Einlage eines
entsprechenden Teils dieser Aktien aufzubringen. Aber auch dieses Vorgehen
wäre nicht sachgemäss gewesen. Nach der vom Beschwerdeführer angegebenen
Zweckbestimmung der Y. AG hat überhaupt kein sachlich begründetes Bedürfnis
bestanden, dieser Gesellschaft Aktien der X. AG zuzuweisen.

    Die vom Beschwerdeführer beantragte Einholung eines Gutachtens
erscheint nicht als notwendig. Es ist offensichtlich, dass der Verkauf der
Aktien an die Y. AG dem wirtschaftlichen Zweck, den der Beschwerdeführer
- nach seinen Ausführungen - mit der Gründung dieser Gesellschaft hat
erreichen wollen, völlig unangemessen war.

    Er lässt sich unter diesen Umständen nur mit der Absicht des
Beschwerdeführers erklären, Steuern einzusparen, die bei sachgemässer
Gestaltung der Verhältnisse geschuldet wären. Das sachgemässe Vorgehen
hätte darin bestanden, dass der Beschwerdeführer die von der X. AG
angehäuften, für ihren Betrieb nicht notwendigen Gewinne an sich selber
hätte ausschütten lassen und sie dann zweckmässig angelegt hätte. Hätte
er die Gewinne für sich bezogen, so hätte er aber ein Einkommen aus
gesellschaftlicher Beteiligung erzielt, das er nach Art. 21 Abs. 1
lit. c WStB hätte versteuern müssen. Um die Steuerbelastung wesentlich
herabzusetzen, hat er die Aktien der X. AG an die Y. AG verkauft und
dieser als der nunmehrigen Aktionärin der X. AG jene Gewinne ausschütten
lassen. Würde bei der Besteuerung von dieser Gestaltung ausgegangen, so
würde der Beschwerdeführer tatsächlich eine beträchtliche Steuerersparnis
erzielen. Er könnte dann für den grössten Teil der erwähnten Gewinne nicht
mehr der Wehrsteuer unterworfen werden. In der Tat könnte er von der Y. AG,
falls sie liquidiert würde - was er jederzeit veranlassen könnte -, rund
3 Millionen Franken (1 Million Aktienkapital + 2 Millionen Guthaben aus
Kontokorrent) beziehen, ohne dafür die Wehrsteuer entrichten zu müssen
(vgl. Art. 21 Abs. 1 lit. c WStB am Ende).

    Sind somit alle Voraussetzungen einer Steuerumgehung erfüllt, so
ist der Besteuerung die Rechtsgestaltung zugrunde zu legen, welche die
sachgemässe Ordnung der Verhältnisse dargestellt hätte, d.h. es ist so zu
halten, wie wenn der Verkauf der Aktien der X. AG an die Y. AG unterblieben
wäre und die in Frage stehenden Gewinne von rund 3,5 Millionen Franken
von der X. AG direkt an den Beschwerdeführer selber ausgeschüttet worden
wären. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der Beschwerdeführer für
diese Gewinne der Wehrsteuer unterworfen worden ist.

    Der Einwand des Beschwerdeführers, er werde in unzulässiger Weise
für den beim Verkauf der Aktien erzielten Kapitalgewinn besteuert, geht
fehl. Wohl könnte der Beschwerdeführer für einen bei der Veräusserung
der Aktien an einen Dritten erzielten Gewinn nach Art. 21 Abs. 1 lit. d
WStB nicht besteuert werden, da er nicht zur Führung kaufmännischer Bücher
verpflichtet ist. Er hat aber die Aktien an die von ihm beherrschte Y. AG
verkauft, und dieser Verkauf ist nach dem Gesagten zu ignorieren. Es
ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer Gewinnanteile aus
gesellschaftlicher Beteiligung bezogen hat. Dafür ist er nach Art. 21
Abs. 1 lit. c WStB zu besteuern.

Erwägung 3

    3.- Ob und, wenn ja, in welchem Umfange eine verdeckte
Gewinnausschüttung angenommen werden könnte, braucht nicht geprüft zu
werden. Auf jeden Fall erweist sich die von der kantonalen Rekurskommission
in erster Linie vertretene Auffassung, dass eine Steuerumgehung vorliegt,
als zutreffend. Der angefochtene Entscheid ist aus diesem Grunde zu
bestätigen.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.