Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 93 I 13



93 I 13

2. Auszug aus dem Urteil vom 3. Mai 1967 i.S. Bek und Mitbeteiligte
gegen Schaffhausen, Grosser Stadtrat und Regierungsrat. Regeste

    Finanzreferendum.

    Begriff der dem Referendum unterstehenden "Ausgabe". Ist, bei Abbruch
alter Häuser und Errichtung eines Parkplatzes an ihrer Stelle, ausser
den Kosten dieser Massnahmen auch der Wert der abzubrechenden Häuser zu
den Ausgaben zu rechnen?

Sachverhalt

                       Aus dem Tatbestand:

    Nach Art. 10 lit. d Z. 2 der Verfassung der Stadt Schaffhausen
(StV) unterliegen der "obligatorischen Volksabstimmung" neben anderen
Beschlüssen des Grossen Stadtrates "einmalige Ausgaben für Ankauf von
Liegenschaften, Bauten, Subventionen, Unternehmungen oder Beteiligung
an solchen, neue Einrichtungen, sowie Veräusserung und Verpfändung
von Liegenschaften, soweit sie im einzelnen Falle den Betrag von
Fr. 200'000.-- übersteigen". Halten sich die einmaligen Ausgaben im Rahmen
von Fr. 100'000.-- bis Fr. 200'000.--, so unterstehen sie gemäss Art. 11
lit. d dem fakultativen Referendum.

    Durch Beschluss vom 18. März 1966 bewilligte der Grosse Stadtrat
einen Kredit von Fr. 95 000.-- für den Abbruch der Gebäude (ehemaliges
Schlachthaus und sechs Wohnhäuser) und die Erstellung eines provisorischen
Parkplatzes für 52 Personenwagen auf den der Stadt gehörenden Grundstücken
Nr. 952 und 953 zwischen der Fischerhäuserstrasse und dem Rheinufer.

    Hiegegen erhoben sechs Stimmbürger Rekurs an den Regierungsrat mit dem
Antrag, der Beschluss sei gestützt auf Art. 10 StV dem obligatorischen,
evtl. auf Art. 11 dem fakultativen Referendum zu unterstellen. Sie
machten u.a. geltend, neben dem Baukredit seien auch die durch den
Abbruch vernichteten Werte in Rechnung zu stellen, wodurch die Grenze
von Fr. 200'000.-- überschritten werde.

    Der Regierungsrat wies den Rekurs am 19. Oktober 1966 ab.

    C.- Gegen diesen Entscheid erheben vier der ursprünglichen sechs
Rekurrenten staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, ihn aufzuheben. Zur
Begründung bringen sie u.a. vor: Durch den Abbruch der Häuser würden
Vermögenswerte der Stadt vernichtet. Erst dieses Opfer zusammen mit dem
Baukredit ergebe die ganze Vermögensleistung der Stadt für das Projekt,
die für das obligatorische und für das fakultative Referendum massgebend
sein müsse. Es wäre sonderbar, wenn der Souverän, dem nach Art. 10 StV
die Aufsicht über die Verwaltung des Gemeindevermögens zustehe, zur
Zerstörung von Vermögenswerten nichts zu sagen hätte, während er beim
Kauf und Verkauf von Liegenschaften, wo nur ein Wertaustausch stattfinde,
befragt werden müsse. Freilich werde der Abbruch weder in Art. 10 noch
in Art. 11 StV genannt; die Zuständigkeit dafür werde aber überhaupt
nirgends ausdrücklich erwähnt und müsse doch irgendwie geordnet sein;
die Regel lasse sich finden durch Subsumtion der Vermögensverminderung
durch Abbruch unter den Begriff der Ausgaben. Während der Regierungsrat
auf die Frage nach dem Wert der Gebäude nicht eingegangen sei, habe der
Stadtrat in seiner Vernehmlassung behauptet, sie seien abbruchreif und
hätten mit einem Bauverbot belegt werden können. Das möge für einzelne
davon zutreffen, aber jedenfalls nicht für den "Bretterhof". Selbst wenn
für ihn nur mit einem Mietwert von Fr. 25'000.-- gerechnet werde, komme
man zusammen mit dem Baukredit über die Grenze von Fr. 100'000.-- für
das fakultative Referendum. Je nach dem Mietwert der anderen Häuser könne
leicht auch eine Summe von über Fr. 200'000.-- in Betracht kommen. Erst
recht wäre diese Grenze überschritten, wenn auf die Brandassekuranzsumme
von Fr. 649'600.-- abgestellt werde, die der Stadt bei einem Totalschaden
vergütet worden wäre und auf die sie mit ihrem Beschluss verzichte. -
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

    Die Beschwerdeführer legen das Hauptgewicht auf das Argument, in die
Ausgabe für den Parkplatz müsse auch der Wert der bestehenden Gebäude,
der durch deren Abbruch vernichtet werde, einbezogen werden. Sie stützen
sich namentlich auf den Mietwert, den sie im kantonalen Rekurs (auf Grund
der damals noch erzielten Mietzinse von jährlich Fr. 9400.-- und deren
Kapitalisierung zu 8%) mit Fr. 117'500.-- angegeben hatten. (Daneben hatten
sie den Buchwert von Fr. 55'000.-- und den Brandversicherungswert von
Fr.649'600.-- erwähnt.) Der Stadtrat hielt dem entgegen, die Häuser seien
abbruchreif und hätten ohnehin mit einem Wohnverbot belegt werden müssen,
weshalb ihnen kein Mietwert mehr zukomme. Der Regierungsrat trat auf diese
Frage nicht ein, sondern lehnte den Standpunkt der Beschwerdeführer ab mit
der Begründung, ein Einbezug des Wertes der Gebäude in den Kreditbeschluss
falle ausser Betracht, weil sie bereits Eigentum der Stadt seien. Die
Beschwerdeführer setzen sich weder mit der einen noch mit der anderen
Auffassung auseinander und machen lediglich geltend, zum mindesten der
"Bretterhof" sei nicht baufällig und sein Mietwert mit wenigstens Fr.
25'000.-- einzusetzen.

    Es geht hier um die Auslegung von Art. 10 lit. d Z. 2 und Art. 11
lit. d StV. Diese beiden Bestimmungen unterstellen "einmalige Ausgaben"
dem Referendum, die erste dem obligatorischen bei einem Betrag von über Fr.
200'000.--, die zweite dem fakultativen bei einem solchen zwischen Fr.
100'000.-- und 200'000.--. Klar und unbestritten ist, dass die Kosten für
den Abbruch der bestehenden Häuser und die Erstellung des Parkplatzes
darunter fallen. Dagegen ist es streitig mit Bezug auf den Wert der
Häuser, die der Stadt gehören und abgebrochen werden sollen. Nach dem
gewöhnlichen Sprachgebrauch stellt die Änderung der Zweckbestimmung eines
Aktivums keine Ausgabe dar, auch wenn sie mit einer Verringerung oder gar
Vernichtung seines Wertes verbunden ist. Die Beschwerdeführer wollen aber
auch eine solche Wertverminderung unter den Begriff der Ausgabe subsumieren
und machen geltend, das rechtfertige sich umso mehr, als sogar der An-
und Verkauf von Liegenschaften nach Art. 10 und 11 StV dem Referendum
unterstehe, obwohl dabei nur ein Austausch von Werten stattfinde, während
beim Abbruch der bestehende Wert vernichtet werde. Sie werden indessen in
jenen Bestimmungen nicht als Ausgaben, sondern neben diesen dem Referendum
unterstellt. Zwar spricht Art. 10 lit. d Z. 2 von "einmaligen Ausgaben
für Ankauf von Liegenschaften", betrachtet also hier den Kaufpreis als
Ausgabe, obwohl ihm der Wert der Liegenschaft gegenübersteht; daneben
erwähnt er aber "Veräusserung und Verpfändung von Liegenschaften", wobei
ganz offensichtlich eine Ausgabe nicht in Frage kommt, und Art. 11 führt
getrennt in lit. d "einmalige Ausgaben" und in lit. e "Ankauf, Verkauf und
Verpfändung von Liegenschaften" auf. Das zeigt, dass dem An- und Verkauf
und der Verpfändung von Liegenschaften - wie noch in vielen anderen
Regelungen des Finanzreferendums - eine besondere Bedeutung beigemessen
wird, deretwegen sie je nach dem Betrag dem obligatorischen oder dem
fakultativen Referendum unterstellt werden, obwohl sie keine Ausgabe zu
bedingen brauchen. Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass andere
Tatbestände, wie hier der Abbruch von Häusern, unter den Begriff der
Ausgaben zu subsumieren und dem Referendum zu unterstellen seien. Eine
Ausgabe bilden wohl die Kosten für die Erstellung des Parkplatzes und den
dadurch bedingten Abbruch der bestehenden Häuser, nicht aber der Verzicht
auf den Wert, den diese bisher für die Stadt hatten.

    Diese Auslegung entspricht nicht nur dem Wortlaut von Art. 10 lit. d
und Art. 11 StV, sondern auch dem Sinn und Zweck des darin enthaltenen
Finanzreferendums. Aus der am Eingang von Art. 10 lit. d genannten
"Aufsicht über die Verwaltung des Gemeindevermögens" wie aus der ganzen
Aufzählung ergibt sich, dass damit finanzielle Belastungen der Gemeinde
von einer bestimmten Bedeutung dem obligatorischen oder fakultativen
Referendum unterstellt werden wollen. Die Beschwerdeführer erblicken eine
solche Belastung darin, dass durch den Abbruch der Häuser der Stadt die
bisherigen Mietzinseinnahmen von jährlich Fr. 9400.-- entgehen. Sie haben
jedoch die Darstellung des Grossen Stadtrates, dass die Häuser abbruchreif
seien und jene Einnahme deshalb ohnehin entfallen wäre, nicht widerlegt,
ja mit Ausnahme des "Bretterhofes" nicht einmal bestritten. Zudem haben sie
weder im kantonalen Rekurs noch in der staatsrechtlichen Beschwerde die in
der Botschaft des Stadtrates zu der Vorlage enthaltene Angabe bestritten,
wonach die Zinsen für fest vermietete Parkplätze und die Parkuhren jährlich
Fr. 18'700.--, also rund doppelt so viel wie die bisherigen Mietzinse,
einbringen werden. Die Änderung der Zweckbestimmung, welcher der Abbruch
der Häuser dient, wird mithin das Gegenteil der behaupteten Belastung
zur Folge haben.

    Die Darstellung der Beschwerdeführer, mit dem Abbruch der Häuser
verzichte die Stadt auf die Brandversicherungssumme von Fr. 649'600.--
im Falle eines Totalschadens, was einer Ausgabe in diesem Betrage
gleichzustellen sei, verdient nicht ernst genommen zu werden, zumal die
Häuser ohnehin abbruchreif sind.