Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 93 I 455



93 I 455

57. Urteil vom 29. September 1967 i.S. Hoenes gegen
eidg. Steuerverwaltung. Regeste

    Warenumsatzsteuer: Das Bestimmen von Brillengläsern und das Anpassen
von Kontaktlinsen durch den Optiker ist verschieden von der Tätigkeit, die
der Zahnarzt ausübt, wenn er die für den Patienten bestimmten Zahnprothesen
bearbeitet. Es verstösst deshalb nicht gegen Art. 4 BV, die Lieferungen
von Brillen und Kontaktlinsen steuerlich anders zu behandeln als den
zahnärztlichen Warenaufwand.

Sachverhalt

    A.- Robert Hoenes betreibt in Basel ein Spezialgeschäft für
Brillen und Kontaktlinsen. Er ist seit dem 1. Januar 1957 als Grossist
warenumsatzsteuerpflichtig.

    In einem Zirkularschreiben vom 12. Juni 1965 unterrichtete die eidg.
Steuerverwaltung (EStV) die im Grossistenregister eingetragenen Optiker
über die steuerliche Behandlung der Entgelte für das Bestimmen von
Brillengläsern und das Anpassen von Kontaktlinsen. Danach sind diese
Beträge steuerbar, sofern der Optiker im Anschluss an die genannten
Arbeiten eine Sehhilfe verkauft.

    Robert Hoenes widersetzte sich der Betrachtungsweise der Verwaltung. Er
machte namentlich geltend, gegenüber den Augenärzten, die überhaupt nicht
steuerpflichtig seien, als Optiker rechtsungleich behandelt zu werden.

    Die EStV hielt in der Folge an ihrem Standpunkt fest. Sie lud Hoenes
ein, die während des massgeblichen Zeitraumes erzielten Einnahmen für
Brillenglasbestimmungen und das Anpassen von Kontaktlinsen zu melden.
Gestützt auf die Angaben des Steuerpflichtigen forderte die EStV von ihm
einen Steuerbetrag von Fr. 668.40 nach. Auf Verlangen von Hoenes bestätigte
sie ihre Forderung am 29. August 1966 in einem förmlichen Entscheid. Eine
dagegen gerichtete Einsprache wies die Verwaltung am 6. Juni 1967 ab. Zur
Begründung führte sie im wesentlichen aus, der Warenumsatzsteuer unterlägen
alle geldwerten Gegenleistungen, die in ursächlichem Zusammenhang mit
einer Warenlieferung stehen. Steuerbar seien auch Entgelte für Leistungen,
welche zwar an sich keine Warenlieferungen darstellen, aber im Hinblick
auf solche erbracht werden. Die auf das Bestimmen von Brillengläsern
und das Anpassen von Kontaktlinsen entfallenden Kosten seien somit dann
zu versteuern, wenn es im Anschluss an jene Arbeiten zu einem Verkauf
der Sehhilfe gekommen sei. Die Rüge der rechtsungleichen Behandlung
sei unbegründet, weil der Augenarzt im Gegensatz zum Optiker keine Ware
liefere. Übrigens würden mit Bezug auf die Zahnprothesen auch Zahnarzt
und Zahntechniker verschieden behandelt.

    B.- Robert Hoenes führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde.  Er beantragt
dem Bundesgericht, den Einspracheentscheid der EStV aufzuheben.
Im weiteren sei festzustellen, dass der Beschwerdeführer für die
fragliche Zeit keine Warenumsatzsteuer schulde und dass die Entgelte für
Brillenglasbestimmungen und Kontaktlinsenanpassungen nicht steuerbar seien.
Hoenes führt insbesondere aus, wenn der Zahnarzt im Falle der von ihm
selbst angefertigten Zahnprothese nicht warenumsatzsteuerpflichtig
sei, habe das Gleiche auch für den Optiker zu gelten, der Brillen und
Kontaktlinsen anpasse. Wie die Zahnprothesen hätten auch die genannten
Sehhilfen den Ausfall von Bestandteilen des menschlichen Körpers oder deren
Funktion wettzumachen; sie seien deshalb keine Waren im Sinne des Art. 17
WUStB. Bestehe aber kein Grund für eine unterschiedliche steuerliche
Behandlung von Optikern und Zahnärzten, dann verletze der angefochtene
Entscheid das Gebot der Rechtsgleichheit und müsse aufgehoben werden.

    C.- Die EStV schliesst auf Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Beschwerdeführer ist seit dem 1. Januar 1957 als Grossist
warenumsatzsteuerpflichtig. Wie der Beschwerdeantwort zu entnehmen ist,
betrachtet ihn die EStV als Hersteller-Grossisten im Sinne von Art. 9
Abs. 1 lit. b und 10 Abs. 2 WUStB. Der Beschwerdeführer bestreitet
diese ihm beigelegte Eigenschaft an sich nicht. Nach seinen Anträgen zu
schliessen, möchte er lediglich erreichen, dass die auf das Bestimmen
von Brillengläsern und das Anpassen von Kontaktlinsen entfallenden
Entgelte nicht zu versteuern seien. Noch in seiner Einsprache hatte
der Beschwerdeführer dieses Begehren im wesentlichen damit begründet,
die Bestimmungs- und Anpassungsarbeiten stellten eine von der Waren-,
d.h. Brillen- oder Kontaktlinsenlieferung unabhängige sonstige Leistung
dar. Wie es sich damit verhält, braucht hier nicht entschieden zu werden;
denn der Beschwerdeführer hat die Frage vor dem Bundesgericht nicht mehr
aufgeworfen. Die EStV beantwortete sie im angefochtenen Entscheid übrigens
gemäss der bisherigen Praxis (vgl. ASA Bd. 31 S. 271 ff.).

    Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde enthält eine andere Begründung. Der
Beschwerdeführer vergleicht jetzt die Tätigkeit des Optikers beim Bestimmen
von Brillengläsern und Anpassen von Kontaktlinsen mit derjenigen des
Zahnarztes hinsichtlich der für den Patienten bestimmten Zahnprothesen. Es
wird geltend gemacht, wie die künstlichen Gebisse könnten auch Brillen und
Kontaktlinsen nicht als Waren im Sinne des Art. 17 WUStB betrachtet werden,
da sie gleich jenen dazu dienten, Funktionsmängel des menschlichen Körpers
zu beheben. Wie die erwähnten Arbeiten der Zahnärzte, hätten deshalb auch
diejenigen der Optiker steuerfrei zu bleiben. Die verschiedene steuerliche
Behandlung der beiden gleichartigen Sachverhalte durch die EStV verstosse
gegen Art. 4 BV.

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 8 WUStB ist namentlich warenumsatzsteuerpflichtig,
wer als Grossist im Inland Waren liefert. Art. 9 WUStB bezeichnet
unter gewissen, hier nicht zu erörternden Voraussetzungen insbesondere
als Grossisten den Händler und den Hersteller, die jährlich für mehr
als 35'000 Franken Waren liefern. Als Ware gilt, was Gegenstand eines
Fahrniskaufes oder eines Energielieferungsvertrages sein kann (Art. 17
erster Satz WUStB).

    Art. 4 BV verbietet unter anderem der rechtsanwendenden Behörde,
eine Norm unter gleichen tatsächlichen Voraussetzungen einmal so, ein
anderes Mal aber anders auszulegen und anzuwenden (vgl. BURCKHARDT,
Kommentar zur BV S. 26 lit. a). In der Tat besteuert die EStV das
Herstellen und Anbringen der für den Patienten bestimmten Zahnprothesen
durch den Zahnarzt nicht, während die Entgelte, die der Optiker für seine
Brillen- und Kontaktlinsenlieferungen vereinnahmt, der Warenumsatzsteuer
unterliegen. Eine rechtsungleiche Behandlung zulasten des Beschwerdeführers
wäre somit dann anzunehmen, wenn sich die beiden genannten Sachverhalte,
auf welche die Verwaltung die Art. 8 und 9 WUStB unterschiedlich angewendet
hat, als gleich erwiesen. Das trifft indessen nicht zu.

    Zwar liegt insofern Gleichheit vor, als sowohl Zahnprothesen wie auch
Brillen und Kontaktlinsen Waren im Sinne von Art. 17 WUStB darstellen. Der
Beschwerdeführer spricht ihnen diese Eigenschaft zu Unrecht ab. Sie alle
können nämlich als körperliche Sachen Gegenstand eines Fahrniskaufes sein
(vgl. OSER/SCHÖNENBERGER N. 3 zu Art. 184 OR).

    Die wesentliche Verschiedenheit liegt vielmehr in folgendem begründet:

    Verwendet der Zahnarzt im Rahmen seiner Tätigkeit zugunsten des Kranken
Waren, so tut er dies nur, um den Patienten von Zahnkrankheiten zu heilen,
ihnen vorzubeugen und die Kaufähigkeit der Kiefer zu erhalten. Das ist
die wesentliche Leistung, die der Kranke vom Zahnarzt erwartet, und im
Hinblick darauf liess sich dieser auch in der Zahnheilkunde ausbilden. Das
Verwenden einer (u.U. selbst angefertigten) Zahnprothese stellt eine
der verschiedenen Behandlungsmethoden dar, mit Hilfe derer der Zahnarzt
seine wesentliche Leistung erbringt. Im Verhältnis zu dieser erscheint
der Warenaufwand nur als Folge. Wie die EStV in ihrer Antwort zu Recht
ausführt, findet er "im Rahmen" der zahnärztlichen Heilbehandlung statt.

    Demgegenüber verhält sich beim Optiker die Tätigkeit des Messens,
Auswertens und Anpassens, d.h. die geistige Leistung zur Warenverwendung
gerade umgekehrt. Jene wird lediglich mit Rücksicht auf diese erbracht. So
nimmt der Optiker seine Messungen am menschlichen Auge in der Regel
nur vor, um hernach eine Sehhilfe verkaufen zu können. Die Lieferung
einer solchen Ware ist denn auch die Leistung, die der Kunde vom Optiker
erwartet. Der Beschwerdeführer bestreitet dies nicht. Insbesondere macht
er zu Recht nicht geltend, der Optiker behandle, wie der Zahnarzt, den
menschlichen Körper, um ihn von Krankheiten zu heilen.

    Unterscheidet sich nach dem Gesagten die Tätigkeit des Zahnarztes
wesentlich von derjenigen des Optikers, dann war die EStV zu einer
ungleichen steuerlichen Behandlung berechtigt. Der Beschwerdeführer gibt
dies insofern auch selber zu, als er seine subjektive Steuerpflicht,
d.h. die ihm beigelegte Grossisteneigenschaft, nicht anficht. Von einer
Verletzung des Gebotes der Rechtsgleichheit kann somit keine Rede sein.

Erwägung 3

    3.- Übrigens könnte sich der Beschwerdeführer selbst dann nicht
auf Art. 4 BV berufen, wenn die Zahnärzte zu Unrecht steuerlich anders
behandelt würden. Nur die EStV wäre zuständig, eine von ihr angewandte
falsche Praxis zu ändern. Das Bundesgericht hat diesen Standpunkt von jeher
eingenommen, so im Fall eines Zahntechnikers, der sich - auch gegenüber
dem Zahnarzt - rechtsungleich behandelt glaubte (vgl. ASA Bd. 24 S. 489).

Erwägung 4

    4.- Es sei beigefügt, dass die unterschiedliche steuerliche Behandlung,
wie die EStV sie ohne Verletzung des Gleichheitssatzes vornehmen durfte,
den Zahnarzt gegenüber dem Optiker nicht etwa einseitig bevorzugt. Vielmehr
hat er als Nichtgrossist die Materialien, die er beim Herstellen von
Zahnprothesen benötigt, mit Ausnahme der Waren der Steuerfreiliste
steuerbelastet zu beziehen, während der steuerpflichtige Beschwerdeführer
die zum Wiederverkauf oder als Werkstoff für die gewerbsmässige Herstellung
bestimmten Waren steuerfrei erhalten kann, sofern er seinen ebenfalls
steuerpflichtigen Lieferanten rechtzeitig seine Grossistenerklärung
abgegeben hat (vgl. Art. 14 Abs. 1 lit. a und Abs. 2, 15 Abs. 3 WUStB).

Erwägung 5

    5.- Die im angefochtenen Entscheid bestätigte Steuerforderung ist
nach dem Gesagten im Grundsatz nicht zu beanstanden. Der Höhe nach hat
der Beschwerdeführer sie nicht bestritten.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.