Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 93 II 436



93 II 436

56. Urteil der I. Zivilabteilung vom 8. Dezember 1967 i.S. Sunfona AG
gegen Jo. Wolter & Co. Regeste

    Berufung. Begriff der Zivilrechtsstreitigkeit (Art. 44
ff. OG). Entscheide über die Bewilligung des Rechtsvorschlages in der
Wechselbetreibung sind nicht solche in Zivilsachen. Sie unterliegen daher
der Berufung nicht.

Sachverhalt

    A.- Die Firma Jo. Wolter & Co. stellte am 7. März 1967 an die eigene
Order einen auf die Sunfona AG gezogenen Wechsel über DM 100 000.-- aus,
der von der Bezogenen angenommen wurde. Da der Wechsel nach Verfall nicht
bezahlt wurde, leitete die Firma Jo. Wolter & Co. mit Zahlungsbefehl
vom 3. Juli 1967 gegen die Sunfona AG die Wechselbetreibung für eine
Forderung von Fr. 32 931.60 nebst Zinsen und Kosten ein. Die Sunfona AG
erhob Rechtsvorschlag.

    B.- Der Einzelrichter im summarischen Verfahren des Bezirkes Zürich
verweigerte am 20. Juli 1967 die Bewilligung des Rechtsvorschlages. Der
von der Klägerin gegen die einzelrichterliche Verfügung eingereichte Rekurs
wurde vom Obergericht des Kantons Zürich am 21. September 1967 abgewiesen.

    Die Klägerin führte gegen den Entscheid des Obergerichts kantonale
Nichtigkeitsbeschwerde, die vom Kassationsgericht des Kantons Zürich am 10.
November 1967 abgewiesen wurde.

    C.- Die Klägerin hat gegen das Urteil des Obergerichts die Berufung
an das Bundesgericht erklärt mit dem Antrag, das vorinstanzliche Urteil
aufzuheben und den Rechtsvorschlag zu bewilligen.

    Die Beklagte beantragt, auf die Berufung nicht einzutreten,
eventuell das angefochtene Urteil zu bestätigen und den Rechtsvorschlag
zu verweigern.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Berufung an das Bundesgericht ist von hier nicht
zutreffenden Ausnahmen (Art. 44 lit. a-c, 45 lit. b OG) abgesehen, nur in
Zivilrechtsstreitigkeiten zulässig (Art. 44 eingangs und 46 OG). Darunter
ist ein Zweiparteienverfahren zu verstehen, das auf die endgültige,
dauernde Regelung zivilrechtlicher Verhältnisse durch behördlichen
Entscheid abzielt (vgl. BGE 91 II 54 und 396 sowie dort erwähnte
frühere Entscheide). In den vom Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz
vorgesehenen Prozessen ist dies dahin zu verstehen, dass auch die bloss
für das betreffende Vollstreckungsverfahren geltenden Entscheidungen in
Betracht fallen. Gegenstand der Entscheidung muss jedoch der Bestand
zivilrechtlicher Ansprüche oder eine Beschränkung ihrer Geltendmachung
oder endlich ein Eingriff in solche Ansprüche sein (was abgesehen von den
Kollokationsklagen auch bei den im ordentlichen Verfahren zu erledigenden
Widerspruchs-, Aussonderungs- und Admassierungs- sowie Anfechtungsprozessen
zutrifft, Art. 106 ff., 240, 242, 285 ff. SchKG) (BGE 81 II 83 Erw. 1).

Erwägung 2

    2.- Entscheide im Rechtsöffnungsverfahren sind nicht solche
in Zivilsachen, sondern reine Vollstreckungserkenntnisse, und zwar
auch dann, wenn vorfrageweise materielles Recht zu prüfen ist. Der
Rechtsöffnungsrichter befindet auch im letztern Fall nicht über den
Bestand der in Betreibung gesetzten Forderung, sondern nur über deren
Vollstreckbarkeit. Die Berufung ist daher gegen Rechtsöffnungsentscheide
nach ständiger Rechtsprechung (vgl. BGE 72 II 54 und dort erwähnte
Entscheide, 76 I 48) und fast einhelligem Schrifttum (vgl.
FAVRE, Droit des poursuites, 2. Aufl., 1967, S. 145, Ziff. 4 und
FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs I, 2. Aufl., 1967, S. 136,
BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, S. 125, a. M. GULDENER, Schweizerisches
Zivilprozessrecht, S. 36, N. 43, der allerdings die öffentlichrechtliche
Natur der betreibungsrechtlichen Klagen anerkennt) nicht zulässig.

    Es besteht kein Grund, Entscheide über die Bewilligung des
Rechtsvorschlages in der Wechselbetreibung anders zu behandeln als
Rechtsöffnungsentscheide. Auch sie sind bloss vollstreckungsrechtlicher
Art, betreffen als solche nicht die im Streite liegenden Ansprüche,
sondern bloss den Gang des Verfahrens. Demzufolge räumt Art. 187 SchKG
dem Schuldner, der infolge Unterlassung oder Nichtbewilligung eines
Rechtsvorschlages eine Nichtschuld bezahlt hat, das Recht ein, auf dem
ordentlichen Prozessweg den bezahlten Betrag zurückzufordern. In diesem
Sinne hat die Rechtsprechung bereits unter der Herrschaft des alten
Organisationsgesetzes entschieden (vgl. BGE 19/161 und 162).

    Da der angefochtene Entscheid nicht eine Zivilsache betrifft, ist
auf die Berufung nicht einzutreten und braucht nicht geprüft zu werden,
ob die Voraussetzungen eines Endentscheides nach Art. 48 OG vorliegen,
wie die Klägerin geltend macht.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Auf die Berufung wird nicht eingetreten.