Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 93 II 48



93 II 48

10. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. März 1967 i.S. John
Harvey & Sons Ltd gegen Garvey SA Jerez de la Frontera. Regeste

    Fabrik- und Handelsmarken.

    a)  Art. 2 MSchG. Geltung der Geschäftsfirma als Marke (Erw. 3).

    b)  Art. 3 Abs. 1 MSchG. Die in das schweizerische Handelsregister
eingetragene und als Marke gebrauchte Firma untersteht den gleichen
materiellen Bestimmungen des Gesetzes wie andere Marken (Erw. 3).

    c)  Tragweite von Art. 9 Abs. 1 MSchG. Analoge Anwendung dieser
Bestimmung auf nicht eingetragene Marken (Erw. 4).

Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Der Bestandteil "Harvey's" in den Marken der Beklagten gleicht
den Bestandteilen "Garvey" und "Garvey's" in den Marken der Klägerin
hinsichtlich Schreibweise und Wortklang so sehr, dass die Käufer der
Erzeugnisse über deren Herkunft irregeführt werden können. Die Beklagte
räumt denn auch ein, dass die beiden Familiennamen ähnlich sind.

    Sie stellt sich aber auf den Standpunkt, jedermann dürfe seinen Namen
in beliebiger Weise zu Geschäftszwecken verwenden, weshalb der immerhin
bestehende geringfügige Unterschied sie berechtigte, das Wort Harvey in
ihren Marken zu führen.

    Diese Auffassung läuft darauf hinaus, dass derjenige, der seinen Namen
als Marke verwenden will, nicht darauf Rücksicht nehmen müsse, ob ihm ein
anderer im Gebrauch einer ähnlichen Marke zuvorgekommen sei. Damit verkennt
die Beklagte, dass die Geschäftsfirma nicht ohne weiteres als Marke gilt,
sondern entsprechende Rechte erst verleiht, wenn sie tatsächlich als
Marke gebraucht wird; das ergibt sich aus Art. 2 MSchG und ist in der
Rechtsprechung anerkannt (BGE 44 II 85 Erw. 2, 88 II 33). Ferner übersieht
die Beklagte, dass die in das schweizerische Handelsregister eingetragene
und als Marke gebrauchte Firma den gleichen materiellen Bestimmungen des
Gesetzes untersteht wie andere Marken; durch Art. 2 und 3 Abs. 1 MSchG
wollte der Gesetzgeber den Inhaber einer Firmenmarke nur der Pflicht
entheben, sie in das Markenregister eintragen zu lassen (BGE 43 II 97,
78 II 460, 88 II 33, 89 I 303 Erw. 7). Für die Firmenmarken gelten daher
namentlich auch die Regeln über die Priorität, wobei immerhin, wie in BGE
88 II 33 anerkannt wurde, die Vermutung aus Art. 5 MSchG mit der blossen
Eintragung in das Handelsregister verbunden ist. Auch der Inhaber einer
Firmenmarke muss sich somit gegebenenfalls entgegenhalten lassen, dass ein
anderer eine gleich lautende oder ähnliche Marke schon vor ihm gebraucht
habe und daher besser berechtigt sei. In dieser Rechtslage befindet sich
umso mehr auch derjenige, dessen Firma - wie jene der Beklagten - nicht
im schweizerischen Handelsregister eingetragen ist und dem daher Art. 2
MSchG nicht zugute kommt. Es wäre unerträglich, die Regeln über die
Priorität ihm gegenüber nur deshalb nicht anzuwenden, weil seine Marke
ganz oder teilweise mit seiner Firma übereinstimmt. Die Unhaltbarkeit
der Auffassung der Beklagten springt umso mehr in die Augen, als auch
die Klägerin einen Bestandteil ihrer Firma in ihre Marken aufgenommen
hat. Auch sie könnte sich somit auf diese Auffassung berufen. Die Marken
der Parteien ständen also unbekümmert um die Priorität als gleichberechtigt
nebeneinander. Das vertrüge sich nicht damit, dass das Markenschutzgesetz
das Publikum vor Irreführung schützen will (Art. 6 Abs. 1, Art. 24 lit. a,
Art. 27 Ziff. 1 MSchG.)

Erwägung 4

    4.- Aus Art. 5 MSchG, wonach bis zum Beweis des Gegenteils angenommen
wird, der erste Hinterleger einer Marke sei auch der wahre Berechtigte,
folgt, dass die Hinterlegung und die Eintragung nicht konstitutiv
wirken. Das Recht an der Marke wird schon durch den der Hinterlegung
vorausgehenden befugten markenmässigen Gebrauch des Zeichens erworben; die
Hinterlegung und die Eintragung sind nur Voraussetzung des gerichtlichen
Schutzes der Marke (Art. 4 MSchG) und schaffen ausserdem die bereits
erwähnte Vermutung zugunsten des ersten Hinterlegers (BGE 26 II 649,
28 II 557, 30 II 295, 43 II 248 Erw. 2, 47 II 362 Erw. 2, 56 II 412,
57 II 610, 59 II 214, 63 II 124, 65 II 205, 70 II 249, 72 II 425).

    Wenn der Inhaber einer Marke sie während drei aufeinanderfolgenden
Jahren nicht gebraucht und die Unterlassung nicht hinreichend zu
rechtfertigen vermag, hat das Gericht auf Klage einer interessierten Partei
die Löschung der Marke anzuordnen (Art. 9 Abs. 1 MSchG). Diese Bestimmung
ist nicht wörtlich auszulegen. Sie hat nicht den Sinn, das Recht an der
Marke bestehe trotz des Nichtgebrauchs bis zur richterlichen Anordnung
der Löschung fort. Nach dreijährigem Nichtgebrauch geht das Markenrecht
von selbst unter, wenn der Inhaber ihn nicht zu rechtfertigen vermag. Der
Untergang kann deshalb auch durch blosse Einrede geltend gemacht werden
(BGE 62 II 62 f.).

    Auf nicht eingetragene Marken ist Art. 9 Abs. 1 MSchG in dem
Sinne analog anzuwenden, dass ein dreijähriger Nichtgebrauch, den der
Markeninhaber nicht zu rechtfertigen vermag, den Untergang seines Rechtes
zur Folge hat. Der Betroffene befindet sich von da an in der gleichen
Lage, wie wenn er das Zeichen noch nie verwendet hätte; durch erneuten
Gebrauch oder durch Eintragung kann er das Recht an der Marke nur für
die Zukunft wieder erwerben und nur dann, wenn ihm nicht inzwischen ein
anderer zuvorgekommen ist.