Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 93 I 338



93 I 338

42. Auszug aus dem Urteil vom 20. September 1967 i.S. Fricker gegen
Gemeinderat Meggen und Regierungsrat des Kantons Luzern. Regeste

    Bauverbot für die Zeit zwischen der öffentlichen Auflegung eines
kommunalen Bau- und Strassenlinienplans und der Genehmigung desselben
durch die kantonale Behörde.

    Voraussetzungen, unter denen ein solches Bauverbot mit der
Eigentumsgarantie vereinbar ist und ohne Entschädigung hingenommen werden
muss. Änderung der Rechtslage, wenn das an sich vorübergehende Bauverbot
schon verhältnismässig lange (hier: seit über 5 Jahre) besteht?

Sachverhalt

                       Aus dem Tatbestand:

    A.- Das Baugesetz für den Kanton Luzern vom 25. Mai 1931 (BG)
ermächtigt die Gemeinden, für ihr Gebiet Bebau ungspläne und Baureglemente
aufzustellen (§ 68). Diese unterliegen der Genehmigung des Regierungsrates
(§ 70). Die Bebauungspläne, in denen u.a. die vorgesehenen Strassen,
Plätze, Bau- und Niveaulinien einzutragen sind (§ 71), sind öffentlich
aufzulegen und dann mit den eingegangenen Einsprachen dem Regierungsrat
einzureichen; ihre Rechtswirkungen beginnen mit der öffentlichen
Bekanntmachung des Genehmigungsbeschlusses des Regierungsrates (§§ 72, 73).
Ferner bestimmt § 76 unter dem Randtitel "Baubann":

    "Vom Tage der öffentlichen Auflage eines Bebauungsplanes an dürfen
auf dessen Geltungsgebiet keinerlei mit der fernern Zweckbestimmung des
Landes in Widerspruch stehende oder sie erschwerende Dienstbarkeiten
errichtet sowie keine Neubauten erstellt oder bauliche Veränderungen
vorgenommen werden, welche nach Inhalt des Planes nicht zulässig sind
oder dessen Ausführung beeinträchtigen würden.

    Aus dieser Eigentumsbeschränkung steht dem Grundeigentümer ein
Entschädigungsanspruch nicht zu."

    B.- Der Gemeinderat Meggen legte am 25. August 1962 einen Bebauungsplan
für das "Teilgebiet Kreuzbuchstrasse-Ebnetweiher-Schlösslistrasse"
öffentlich auf und überwies ihn am 31. Mai 1963 mit den unerledigten
Einsprachen dem Regierungsrat. Dessen Entscheid steht noch aus.

    Der Beschwerdeführer Heinrich Fricker ist Eigentümer einer etwa 870 m2
haltenden Parzelle in Meggen, die durch eine der Parzellengrenze entlang
führende Privatstrasse mit der Schlösslistrasse verbunden ist. Auf dem
Grundstück befindet sich ein Wohnhaus, das hinter der Baulinie steht,
die gemäss dem genannten Bebauungsplan im Abstand von etwa 11 m von der
Südgrenze durch das ganze Grundstück verläuft.

    Am 24. März 1966 ersuchte der Beschwerdeführer um die Bewilligung,
zwischen dem Haus und der Strasse, d.h. vor der Baulinie, ein 10 m langes
und 5 m breites Schwimmbecken zu erstellen. Der Gemeinderat wies das Gesuch
unter Hinweis auf den seit dem 25. August 1962 bestehenden Baubann ab. Der
Beschwerdeführer rekurrierte hiegegen an den Regierungsrat des Kantons
Luzern, wurde aber durch Entscheid vom 24. November 1966 abgewiesen, im
wesentlichen mit folgender Begründung: Das Gebiet, in dem das Schwimmbecken
errichtet werden solle, sei seit dem 25. August 1962 mit einem Baubann
gemäss § 76 BG belegt. Dieser Baubann sei entgegen der Auffassung des
Beschwerdeführers nicht durch Zeitablauf dahingefallen, sondern daure
weiter, bis der Bebauungsplan ausgeführt oder vom Regierungsrat abgelehnt
oder von der Gemeinde zurückgezogen worden sei. Wenn ein Grundeigentümer
finde, die infolge des Baubanns bestehende Rechtsunsicherheit daure
übermässig lange, so stehe es ihm frei, bei der Genehmigungsbehörde
unter Berufung auf Rechtsverzögerung einen unverzüglichen Entscheid
über den Bebauungsplan zu verlangen. Wäre hier ein solches Begehren
gestellt worden, so wäre es abgewiesen worden, da die Zeit von vier
Jahren angesichts der sich stellenden vielen und komplexen Fragen nicht
als übermässig lang bezeichnet werden könne und eine gründliche Abklärung
der mit der Verkehrserschliessung zusammenhängenden Fragen im Interesse der
Grundeigentümer liege. Sodann sei der Baubann für den Beschwerdeführer auch
deshalb nicht unzumutbar, weil er seine Parzelle nur teilweise betreffe
und eine zweckmässige und angemessene Überbauung derselben keineswegs
verhindert habe.

    C.- Mit der staatsrechtlichen Beschwerde stellt Heinrich Fricker
den Antrag, den Entscheid des Regierungsrates vom 24. November 1966
aufzuheben und die Sache zur Erteilung der Baubewilligung an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Er macht Verletzung von Art. 4 BV und § 9 KV
(Eigentumsgarantie) geltend.

    D.- Der Regierungsrat des Kantons Luzern und der Gemeinderat Meggen
beantragen Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- 3. - (Prozessuales).

Erwägung 4

    4.- Der Baubann, auf Grund dessen die vom Beschwerdeführer nachgesuchte
Baubewilligung verweigert wurde, ist eine öffentlich-rechtliche
Eigentumsbeschränkung. Eine solche ist vor der Eigentumsgarantie haltbar,
wenn sie auf gesetzlicher Grundlage beruht, im öffentlichen Interesse
liegt und, falls der Eingriff in der Wirkung einer Enteignung gleichkommt,
gegen volle Entschädigung erfolgt (BGE 90 I 340 mit Verweisungen).

    Nach § 76 Abs. 1 BG dürfen vom Tage der öffentlichen Auflage eines
Bebauungsplans an auf dessen Geltungsgebiet keine Neubauten erstellt oder
bauliche Veränderungen vorgenommen werden, welche nach dem Inhalt des
Plans nicht zulässig sind oder dessen Ausführungen beeinträchtigen, was
hinsichtlich der in einem Plan vorgesehenen Baulinien bedeutet, dass vor
diesen grundsätzlich nicht mehr gebaut werden darf. Der Beschwerdeführer
macht nicht geltend, dass § 76 Abs. 1 BG die Eigentumsgarantie verletze,
noch behauptet er dies für Abs. 2, der einen Entschädigungsanspruch für
die sich aus dem Baubann ergebende Eigentumsbeschränkung ausnahmslos
verneint. Er stellt auch nicht in Abrede, dass der Baubann, der sein
Grundstück belegt, anfänglich gesetz- und verfassungsmässig war. Dagegen
bestreitet er insofern das Vorliegen einer gesetzlichen Grundlage, als
er geltend macht, angesichts der übermässig langen Dauer des Verfahrens
werde der Baubann nicht mehr durch § 76 BG gedeckt. Ferner behauptet
er, dass die in diesem Fall bestehende Periode der Rechtsunsicherheit
nicht mehr durch das öffentliche Interesse gedeckt sei. Endlich kann die
Beschwerde dahin verstanden werden, dass darin auch geltend gemacht wird,
in einer so langen Dauer des Baubanns liege eine materielle Enteignung.

Erwägung 5

    5.- Die Frage, ob die von der kantonalen Behörde angerufene gesetzliche
Grundlage genüge, kann das Bundesgericht dann, wenn der Eingriff besonders
schwer ist, frei, andernfalls nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel
der Willkür prüfen (BGE 91 I 332). Im vorliegenden Falle sind von dem etwa
870 m2 haltenden Grundstück rund 300 m2 oder etwas mehr als ein Drittel
mit dem Baubann belegt, und zwar seit dem 25. August 1962. Ob hierin ein
besonders schwerer Eingriff in das Eigentum liegt, erscheint fraglich, da
die Baulinie das Haus nicht berührt und das mit dem Baubann belegte Land
weiterhin als Garten benutzt werden kann (vgl. nicht veröffentliches Urteil
vom 26. Januar 1966 i.S. Rudin c. Regierungsrat Baselland, Erw. 5 a, wo
ein entsprechendes, zeitlich unbeschränktes Bauverbot als nicht besonders
schwerer Eingriff betrachtet wurde). Die Frage kann offen bleiben, da die
Rüge, es fehle an einer gesetzlichen Grundlage, auch dann unbegründet ist,
wenn die Auslegung von § 76 BG frei überprüft wird.

    Bei dem mit dem Tage der öffentlichen Auflage eines Bebauungsplans
beginnenden Baubann handelt es sich um eine ihrer Natur nach vorübergehende
Eigentumsbeschränkung. Das Ende des Baubanns wird im Gesetz nicht
ausdrücklich erwähnt, ergibt sich aber ohne weiteres aus dem Wortlaut und
insbesondere aus dem Zweck der Bestimmung. Mit dem Baubann soll verhindert
werden, dass während des mit dem Genehmigungsverfahren verbundenen
Schwebezustands Bauten errichtet werden, welche die Verwirklichung des
Plans verunmöglichen oder erschweren könnten. Der Baubann endet daher
mit dem Schwebezustand, d.h. wenn die Gemeinde auf die Ausführung des
Bebauungsplans verzichtet, wenn der Regierungsrat dessen Genehmigung
verweigert oder wenn der Plan genehmigt wird und mit der Veröffentlichung
des Genehmigungsbeschlusses in Kraft tritt. Eine andere zeitliche Grenze
des Baubanns ist der Bestimmung nicht zu entnehmen und würde ihrem Sinne
zuwiderlaufen; denn die Notwendigkeit eines Bauverbotes besteht während
der ganzen Dauer des Schwebezustandes in gleicher Weise. Das heisst nicht,
dass der Baubann dadurch zu einem dauernden Bauverbot gemacht werden
könnte, dass der Gemeinderat die Einholung der regierungsrätlichen
Genehmigung unterlässt oder der Regierungsrat die Genehmigung ohne
stichhaltige Gründe auf unbestimmte Zeit verschiebt. Auch in diesem
Falle ist zwar dem Baubann die gesetzliche Grundlage nicht entzogen.
Dagegen haben die von ihm Betroffenen die Möglichkeit, auf dem Wege
einer staatsrechtlichen Beschwerde wegen Rechtsverzögerung das Ende des
Schwebezustandes herbeizuführen.

Erwägung 6

    6.- Der Beschwerdeführer scheint die Auffassung zu vertreten, die
Periode der Rechtsunsicherheit sei durch das öffentliche Interesse nicht
mehr gedeckt, wenn sich die Genehmigung des Bebauungsplans übermässig
verzögere. Inwiefern infolge solcher Verzögerung das anfänglich vorhandene
öffentliche Interesse entfallen oder sich vermindern soll, wird indes in
der Beschwerde nicht dargetan und ist auch nicht ersichtlich. Von der
Auflegung des Bebauungsplans bis zur regierungsrätlichen Genehmigung,
durch die er definitiv wird, hat das Gemeinwesen ein erhebliches und
die entgegenstehenden privaten Interessen überwiegendes Interesse daran,
dass in der Zwischenzeit auf dem für die Anlage von Strassen bestimmten
Lande nicht Bauten errichtet werden, die in der Folge enteignet werden
müssten. Dieses öffentliche Interesse fällt erst dahin, wenn aus
irgendeinem Grunde nicht mehr mit der Genehmigung oder der Ausführung
des Planes zu rechnen ist. Dass es sich hier so verhalte, wird in der
Beschwerde nicht geltend gemacht.

Erwägung 7

    7.- Ob ein bestimmter Eingriff in das Eigentum wie eine Enteignung
wirkt und daher nur gegen Entschädigung erfolgen darf, ist eine Frage,
die das Bundesgericht frei prüft (BGE 89 I 384/5).

    Nach der neuern Rechtsprechung wird eine materielle Enteignung
angenommen, wenn der bisherige oder ein voraussichtlicher künftiger
Gebrauch der Sache verboten oder in besonders schwerer Weise eingeschränkt
wird oder wenn ein weniger schwerer Eingriff lediglich einen oder wenige
Eigentümer trifft, so dass ihr Opfer gegenüber der Allgemeinheit nicht
zumutbar erscheint (BGE 91 I 338/9).

    Das Grundstück des Beschwerdeführers wurde mit einem Baubann belegt,
als das Wohnhaus bereits erstellt war. Die Baulinie berührt dieses
nicht, so dass dem Beschwerdeführer nicht nur der wichtigste Gebrauch
des Grundstücks, das Bewohnen des Hauses, erhalten bleibt, sondern auch
ein allfälliger Um- oder Ausbau des Hauses möglich ist. Mit dem Baubann
belegt ist, wie bereits ausgeführt, nur etwas mehr als ein Drittel des
Grundstücks, und dieses Land kann wie bisher weiter als Garten verwendet
werden; ausgeschlossen ist nur die Überbauung. Einen derart nach seinem
Inhalt und Umfang beschränkten Eingriff muss sich ein Grundeigentümer
selbst dann ohne Entschädigung gefallen lassen, wenn er definitif ist,
d.h. wenn die Baulinie in Kraft tritt und auf unbestimmte Zeit gilt,
denn er trifft ihn nicht stärker, als es normalerweise bei Bau- und
Strassenlinien der Fall ist. In diesem Sinne hat das Bundesgericht schon im
erwähnten Urteil vom 26. Januar 1966 i.S. Rudin für eine definitive Bau-
und Strassenlinie entschieden, durch welche fast 2/5 eines Grundstücks
mit einem Bauverbot belegt wurden (Erw. 5 c). Dabei wurde auf die
ständige, von der Rechtslehre gebilligte Rechtsprechung des Bundesgerichts
verwiesen, wonach das mit der Festlegung solcher Bau- und Strassenlinien
verbundene Bauverbot die Eigentumsgarantie auch dann nicht verletzt,
wenn das kantonale Recht nicht vorschreibt, dass das Strassenprojekt
innert einer bestimmten Frist ausgeführt oder doch die dazu gehörige
Enteignung vollzogen werden muss, ansonst die Bau- und Strassenlinie
dahinfällt (BGE 2 S. 97, 5 S. 538, 17 S. 59/60, 31 II 553/4, 69 I 241 und
zahlreiche nicht veröffentlichte Urteile; KIRCHHOFER, Eigentumsgarantie,
ZSR 1939 S. 171 f.; REICHLIN, Rechtsfragen der Landesplanung, ZSR 1947
S. 324/26 a; MEIER-HAYOZ, Komm. zu Art. 641 ff. ZGB, Systemat. Teil N. 250
bis d). Auch das luzernische BG verpflichtet das Gemeinwesen nicht zu
einer Entschädigung für das durch definitive Baulinien bewirkte Bauverbot
oder zur Ausführung der Strasse innert einer bestimmten Frist und gibt
dem Eigentümer nur dann Anspruch auf Enteignung seines Grundstücks nach
einer gewissen Zeit, wenn dieses von Baulinien so zerschnitten wird, dass
auf keinem der freibleibenden Abschnitte eine ordentliche Baute erstellt
werden kann, oder wenn der grössere Teil des Grundstücks zwischen die
Baulinien fällt (§ 79). Dass ein Bauverbot, das nur für den dritten Teil
eines Grundstücks gilt, keine materielle Enteignung bedeute, sondern im
Rahmen dessen bleibe, was noch als "gewöhnliche" öffentlich-rechtliche
Eigentumsbeschränkung gelten kann, wurde auch in BGE 82 I 164 Erw. 3
entschieden.

    Läge somit im streitigen Bauverbot selbst dann, wenn der Bebauungsplan
vom Regierungsrat genehmigt worden und endgültig wäre, keine materielle
Enteignung, so kann es eine solche noch weniger als bloss vorübergehende
Massnahme darstellen, auch wenn der Baubann, auf Grund dessen es besteht,
nun schon mehr als 5 Jahre dauert. Es verhält sich in dieser Beziehung
gleich wie in dem vom Bundesgericht im nicht veröffentlichten Urteil
vom 21. Februar 1951 i.S. Krieger und Mozzatti gegen Regierungsrat Luzern
beurteilten Falle, wo ein Baubann ebenfalls auf Grund von § 76 BG seit mehr
als 5 Jahren bestanden und zur Folge gehabt hatte, dass ein erheblicher
Teil des betroffenen Grundstücks nicht überbaut werden konnte (Erw. 5). Von
einer materiellen Enteignung kann umso weniger die Rede sein, als der
Baubann den Beschwerdeführer nicht oder doch nicht wesentlich härter trifft
als alle andern Grundeigentümer im Geltungsgebiet des am 25. August 1962
aufgelegten Bebauungsplans. Schliesslich darf darauf verwiesen werden,
dass dem Beschwerdeführer die Erstellung des geplanten Schwimmbeckens
auf dem mit dem Baubann belegten Lande wohl nicht verwehrt wird, wenn
er sich durch einen ins Grundbuch aufzunehmenden Revers verpflichtet,
den früheren Zustand auf eigene Kosten wieder herzustellen für den Fall,
dass der Bebauungsplan definitiv wird.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.