Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 93 I 632



93 I 632

80. Urteil vom 14. November 1967 i.S. Rialto Film AG gegen Wallis, Kanton
und Justiz- und Polizeidepartement. Regeste

    Gewaltentrennung. Gebühr.

    Das Erfordernis der gesetzlichen Grundlage gilt nicht für blosse
Kanzleigebühren; Begriff derselben (Erw. 2 und 3).

    Das Filmgesetz des Kantons Wallis vom 12. November 1915 stellt für die
Erhebung einer andern als einer Kanzleigebühr keine gesetzliche Grundlage
dar (Erw. 4 und 5).

Sachverhalt

    A.- Das Gesetz des Kantons Wallis betreffend die kinematographischen
Vorstellungen und ähnliche Aufführungen vom 12. November 1915 verbietet
alle Vorführungen, die gegen die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung
verstossen oder offenkundig beleidigend sind und namentlich solche,
welche die Leidenschaften wecken oder zu Verbrechen oder Vergehen
aufreizen. Der Staatsrat wird ermächtigt, ein Ausführungsreglement
zu erlassen. Gestützt hierauf erging am 9. Mai 1952 ein Reglement des
Staatsrates. Dieses bestimmt in Art. 52 Abs. 2, dass, falls ein Film der
zuständigen Kommission zur Kontrolle vorgelegt wird, das Polizeidepartement
das Kinotheater bestimmt, in welchem der Film vorzuführen ist. Die Kosten
dieser Kontrollbesichtigung ("frais de visionnement") hat der Filmverleiher
zu tragen.

    Am 30. Dezember 1966 beschloss der Staatsrat, mit Wirkung seit dem 1.
Januar 1967 Art. 52 Abs. 2 Satz 2 des Reglementes zur Anwendung zu bringen.
Am gleichen Tage bestellte er die für die Kontrollbesichtigung der
Filme zuständige Kommission von drei Mitgliedern. Das kantonale Justiz-
und Polizeidepartement gab den Filmverleihgeschäften vom Beschluss
des Staatsrates Kenntnis und kündigte an, dass inskünftig für jede
Filmkontrolle eine Gebühr zu Lasten des Filmverleihers bezogen werde. Der
Rialto Film AG stellte es am 25. Juli 1967 für die Besichtigung des Filmes
"Eva s'éveille à l'amour" im Betrag von Fr. 50.- Rechnung.

    B.- Mit rechtzeitiger staatsrechtlicher Beschwerde beantragt die
Rialto Film AG, die Verfügung des Justiz- und Polizeidepartements vom
25. Juli 1967 aufzuheben. Sie rügt eine Verletzung von Art. 4 BV, von
Art. 3 der Staatsverfassung (Rechtsgleichheit) sowie des Grundsatzes
der Gewaltentrennung. Für die Begründung dieses Antrages wird auf die
nachfolgenden Erwägungen verwiesen.

    C.- Der Staatsrat des Kantons Wallis beantragt die Abweisung der
Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- (Prozessuales).

Erwägung 2

    2.- Die Beschwerdeführerin rügt das Fehlen einer gesetzlichen
Grundlage für die Erhebung der ihr aufgelegten Gebühr. Um diesem
Erfordernis zu genügen, hätte die Gebühr durch Verordnung umschrieben
und auch ziffernmässig bestimmt werden müssen. Sie könne nicht durch
"Generalklausel" festgesetzt werden. Ohne gesetzliche Grundlage könnte
allenfalls bloss eine Kanzleigebühr erhoben werden. Doch handle es sich
bei der der Beschwerdeführerin auferlegten nicht um eine solche, da sie
zum Aufwand der Verwaltung nicht verhältnismässig sei.

    Der Staatsrat bezeichnet die von der Beschwerdeführerin erhobene
Gebühr als Kanzleigebühr, die sich im Rahmen dessen halte, was nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichts zulässig sei.

    Die Parteien sind also darüber einig, dass die der Beschwerdeführerin
auferlegte Abgabe eine Gebühr darstellt. Streitig ist, ob sie als solche
einer gesetzlichen Grundlage bedarf und ob es sich um eine gewöhnliche
oder um eine blosse Kanzleigebühr handle.

Erwägung 3

    3.- Die Gebühr ist wie die Vorzugslast, aber im Gegensatz zur Steuer,
die voraussetzungslos geschuldet ist, an die Erfüllung bestimmter
Voraussetzungen geknüpft; sie wird deshalb auch als Kausalabgabe
bezeichnet. Der Grund der Erhebung ist die Vornahme einer Massnahme oder
Leistung der Behörde, eine Verwaltungstätigkeit oder das Bestehen einer
Verwaltungseinrichtung, die vom Bürger benutzt oder in Anspruch genommen
wird. Nach allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen bedarf die Gebühr als
eine Art der öffentlichen Abgabe einer gesetzlichen Grundlage. Denn da sie
zur Eingriffsverwaltung gehört, gilt für sie der Vorbehalt des Gesetzes
(BGE 82 I 27, 84 I 89 mit Verweisungen). Für blosse Kanzleigebühren
wird dagegen im allgemeinen anerkannt, dass sie von der vollziehenden
Behörde im Rahmen einer Ausführungsverordnung ohne besondere gesetzliche
Ermächtigung festgesetzt werden können (BGE 82 I 27 mit Verweisungen).

    Die Kanzleigebühr ist eine Abgabe für eine einfache, keinen besondern
Prüfungs- oder Kontrollaufwand erfordernde Tätigkeit der Verwaltung. Sie
hat sich dementsprechend in bescheidenem Rahmen zu halten. Amtshandlungen,
die eine technisch, rechtlich oder sonst eingehende Prüfung verlangen
und deshalb regelmässig mehr Zeit oder ein qualifiziertes Personal oder
mehrere Personen in Anspruch nehmen, fallen nicht darunter. Die dafür
erhobenen Abgaben sind Gebühren schlechthin. Als Kanzleigebühren galten
bislang im Hinblick auf die Einfachheit der erforderlichen Kontrolle oder
Prüfung etwa die Abgaben für die Legalisation von Unterschriften oder
Urkunden und ähnliche Funktionen. Das Bundesgericht zählte dazu die
Gebühr für die Erteilung von Berufsbewilligungen (BGE 51 I 16; bei den
Berufsbewilligungen für Anwälte, wenn sie gestützt auf ein ausserkantonales
Fähigkeitszeugnis erteilt wurden: BGE 23 I 480); es erklärte eine Gebühr
von Fr. 130.-- nebst Kanzleiauslagen im gleichen Ausmass als Gebühr für
eine Berufsbewilligung oder eine solche von Fr. 60.- für die Kontrolle
des Gutachtens über die Zulassung kontrollpflichtiger Heilmittel als
übersetzt und daher unzulässig (BGE 75 I 116, 81 I 358).

    Die Frage ist hier nicht zu entscheiden, wo im Einzelfall die obere
Grenze der Kanzleigebühr liegt. Denn die der Beschwerdeführerin auferlegte
Gebühr für die Kontrolle ihres Films "Eva s'éveille à l'amour" stellt
keine blosse Kanzleigebühr dar.

Erwägung 4

    4.- Der Staatsrat führt zu deren Rechtfertigung aus, sie sei die
Folge der Vermehrung der Auslagen der Verwaltung, zu denen bei der
Filmzensur ausser den Kosten für elektrische Beleuchtung, Saalmiete und
Entschädigung des Operateurs auch diejenigen der Filmzensur-Kommission
hinzukommen, die aus drei Beamten bestehe. Gerade im Hinblick auf diesen
Zweck, Kosten der Zensurkommission decken zu helfen, steht jedoch keine
blosse Kanzleigebühr in Frage. Die Filmzensur ist, wenn sie richtig
ausgeführt werden soll, keine einfache, keinen besondern Prüfungs-
und Personalaufwand voraussetzende Tätigkeit. Der Staatsrat anerkennt
es selbst, indem er die dafür zuständige Kommission aus kantonalen
Chefbeamten zusammensetzt. Deren Tätigkeit besteht in einer eingehenden
Prüfung daraufhin, ob der Film nicht moralischen und ästhetischen Geboten
oder Verboten widerspricht. Die Entschädigung für diese Arbeit kann nicht
durch eine Kanzleigebühr bestimmt und dem Bürger belastet werden.

Erwägung 5

    5.- Ist aber die von der Beschwerdeführerin erhobene Gebühr keine
blosse Kanzleigebühr, so fehlt es dafür an einer gesetzlichen Grundlage.

    Das kantonale Filmgesetz enthält keine Bestimmung, die den Staatsrat
als Vollzugsbehörde ermächtigen würde, den Beteiligten für die allgemeinen
Kosten der Kontrolle und Beaufsichtigung der Filmvorführungen Gebühren
aufzuerlegen. Die Ermächtigung liegt nicht schon darin, dass den
Behörden aufgetragen ist, dafür zu sorgen, dass Filme verboten werden,
deren Vorführung die öffentliche Ordnung oder Sittlichkeit verletzen
könnte. Ohne eine derartige Ermächtigung mag der Staatsrat anordnen,
dass für notwendig werdende Kanzleiarbeiten der Verwaltung eine deren
Umfang angepasste Kanzleigebühr erhoben wird. Er ist aber nicht befugt,
Gebühren festzusetzen, die die aus der Vorführung und Überwachung
entstehenden allgemeinen Kosten decken sollen. Der Staatsrat hat denn
auch bis zum 31. Dezember 1966 aus Art. 52 Abs. 2 der Verordnung keine
derartige Zuständigkeit abzuleiten versucht. Unter den darin genannten
Vorführkosten wurden diejenigen aus der Vorzeigung des einzelnen Filmes
für Licht, Saalmiete, Operateur usw. verstanden. Sie wurden jedoch bis
zum Erlass des Beschlusses des Staatsrates von den Beteiligten direkt
getragen, so dass der Staat sie nicht besonders auferlegen musste. Die
vom Staatsrat mit dem Beschluss vom 30. Dezember 1966 allgemein und ohne
Rücksicht auf solche besondern Auslagen festgesetzte Gebühr ist aber nicht
diese, sondern allgemeine Kosten der Filmkontrolle und der Beaufsichtigung
von Filmvorführungen zu decken bestimmt.

    Dass bisher auch keine Kanzleigebühren erhoben wurden, hindert den
Staatsrat allerdings nicht, für die Zukunft für die im Zusammenhang mit der
Vorführung einzelner Filme für Korrespondenzen, Vorladungen, Entscheide
über Bewilligung usw. entstehenden Kosten der zuständigen Kanzlei eine
dem Umfang der Arbeiten angepasste bescheidene Gebühr festzusetzen, um
damit veränderten Verhältnissen oder dem Postulat Rechnung zu tragen,
dass auch derartige Kosten von denjenigen zu tragen sind, welche die
Tätigkeit der Verwaltung in Anspruch nehmen oder durch ihre Tätigkeit
veranlassen. Ob derartige Gebühren ganz generell oder aber mit Rücksicht
auf die mit dem einzelnen Film verbundene Tätigkeit festzusetzen.
und nach welchen Gesichtspunkten sie im ersten Fall zu bemessen sind,
steht hier nicht zur Diskussion. Der Staatsrat wird hierüber allenfalls
neu entscheiden. Dagegen, dass er für Kanzleikosten allein eine Gebühr
in der Höhe der angefochtenen auferlegen könne, spricht der Umstand, dass
diese allgemein der Deckung von Kosten der Filmkontrolle zu dienen hatte.

    Dass das kantonale Recht für die Erhebung der Gebühr eine andere
gesetzliche Grundlage enthalte als die Vollziehungsverordnung zum
Filmgesetz, wird nicht behauptet und ist deshalb nicht zu prüfen. Der
Staatsrat beruft sich insbesondere nicht auf das Dekret des Grossen Rates
betreffend den Gebührentarif für Verwaltungsakte vom 18. November 1966
(Gesetzessammlung des Kts. Wallis Bd. V No. 2001), mit dem der Grosse
Rat ermächtigt wird, die Verwaltungsgebühren festzusetzen, soweit
diese nicht durch Gesetz oder Dekret des Grossen Rates festgelegt sind
(Art. 2). Übrigens wäre zweifelhaft, ob die erforderliche gesetzliche
Grundlage darin gefunden werden könnte. Denn die gesetzgebende Gewalt wird
vom Grossen Rat nur unter dem Vorbehalt der dem Volk eingeräumten Rechte
ausgeübt. Auch die Befugnis zum Erlass von Gebühren, die nicht bloss
Kanzleigebühren sind, steht daher in Ermangelung einer Vorschrift der
Staatsverfassung, die diese Kompetenz dem Grossen Rat übertragen würde,
dem Volke zu. Das Dekret könnte sich deshalb bloss auf Kanzleigebühren
beziehen.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird gutgeheissen und die Verfügung des Justiz-,
Polizei- und Sanitätsdepartements des Kantons Wallis vom 25. Juli 1967
aufgehoben.