Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 93 IV 14



93 IV 14

5. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 10. Februar 1967
i.S. Philippin gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Nidwalden. Regeste

    Art. 148 StGB.

    Art. 513 OR schliesst Betrug bei Spielgeschäften, insbesondere die
betrügerische Erwirkung von Darlehen zu Spielzwecken nicht aus.

Sachverhalt

                       Aus dem Tatbestand:

    Der im Kanton Nidwalden wohnhafte Schweizerbürger Philippin besuchte im
Herbst 1963 die Spielbank im Casino von Evian. Nachdem er eine grössere
Geldsumme verloren hatte, liess er sich von der Casinoverwaltung in
mehreren Malen Spielmarken (Jetons) im Gesamtwert von rund 60'000 NF
auf Kredit geben. Nach Spielschluss behielt er den Gegenwert der ihm
verbliebenen Spielmarken, ungefähr 7000 NF, und übergab der Casinokasse für
die erhaltenen Vorschüsse von zusammen 55'000 Schweizerfranken einen auf
die Nidwaldner Kantonalbank gezogenen Bankcheck, obschon er entschlossen
war, die Darlehen nicht zurückzuzahlen. Es wurde daher in der Folge gegen
Philippin Strafanzeige wegen Betruges eingereicht.

    Das Obergericht des Kantons Nidwalden verurteilte Philippin am 14. Juli
1966 wegen Betruges (Art. 148 Abs. 1 StGB) zu einer bedingt vollziehbaren
Gefängnisstrafe. Der Verurteilte machte mit der Nichtigkeitsbeschwerde
unter anderem geltend, die Spielbank habe auf Grund von Art. 513 OR nicht
arglistig getäuscht und somit nicht betrogen werden können.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

    Nach Art. 513 OR entsteht aus Spiel keine klagbare Forderung, ebenso
aus Darlehen und Vorschüssen, die wissentlich zum Zwecke des Spiels
gegeben und verwendet wurden, kein klagbarer Anspruch auf Rückzahlung. Das
Leistungsversprechen begründet lediglich eine unvollkommene Obligation
mit der Wirkung, dass die Schuldverpflichtung durch freiwillige Zahlung
des Schuldners gültig erfüllt werden kann, das Recht des Gläubigers auf
Leistung aber nicht erzwingbar ist (Art. 514 OR).

    Die zivilrechtliche Unklagbarkeit von Spielforderungen schliesst
Betrug bei Spielgeschäften entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers
nicht aus. Der Spieler, der in der Absicht, sich unrechtmässig zu
bereichern, die Spielbank durch Vortäuschung seines Zahlungswillens
zur Gewährung von Vorschüssen veranlasst, wird nach Art. 148 StGB
bestraft, weil er die Leistung, auf die er keinen Anspruch hat, durch das
unerlaubte Mittel der arglistigen Irreführung erwirkt hat. Demgegenüber
ist strafrechtlich ohne Belang, dass Spielforderungen nicht klagbar
sind und die Spielbank in Kenntnis davon leistete. Arglistig getäuscht
wird sie gleichwohl dadurch, dass sie in den Irrtum versetzt wird,
der Spieler sei willens, die Gegenleistung trotz der Unklagbarkeit der
Forderung freiwillig zu erbringen, und geschädigt ist sie, weil sie, ohne
dass sie die Gegenleistung erhält, im Vertrauen auf das vorgetäuschte
Rückzahlungsversprechen vorgeleistet hat. Betrug liegt in einem solchen
Falle unabhängig davon vor, ob der Geldgeber die Rückzahlung des Darlehens
zivilrechtlich erzwingen kann oder nicht. Art. 513 OR ermöglicht dem
Spielschuldner nur, der Forderung aus dem Spielgeschäft die Einrede der
Unklagbarkeit entgegenzuhalten, berechtigt ihn aber nicht, den Spielpartner
durch die unwahre Angabe, die Einrede nicht zu erheben und tatsächlich zu
leisten, arglistig zu einer Vorleistung zu bestimmen. Der darin liegende
Betrug wird durch Art. 513 OR nicht für erlaubt erklärt, und ebensowenig
wird die Strafbarkeit der Tat dadurch aufgehoben, dass der Betrogene
seine Leistung nicht auf dem Klageweg zurückfordern kann. Betrug wird
übrigens um der öffentlichen Ordnung willen selbst dann bestraft, wenn
ihm ein rechtswidriges Geschäft zugrundeliegt, aus dem der Geschädigte
zivilrechtlich überhaupt keinen Anspruch gegen den Betrüger ableiten kann
(BGE 69 IV 77, 73 IV 172, 92 IV 176). Umsomehr ist die Betrugsbestimmung
anzuwenden, wenn der Betrogene durch ein Leistungsversprechen irregeführt
wird, das an sich gültig und lediglich nicht klagbar ist.