Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 93 II 373



93 II 373

49. Urteil der 1. Zivilabteilung vom 13. Dezember 1967 i.S. Hedinger gegen
Naamloze vennootschap N.V. Fijnhouthandel Wm. Mallinson & Zonen. Regeste

    Anwendbares Recht für Ansprüche aus Eigentum und aus ungerechtfertigter
Bereicherung (Erw. 1).

    Art. 64 OR. Umstände, unter denen der Bereicherte mit der
Rückerstattung rechnen musste (Erw. 2).

Sachverhalt

    A.- Georg Hedinger kaufte am 18. Februar 1966 von der Sägewerk
und Holzhandel AG, in Koblenz (Sägewerk AG), 185 m3 Samba-Rundholz, FOB
Rotterdam, zum Preis von DM 29 045.--. Am 26. Februar 1966 gewährte er der
Sägewerk AG ein Darlehen von Fr. 45 000.-- durch Übergabe von Wechseln
in diesem Betrage. Dabei wurde u.a. vereinbart, dass die Sägewerk
AG berechtigt sei, "anstelle einer Bargeldrückgabe Exotenrundholz,
inkl. des bestellten Samba-Rundholzes bis zur vollen Darlehenshöhe
zu liefern". Die Sägewerk AG bestellte das von Hedinger gekaufte Holz
bei der Firma N.V. Fijnhouthandel Wm. Mallinson & Zonen, in Rotterdam
(Firma Mallinson). Diese liess beim Versand des Holzes durch die Firma
C. Steinweg, Rotterdam/Duisburg, ein Konnossement ausstellen. Den Transport
übernahm die Reederei Friedrich Schmitz Nachfolger, Rotterdam.

    Am 25. März 1966 teilte die Firma Mallinson der Sägewerk AG mit, dass
die bestellten 28 Stämme Samba-Rundholz auf das Rheinschiff "Lorette"
nach Basel verladen worden seien, und fügte die Doppel der Rechnung,
des Konnossementes und der Massliste bei. Gleichzeitig bemerkte sie:
"Die Orig. Dokumente lassen wir Ihnen noch heute durch unsere Bank
zugehen". Kurz darauf nahm auch der Oberrheinische Schiffskontor Wilhelm
Kleyling, Weil am Rhein, der für den Oberrhein die Firma Schmitz vertritt,
Verbindung mit der Sägewerk AG auf und liess sich den Auftrag geben, das
Holz in Basel vom Schiff auf die Bahn umzuladen, womit er die Firma Satram
SA, in Basel, betraute. Am 29. März 1966 schrieb die Firma Kleyling der
Sägewerk AG, das Schiff werde Mitte kommender Woche in Basel eintreffen;
sie werde das Holz an die "Firma Georg Hedinger Sägewerk Wilchingen,
Station Koblenz" weiterleiten; für die Verzollung benötige sie noch
"Ursprungszeugnis, Warenrechnung sowie Wusterklärung", ausserdem ersuche
sie um Einreichung des Original-Konnossementes.

    Am 1. April 1966 eröffnete das Bezirksgericht Zurzach über das
Vermögen der Sägewerk AG den Konkurs. Die Firma Kleyling teilte der
Sägewerk AG am 4. April 1966 schriftlich mit, dass das Holz am 6. April
1966 in Basel eintreffen werde, und machte sie nochmals daraufaufmerksam,
dass sie das Ursprungszeugnis, die Warenrechnung sowie die Wusterklärung
benötige. Die Sägewerk AG übersandte am 5. April 1966 eine Rechnungskopie
und bemerkte zudem, die Grossistenerklärung werde durch Hedinger zugestellt
werden. Am 6. April 1966 soll die Sägewerk AG auf telefonische Anfrage der
Firma Kleyling erklärt haben, die "Unterlagen" seien unterwegs. Ohne ihr
Eintreffen abzuwarten, will dann die Firma Kleyling Auftrag zum Umschlag
des Holzes erteilt haben, weil sie befürchtete, es bleibe sonst über
Ostern stehen und es müsse dafür Standgeld bezahlt werden. Sie schrieb
am 6. April 1966 an die Sägewerk AG:

    "Verladeavis!

    Wir haben heute ex MS "Lorette" in Basel gelöscht und wie folgt an
Sie weitergeleitet:

    Waggon ... (28 Stämme Samba-Rundholz) ...

    Auf Grund Ihrer telefonischen Zusage, dass Ursprungszeugnis und
Wust-Erklärung noch heute an uns abgesandt werden, haben wir die Waggons
weitergeleitet."

    Auf den von der Firma Satram SA ausgestellten Frachtbriefen vom
6. April 1966 wird als Absenderin die im Auftrage der Sägewerk AG
handelnde Firma Kleyling und als Empfänger G. Hedinger angegeben. In
der Folge teilte die Bahnstation Koblenz dem Hedinger mit, dass Holz
für ihn eingetroffen sei. Am 7. April 1966 begann er es auszuladen,
wurde aber angeblich nicht fertig, weil eine Maschine defekt war; den
Rest der Lieferung soll er erst am 14. April 1966 ausgeladen haben.
Nachdem am 7. April 1966 das Konnossement bei der Firma Kleyling nicht
eingetroffen war, erkundigte man sich angeblich nach dessen Verbleib bei
der Luzerner Kantonalbank in Willisau und erhielt den Bescheid, es sei
noch nicht eingelöst worden. Die daraufhin unternommenen Schritte, die
Auslieferung des Holzes an Hedinger zu verhindern, sollen zu spät erfolgt
sein. Am 16. April 1966 erstattete die Firma Mallinson beim Bezirksamt
Zurzach gegen Hedinger Strafanzeige wegen Betruges. Mit Verfügung vom
gleichen Tage beschlagnahmte das Bezirksamt das Holz.

    B.- Am 3. Juni 1966 klagte die Firma Mallinson beim Handelsgericht
des Kantons Aargau gegen Hedinger auf Herausgabe des Holzes, eventuell
des daraus erzielten Erlöses. Der Beklagte beantragte die Abweisung der
Klage und erhob Widerklage auf Zahlung von Fr. 15 613.30 nebst Zins.

    Das Handelsgericht hiess am 5. Juli 1967 die Klage teilweise gut und
verpflichtete den Beklagten, der Klägerin Fr. 26 211.80 nebst 5% Zins
seit 7. April 1966 zu zahlen. Die Widerklage wird im Urteilsspruch nicht
erwähnt. Aus den Erwägungen ergibt sich aber, dass die grundsätzliche
Gutheissung der Klage zur Abweisung der Widerklage führe.

    C.- Der Beklagte hat die Berufung an das Bundesgericht erklärt. Er
beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klägerin zu
verpflichten, ihm in Gutheissung der Widerklage Fr. 15 613.30 nebst 5%
Zins seit 26. Juni 1966 zu zahlen.

    Die Klägerin beantragt, die Berufung abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Beklagte stellt sich auf den Standpunkt, er habe am streitigen
Holz Eigentum erworben und habe daher darüber verfügen dürfen. Er wirft
dem Handelsgericht vor, es habe Art. 933 und 714 Abs. 2 ZGB unrichtig
ausgelegt.

    a) Dem Handelsgericht ist darin beizupflichten, dass für Ansprüche
aus Eigentum das Recht des Landes massgebend ist, wo die Sache liegt
(BGE 74 II 228 Erw. 4, 75 II 129 Erw. 6). Es ist daher schweizerisches
Recht anzuwenden.

    b) Die Übertragung des Eigentums setzt einen gültigen Rechtsgrund
(vgl. BGE 84 III 154 und dort erwähnte Entscheide) und die Übertragung
des Besitzes voraus (Art. 714 Abs. 1 ZGB).

    Mit der Klägerin stand der Beklagte in keinem Rechtsverhältnis. Als
Rechtsgrund käme nur der Kaufvertrag in Frage, den er am 18. Februar
1966 mit der Sägewerk AG abgeschlossen hatte. Da jedoch am 1. April
1966 über das Vermögen der Sägewerk AG der Konkurs eröffnet wurde,
verwandelte sich der Anspruch des Beklagten auf Übertragung des Holzes zu
Eigentum von Gesetzes wegen in eine Geldforderung von entsprechendem Wert
(Art. 211 Abs. 1 SchKG). Der Beklagte durfte diese Forderung zwar im
Konkurs anmelden, konnte aber nicht Inehr verlangen, dass ihm das Holz
zu Eigentum übertragen werde. Daran ändert der Umstand nichts, dass die
Sägewerk AG der Firma Kleyling vor der Konkurseröffnung Weisung erteilt
hatte, das Holz an den Beklagten nach Koblenz zu senden. Damit war der
Kaufvertrag zwischen der Sägewerk AG und dem Beklagten noch nicht erfüllt,
denn im Zeitpunkt der Konkurseröffnung war das Holz noch nicht einmal in
Basel eingetroffen und das Konnossement der Sägewerk AG auch noch nicht
übertragen worden (und wurde ihr überhaupt nie übertragen).

    Es fehlt auch an einer Besitzübertragung von der Sägewerk AG auf den
Beklagten. Die Sägewerk AG war bei der Konkurseröffnung weder Besitzerin
des Holzes noch des Originalkonnossementes. Das Holz befand sich noch im
selbständigen Besitz der Klägerin und im unselbständigen Besitz ihres
Frachtführers (vgl. Art. 920 Abs. 2 ZGB). Auch am Konnossement hatte
noch die Klägerin Besitz, denn es befand sich noch bei ihr oder ihrer
Bank. Eine Besitzanweisung nach Art. 924 Abs. 1 ZGB seitens der Sägewerk
AG an Kleyling zugunsten der Beklagten war nicht möglich, solange die
Sägewerk AG nicht selber Besitz erlangt hatte, sei es durch Übergabe des
Holzes an sie, sei es durch Einlösung des Konnossementes bei der Klägerin
oder deren Bank. Solche Rechtshandlungen konnte indessen die Sägewerk AG
seit der Konkurseröffnung vom 1. April 1966 ohnehin nicht vornehmen. Das
Verfügungsrecht ging mit der Konkurseröffnung auf die Konkursmasse über
(Art. 204 Abs. 1 SchKG). Aber auch die Konkursmasse hätte es nur erlangt,
wenn sie das Konnossement eingelöst hätte. Dass sie das je getan habe,
wird von keiner Seite behauptet.

    Die Versendung des Holzes von Kleyling an den Beklagten nach Koblenz
erfolgte versehentlich, aus Irrtum. Das wird vom Handelsgericht sinngemäss
dadurch festgestellt, dass es ausführt, es habe sich dem Beklagten beim
Eintreffen des Holzes die Vermutung aufdrängen müssen, in Basel sei irgend
ein Versehen oder Irrtum unterlaufen, und wenn er sich korrekterweise
bei Kleyling erkundigt hätte, ob er das Holz annehmen dürfe, hätte er
die Auskunft erhalten, er dürfe es vor Einlösung des Konnossementes
nicht übernehmen und es daher auch nicht abladen. Die Feststellung des
Versehens oder Irrtums betrifft tatsächliche Verhältnisse und bindet
daher das Bundesgericht (vgl. BGE 87 II 137 Erw. 2 und 3, 90 II 345
Erw. 1 und 498). Sie wird übrigens nicht angefochten.

    Ist davon auszugehen, dass das Holz dem Beklagten ohne gültigen
Rechtsgrund zugeführt und von ihm ohne gültigen Rechtsgrund abgeladen
wurde, so fragt es sich, welchem Recht die daraus entstehenden Folgen
zu unterstellen sind. Da zwischen den Parteien keine Rechtsbeziehung
besteht, ist für die ungerechtfertigte Bereicherung des Beklagten
die Rechtsordnung massgebend, aus welcher sich der Erwerb herleitet
(vgl. BGE 78 II 389 Erw. 1a; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Obligationenrecht,
Einleitung, Internationales Privatrecht, N. 344 ff.). Dieser stützt sich,
wie erwähnt, auf schweizerisches Recht. Es gelangen daher die Art. 62
ff. OR zur Anwendung.

    Entgegen der Auffassung des Handelsgerichts spielt Art. 925 Abs. 2
ZGB für die Frage des Eigentumserwerbs durch den Beklagten keine
Rolle. Diese Bestimmung entscheidet nur den Streit, der entsteht, wenn
ein Empfänger des Warenpapiers dem Empfänger der Ware gegenübersteht. Sie
enthebt den Empfänger der Ware nicht der Pflicht, die Voraussetzungen
seines Eigentumserwerbs nachzuweisen. Die Klägerin leitet jedoch ihren
Eigentumserwerb nicht aus dem Empfang eines Warenpapiers ab. Sie war
Eigentümerin des Holzes bevor sie es der Firma Steinweg zum Versand
übergab, und sie blieb Eigentümerin ungeachtet der Ausstellung des
Konnossementes.

Erwägung 2

    2.- Das Handelsgericht hat der Klägerin Schadenersatz zugesprochen,
weil der Beklagte durch Veräusserung des ihm nicht gehörenden Holzes
eine unerlaubte Handlung im Sinne von Art. 41 Abs. 1 OR begangen habe. Ob
eine solche vorliegt, mag indessen offenbleiben, da der Betrag, den das
Handelsgericht der Klägerin zugesprochen hat, vor den Bestimmungen über
die ungerechtfertigte Bereicherung standhält.

    Der Beklagte war bei der Ankunft des Holzes in Koblenz um dessen Wert
bereichert. Dieser Wert war niedriger als der Betrag, für den die Klägerin
der Sägewerk AG Rechnung gestellt hatte, Das Handelsgericht ermittelte
ihn mit Hilfe eines Sachverständigen und mit Hilfe des Fachwissens
einzelner Handelsrichter. Es zählte dem Rechnungsbetrag die Frachtkosten
Rotterdam-Basel und Basel-Koblenz zu und setzte die Summe um 20% herab,
womit es auf einen Wert des in Koblenz liegenden Holzes von Fr. 27 105.64
kam. Es sprach aber der Klägerin nur Fr. 26 211.80 zu, weil die Fracht
Basel-Koblenz vom Beklagten bezahlt worden ist; es zog 80% dieser Fracht,
d.h. Fr. 893.84 von den Fr. 27 105.64 ab.

    Nach dem Ausladen in Koblenz soll das Holz an Wert verloren haben. Der
Beklagte will daher bei der Veräusserung Fr. 14 500.-- weniger gelöst
haben als den Wert zur Zeit des Ausladens. Er kann indessen nicht geltend
machen, er sei nicht mehr um Fr. 26 211.80 bereichert, denn er musste von
Anfang an mit der Rückerstattung des Holzes rechnen (Art. 64 OR). Nach
den verbindlichen Feststellungen des Handelsgerichts erfuhr der Beklagte
durch Siegrist, Geschäftsführer der Sägewerk AG, diese Firma stehe vor dem
Konkurs und könne das Konnossement nicht einlösen oder es liege auf einer
Luzerner Bank. Einige Tage später erfuhr der Beklagte durch Mora, einen
Büroangestellten der Sägewerk AG, der Konkurs sei eröffnet worden. Ferner
stellt das Handelsgericht fest, der Beklagte habe zweifellos gewusst,
dass ein Konnossement ausgestellt worden sei, um Bezahlung des Holzes vor
der Auslieferung zu erhalten. So habe er der für ihn bestimmten Kopie
des Konnossementes entnehmen können, dass die Auslieferung des Holzes
nur gegen Rückgabe des ordnungsgemäss girierten Original-Konnossementes
erfolgen dürfe. Er habe sich denn auch veranlasst gesehen, sich zu
erkundigen, ob das Konnossement nach Basel gesandt worden sei. Demnach
habe er damit gerechnet, dass er das Holz nicht erhalten werde, wenn das
Konnossement nicht eingelöst worden sei. Unter diesen Umständen hätte sich
für den Beklagten die Vermutung aufdrängen müssen, dass ihm das Holz nur
infolge eines Irrtums zugeleitet worden sei.

    Da der Beklagte von der Konkurseröffnung und der Nichteinlösung des
Konnossementes Kenntnis hatte, musste er sich dessen bewusst sein, dass die
Sägewerk AG am Holz weder Eigentum noch Besitz erlangt haben konnte. Auch
musste er als Geschäftsmann wissen, dass er von der Konkurseröffnung an
gegenüber der Sägewerk AG keinen Anspruch auf Übertragung des Holzes mehr
hatte, sondern nur noch eine entsprechende Geldforderung besass. Bereits
im Zeitpunkt des Ausladens, d.h. am 7. und 14. April 1966, musste er
sich auf die Rückerstattung des Holzes gefasst machen. Am 16. April
1966 erstattete die Klägerin beim Bezirksamt Zurzach gegen den Beklagten
Strafanzeige wegen Betruges und liess durch diese Untersuchungsbehörde
das Holz beschlagnahmen. Der Beklagte wurde am 19. April 1966 verhaftet
und am 20. April 1966 vom Bezirksamt zur Sache einvernommen. Das waren
weitere Gründe, aus denen er mit der Rückerstattungspflicht rechnen
musste. Schliesslich erhielt sein Anwalt vom Rechtsvertreter der Klägerin
am 16. Mai 1966 davon Kenntnis, dass diese eine Klage auf Herausgabe des
Holzes einreichen werde.

    Da die Forderung der Klägerin unter dem Gesichtspunkt der
ungerechtfertigten Bereicherung zu schützen ist, stellt sich die vom
Beklagten in der Berufung aufgeworfene Frage nicht, ob die Firma Kleyling
der Klägerin für den erlittenen "Schaden" verantwortlich sei und welchen
Einfluss dies auf die Forderung der Klägerin gegenüber dem Beklagten hätte.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichts des
Kantons Aargau vom 5. Juli 1967 bestätigt.