Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 93 IV 93



93 IV 93

23. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 24. November 1967
i.S. Geiger und Konsorten gegen Maissen und Konsorten. Regeste

    1.  Art. 174 Ziff. 2, 71 Abs. 2 und 3 StGB. Planmässigkeit der
Verleumdung begründet weder ein Dauerdelikt noch ein fortgesetztes Delikt
(Erw. 1).

    2.  Art. 173 f., 71 Abs. 3 StGB. Dauerdelikt. Ehrverletzung durch
eine Strafanzeige ist kein Dauerdelikt (Erw. 2).

    3.  Art. 173 f., 71 Abs. 2, 1 StGB. Fortgesetztes Delikt.  Blosse
Prozessvorkehren in Prosequierung einer ehrenrührigen Strafanzeige sind
nicht Fortsetzung der Ehrverletzung (Erw. 3).

Sachverhalt

                      Aus dem Sachverhalt:

    A.- Am 27. Mai/11. Juni 1964 reichte Rechtsanwalt Dr.  Benno Schmid
für Alex Maissen beim Untersuchungsrichteramt Basel-Stadt Strafanzeige ein
gegen Werner Cermak und Friedrich Schertenleib wegen Betruges, Wuchers,
Urkundenfälschung und ungetreuer Geschäftsführung. In der Anzeige wurde den
Beschuldigten u.a. vorgeworfen, betrügerische Handlungen gegen Josef Dörig
begangen zu haben, Cermak gemeinsam mit Rechtsanwalt Dr. Paul Geiger.

    Dr. Geiger, Cermak und Schertenleib erhoben wegen der Strafanzeige
beim Friedensrichteramt Zürich 1 gegen Maissen und Dr. Schmid
Ehrverletzungsklagen und reichten am 8. August 1966 beim Bezirksgericht
Zürich die Anklageschriften ein.

    B.- Mit Beschlüssen vom 10. und 24. Februar 1967 wies das
Bezirksgericht Zürich die Ehrverletzungsklagen wegen Verjährung von
der Hand.

    Das Obergericht des Kantons Zürich, an das die Ankläger rekurrierten,
wies am 4. September 1967 die Rekurse ab.

    C.- Gegen diesen Entscheid führen die Ankläger Nichtigkeitsbeschwerde
mit dem Antrag, er sei aufzuheben und die Vorinstanz sei zur Zulassung
der Klagen anzuhalten.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 178 Abs. 1 StGB verjährt die Verfolgung der Vergehen
gegen die Ehre in zwei Jahren.

    Die vom 27. Mai 1964 datierte Strafanzeige an das
Untersuchungsrichteramt Basel wurde am 11. Juni 1964 zur Post gegeben. Die
Verfolgung der Ehrverletzungen war daher am 8. August 1966, als die
Beschwerdeführer in Zürich die Klagen einreichten, verjährt, sofern man
es nicht mit einem fortgesetzten Delikt nach Art. 71 Abs. 2 oder einem
Dauerdelikt nach Abs. 3 zu tun hat, wie die Beschwerdeführer geltend
machen.

    Dabei kommt es entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer nicht
darauf an, ob die behaupteten Verleumdungen im Sinne von Art. 174 Ziff. 2
StGB planmässig begangen wurden oder nicht. Die Planmässigkeit begründet
kein Dauerdelikt, und für eine fortgesetzte Handlung beginnt die Verjährung
nach Art. 71 Abs. 2 erst mit der letzten Teilhandlung zu laufen, auch
wenn nicht Planmässigkeit vorliegt.

Erwägung 2

    2.- Keinesfalls kann von einem Dauerdelikt die Rede sein. Wird
eine Ehrverletzung durch eine Strafanzeige begangen, so dauert zwar der
damit herbeigeführte rechtswidrige Erfolg an, nicht aber das strafbare
Verhalten; dass die Strafanzeige schriftlich eingereicht wurde, ändert
nichts (vgl. BGE 84 IV 17).

Erwägung 3

    3.- Die Fortsetzung der mit der Strafanzeige verübten Ehrverletzungen
erblicken die Beschwerdeführer darin, dass die Angeklagten immer wieder
versucht hätten, der Anzeige zuerst beim Untersuchungsrichter und dann
bei der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt zum Durchbruch zu verhelfen.
Diese Monierungen, wie die Beschwerdeführer die Versuche bezeichnen, seien
darauf gerichtet gewesen, den ehrverletzenden Erfolg der Strafanzeige zu
gewährleisten oder zu fördern.

    Die betreffenden Eingaben scheinen im vorliegenden Verfahren nicht
beigezogen worden zu sein und befinden sich jedenfalls nicht unter
den Akten. Ihr Beizug war für die Entscheidung auch nicht notwendig.

    Dass die Eingaben keinerlei Äusserungen enthielten, die schon an
und für sich irgendwie an die Ehre der Beschwerdeführer gerührt hätten,
anerkennen diese ausdrücklich. Sie erklären bloss, die Eingaben der
Angeklagten an die Basler Behörden seien darauf gerichtet gewesen,
den ehrverletzenden Erfolg der Strafanzeige zu gewährleisten oder
zu fördern. Danach haben also die Angeklagten die als ehrverletzend
eingeklagten Ausführungen der Strafanzeige in den Eingaben nicht
wiederholt. Damit haben sie indessen gemäss Art. 1 StGB schon objektiv
den Tatbestand von Art. 174 bzw. 173 StGB nicht erfüllen können,
denn diese Bestimmungen setzen voraus, dass jemand bei einem andern
eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet
sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt wird.
Fortsetzungszusammenhang aber ist nur möglich zwischen Handlungen, die
strafbar sind (BGE 91 IV 66).

    Wer eine ehrverletzende Straf- oder Zivilklage einreicht, macht
sich, wenn die Voraussetzungen der Art. 173 ff. StGB erfüllt sind,
durch diese Handlung der (vollendeten) Ehrverletzung strafbar und kann
nicht auch noch für die nachfolgenden Prozessvorkehren bestraft werden,
die bloss der Prosequierung der Klage dienen. Sonst würde sich der Kläger
durch jedes Fristverlängerungsgesuch und jeden Beweisantrag einer neuen
Ehrverletzung schuldig machen. Die Hartnäckigkeit, mit der ein Kläger eine
ehrenrührige Klage durchficht, kann von Bedeutung für das Strafmass sein;
strafbare Fortsetzungstatbestände werden mit blossen Prozesshandlungen,
die nicht in sich selber ehrenrührig sind, nicht geschaffen.