Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 93 I 313



93 I 313

39. Urteil vom 28. Juni 1967 i.S. Schreiber und Mitbeteiligte gegen den
Grossen Rat des Kantons St. Gallen. Regeste

    Ausgabenreferendum

    1.  Überlässt es eine kantonale Verfassung ausdrücklich dem
Gesetzgeber zu bestimmen, ob und welche Beschlüsse des Grossen Rates von
finanzieller Tragweite dem fakultativen Referendum zu unterstellen sind,
dann tritt das Bundesgericht auf die Rüge der Verletzung entsprechender
Gesetzesvorschriften ein (Erw. 3b).

    Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts (Erw. 4).

    2.  Begriff der "Ausgabe" und der "Anlage" (Erw. 5).

    Die Beteiligung des Staates mit bis zu Fr. 2,5 Mio an einer
Zentralstelle für elektronische Datenverarbeitung ist eine Ausgabe im
Sinne des st. gallischen Ausgabenreferendums (Erw. 6 und 7).

Sachverhalt

    A.- Art. 47 Abs. 1 der Verfassung des Kantons St. Gallen (KV) lautet:

    "Alle Gesetze sowie diejenigen allgemein verbindlichen Beschlüsse
des Grossen Rates, die nicht dringlicher Natur sind oder nicht gemäss
Art. 55 ausschliesslich in die Kompetenz des Grossen Rates fallen,
unterliegen der Abstimmung des Volkes, wenn 30 Tage nach Erlass des
Gesetzes oder Beschlusses 4000 Bürger, deren Stimmberechtigung beglaubigt
ist, unterschriftlich die Abstimmung verlangen, oder mindestens der dritte
Teil der Mitglieder des Grossen Rates bei Erlass des betreffenden Gesetzes
oder Beschlusses dies begehren."

    Gemäss dem Nachtrag vom 20. Januar 1924 "zwecks Ermöglichung des
Finanzreferendums" bleibt es der Gesetzgebung vorbehalten, "zu bestimmen,
ob und welche Beschlüsse des Grossen Rates von finanzieller Tragweite
nach Massgabe von Art. 47 der Kantonsverfassung dem Referendum und ob und
welche Gesetze und Beschlüsse des Grossen Rates von finanzieller Tragweite
ohne Referendumsbegehren der Volks abstimmung zu unterstellen sind".

    Das Gesetz über den kantonalen Finanzhaushalt und das Finanzreferendum
vom 17. Juni 1929 (FG) bestimmt in den Art. 9-11:

    "Art. 9. Beschlüsse des Grossen Rates, welche für den gleichen
Gegenstand eine einmalige Gesamtausgabe von wenigstens Fr. 400'000.--
bis höchstens Fr. 800'000.-- oder eine mindestens zehnmal wiederkehrende
Jahresausgabe von wenigstens Fr. 50'000.-- bis höchstens Fr. 100'000.--
zur Folge haben, sind der Volksabstimmung zu unterstellen, wenn innert 30
Tagen nach Erlass des Beschlusses 4000 Bürger, deren Stimmberechtigung
beglaubigt ist, unterschriftlich die Abstimmung verlangen, oder
mindestens der dritte Teil der Mitglieder des Grossen Rates bei Erlass
des betreffenden Beschlusses dies begehrt.

    Art. 10. Gesetze und Beschlüsse des Grossen Rates, welche für den
gleichen Gegenstand eine Fr. 800'000.-- übersteigende Gesamtausgabe oder
eine Fr. 100'000.-- übersteigende, mindestens zehnmal wiederkehrende
Jahresausgabe bedingen, sind in jedem Falle der Volksabstimmung zu
unterstellen.

    Art. 11. Die vorstehenden Bestimmungen über die Volksbefragung (Art. 9
und 10) finden sinngemäss auch Anwendung auf Gesetze und Beschlüsse, welche
die Übernahme anderer finanzieller Verbindlichkeiten durch den Kanton zur
Folge haben, sofern für sie nicht eine Verzinsung gesichert erscheint,
die der Rendite langfristiger Anleiheobligationen des Bundes entspricht."

    B.- Mit Botschaft vom 19. September 1966 unterbreitete der
Regierungsrat des Kantons St. Gallen dem Grossen Rat den Entwurf zu
einem Beschluss über die Beteiligung des Staates an einer zu gründenden
Zentralstelle für elektronische Datenverarbeitung öffentlicher
Verwaltungen. In der Botschaft wurden die einmaligen Anlagekosten mit
Fr. 2'520'000.--, die jährlichen Betriebskosten einschliesslich Verzinsung
und Amortisation der Anlagekosten innert 10 Jahren mit Fr. 580'000.--
und die einmaligen Programmierkosten für 15 vorerst in Aussicht genommene
Arbeitsgebiete mit ungefähr Fr. 275'000.-- angegeben. Der Regierungsrat
schlug vor, diese Anlage nicht der kantonalen Verwaltung einzuverleiben,
sondern eine noch zu gründende einfache Gesellschaft mit der Anschaffung
und dem Betrieb zu betrauen, damit sich auch andere öffentliche
Verwaltungen aus dem Kanton St. Gallen und den Nachbarkantonen daran
beteiligen könnten. Er legte den Entwurf eines Gesellschaftsvertrages
zwischen dem Kanton St. Gallen, der kantonalen Gebäudeversicherungsanstalt
und der kantonalen Ausgleichskasse bei mit Beteiligungsquoten von 85%
(zirka Fr. 2'465'000.--) für den Kanton, 10% (zirka Fr. 290'000.--) für
die kantonale Gebäudeversicherungsanstalt und 5% (zirka Fr. 145'000.--)
für die kantonale Ausgleichskasse. Mit der in Aussicht genommenen Aufnahme
weiterer Gesellschafter tritt der Kanton einen entsprechenden prozentualen
Anteil seiner Beteiligung an die neuen Gesellschafter ab und verrechnet
deren Einlagen. Die Einlagen der Gesellschafter sind mit 43/4% jährlich
zu verzinsen und in zehn Annuitäten zurückzuzahlen. Der Betrieb der
Anlage ist nach dem reinen Kostendeckungsprinzip zu führen. Die vollen
Selbstkosten einschliesslich kalkulatorische Abschreibungen und Zinsen
werden jährlich pro Maschineneinheit ermittelt und den Benützern der Anlage
im Verhältnis ihrer Beanspruchung der Maschinen in Rechnung gestellt. Die
Programmierkosten sind je nach Beanspruchung des Programmierpersonals
separat zu verrechnen. Nach der Botschaft des Regierungsrates
und dem Wirtschaftlichkeitsbericht der kantonalen Finanzkontrolle
kann ungefähr nach zwei Jahren seit der Einrichtung der Anlage mit
Rationalisierungsgewinnen gerechnet werden. Der Gesellschaftsvertrag
ist bis Ende 1972 unkündbar; von da an richtet sich die Kündigung nach
Art. 546 OR. Dem austretenden Gesellschafter werden seine Einlagen samt
Zins zurückerstattet, soweit noch keine laufende Rückzahlung erfolgt
ist. Bei Auflösung der Gesellschaft werden die Liquidationsanteile im
Verhältnis der Beteiligungsquoten berechnet und ausbezahlt.

    Auf Grund eines Rechtsgutachtens von Prof. Geiger von der Hochschule
St. Gallen vertritt der Regierungsrat in der Botschaft den Standpunkt,
dass die Beteiligung des Staates an der Zentralstelle keine Ausgabe,
sondern eine Vermögensanlage sei, da mit einer angemessenen Verzinsung
der Kapitalanteile gerechnet werden könne und vorgesehen sei, dieselben
binnen zehn Jahren abzuschreiben. Es handle sich daher auch um keine
finanzielle Verbindlichkeit im Sinne von Art. 11 FG, so dass weder das
fakultative noch das obligatorische Referendum in Frage komme.

    Der Grosse Rat beschloss am 8. Februar 1967 entgegen dem
Nichteintretensantrag des Beschwerdeführers Dr. Reber mehrheitlich, auf
die Vorlage einzutreten. Im Verlaufe der "Spezialberatung" (materielle
Beratung) wurde ein Antrag des Beschwerdeführers Dr. Schreiber, den
Beschluss gemäss Art. 10 FG der Volksabstimmung zu unterbreiten, abgelehnt
und gestützt auf Art. 55 Ziff. 7 und 8 KV folgendem "Grossratsbeschluss
über die Beteiligung des Staates an der Zentralstelle für elektronische
Datenverarbeitung öffentlicher Verwaltungen" zugestimmt:

    "1.  Der Staat beteiligt sich zusammen mit
der Gebäudeversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen und der
Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen an der Zentralstelle für
elektronische Datenverarbeitung öffentlicher Verwaltungen.

    Sein Anteil beträgt bei der Gründung 85 Prozent der gemeinsamen Mittel,
jedoch höchstens Fr. 2'500'000.--.

    Die Beteiligung erfolgt unter der Voraussetzung, dass die
bereitgestellten Mittel als Vermögensanlage dem Finanzvermögen des Staates
erhalten bleiben.

    2.  Der Staat übergibt seine Aufträge zur elektronischen
Datenverarbeitung der Zentralstelle.

    3.  Der Regierungsrat ist ermächtigt, namens des Staates den
Gesellschaftsvertrag abzuschliessen sowie Änderungen der Rechtsform und
dem Beitritt neuer Partner zuzustimmen.

    Er übt die Beteiligungsrechte des Staates aus und sorgt für die
Erfüllung der Verpflichtungen des Staates aus der Beteiligung. Die
Zustimmung des Grossen Rates erfolgt unter der Bedingung, dass der
Gesellschaftsvertrag die Möglichkeit nicht ausschliesst, bei nicht voller
Auslastung der Anlage durch öffentliche Aufträge auch Aufträge für Private
auszuführen."

    C.- Gegen diesen Grossratsbeschluss führen Dr. Heinz Schreiber und
sieben Mitbeteiligte Stimmrechtsbeschwerde im Sinne von Art. 85 lit. a
OG. Sie beantragen, ihn aufzuheben und den Grossen Rat einzuladen, den
Beschluss gemäss Art. 10, eventuell Art. 11 FG der Volksabstimmung zu
unterstellen. Die einzelnen Rügen und ihre Begründung sind, soweit nötig,
aus den nachstehenden Erwägungen ersichtlich.

    D.- Namens des Grossen Rates stellt der Regierungsrat des Kantons
St. Gallen den Antrag, auf die Beschwerde nicht einzutreten, eventuell
sie abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

    1./2. - (Legitimation; kassatorische Natur der Beschwerde).

Erwägung 3

    3.- Nach Ansicht des Regierungsrates ist auch deshalb auf die
Beschwerde nicht einzutreten, weil die Beschwerdeführer gemäss Art. 85
lit. a OG nur eine Verletzung von kantonalem Verfassungsrecht und von
Bundesrecht rügen dürfen, der als verletzt bezeichnete Art. 47 KV sich
aber überhaupt nicht mit dem Finanzreferendum befasse, die weiterhin
angerufenen Art. 10 und 11 FG kein kantonales Verfassungsrecht, sondern
nur einfaches kantonales Gesetzesrecht seien und eine Verletzung von
Bundesrecht nicht geltend gemacht werde.

    a) Der als verletzt bezeichnete Nachtrag zu Art. 47 KV gibt
den Beschwerdeführern kein verfassungsmässiges Individualrecht,
sondern ermächtigt lediglich den kantonalen Gesetzgeber, Beschlüsse
des Grossen Rates von finanzieller Tragweite dem fakultativen oder
dem obligatorischen Finanzreferendum zu unterstellen. Das ist in den
Art. 9-11 FG geschehen. Erst diese Bestimmungen verleihen den Stimmbürgern
politische Rechte. Auf die Rüge der Verletzung des Nachtrages zu Art. 47
KV ist somit nicht einzutreten.

    b) Die st. gallische Verfassung regelt das Finanzreferendum nicht
selber. Gemäss Nachtrag vom 20. Januar 1924 überlässt sie es vielmehr dem
Gesetzgeber, zu bestimmen, ob und welche Beschlüsse des Grossen Rates von
finanzieller Tragweite dem fakultativen oder obligatorischen Referendum
zu unterwerfen sind. Der Gesetzgeber hat in den Art. 9-11 FG von dieser
Ermächtigung Gebrauch gemacht. Er hat dadurch das im genannten Nachtrag zur
KV vorbehaltene Finanzreferendum geordnet und damit ein verfassungsmässiges
Stimmrecht des Bürgers nach Umfang und Inhalt umschrieben. Die Regelung
im st. gallischen Recht unterscheidet sich nicht wesentlich von dem Fall,
wo sich die Verfassung darauf beschränkt, das Stimmrecht grundsätzlich zu
gewährleisten, dessen nähere Umschreibung jedoch dem Gesetzgeber vorbehält.
Das Bundesgericht ist hier stets auch insoweit auf Stimmrechtsbeschwerden
eingetreten, als lediglich eine Verletzung solcher Gesetzesvorschriften
geltend gemacht wurde, sofern nur das in Frage stehende Stimmrecht in
der Verfassung verankert war (vgl. BGE 75 I 244/5; 81 I 196 E. 3; 83 I
176 E. 2; 89 I 85 E. 3 und 453 E. 3; 91 I 271/2; 92 I 355 E. 3). Diese
Voraussetzung ist auch im vorliegenden Fall mit dem Nachtrag vom 20. Januar
1924 zur st. gallischen KV gegeben. Auf die Rügen der Verletzung von
Art. 10, eventuell Art. 11 FG kann daher eingetreten werden.

Erwägung 4

    4.- Bei Stimmrechtsbeschwerden prüft das Bundesgericht die Auslegung
kantonaler Vorschriften, die nicht der Verfassungsstufe angehören, in
der Regel zwar unter dembeschränkten Gesichtswinkel des Art. 4 BV. Freie
Prüfung nimmt es aber dann in Anspruch, wenn die Vorschriften der genannten
Art Inhalt und Umfang des bundesrechtlich gewährleisteten Stimmrechts
betreffen (BGE 91 I 271/2 mit Verweisungen, 319; 92 I 355 E. 3).

    Die von den Beschwerdeführern als verletzt bezeichneten Art. 10,
eventuell Art. 11 FG bestimmen, unter welchen Voraussetzungen Gesetze und
Beschlüsse über Ausgaben und andere finanzielle Verbindlichkeiten dem
obligatorischen oder fakultativen Referendum zu unterstellen sind. Sie
regeln mithin Inhalt und Umfang des Finanzreferendums. Entgegen
der Auffassung des Regierungsrates steht dem Bundesgericht daher im
vorliegenden Fall freie Prüfung zu.

Erwägung 5

    5.- Es wird von keiner Seite bestritten, dass die st. gallischen
Gesetzesvorschriften nicht ein allgemeines, sondern nur ein besonderes
Finanzreferendum, das sog. Ausgabenreferendum vorsehen. Während aber
der Grosse Rat mehrheitlich mit dem Gutachter Geiger dafür hielt,
bei der Beteiligung des Staates an der Zentralstelle für elektronische
Datenverarbeitung handle es sich um eine blosse Kapitalanlage, und er aus
diesem Grunde den entsprechenden Beschluss dem Volk nicht zur Abstimmung
unterbreitete, machen die Beschwerdeführer in erster Linie eine Verletzung
des Art. 10 FG geltend und behaupten, die genannte Beteiligung stelle
eine Ausgabe im Sinne dieser Bestimmung dar, weshalb der angefochtene
Beschluss dem Referendum hätte unterstellt werden sollen.

    a) Art. 9 und 10 FG enthalten keine Umschreibung des Begriffes der
Ausgabe. Zu dessen Bestimmung sind deshalb die in Lehre und Rechtsprechung
erarbeiteten Grundsätze heranzuziehen.

    Durch das Institut des Ausgabenreferendums soll dem stimmberechtigten
Steuerpflichtigen ein Mitspracherecht eingeräumt werden bei Aufwendungen
des Gemeinwesens, die geeignet sind, die steuerliche Belastung zu erhöhen.
Ausgehend von diesem Gedanken und von der klassischen Einteilung
staatlicher Vermögenswerte in Finanzvermögen (d.h. die Sachen,
die dem Gemeinwesen durch ihren Kapital- oder Ertragswert dienen)
und Verwaltungsvermögen (d.h. die Sachen, die dem Gemeinwesen durch
ihren Gebrauchswert dienen) haben die bundesgerichtliche Praxis und das
Schrifttum den Begriff der Ausgabe entwickelt. Im selben Zusammenhang
ist auch die das Gegenstück zur "Ausgabe" bildende "Anlage" zu verstehen.

    Schon in BGE 25 I 459 ff. stellte das Bundesgericht klar, dass
nicht jeder Kassenausgang und nicht jede Aufwendung staatlicher Mittel
als Ausgaben zu betrachten seien, sondern nur diejenigen Finanzgeschäfte
des Staates, die als solche den "jährlichen Voranschlag über die laufende
Verwaltung belasten und daher geeignet sind, indirekt auf die Steueranlage
einen Einfluss auszuüben" (S. 478/9). An dieser Rechtsprechung wurde in
BGE 51 I 222 festgehalten. Erläuternd fügte dort der Staatsgerichtshof
hinzu, dass als Ausgabe rechthich und wirtschaftlich nur die Entäusserung
von Geld oder Geldeswert durch Überführung aus dem Vermögen des
Ausgebenden in dasjenige eines Dritten erscheine und nicht schon die
blosse Verschiebung solcher Werte von einem zum andern Unternehmen des
gleichen Eigentümers. Die bisherige Praxis des Bundesgerichts - sie wurde
auch in BGE 89 I 37 ff. übernommen - fand Zustimmung im Schrifttum. So
hat GIACOMETTI (Das Staatsrecht der schweizerischen Kantone S. 532)
aus ihr gefolgert, man könne nur dann von einer Ausgabe im Sinne des
Ausgabenreferendums sprechen, wenn Mittel, die der Kanton aufgebracht
habe, ausgegeben würden, ohne dass dadurch ein realisierbarer Gegenwert,
d.h. eine veränderte realisierbare Anlage entstehe, also z.B. wenn ein
Stück des Finanzvermögens Verwaltungsvermögen werde. Andere Autoren
vertreten gleiche oder ähnliche Auffassungen (vgl. die Literaturhinweise
in BGE 89 I 42). Insbesondere E. BLUMENSTEIN (MbVR 41/1943, S. 4/5)
hat in Anlehnung an Giacometti klargemacht, ein realisierbarer Gegenwert
(und damit eine Aufwendung ohne Ausgabencharakter) liege nur vor, wenn
das erzielte Resultat nicht von Rechts wegen zu einer Verwendung bestimmt
sei, welche, wie diejenige zu Verwaltungszwecken, seine wirtschaftliche
Veräusserung ausschliesse. Dieselbe Auffassung vertritt E. M. LAUR (Das
Finanzreferendum im Kanton Zürich, Diss. 1966 S. 52), wenn er die Ausgabe
definiert als "jede Festlegung von bisher frei verfügbarem Geld oder frei
verfügbaren Vermögenswerten des Staates zum Zwecke und in der Absicht,
damit eine staatliche Verwaltungsaufgabe zu erfüllen, die über den Rahmen
der ausschliesslichen Vermögensverwaltung hinausgeht".

    b) Wie den vorstehenden Darlegungen zum Begriff der Ausgabe zu
entnehmen ist, spricht man von einer "Anlage" dann, wenn einer Aufwendung
der genannten Art ein realisierbarer Gegenwert gegenübersteht. Nach
E. BLUMENSTEIN (aaO S. 6) gehört zum Begriff der Anlage notwendigerweise
die Absicht, vorhandenes eigenes Vermögen in eine bestimmte wirtschaftliche
Form zu bringen zum Zwecke seiner Konservierung und zur Sicherung
eines angemessenen Ertrages. Die Anlage verlangt, so führt BLUMENSTEIN
weiter aus, vor allem einen ausgesprochenen Anlagezweck. Dieser werde von
vornherein dadurch ausgeschlossen, dass mit der betreffenden Geldverwendung
rein verwaltungsrechtliche Ziele verfolgt würden.

    c) Ob eine Aufwendung staatlicher Mittel als Ausgabe oder als Anlage
zu behandeln ist, entscheidet sich deshalb letztlich nach der damit
verfolgten Absicht. Worauf diese gerichtet sei, kann naturgemäss nur
auf Grund der Umstände des Einzelfalles beurteilt werden. Immerhin ist
festzustellen, dass die Absicht des Gemeinwesens, eine Vermögensanlage
zu machen, lediglich dann bejaht werden darf, wenn sämtliche Merkmale,
insbesondere auch der typische Anlagezweck, gegeben sind (vgl. BGE 2
S. 478; BLUMENSTEIN aaO S. 7, LAUR, aaO S. 52/53).

Erwägung 6

    6.- Im Lichte der vorstehenden Ausführungen erscheint die vom Grossen
Rat beschlossene Beteiligung des Kantons St. Gallen an der Zentralstelle
für elektronische Datenverarbeitung nicht als Anlage, sondern als Ausgabe.

    a) In dem Gutachten, das er der kantonalen Regierung erstattet hat,
räumt Prof. Geiger ein - und der Regierungsrat scheint es nicht zu
bestreiten -, dass die entsprechende Aufwendung unter sonst gleichen
Bedingungen als Ausgabe dem obligatorischen Referendum unterläge,
sofern der Kanton die Datenverarbeitungsanlage zu alleinigem Eigentum
erwürbe. Mit Prof. Geiger legt aber die Behörde entscheidendes Gewicht
auf die Tatsache, dass sich der Kanton, statt selber zu kaufen, an einer
wirtschaftlichen Unternehmung beteilige. Diesem Beteiligungsverhältnis
komme ein wirtschaftlicher Wert zu, und Art. 10 FG sei deshalb nicht
anwendbar. Einer solchen Betrachtungsweise kann nicht gefolgt werden.

    Sowohl das vom Regierungsrat eingeholte Gutachten als auch die
Botschaft zum angefochtenen Grossratsbeschluss bringen deutlich zum
Ausdruck, welches Ziel mit der Beteiligung angestrebt wird: es sollen
Maschinen angeschafft werden, um den Betrieb der kantonalen Verwaltung
rationeller zu gestalten. Somit kann keinem Zweifel unterliegen, dass
es dem Kanton mit der geplanten Beteiligung nicht darum geht, Mittel
möglichst vorteilhaft anzulegen. Zweck der Aufwendung ist nicht die
Vermögensverwaltung, sondern der Erwerb von Sachen, die dem Gemeinwesen
durch ihren Gebrauchswert dienen. Mit der Beteiligung an der zu gründenden
einfachen Gesellschaft verfolgt der Staat demnach die gleiche Absicht,
wie wenn er die Datenverarbeitungsanlage selber anschaffte. Das gibt die
kantonale Regierung übrigens auch zu. Nach ihren eigenen Ausführungen in
Botschaft und Beschwerdeantwort wurde nämlich die Form der Beteiligung
vor allem deshalb gewählt, um insbesondere die st. gallischen Gemeinden
und öffentlichen Verwaltungsbetriebe benachbarter Kantone leichter für die
Teilnahme zu gewinnen und mit der dadurch erreichten breiten Trägerschaft
die Maschine besser ausnützen zu können. Inwiefern bei solchen Beweggründen
aber von einer Kapitalanlage gesprochen werden kann, ist nach dem Gesagten
nicht erfindlich.

    b) Da die beschlossene Hingabe staatlicher Mittel der Erfüllung einer
Aufgabe der öffentlichen Verwaltung dient, kann heute, d.h. im Zeitpunkt
der Bereitstellung jener Mittel, nicht gesagt werden, ihr Gegenwert sei
realisierbar. Vielmehr könnte der Kanton über die nunmehr festgelegten
Vermögenswerte erst dann wieder frei verfügen, wenn sich das gleiche Ziel
auf andere Weise verwirklichen liesse. Ob und wann dies der Fall sei,
vermag auch der Regierungsrat nicht zu sagen.

    c) Fehlt aber nach dem Gesagten der vom Grossen Rat beschlossenen
Aufwendung der typische Zweck einer Vermögensanlage und damit auch
die Realisierbarkeit, dann kann offen bleiben, ob die umstrittene
Beteiligung andere Anlagemerkmale aufweise. Die Frage wäre übrigens zu
verneinen. Wie in der Beschwerde zutreffend ausgeführt wird, hat sich
der Kanton St. Gallen nicht nur mit 85% an der geplanten Zentralstelle
zu beteiligen, er wird auch bei weitem deren grösster Kunde sein. Da
die jährlichen Kapitalzinsen und Tilgungsbeträge zusammen mit den
kalkulatorischen Abschreibungen und den Betriebskosten in die nach
Benutzungsdauer der Maschinen abgestuften Preise eingerechnet werden,
erscheint der Einwand der Beschwerdeführer, der Staat bezahle sich die
Zinsen und Annuitäten im wesentlichen selber, als begründet.

    Dass sich mit den Datenverarbeitungsmaschinen dereinst
Rationalisierungsgewinne erzielen lassen werden, ist zu
erwarten. Ihretwegen wird jedoch die genannte Aufwendung nicht zu einer
Vermögensanlage. Solche möglichen Einsparungen ändern nichts an der
Tatsache, dass der Kanton St. Gallen heute Gelder aufzubringen hat,
die, weil zum Erwerb von Sachen des Verwaltungsvermögens bestimmt, dem
Finanzvermögen entzogen werden.

Erwägung 7

    7.- Handelt es sich nach den vorstehenden Ausführungen bei der
Beteiligung des Kantons St. Gallen an der Zentralstelle für elektronische
Datenverarbeitung um eine Ausgabe im Sinne des Ausgabenreferendums,
dann ist nicht einzusehen, aus welchem Grunde Art. 10 FG im vorliegenden
Falle nicht anwendbar sein sollte. Weder tut der Regierungsrat dar, der
dort verwendete Begriff der "Gesamtausgabe" weiche von den in Lehre und
Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ab, noch wird geltend gemacht,
die beschlossene Hingabe staatlicher Mittel ergebe sich aus der Anwendung
eines vom Volk bereits angenommenen Gesetzes, stelle somit eine "gebundene"
Ausgabe dar (vgl. ZBl 57/1956 S. 159 mit Hinweisen).

    Der angefochtene Grossratsbeschluss, welcher eine einmalige
Gesamtausgabe bis zu 2,5 Mio Franken vorsieht, hätte somit gemäss Art. 10
FG dem Volk zur Abstimmung unterbreitet werden sollen. Insoweit dies nicht
geschah, ist er verfassungswidrig und muss aufgehoben werden mit der Folge,
dass der Grosse Rat entweder auf den Beschluss verzichten kann oder ihn
dem Referendum zu unterstellen hat (BGE 71 I 315 E. 7).

Erwägung 8

    8.- Ob auch die Rüge der Beschwerdeführer begründet sei, dass der
angefochtene Beschluss "eventuell" Art. 11 FG verletze, kann bei diesem
Ausgang dahingestellt bleiben.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird dahin gutgeheissen, dass der Beschluss des Grossen
Rates des Kantons St. Gallen vom 8. Februar 1967 im Sinne der Erwägungen
aufgehoben wird.