Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 93 II 71



93 II 71

15. Urteil der II. Zivilabteilung vom 28. April 1967 i.S. Ortsgemeinde
Murg gegen Spinnerei Murg AG Regeste

    Grundlast; Ablösung nach dreissigjährigem Bestande; Ausschluss dieser
Ablösung? (Art. 788 Abs. 1 Ziff. 2, Abs. 3 ZGB).

    1.  Die Bestimmungen des ZGB über die Ablösung einer Grundlast
nach dreissigjährigem Bestande gelten auch für Grundlasten, die vor
dem Inkrafttreten des ZGB errichtet wurden (Art. 17 Abs. 2 und Art. 2
SchlT/ZGB). (Erw. 1).

    2.  Wann ist eine Grundlast im Sinne von Art. 788 Abs. 3 ZGB mit einer
unablösbaren Grunddienstbarkeit verbunden und deshalb der Ablösung nach
dreissigjährigem Bestande entzogen? Ablösung einer Grundlast, die den
jeweiligen Eigentümer einer Sägereiliegenschaft, zu deren Gunsten ein
ehehaftes Wasserrecht besteht, dazu verpflichtet, das für den Gebrauch
der Gemeinde und der Gemeindebürger bestimmte Holz zu einem Vorzugspreis
zu sägen.

Sachverhalt

    A.- Die Spinnerei Murg AG ist Eigentümerin einer Sägereiliegenschaft
in Murg, Parzelle Nr. 125, die sie am 7. April 1937 erworben hat. Zur
Liegenschaft gehören Wasserrechte am Murgbach, und es lastet darauf
folgende Verpflichtung:

    "Ein Sägerecht, wonach die Sägebesitzer gehalten sind, der Ortsgemeinde
Murg Holz zu billigem Preisansatz zu sägen, nach den spez. Bedingungen des
gütlichen Vergleiches zwischen der Gemeinde Murg und den Sagenbesitzern
vom 20. September 1823."

    Diese Last geht auf den Kaufvertrag vom Jahre 1615 zurück, mit dem
die Gemeinde Murg "die Sagen sambt ihrer Gerechtigkeit so darzu gehört"
um 106 Münzgulden an die Brüder Heiny und Hanniss Weibell verkaufte, wobei
die Käufer sich verpflich teten, "den im Fläcken" (d.h. den Einwohnern
von Murg) das Holz zum eigenen Gebrauch zu einem Sonderpreis zu sägen.

    B.- Mit Schreiben vom 27. August 1962 kündigte die Spinnerei Murg
AG der Ortsgemeinde Murg das Sägerecht auf den 31. August 1963. Die
Ortsgemeinde widersetzte sich dieser Kündigung mit der Begründung, das
Sägerecht sei im Sinne von Art. 788 Abs. 3 ZGB mit einer unablösbaren
Dienstbarkeit, nämlich mit einem ehehaften Wasserrecht, verbunden und
könne daher nicht abgelöst werden.

    Die Spinnerei Murg AG reichte hierauf gegen die Ortsgemeinde Murg
beim Kantonsgericht St. Gallen eine Klage mit folgenden Rechtsbegehren ein:

    "1. Es sei gerichtlich festzustellen, dass das gemäss 'gütlichem
Vergleich zwischen der Gemeinde Murg und den Sägenbesitzern im Unterbach,
vom 20. September 1823' zu Gunsten der Genossen von Murg und zu
Lasten der Liegenschaft Grundbuch Quarten Parzelle Nr. 215 (heutige
Eigentümerin: Spinnerei Murg AG) als Grundlast begründete Sägerecht,
wonach 'der Eigentümer dieser Liegenschaft verpflichtet ist, den Bürgern
der Gemeinde Murg für ihren Gebrauch Holz zu schneiden lt. Vertrag',
von der Klägerin am 27. August 1962 rechtsgültig auf den 31. August 1963
gekündigt wurde, und dass demzufolge ab 1. September 1963 die Klägerin
nicht mehr verpflichtet ist, den Angehörigen der Ortsgemeinde Murg Holz
zum verbilligten Tarif zu sägen;

    2. Es sei gerichtlich festzustellen, dass das Sägerecht zufolge der
rechtmässig erfolgten Kündigung durch die Klägerin mit Wirkung ab 1.
September 1963 im Grundbuch der Politischen Gemeinde Quarten zu löschen
ist;

    3. Es sei gerichtlich festzustellen, dass die Beklagte das Sägerecht
gemäss Vertrag vom 20. September 1823 schon bisher nur zu Gunsten der
Ortsgenossen, nicht aber auch für ihren eigenen Holzbedarf in Anspruch
nehmen durfte;

    4. Der von der Beklagten für die Aufhebung des Sägerechts eventuell
zu beanspruchende Ablösungsbetrag sei vom Richter festzusetzen."

    Die Klägerin machte im wesentlichen geltend, die Parteien seien darüber
einig, dass das von der Beklagten beanspruchte Sägerecht eine Grundlast
darstelle. Dass diese Grundlast im Sinne von Art. 788 Abs. 3 ZGB mit
einer unablösbaren Grunddienstbarkeit verbunden sei, treffe entgegen der
Auffassung der Beklagten nicht zu. Es bestehe kein innerer Zusammenhang
zwischen Säge- und Wasserrecht, sondern dieses könne unabhängig von
jenem ausgeübt werden. Zudem sei der Murgbach durch Art. 1 des St. Galler
Gesetzes von 1894 über die Benützung der Gewässer zum öffentlichen Gewässer
erklärt worden, das unter der Hoheit des Staates stehe. Das Wasserrecht
belaste also nicht mehr die Ortsgemeinde, sondern den Staat. Endlich habe
der Regierungsrat des Kantons St. Gallen der Klägerin am 24. Dezember
1937 gestattet, die Wasserkraft des ehehaften Wasserrechtes statt für den
Betrieb der Sägerei für die Gewinnung elektrischer Energie zu verwenden
und den so gewonnenen Strom zum Verbrauch in die Spinnerei zu leiten.

    C.- Die Beklagte beharrte auf ihrem Standpunkt, beantragte die
Abweisung der Klage und stellte die Widerklagebergehren:

    "a) die Klägerin und Widerbeklagte zu verpflichten, der Beklagten
und Widerklägerin den durch Expertise festzustellenden, max. Fr. 2000.--
betragenden Schaden zu ersetzen, der ihr und den Bürgern von Murg durch
die Einstellung des Sägereibetriebes bis heute entstanden ist und bis
31. August 1963 noch entsteht,

    b) gerichtlich festzustellen, dass die Klägerin und Widerbeklagte
nach wie vor verpflichtet sei, ihr und den Bürgern (Genossen) von Murg
zu den im Vergleich von 1823 vereinbarten Preisen Holz zu sagen,

    c) die Beklagte und Widerklägerin für sich und die Genossen von Murg
zu ermächtigen, die der Klägerin und Widerbeklagten gemäss Vergleich von
1823 obliegenden Verpflichtungen auf deren Kosten vornehmen zu lassen."

    D.- Mit Beschluss vom 5. April 1965 ordnete das Kantonsgericht eine
Expertise zur Festsetzung der Höhe des Ablösungsbetrages an. Auf die
Berufung der Beklagten gegen diesen Beschluss trat das Bundesgericht am
9. Februar 1966 nicht ein, womit auch die Anschlussberufung der Klägerin
dahinfiel.

    In der Folge einigten sich die Parteien für den Fall der Ablösbarkeit
des Sägerechtes auf einen Ablösungsbetrag von Fr. 22 500.--, so dass die
angeordnete Begutachtung unterbleiben konnte.

    Am 22. November 1966 erkannte das Kantonsgericht:

    "1. Es wird festgestellt, dass das im Grundbuch der Gemeinde Quarten
zu Lasten der Liegenschaft Parzelle No. 215 als Grundlast eingetragene
Sägerecht von der Klägerin auf den 31. August 1963 rechtsgültig gekündigt
worden und demnach untergegangen ist.

    2. Das in Ziff. 1 erwähnte Sägerecht ist im Grundbuch der Gemeinde
Quarten zu löschen.

    3. Ziff. 3 des Klagebegehrens wird abgewiesen.

    4. Die Klägerin hat der Beklagten für die Aufhebung des Sägerechtes
einen Ablösungsbetrag von Fr. 22 500.-- zu bezahlen.

    5. Die Widerklage wird abgewiesen."

    Die Klägerin wurde mit einem Drittel, die Beklagte mit zwei Dritteln
der Gerichts- und Parteikosten belastet.

    E.- Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die Berufung an das
Bundesgericht erklärt mit dem Antrag auf Abweisung der Klage und
Gutheissung der (in der Berufungsschrift wiederholten) Widerklagebegehren
b und c.

    Die Klägerin beantragt die Abweisung der Berufung.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Parteien sind darüber einig, dass die durch das streitige
Sägerecht begründete Pflicht, für die Beklagte zu einem Vorzugspreis
Holz zu sägen, als Grundlast auf der Sägereiliegenschaft der Klägerin
ruht und als solche schon beim Inkrafttreten des ZGB bestanden hat.

    Dingliche Rechte, die beim Inkrafttreten des ZGB bereits bestanden,
stehen gemäss Art. 17 Abs. 2 SchlT/ZGB in bezug auf ihren Inhalt nach
dem Inkrafttreten des ZGB, soweit dieses eine Ausnahme nicht vorsieht,
unter dem neuen Recht. Zur Frage, welchen Inhalt ein Rechtsverhältnis habe,
d.h. welche Befugnisse und Pflichten es begründe, gehört auch die Frage, ob
und unter welchen Voraussetzungen ein Beteiligter seine Auflösung verlangen
könne (MUTZNER N. 29 zu Art. 3 SchlT). Für die Ablösung einer unter dem
alten Rechte begründeten Grundlast durch den Schuldner gilt also Art. 788
ZGB, insbesondere Abs. 1 Ziff. 2 in Verbindung mit Abs. 2 und 3 betreffend
die Ablösung nach dreissigjährigem Bestande, es sei denn, dass eine der
in Art. 17 Abs. 2 SchlT vorbehaltenen Ausnahmestimmungen eingreife.

    Art. 17 Abs. 3 SchlT, wonach dingliche Rechte, die nach dem neuen
Rechte nicht mehr errichtet werden könnten, unter dem bisherigen Rechte
bleiben, ist im vorliegenden Falle nicht anwendbar; denn die streitige
Grundlast hat eine Leistung zum Inhalt, die sich im Sinne von Art. 782
Abs. 3 ZGB aus der wirtschaftlichen Natur des belasteten Grundstücks
ergibt, so dass sie auch unter der Herrschaft des ZGB hätte errichtet
werden können.

    Der Anwendung der Bestimmungen des neuen Rechts über die Ablösung
der Grundlasten nach dreissigjährigem Bestande steht auch Art. 18
Abs. 3 SchlT nicht im Wege. Nach dieser Vorschrift bleibt der vor dem
Inkrafttreten des ZGB durch Rechtsgeschäft festgesetzte Inhalt eines
dinglichen Verhältnisses auch unter dem neuen Recht anerkannt, soweit er
nicht mit diesem unverträglich ist. Nach dem angefochtenen Urteil, das in
diesem Punkte auf der Anwendung des alten kantonalen Rechts beruht, wurde
seinerzeit die Unkündbarkeit des streitigen Sägerechts vereinbart. Diese
Abrede ist jedoch im Sinne von Art. 18 Abs. 3 SchlT mit dem neuen Recht
unverträglich, da Art. 788 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB (unter Vorbehalt von Abs. 3)
zwingend bestimmt, der Schuldner könne die Ablösung nach dreissigjährigem
Bestande der Grundlast auch dann verlangen, wenn eine längere Dauer oder
die Unablösbarkeit vereinbart wurde.

    Ebensowenig wie Art. 17 Abs. 3 oder Art. 18 Abs. 3 SchlT greift im
vorliegenden Fall eine andere Ausnahmebestimmung ein, die der Anwendung des
neuen Rechts entgegenstände. Dieses ist daher nach Art. 17 Abs. 2 SchlT
massgebend (vgl. BGE 45 II 394 und das von der Vorinstanz angeführte
Urteil des Bundesgerichtes vom 21. Februar 1963 i.S. Papierfabriken
Landquart AG gegen Gemeinde Igis; MUTZNER N. 43 zu Art. 17 SchlT).

    Die Bestimmungen des Art. 788 ZGB über die Ablösung nach
dreissigjährigem Bestande wären im übrigen auf das streitige Sägerecht
selbst dann anzuwenden, wenn sich das nicht schon aus Art. 17 Abs. 2 SchlT
ergäbe. Diese Bestimmungen wurden erlassen, um dauernde, feudalähnliche
Belastungen von Grund und Boden mit Leistungspflichten zu verhindern
(vgl. namentlich HUBER in Sten.Bull. 1906 S. 588; TUOR, Das Schweiz. ZGB,
7. Aufl. S. 575). Sie wurden also um der öffentlichen Ordnung willen
aufgestellt und sind daher auf altrechtliche, nach dem alten Recht nicht
oder erst nach längerer Frist ablösbare Grundlasten wenn nicht schon
kraft Art. 17 Abs. 2, so auf jeden Fall kraft Art. 2 SchlT anwendbar
(LEEMANN N. 18/19; vgl. auch WIELAND N. 2 b zu Art. 788 ZGB).

Erwägung 2

    2.- Die streitige Grundlast besteht seit mehr als dreissig Jahren. Die
Klägerin hat sie am 27. August 1962 auf Jahresfrist gekündigt. Die in Art.
788 Abs. 1 Ziff. 2 und Abs. 2 ZGB genannten Voraussetzungen der Ablösung
sind also erfüllt. Zu prüfen bleibt nur, ob sich die Beklagte auf Art. 788
Abs. 3 ZGB berufen kann, wonach "diese Ablösung" (d.h. die Ablösung nach
dreissigjährigem Bestande) ausgeschlossen ist, wenn die Grundlast mit
einer unablösbaren Grunddienstbarkeit verbunden ist.

    Das ehehafte Wasserrecht, das zugunsten der Liegenschaft der
Klägerin am Murgbach besteht, stellt eine Dienstbarkeit dar (BGE 88
II 503 mit Hinweisen) und ist unablösbar. Bei Beurteilung der Frage,
ob die streitige Grundlast im Sinne von Art. 788 Abs. 3 ZGB mit dieser
unablösbaren Dienstbarkeit verbunden sei, sind das St. Galler Gesetz von
1894 über die Benützung der Gewässer und der Regierungsratsbeschluss vom
24. Dezember 1937, welcher der Klägerin die Verwendung der Wasserkraft
des Murgbachs zur Erzeugung elektrischer Energie für ihre Spinnerei
gestattet, zunächst ausser Betracht zu lassen. Die Klägerin will aus
diesen Erlassen ableiten, dass die von der Beklagten behauptete Verbindung
zwischen Grundlast und Dienstbarkeit, falls sie bestanden haben sollte,
dahingefallen sei. Diese Frage stellt sich nicht, wenn eine Verbindung
im Sinne von Art. 788 Abs. 3 ZGB schon vor diesen Erlassen fehlte.

Erwägung 3

    3.- Dass eine Grundlast mit einer Grunddienstbarkeit verbunden sei,
kann nur angenommen werden, wenn zwischen diesen beiden Rechtsverhältnissen
ein innerer Zusammenhang besteht. Ein solcher Zusammenhang kann an sich
sowohl dann bestehen, wenn die Grundlast und die Grunddienstbarkeit
das gleiche Grundstück belasten, als auch dann, wenn die Grundlast auf
dem Grundstück ruht, zu dessen Gunsten die Dienstbarkeit besteht. (Man
denke z.B. an eine Grundlast, die den Eigentümer eines wegberechtigten
Grundstücks über Art. 741 ZGB hinaus zum vollen Unterhalt eines auch
den Interessen des Belasteten dienenden Weges auf dessen Grundstück
verpflichtet.) Der Wortlaut von Art. 788 Abs. 3 ZGB schliesst die Anwendung
dieser Bestimmung auf Fälle der zweiten Art nicht schlechthin aus.
Schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch liegt indes die Auffassung näher,
dass Art. 788 Abs. 3 ZGB nur gilt, wenn Grundlast und Grunddienstbarkeit
auf dem gleichen Grundstück ruhen. Das kennzeichnende Element dieser beiden
Rechtsverhältnisse, auf das ihre Namen hinweisen, ist die dadurch bewirkte
Belastung eines Grundstücks. Der nächstliegende Sinn des Erfordernisses
einer Verbindung von Grundlast und Grunddienstbarkeit ist also der,
dass die beiden Belastungen miteinander verbunden sein und mithin auf
dem gleichen Grundstück liegen müssen.

    Dass Art. 788 Abs. 3 ZGB so zu verstehen ist, wird durch die
Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung und durch sachliche Erwägungen
bestätigt.

    a) Der Vorentwurf des Eidg. Justiz- und Polizeidepartements vom
15. November 1900 liess in Art. 782 die Ablösung einer Grundlast nach
dreissigjährigem Bestande unter Vorbehalt des öffentlichen Rechts ohne
Ausnahme zu. In den Erläuterungen wurde dazu ausgeführt, die Bodenbelastung
dürfe "in dem Sinne keine ewige werden, dass der Eigentümer, auch wenn
er sich die Ablösung nicht ausbedungen hat, doch die Last nach gewisser
Zeit einseitig soll aufheben dürfen"; die Freiheit des Bodens verlange
eine. zeitliche Einschränkung der Belastungsdauer (Erl. 1. Ausg., 3. Heft,
S. 155; 2. Ausg., II. Band, S. 164/65).

    In der Expertenkommission erklärte HUBER bei Behandlung von Art. 782
des Vorentwurfs, "der Artikel betreffe nur diejenigen Fälle, wo der
betreffenden Realberechtigung nicht eine Verpflichtung gegenüberstehe;
sei sie ein Nebenrecht zur Servitutsverpflichtung, so könne sie
nicht allein zur Ablösung kommen" (Prot. Exp. Komm., Originalausgabe,
IV. Bd., S. 165; Ausgabe Kümmerly & Frey, IV. Bd., S. 204). Auf Antrag
von HUBER, BROSI und ISLER wurde dann dem Art. 782 der folgende Absatz
beigefügt: "Ausgeschlossen ist diese Ablösung, wo die Grundlast mit
einer Grunddienstbarkeit verbunden ist." Auf die Frage von MENTHA, ob
in einem solchen Falle die Grundlast als solche eingetragen werde oder
ob sie in der Eintragung der Dienstbarkeit inbegriffen sei, antwortete
HUBER, "es sei möglich, dass die Grundlast gesondert eingetragen werde
trotz des Zusammenhanges mit der Dienstbarkeit, wenn es den Parteien so
beliebe" (Prot. Originalausgabe IV S. 362, Ausgabe Kümmerly & Frey IV
S. 435). Die Redaktionskommission fügte vor "Grunddienstbarkeit" noch
das Wort "unablösbaren" ein. In dieser Fassung, von welcher der heutige
Art. 788 Abs. 3 ZGB nur in einem unwesentlichen Punkte ("wenn" statt
"wo") abweicht, ging die erwähnte Bestimmung als Art. 782 Abs. 3 in
den Vorentwurf des Eidg. Justiz- und Polizeidepartementes von 1903 und
als Art. 778 Abs. 3 in den Entwurf des Bundesrates vom 28. Mai 1904 ein.
HUBER führte dazu im Nationalrat aus (Sten. Bull. 1906 S. 589):

    "Nach Ablauf von 30 Jahren soll also jede Grundlast abgelöst
werden können... Nur in einem Falle muss eine längere Dauer zu
Lasten des Schuldners zugestanden werden, wenn sie sich verbindet mit
einer unablösbaren Grunddienstbarkeit, wenn z.B. die Zudienung darin
besteht, dass ohne Ablösbarkeit auf dem dienenden Grundstück Weg- und
Brückenunterhalt geleistet werden muss. Wenn da die Grundlast abgelöst
werden könnte, während das Recht weiterbesteht, so würde der Berechtigte
in schweren Nachteil kommen."

    Aus dieser Entstehungsgeschichte ergibt sich, dass der Gesetzgeber
nur den Fall im Auge hatte, wo der durch eine Dienstbarkeit mit einer
Duldungspflicht belastete Grundeigentümer gleichzeitig durch eine Grundlast
zu einer positiven Leistung verpflichtet ist, die nötig ist, damit der
Berechtigte die Dienstbarkeit auf die Dauer ausüben kann. Mag die erste
Äusserung HUBERS in der Expertenkommission, wo er von einem Nebenrecht
(statt von einer Nebenpflicht) zur Servitutsverpflichtung sprach, nicht
ganz eindeutig sein, so lassen doch seine weitern Äusserungen keinen
Zweifel darüber bestehen, dass er nur an den Fall einer Grundlast dachte,
die auf dem mit der Dienstbarkeit belasteten Grundstück ruht und dessen
Eigentümer zu einem Tun im Interesse des Dienstbarkeitsberechtigten
verpflichtet.

    HUBER hat denn auch später in einem Gutachten für die Finanzdirektion
der Stadt Bern ausgeführt, Art. 788 Abs. 3 ZGB gelte nur, "wo der
belastete Grundeigentümer zugleich zu gewissen Leistungen verpflichtet
werden soll, wo also die Grundlast denselben Verpflichteten aufweist
wie die Grunddienstbarkeit..." (zitiert nach B. MAYR VON BALDEGG,
Die Gegenleistung beim Baurecht, Berner Diss. 1938, S. 87). Die ersten
wissenschaftlichen Bearbeiter des ZGB, von denen die meisten bei der
Ausarbeitung des Gesetzes mitgewirkt hatten, teilen diese Auffassung,
soweit sie sich über die Frage deutlich äussern (ROSSEL ET MENTHA,
Manuel du droit civil suisse, 1. Aufl. II S. 176/77, 2. Aufl. III No.
1445 S. 79; LEEMANN N. 13 zu Art. 788 in Verbindung mit N. 41 und 22/23
zu Art. 782 ZGB; nicht eindeutig WIELAND N. 4 zu Art. 788 in Verbindung
mit N. 3 zu Art. 730, N. 2 zu Art. 741 und N. 5a zu Art. 782 ZGB).

    c) Wie bereits dargelegt, ist Art. 788 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB, der die
Ablösung von Grundlasten durch den Schuldner nach dreissigjähriger Dauer
zulässt, um der öffentlichen Ordnung willen erlassen worden (so auch
LIVER N. 222 zu Art. 730 ZGB). Vor allem auch deshalb darf Art. 788
Abs. 3 ZGB, der eine Ausnahme von dem in Abs. 1 Ziff. 2 niedergelegten
Grundsatze vorsieht, nicht ausdehnend ausgelegt werden. Vielmehr ist
die Anwendung dieser Ausnahmebestimmung auf die Fälle zu beschränken,
wo die Grundlast eine Leistung zum Inhalt hat, die nötig ist, um die
Ausübung einer unablösbaren Grunddienstbarkeit zu ermöglichen. Nur
wenn die Grundlast einem solchen Zwecke dient, lässt es sich sachlich
rechtfertigen, die im öffentlichen Interesse vorgesehene Ablösbarkeit der
Grundlast nach dreissigjährigem Bestande auszuschliessen und die Grundlast
wie die Dienstbarkeit ohne Möglichkeit der Ablösung für unbegrenzte
Zeit bestehen zu lassen. Ein Zusammenhang der erwähnten Art kann aber
zwischen der Grundlast und der Grunddienstbarkeit nur bestehen, wenn jene
auf dem gleichen Grundstück ruht wie diese. Von einer durch Grundlast
begründeten Leistungspflicht des Dienstbarkeitsberechtigten (zumal von
einer solchen der vorliegenden Art) lässt sich nicht sagen, sie bestehe im
angegebenen Sinne im Interesse der Ausübung der Dienstbarkeit, also des
Dienstbarkeitsberechtigten, und dieser müsse sich deshalb das Bestehen
der Grundlast während der vollen Dauer der Dienstbarkeit gefallen lassen.

    c) Dieser Auslegung des Art. 788 Abs. 3 ZGB lässt sich nicht
entgegenhalten, der Erlass einer Bestimmung von so beschränkter Tragweite
wäre angesichts des Art. 730 Abs. 2 ZGB überflüssig gewesen. Nach dieser
Vorschrift kann eine Verpflichtung zur Vornahme von Handlungen mit einer
Grunddienstbarkeit nur nebensächlich verbunden sein. Diese Bestimmung
erlaubt also bloss, den jeweiligen Eigentümer des mit der Dienstbarkeit
belasteten Grundstücks zu Leistungen nebensächlicher, akzessorischer
Art zu verpflichten (LIVER N. 203 ff. zu Art. 730 ZGB). Zudem haftet
der Eigentümer des belasteten Grundstücks für die Erfüllung einer
nach Art. 730 Abs. 2 ZGB mit einer Grunddienstbarkeit verbundenen
Leistungspflicht nur persönlich, nicht mit dem Grundstück (LIVER N. 227
zu Art. 730, mit Hinweisen). Wenn mit einer Grunddienstbarkeit eine nicht
bloss nebensächliche Leistungspflicht verbunden werden soll oder wenn
gewünscht wird, dass der Eigentümer des belasteten Grundstücks für die
Erfüllung seiner Leistungspflicht mit dem Grundstück hafte, muss also eine
Grundlast errichtet werden. Art. 788 Abs. 3 ZGB ist erlassen worden, um zu
verhindern, dass solche Grundlasten vor dem Erlöschen der Dienstbarkeiten,
deren Ausübung sie sichern, durch den Schuldner abgelöst werden können. Er
schliesst eine solche Ablösung wenigstens dann aus, wenn die den Inhalt
der Grundlast bildende Leistungspflicht des Dienstbarkeitsverpflichteten
im Verhältnis zu dessen Duldungspflicht nicht geradezu die Hauptsache ist
(LIVER N. 222 zu Art. 730 ZGB). Der Umstand, dass derartige Verbindungen
zwischen einer Grundlast und einer Dienstbarkeit selten sein mögen, vermag
eine ausdehnende Auslegung des Art. 788 Abs. 3 ZGB nicht zu rechtfertigen.

    d) In BGE 52 II 44 hat das Bundesgericht freilich ausgeführt, eine
den Bauberechtigten zur Zahlung des Baurechtszinses verpflichtende
Grundlast (deren Errichtung zulasten des als Grundstück ins Grundbuch
aufgenommenen Baurechtes es als zulässig erachtete) könne gemäss Art. 788
Abs. 3 ZGB nicht abgelöst werden, "weil auch auf diese Gegenleistung für
die Einräumung der Servitut zutrifft, dass sie mit einer unablösbaren
Grunddienstbarkeit verbunden ist, nicht weniger als auf ein 'Nebenrecht
zur Servitutsverpflichtung', dessen besonderer Berücksichtigung die
genannte Vorschrift ihre Entstehung verdankt (vgl. Protokoll der
Expertenkommission 3 [richtig 4] S. 165)." Dabei handelte es sich
jedoch nur um eine beiläufige Bemerkung. Im damals beurteilten Falle
war der Anspruch des Grundeigentümers auf den Baurechtszins weder
durch eine derartige Grundlast noch durch ein Grundpfand gesichert
worden. Vielmehr bestimmte der Baurechtsvertrag, die Pflicht zur
Zahlung des Baurechtszinses ("Rentenverpflichtung") werde "inhaltlich
mit dem Baurecht zu einem einzigen dinglichen Verhältnis verbunden";
bei Säumnis des Rentenschuldners sei der Rentengläubiger berechtigt,
Befriedigung aus dem Erlös des Baurechtes oder dessen Übertragung an ihn
zu verlangen. Das Bundesgericht erklärte eine solche Ausgestaltung des
Baurechts als unzulässig und machte die wiedergegebene Bemerkung lediglich
im Zusammenhang mit Ausführungen darüber, dass sich die Pflicht zur Zahlung
des Baurechtszinses gleichwohl in einer die hypothekarische Belehnung
des Baurechts nicht ausschliessenden Weise dinglich sichern lasse. Die in
BGE 52 II 44 vertretene Auslegung des Art. 788 Abs. 3 ZGB ist also durch
das Bestreben beeinflusst, der Praxis ein Mittel zur dinglichen Sicherung
des Anspruchs auf den Baurechtszins zu bieten. Dieses Bestreben darf bei
Beurteilung der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Grundlast im
Sinne von Art. 788 Abs. 3 ZGB als mit einer Grunddienstbarkeit verbunden
gelten kann, auf jeden Fall heute schon deshalb nicht mehr mitspielen,
weil die am 1. Juli 1965 in Kraft getretenen Art. 779 i und k ZGB die
Sicherung des Baurechtszinses in anderer Weise (durch Gewährung eines
Anspruchs auf Errichtung eines Pfandrechts) regeln. Im übrigen wurde in
BGE 52 II 27 ff. verkannt, dass die Leistung eines Baurechtszinses nach
Art. 782 Abs. 3 ZGB überhaupt nicht Inhalt einer Grundlast sein kann, weil
diese Leistung sich weder aus der wirtschaftlichen Natur des belasteten
Grundstücks (des Baurechtes) ergibt noch für die wirtschaftlichen
Bedürfnisse des berechtigten Grundstücks bestimmt ist (so auch LIVER in
ZBJV 1958 S. 383). Die Frage, ob eine zur Sicherung des Baurechtszinses
errichtete Grundlast gemäss Art. 788 ZGB ablösbar sei oder nicht, kann sich
also in Wirklichkeit gar nicht stellen. Um so weniger lässt sich an der
in BGE 52 II 44 vertretenen Auffassung über die Tragweite von Art. 788
Abs. 3 ZGB festhalten. Vielmehr ist die Anwendung dieser Bestimmung
aus den im vorliegenden Entscheide angeführten Gründen abzulehnen,
wenn die Grundlast nicht eine für die Ausübung der Dienstbarkeit nötige
Leistung des Dienstbarkeitsverpflichteten, sondern eine Leistung des
Dienstbarkeitsberechtigten zum Inhalt hat, gleichgültig, ob es sich dabei
um dessen Gegenleistung für die Einräumung der Dienstbarkeit oder um eine
sonstige Leistung handle.

    Die streitige Grundlast, welche die dienstbarkeitsberechtigte Klägerin
zu einer Leistung verpflichtet, fällt also nicht unter Art. 788 Abs. 3
ZGB, sondern die Klägerin war berechtigt, auf Grund von Art. 788 Abs. 1
Ziff. 2 ZGB ihre Ablösung zu verlangen. Die Berufung der Beklagten ist
also unbegründet.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Kantonsgerichtes St.
Gallen, I. Zivilkammer, vom 22. November 1966 bestätigt.