Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 93 II 329



93 II 329

45. Urteil der I. Zivilabteilung vom 26. September 1967 i.S. Evers &
Co. gegen Bank für Handel und Effekten (AG). Regeste

    Akkreditiv. Solidarität.

    Die Rechtskraft des Urteils gegen den einen Solidarschuldner erstreckt
sich nicht auf das Verhältnis des Gläubigers zum andern Solidarschuldner
(Erw. 3).

    Pflicht des Ausstellers eines unwiderruflichen, nicht übertragbaren
Akkreditivs, einen mit dem Begünstigten intern vereinbarten
Deckungsvorbehalt offen in das Eröffnungsschreiben aufzunehmen, um dessen
missbräuchliche Verwendung durch den Begünstigten bei Dritten zu verhüten
(Erw. 4 bis 7).

    - Adäquater Kausalzusammenhang (Erw. 4).

    - Widerrechtlichkeit (Erw. 5).

    - Verschulden (Erw. 6).

    - Mitverschulden des Geschädigten (Erw. 7).

Sachverhalt

    A.- Die in Hamburg ansässige Maschinenfabrik Evers & Co.,
Kommanditgesellschaft, trat im Juli 1965 mit einem Indonesier, der
sich als Dr. Antoine Lam ausgab, in Verhandlungen über die Lieferung von
Dieselgenerator- und Schweissanlagen im Gesamtwert von US $ 210 725 und von
weiteren Generatoranlagen für US $ 51 000 an eine Firma in Singapore. Die
Firma Evers erklärte sich bereit, die gewünschten Lieferungen gegen
Sicherstellung durch Akkreditive auszuführen. Schriftliche Kaufverträge
wurden nicht abgefasst. Da Lam angab, die Käuferin wünsche Abwicklung
des Geschäftes über eine Zürcher Bank, traf der unbeschränkt haftende
Gesellschafter Evers am 5. Juli 1965 in Zürich mit Lam zusammen und
vereinbarte mit ihm, Lam werde durch eine Evers genehme Zürcher Bank
für den Kaufpreis der bestellten Anlagen Dokumenten-Akkreditive eröffnen
lassen; in diesem sei formell Lam als Begünstigter zu bezeichnen, jedoch
werde er sämtliche Rechte aus den Akkreditiven von vornherein an die Firma
Evers abtreten. Gegen Übergabe rechtsgültig unterzeichneter Kopien der
Akkreditiv-Eröffnungsschreiben sollte Lam durch eine von der Firma Evers
zu bezeichnende Bank Provisionen in bestimmter Höhe ausbezahlt erhalten.

    Am 6. Juli 1965 beauftragte die Firma Evers die Bank Leu & Co. AG. in
Zürich, Lam unter den erwähnten Bedingungen für die grössere Bestellung
eine Provision von US $ 24 132.50 auszuzahlen.

    In gleicher Weise beauftragte die Firma Evers Mitte Juli 1965 die
Commerzbank in Hamburg, Lam für die kleinere Bestellung eine Provision
von US $ 10 670 zu überweisen.

    Am 14. Juli 1965 zahlte die Bank Leu an Lam US $ 24 132.50 und am
19. Juli 1965 - nach Rücksprache mit der Commerzbank in Hamburg - weitere
US $ 10 670 aus, nachdem Lam ihr je ein Akkreditiv-Eröffnungsschreiben
der von der Firma Evers als mögliche Akkreditiv-Bank bezeichneten Bank
für Handel und Effekten (AG) in Zürich vom 14. Juli 1965 über US $ 210
725 und vom 19. Juli 1965 über US $ 51 000 übergeben hatte.

    Diese Eröffnungsanzeigen waren mit "Irrevocable Documentary Credit
(non transferable and non assignable)" überschrieben. Als Auftraggeberin
wurde in ihnen die Société financière textile (SOFITEX) SA, Zürich, und als
Begünstigter Lam bezeichnet; sie enthielten ferner die von der Firma Evers
verlangten Akkreditiv-Bedingungen hinsichtlich der vorzulegenden Dokumente.
Die vorgedruckte Einleitung zur Aufzählung dieser Bedingungen, lautend:
"benutzbar bei Sicht gegen" war jedoch durchgestrichen und durch folgenden
maschinengeschriebenen Text ersetzt:

    "available at sight exclusively by yourselves at our counters in
Zurich, according to the agreement dated 13th (resp. 19th) July, 1965,
existing between you and our bank, against presentation of the following
documents:"

    Welchen Inhalt die erwähnten Vereinbarungen zwischen der Bank und
Lam hatten, wurde nicht angegeben.

    Nachträglich fiel der Firma Evers der in den Eröffnungsanzeigen
enthaltene Hinweis auf die Vereinbarungen vom 13. bzw. 19. Juli 1965
auf. Ihr Teilhaber Evers erkundigte sich daher am 27. Juli 1965 bei der
Bank für Handel und Effekten (AG) nach deren Bedeutung. Er erhielt die
Auskunft, es handle sich um Deckungsvorbehalte in dem Sinn, dass die
Kredite nur in Anspruch genommen werden könnten, wenn der Endkäufer die
Akkreditivsumme innert zwei Wochen nach Eröffnungsdatum bei der Bank für
Handel und Effekten (AG) hinterlege; mangels einer solchen Deckung seien
die Akkreditive unwirksam; Lam habe sich verpflichtet, von den Akkreditiven
keinen Gebrauch zu machen, falls die Deckung innert der genannten Frist
nicht geleistet werde.

    Diese Deckung wurde nicht hinterlegt, weshalb die Akkreditive keine
Wirkung erlangten. Es stellte sich heraus, dass die Firma Evers einem
Betrüger zum Opfer gefallen war, der unter falschem Namen auftrat. Die
polizeiliche Fahndung nach ihm verlief ergebnislos.

    B.- Mit Klage beim Handelsgericht des Kantons Zürich forderte die
Firma Evers & Co. von der Bank Leu & Co. AG. und von der Bank für Handel
und Effekten (AG) solidarisch den Ersatz der dem Betrüger Lam ausbezahlten
Provisionen von

    - US $ 24 132.50 gleich Fr. 104 493.70 nebst 5% Zins seit 15. Juli
1965, sowie

    - US $ 10 670 gleich Fr. 46 201.10 nebst 5% Zins seit 19. Juli 1965.

    Die Klägerin stützte ihre Ansprüche gegen die Bank Leu & Co. AG. auf
Auftragsrecht, diejenigen gegen die Bank für Handel und Effekten (AG)
auf die Bestimmungen über die Haftung aus unerlaubter Handlung.

    Die Beklagten bestritten ihre Haftbarkeit und beantragten, die Klage
abzuweisen.

    Die Bank für Handel und Effekten (AG) verkündete der Société financière
textile SA (SOFITEX) den Streit. Diese hat sich am Verfahren jedoch
nicht beteiligt.

    C.- Das Handelsgericht des Kantons Zürich wies mit Urteil vom
30. November 1966 die gegen die Bank für Handel und Effekten (AG) als
Ausstellerin der Akkreditive gerichtete Klage ab. Die Ersatzpflicht der
Bank Leu & Co. AG. bejahte es dagegen, verpflichtete sie jedoch wegen
erheblichen Selbstverschuldens der Klägerin nur zum Ersatz eines Drittels
des Gesamtschadens, d.h. zur Bezahlung von Fr. 50 231.70, nebst 5% Zins
seit 15. Juli 1965.

    D.- Dieses Urteil ist gegenüber der Bank Leu & Co. AG.  in Rechtskraft
erwachsen. Die Bank Leu bezahlte Ende März 1967 den Betrag von Fr. 50
231.70 nebst Zins an den Anwalt der Klägerin.

    E.- In Bezug auf die Bank für Handel und Effekten (AG) hat die
Klägerin gegen das Urteil des Handelsgerichts die Berufung erklärt.
Sie beantragt dem Bundesgericht, die Berufungsbeklagte zur Bezahlung von
Fr. 100 463.10 (d.h. des durch die Zahlung der Bank Leu nicht gedeckten
Teils des Gesamtschadens der Klägerin) nebst 5% Zins seit 15. Juli 1965
zu verpflichten.

    Die Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung abzuweisen.

    F.- Auf eine kantonale Nichtigkeitsbeschwerde der Klägerin gegen das
Urteil des Handelsgerichts gegenüber der Bank für Handel und Effekten
(AG) ist das Kassationsgericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 9. Mai
1967 nicht eingetreten.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Das Handelsgericht hat die Klage gegen die Bank für Handel und
Effekten (AG) mit der Begründung abgewiesen, das Verhalten der Beklagten
sei für den eingetretenen Schaden wohl kausal gewesen, doch fehle es an
der Adäquanz des Kausalzusammenhanges, an der Widerrechtlichkeit und am
Verschulden. Die Berufungsklägerin macht geltend, die Verneinung dieser
drei Voraussetzungen verstosse gegen Bundesrecht.

Erwägung 2

    2.- Die Klägerin setzt sich in der Berufungsschrift mit dem Urteil
der Vorinstanz, soweit dieses die Klage gegen die Bank Leu betrifft,
nicht auseinander, insbesondere auch nicht mit der Auffassung
des Handelsgerichts, sie habe ihren Schaden zu zwei Dritteln
selbst verschuldet. Die Berufungsbeklagte macht deshalb geltend,
die Berufungsklägerin habe sich damit abgefunden, dass sie wegen
Selbstverschuldens nur Anspruch auf einen Drittel des ursprünglich
eingeklagten gesamten Schadens habe. Mit der Bezahlung des ihr vom
Handelsgericht zugesprochenen Betrages durch die Bank Leu habe sie
somit erhalten, was ihr zustehe; sie besitze daher auch gegen die
Berufungsbeklagte keine weiteren Ansprüche mehr.

Erwägung 3

    3.- a) Bei echter Solidarität (Haftung aus gemeinsamem Rechtsgrund,
Art. 143 und Art. 50 Abs. 1 OR), wie auch bei unechter Solidarität oder
Anspruchskonkurrenz (Haftung aus verschiedenen Rechtsgründen, Art. 51
Abs. 1 OR) haftet jeder der mehreren Schuldner dem Gläubiger für seinen
ganzen Anspruch. Der Gläubiger kann daher jeden Schuldner für die volle
Forderung belangen. Wie im Innenverhältnis die Zahlungspflicht auf die
einzelnen Schuldner zu verteilen sei, berührt ihn nicht. Diese gesetzliche
Regelung will dem Gläubiger eine möglichst vollständige Befriedigung für
seine Ansprüche sichern. Solidarität in jeder Form bedeutet daher Stärkung
der Stellung des Gläubigers. Dieser kann beim gerichtlichen Austrag seines
Anspruches den Prozessgegner auswählen. Er kann sich darauf beschränken,
nur gegen einen der mehreren Schuldner vorzugehen; er kann diese auch
nacheinander belangen oder - wenn das kantonale Prozessrecht dies zulässt -
alle Schuldner als Streitgenossen im selben Prozess einklagen. Welchen Weg
er auch einschlägt, erlischt sein Anspruch erst, wenn er voll befriedigt
worden ist (BGE 89 II 122 Erw. 5).

    b) Es ist ein Grundsatz des Prozessrechts, dass die Rechtskraft eines
Urteils auf die Parteien des betreffenden Verfahrens beschränkt bleibt. Das
gilt nach Rechtsprechung und herrschender Lehre auch bei echter Solidarität
(BGE 57 II 522; BECKER OR 2. Aufl., Art. 144 N. 4; VON TUHR/SIEGWART OR
II S. 757 Ziff. 8; KUMMER, Das Klagerecht und die materielle Rechtskraft
im schweizerischen Recht, S. 173 ff.). Der Gläubiger, der im Prozess
gegen einen Solidarschuldner obgesiegt hat, kann sich daher dem andern
Solidarschuldner gegenüber auf dieses Urteil nicht berufen. Er muss gegen
ihn einen neuen Prozess durchführen, in dem der Beklagte nicht nur die
ihm persönlich zustehenden Einreden erheben kann, sondern auch die allen
Schuldnern gemeinsamen Einreden und Einwendungen, die den einheitlichen
Entstehungsgrund oder den Inhalt der Schuldpflicht betreffen.

    Unterliegt der Gläubiger gegen den zuerst belangten Solidarschuldner,
so wirkt der von diesem erzielte Prozessieg nicht auch zugunsten der
übrigen. In dem vom Gläubiger gegen sie angehobenen neuen Prozess sind
die gemeinsamen Einreden vom Richter erneut zu prüfen, ohne dass er an
den im ersten Prozess getroffenen Entscheid gebunden wäre.

    Es kann somit im einen wie im andern Falle zu einander widersprechenden
Urteilen kommen. Das mag zunächst schwer zu verstehen sein; es reimt
sich in der Tat schlecht, dass der eine Solidarschuldner verurteilt
werden, der andere dagegen frei ausgehen soll, obwohl sich beide
gleich verteidigt haben. Man könnte deshalb versucht sein, im
Interesse einer widerspruchslosen Verwirklichung des Zivilrechts bei
Solidarschuldverhältnissen die Rechtskraft des gegen den einen Schuldner
ergangenen Urteils auf das Verhältnis des Gläubigers zu den übrigen zu
erstrecken. Dem stehen jedoch, wie KUMMER (aaO S. 173 ff.) überzeugend
darlegt, entscheidende Hindernisse entgegen, die im Wesen der Solidarität
begründet sind.

    Nach herrschender Auffassung stehen dem Gläubiger mehrere selbständige,
gegen jeden Schuldner einzeln gerichtete Forderungen zu, die ihr eigenes
rechtliches Schicksal haben können. Insbesondere ist der einzelne
Solidarschuldner dem Gläubiger nur insoweit verpflichtet, als dessen
Forderung ihm gegenüber zu Recht besteht. Daraus folgt, dass das obsiegende
Urteil gegen den einen Solidarschuldner für die andern nie massgebend sein
kann; denn sonst würden sie in unzulässiger Weise dem Ergebnis des vom
andern Schuldner vielleicht schlecht geführten Prozesses unterworfen, in
dem sie überhaupt nicht zum Worte gekommen sind. Aber auch beim Unterliegen
des Gläubigers gegen den zuerst belangten Schuldner kann nichts anderes
gelten. Da dem Gläubiger mehrere selbständige Forderungen zustehen,
kann er über jede einzelne von ihnen auch selbständig verfügen; es muss
ihm daher auch möglich sein, jede von ihnen unabhängig von der andern
beurteilen zu lassen. Vor allem aber ist zu bedenken, dass der Zweck der
Solidarität darin besteht, den Gläubiger, nicht den Schuldner zu schützen.
Das erfolglose Vorgehen gegen den einen Schuldner soll den Anspruch des
Gläubigers gegen die übrigen in keiner Weise schmälern. Gesichtspunkte,
die dem Schutz des Schuldners dienen, sind hier nicht am Platze. Es wäre
daher mit dem Wesen der Solidarität nicht zu vereinbaren, das Unterliegen
des Gläubigers gegen den einen Schuldner zum Forderungsverlust gegenüber
allen andern auszudehnen. Das Bestreben, einander widersprechende
Urteile zu vermeiden, rechtfertigt es nicht, die vom Gesetz allen
Schuldnerinteressen vorangestellte Sicherung des Gläubigers durch eine
Erstreckung der Rechtskraft des im ersten Prozess ergangenen Urteils
im wesentlichen illusorisch werden zu lassen. Das ist um so weniger
geboten, als sich das Ziel logischer Widerspruchslosigkeit ohnehin nie
ganz verwirklichen liesse. Denn eine Ausdehnung der Rechtskraft käme nur
bei einem Urteil in Betracht, das den Gläubiger unterliegen lässt. Obsiegt
er, so ist das Urteil für den Prozess gegen den andern Solidarschuldner
bedeutungslos. Die Gewähr logischer Widerspruchslosigkeit hinge somit von
dem zufälligen Umstand ab, dass der Gläubiger, der zwei Schuldner getrennt
belangt, im zuerst zur Beurteilung gelangenden Prozess mit seiner Klage
abgewiesen wird.

    Diese Überlegungen führen zum Schluss, dass es im Falle echter
Solidarität bei der Beschränkung der Rechtskraftwirkung auf die
Prozessparteien zu bleiben hat.

    c) Bei unechter Solidarität, wie sie im vorliegenden Fall in Frage
steht, ist eine Ausdehnung der Rechtskraft noch weniger geboten, weil
bei ihr der Anspruch des Gläubigers gegen die mehreren Schuldner auf
verschiedenen Rechtsgründen beruht. Schon mit Rücksicht hierauf bedeutet
daher die Gutheissung der Klage gegenüber dem einen und ihre Abweisung
gegenüber dem andern Schuldner nicht notwendigerweise einen logischen
Widerspruch, zu dessen Vermeidung eine Erstreckung der Rechtskraft des
ersten Urteils wünschbar wäre.

    d) Ob wenigstens für den Rückgriff des vom Gläubiger zuerst belangten
Solidarschuldners auf die übrigen die Rechtskraft des im Hauptprozess
ergangenen Urteils in gewissen Punkten auf das Innenverhältnis der
Solidarschuldner unter sich zu erstrecken sei, wie STREBEL (Kommentar
zum MFG, Art. 41 N. 53/54) und OFTINGER (Schweiz. Haftpflichtrecht,
2. Aufl. Bd. I S. 315 f.) befürworten, KUMMER (aaO S. 179 ff.) dagegen
ebenfalls ablehnt, kann offen bleiben. Denn im vorliegenden Fall steht
nicht ein Rückgriffsanspruch in Frage.

    e) Die Klägerin hat nun allerdings die beiden Beklagten, die sie als
Solidarschuldner in Anspruch nehmen will, nicht nacheinander in getrennten
Prozessen eingeklagt. Das ändert jedoch nichts. Da es dem Gläubiger frei
steht, gegen jeden Solidarschuldner einzeln vorzugehen oder sie im gleichen
Verfahren als Streitgenossen zu belangen, kann der zufällige Umstand,
welchen der beiden Wege er einschlägt, hinsichtlich der Tragweite der
Rechtskraft des dem einzelnen Solidarschuldner gegenüber ergangenen Urteils
nicht zu verschiedenen Ergebnissen führen. Wird das Urteil gegen den einen
von mehreren miteinander eingeklagten Solidarschuldnern rechtskräftig,
so ist es bei der Beurteilung der Klage gegen den oder die übrigen
Solidarschuldner durch die obere Instanz wie ein in einem getrennten
Verfahren ergangenes zu behandeln. So hat das Bundesgericht schon in einem
Entscheid vom 8. März 1907 (veröffentlicht im Journal des Tribunaux 1908,
Droit fédéral, S. 2 f.) erkannt, dass (im Falle echter Solidarität aus
unterlaubter Handlung) der vorbehaltlose Abstand des Gläubigers von der
Klage gegenüber einem der gleichzeitig belangten Solidarschuldner - dem im
Verhältnis zu dem betreffenden Schuldner die Wirkung eines rechtskräftigen
Urteils zukommt (vgl. LEUCH, Bern, ZPO Art. 397, N. 5/6) - seine Ansprüche
gegen die übrigen Schuldner grundsätzlich nicht beeinträchtige.

    In einem Falle von Motorfahrzeughaftpflicht sodann, wo der
Geschädigte den Halter und dessen Haftpflichtversicherer im gleichen
Verfahren eingeklagt hatte, die Klage gegen den letzteren aber von
der kantonalen Instanz wegen Verjährung abgewiesen worden war, wurde
entschieden, dass bei Verwerfung der Verjährungseinrede die dem Halter
gegenüber getroffene Festsetzung der Ansprüche des Geschädigten nicht ohne
weiteres auch dem Haftpflichtversicherer entgegengehalten werden könne,
da das Urteil gegen den Halter Rechtskraft nur zwischen den Parteien,
nicht auch gegenüber dem Haftpflichtversicherer schaffe (BGE 69 II 176
Erw. 3). Das Bundesgericht hat in diesem Falle dann allerdings dem Urteil
gegen den Halter in faktischer Hinsicht gleichwohl präjudizielle Wirkung
zugebilligt, weil dem Anspruch gegenüber der Haftpflichtversicherung zwar
nicht der gleiche Rechtsgrund, aber der gleiche Sachverhalt zugrunde lag,
der durch das Urteil gegen den Halter in allen Punkten abgeklärt worden
war. Im vorliegenden Falle stützt sich der Anspruch der Klägerin gegen
die beiden eingeklagten Banken nicht nur auf verschiedene Rechtsgründe,
sondern auch auf verschiedene Sachverhalte: Die Bank Leu wurde mit dem
rechtskräftig gewordenen Urteil zu teilweisem Schadenersatz verpflichtet,
weil sie ihre vertragliche Sorgfaltspflicht aus dem ihr von der Klägerin
erteilten Auftrag, Lam unter gewissen Bedingungen Provisionen auszuzahlen,
verletzt hatte; der Anspruch der Klägerin gegenüber der Bank für Handel
und Effekten (AG) dagegen hängt davon ab, ob diese mit ihrem Vorgehen
bei der Ausstellung der Akkreditiv-Eröffnungsschreiben eine unerlaubte
Handlung begangen habe, durch das erst das betrügerische Vorgehen Lams
gegenüber der Bank Leu möglich geworden sei.

    f) Da die Rechtskraft des Urteils des Handelsgerichts über die
Ansprüche der Klägerin gegenüber der Bank Leu auf das Verhältnis dieser
beiden Parteien beschränkt bleibt, ist der aus diesem Urteil abgeleitete
Einwand der Berufungsbeklagten, der Klägerin stehe überhaupt kein weiterer
Anspruch mehr zu, abzuweisen.

Erwägung 4

    4.- Das Handelsgericht hat festgestellt, dass das Verhalten der
Berufungsbeklagten für den Schaden der Klägerin kausal war, weil
sie die Akkreditive in den Eröffnungsschreiben als "unwiderruflich"
bezeichnete, während ihre Wirksamkeit durch den Deckungsvorbehalt
aufschiebend bedingt war, und weil sie diesen Vorbehalt nicht offen in
die Eröffnungsschreiben aufnahm, sondern sich mit einem blossen Hinweis
auf die zwischen ihr und dem Begünstigten Lam getroffenen internen
Vereinbarungen vom 13. bzw. 19. Juli 1965 begnügte; hätte sie entweder
die Akkreditive nicht als unwiderruflich bezeichnet oder wenigstens
das Bestehen eines Deckungsvorbehaltes ausdrücklich erwähnt, so wäre
es Lam nicht möglich gewesen, die Auszahlung der Provisionen durch die
Bank Leu zu erwirken. Diese Feststellungen betreffen den natürlichen
Kausalzusammenhang, sind also tatsächlicher Natur und daher für das
Bundesgericht verbindlich (BGE 91 II 190 Erw. 3, 209 Erw. 4 und dort
erwähnte Entscheide).

    Die Vorinstanz verneint jedoch die Adäquanz dieses
Kausalzusammenhanges, weil die Beklagte mit einem Missbrauch der
Eröffnungsschreiben nicht zu rechnen brauchte. Ob der festgestellte
natürliche Kausalzusammenhang auch rechtserheblich (adäquat) sei, ist
eine vom Bundesgericht frei überprüfbare Rechtsfrage (vgl. die oben
angeführten Entscheide).

    Nach der Rechtsprechung hat ein Ereignis dann als adäquate Ursache
eines Erfolges zu gelten, wenn es nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und
nach der Erfahrung des Lebens an sich geeignet war, einen Erfolg von der
Art des eingetretenen herbeizuführen, so dass dieser durch jene Ursache
allgemein als begünstigt erscheint (BGE 91 II 190 Erw. 3, 210 lit. c,
89 II 250 und dort erwähnte Entscheide). Danach kommt es, wie in BGE 87
II 127 dargelegt wurde, für die Adäquanz auf die generelle Eignung der
fraglichen Ursache an, Wirkungen der eingetretenen Art zu erzeugen.

    Wenn eine Bank einem ihr völlig Unbekannten
Akkreditiv-Eröffnungsschreiben ausstellt, die im Titel als
"Irrevocable documentary credit" bezeichnet werden, und im Begleittext
lediglich erwähnt, die Krediteröffnung erfolge "according to the
agreement... existing between you and our bank", so ist dieses Vorgehen
geeignet, einen Dritten in den Glauben zu versetzen, das Akkreditiv sei
wirklich unwiderruflich, und die Vereinbarung auf die Bezug genommen wird,
sei rein interner Art und beeinträchtige die Gültigkeit des Akkreditivs in
keiner Weise. Die Richtigkeit dieser Auffassung wird dadurch bestätigt,
dass auch der Akkreditiv-Spezialist der Bank Leu hinter diesem Hinweis
nichts Verdächtiges vermutete, offenbar deshalb, weil die Ausstellung
eines als unwiderruflich bezeichneten Akkreditivs unter gleichzeitiger
Einschaltung einer Bedingung im Text gegen die Gebräuche im Akkreditivwesen
verstösst, wie bei der Behandlung der Frage der Widerrechtlichkeit noch
näher auszuführen sein wird.

    Ob die Beklagte mit einem Missbrauch ihrer an eine Bedingung geknüpften
Eröffnungsschreiben zu rechnen brauchte oder nicht, ist daher für die
Entscheidung der Rechtsfrage nach der Adäquanz nicht erheblich. Es genügt,
dass ihr Verhalten allgemein geeignet war, einen Missbrauch zu ermöglichen,
und das traf hier zu. Denn selbst aussergewöhnliche Folgen können unter
Umständen adäquat sein (BGE 80 II 343, 87 II 127). Die eingetretene
Folge war übrigens keineswegs aussergewöhnlich. Die Ausstellung von
Akkreditiv-Eröffnungsschreiben wird häufig, wenn nicht sogar in der Regel,
eben gerade zu dem Zweck verlangt, sich gegenüber Dritten über bestehende
Geschäftsbeziehungen, bzw. über zur Verfügung stehende Kredite auszuweisen.

    Die Beklagte wendet ein, der Kausalzusammenhang zwischen ihrem
Verhalten und dem Schaden der Klägerin sei dadurch unterbrochen worden,
dass der Sachbearbeiter der Bank Leu nach deren eigenen Ausführungen
den Vorbehalt nicht übersehen habe. Eine Feststellung dieses Inhaltes
findet sich im angefochtenen Urteil jedoch nicht; dagegen nimmt die in
das Protokoll der Vorinstanz aufgenommene Minderheitsbegründung aufeine
dahin gehende (in der Klageantwort abgegebene) Parteierklärung der Bank
Leu Bezug und leitet aus ihr eine Unterbrechung der Kausalkette ab, weil
die Bank Leu den von der Beklagten geschaffenen Gefahrzustand erkannt,
dem Vorbehalt aber nicht die gebührende Beachtung geschenkt und darum die
Auszahlung der Provisionen an den Betrüger Lam allein zu verantworten habe.

    Dieser Auffassung wäre jedoch selbst dann nicht beizupflichten, wenn
das Urteil der Vorinstanz die in Frage stehende Feststellung enthielte
oder wenn anzunehmen wäre, die Beklagte könne sich zu ihrer Entlastung
auf die Parteierklärung ihrer damaligen Streitgenossin berufen. Denn es
bestand, wie bereits ausgeführt, kein Anlass, bei einem als unwiderruflich
bezeichneten Akkreditiv an eine aufschiebende Bedingung zu denken,
die es praktisch wertlos machte; die Annahme, die fragliche Wendung
beziehe sich auf einen die Gültigkeit des Akkreditivs nicht berührenden
Umstand, z.B. aufeinen Zahlungsmodus oder auf eine frühere Zusicherung, das
Akkreditiv auszustellen, lag näher, zumal die Ausstellerin eine als seriös
geltende schweizerische Bank war. Eine unverständliche Nichtbeachtung einer
Akkreditivbestimmung durch die Bank Leu, die die Kausalkette unterbrechen
würde, wäre deshalb zu verneinen.

Erwägung 5

    5.- Das Handelsgericht hat die Widerrechtlichkeit des Verhaltens
der Beklagten mit der Begründung verneint, diese habe wohl Akkreditive
ausgestellt, die "der letzten Klarheit ermangelten", doch habe sie
nichts Unwahres oder Unrichtiges bestätigt, sondern genau das, was
zwischen den Akkreditivparteien abgesprochen worden sei; wie der Begriff
"unwiderruflich" zu verstehen sei, habe sich aus den Vereinbarungen vom 13.
bzw. 19. Juli 1965 ergeben.

    Diese Auffassung ist unhaltbar. Nach allgemein anerkanntem Rechtssatz
muss, wer einen Zustand schafft, der einen andern schädigen könnte, die
zur Vermeidung eines Schadens erforderlichen Vorsichtsmassnahmen treffen
(BGE 93 II 92 Erw. 2, 82 II 28 und dort angeführte Entscheide). Die
Unterlassung solcher Vorsichtsmassnahmen ist rechtswidrig.

    Die Beklagte hatte von der SOFITEX SA in Zürich die Mitteilung
erhalten, sie beabsichtige, die Beklagte mit der Eröffnung eines
unwiderruflichen Akkreditivs über US $ 210 725 zugunsten eines in Wien
wohnhaften Dr. Lam zu beauftragen. Da es sich bei dem Begünstigten um
einen ihr unbekannten Ausländer handelte, erklärte sich die Beklagte
zur Eröffnung dieses Akkreditivs nur unter der Bedingung bereit, dass es
nur wirksam werde, wenn der Endkäufer die Akkreditivsumme innerhalb von
zwei Wochen nach dem Eröffnungsdatum bei ihr hinterlege. Sie liess sich
daher von Lam eine entsprechende schriftliche Erklärung geben, in der er
sich überdies verpflichtete, beim Fehlen der Deckung von dem Akkreditiv
keinen Gebrauch zu machen. In gleicher Weise ging sie bei der Eröffnung
des zweiten Akkreditivs über US $ 51 000 vor. So sicherte sie sich gegen
die von ihr erkannten Gefahren, die sich aus der Eröffnung der Akkreditive
zugunsten des ihr nicht bekannten Dr. Lam allenfalls ergeben konnten. Damit
durfte sie sich jedoch nicht begnügen. Es lag auf der Hand, dass der
Begünstigte von den Akkreditiven gegenüber Dritten, insbesondere gegenüber
der Warenverkäuferin und der allenfalls von dieser mit der Abwicklung des
Akkreditivs beauftragten Bank, Gebrauch machen könnte. Sie hatte daher
darauf Bedacht zu nehmen, dass auch solche Dritte nicht Gefahr liefen, zu
Schaden zu kommen. Das geboten ihr schon die "Einheitlichen Richtlinien und
Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive" (Ausgabe 1962), wonach Akkreditive
"vollständig und genau" sein (allgemeine Regeln und Begriffsbestimmungen,
lit. b) und insbesondere "deutlich angeben" sollen, ob sie widerruflich
oder unwiderruflich sind (Art. 1 Abs. 2). Diese von der Internationalen
Handelskammer in Paris aufgestellten Richtlinien sind zwar nicht objektives
Recht, so dass ein Verstoss gegen sie an sich noch keine Widerrechtlichkeit
begründet. Aber sie dürfen herangezogen werden bei der Beantwortung der
Frage, ob der Akkreditiv-Aussteller einen Gefahrzustand schuf.

    Die Beklagte war daher verpflichtet, den mit dem Begünstigten
vereinbarten Deckungsvorbehalt klar und unmissverständlich in die
Eröffnungsschreiben aufzunehmen, oder aber die Akkreditive dem Begünstigten
erst nach Erhalt der Deckung auszuhändigen. Statt dessen begnügte sie
sich mit einem blossen Hinweis auf mit dem Begünstigten getroffene interne
Vereinbarungen, der nicht geeignet war, bei Dritten den Gedanken aufkommen
zu lassen, es handle sich dabei um Abmachungen, die mit dem Wesen eines
unwiderruflichen Akkreditivs in krassem Widerspruch stünden. Mit ihrem
Vorgehen schuf die Beklagte somit die Gefahr, dass Dritte geschädigt
werden könnten.

    Dass die Akkreditive als "nicht übertragbar" bezeichnet wurden,
vermochte einen Missbrauch nicht zu verhindern. Denn eine dennoch
erfolgende Übertragung hätte lediglich zur Folge gehabt, dass der Zessionar
die Akkreditivsumme bei der mit ihrer Auszahlung beauftragten Bank nur
gemeinsam mit dem Begünstigten gegen Übergabe der Warendokumente hätte
erheben können. Das war für den Dritten (den Warenverkäufer und dessen
Bank) kein Anlass, eine Übertragung abzulehnen, an der Gültigkeit der
Akkreditive zu zweifeln oder sie wegen der Unübertragbarkeit als wertlos
zu betrachten.

    Da die Beklagte für Dritte einen Gefahrzustand schuf, den sie durch
die klare Aufnahme des Deckungsvorbehaltes in die Eröffnungsschreiben
hätte vermeiden können und sollen, war ihr Verhalten widerrechtlich.

Erwägung 6

    6.- Die Beklagte bzw. ihre Organe und Angestellten trifft
schliesslich auch ein Verschulden, weil sie die nach den Umständen
gebotenen Sorgfaltspflichten fahrlässig nicht erfüllten. Ihr
Verschulden würde um so schwerer wiegen, wenn es zutreffen sollte -
(wie der Anwalt der beiden Beklagten im kantonalen Verfahren behauptete,
im angefochtenen Urteil jedoch nicht festgestellt wird) -, dass die Bank
Leu einen Angestellten mit der von der Beklagten bloss visierten Kopie des
Akkreditiv-Eröffnungsschreibens vom 19. Juli 1965 zu der Beklagten sandte,
um eine rechtsgültig unterzeichnete Kopie einzuholen, und dass die Beklagte
ihm diese aushändigte, ohne darauf hinzuweisen, dass das Akkreditiv
vorläufig wertlos sei. Dabei musste sie aus der Vorsprache des Angestellten
der Bank Leu ersehen, dass Lam das Akkreditiv-Eröffnungsschreiben bereits
am Ausstellungstage gegenüber Dritten zu verwenden im Begriffe war.

Erwägung 7

    7.- a) Die Beklagte haftet somit grundsätzlich - unter Vorbehalt
eines Abzuges wegen allfälligen Mitverschuldens der Klägerin - für den
nach dem Urteil gegenüber der Bank Leu noch verbleibenden Schaden im
Ausmass von zwei Dritteln des Gesamtschadens.

    Im Urteil über die Klage gegen die Bank Leu hat das Handelsgericht
der Klägerin ein ganz erhebliches Selbstverschulden zur Last gelegt, weil
sie sich mit Lam "auf ein Millionengeschäft einliess, ohne schriftliche
Verträge oder mindestens eine Bestätigung der angeblichen Käuferfirma
aus Singapore zu verlangen" (Urteil S. 23). Insbesondere sei es auch
unvorsichtig gewesen, sich mit Akkreditiven zu begnügen, in denen Lam als
Begünstigter bezeichnet war; zumindest hätte sie Verdacht schöpfen müssen,
als Lam verlangte, dass die Akkreditive als unübertragbar zu bezeichnen
seien, ihr aber gleichzeitig seine Ansprüche aus diesen abtrat. Das
Handelsgericht kürzte daher den Anspruch der Klägerin gegenüber der Bank
Leu um zwei Drittel.

    Die Klägerin bestreitet, dass sie ein Mitverschulden an dem durch die
Beklagte zu verantwortenden Schaden treffe. Nach der Ansicht der Beklagten
muss der Anspruch der Klägerin wegen überwiegenden Selbstverschuldens
auf eine höchstens symbolische Summe herabgesetzt werden.

    b) Die Funktion des Akkreditivs besteht darin, zum Schutze beider
Kaufvertragsparteien die beidseitige ordnungsgemässe Vertragserfüllung
zu sichern. Der Käufer, bzw. die von ihm mit der Akkreditivstellung
beauftragte Bank, soll den Kaufpreis nur gegen Übergabe der Dokumente
freigeben müssen, die das Vorhandensein sowie die vertragsgemässe
Beschaffenheit der Ware belegen und ihm die Verfügungsgewalt über diese
verschaffen. Der Verkäufer seinerseits soll die Dokumente nur aus der
Hand geben müssen, wenn Gewähr dafür besteht, dass ihm der in Form des
Akkreditivs bereitgestellte Kaufpreis ausbezahlt wird (BGE 90 II 307).

    Dadurch, dass die Klägerin Sicherstellung des Kaufpreises durch
Akkreditive vor Lieferung der Ware forderte, hat sie - in Bezug auf den
Vollzug des Kaufgeschäftes - alles getan, was bei einem solchen Geschäft
geboten war. Eine nähere Erkundigung über Lam oder über den Käufer der
Ware war vom Moment an, da gültige, unwiderrufliche Akkreditive vorgelegt
wurden, unnötig; das gilt auch für die Zeit vor der Bestellung der
Akkreditive, da die Klägerin - nach dem zeitlichen Ablauf der Ereignisse
zu schliessen - keine Vorkehren traf, die bei Nichtzustandekommen des
Vertrags oder der Akkreditivbestellung nachteilig gewesen wären. Insoweit
kann ihr daher keine Unvorsichtigkeit zur Last gelegt werden.

    Anders verhält es sich dagegen in Bezug auf die Ausrichtung der
Provision an Lam. Da diese nicht erst bei der Aushändigung der Dokumente
über die Ware und der Zahlung der Akkreditivsumme durch die Ausstellerin
des Akkreditivs, sondern schon auf blosse Vorlegung einer rechtsgültig
unterzeichneten Kopie des Akkreditiv-Eröffnungsschreibens auszurichten
war, bestand für die Klägerin Anlass, die Forderung Lams nach Ausstellung
unübertragbarer Akkreditive gründlich zu überlegen. Wie bereits ausgeführt
wurde, schloss die Unübertragbarkeit die ordnungsgemässe Abwicklung
des Akkreditivgeschäftes nicht aus; sie hatte bloss zur Folge, dass der
Begünstigte mit dem Zessionar zusammen bei der Bank mitwirken musste,
um die Zahlung der Akkreditivsumme zu veranlassen. Diese Mitwirkung
Lams war aber, wenn ihm die Provision vorher ausgerichtet wurde, nicht
mehr gewährleistet. Es bestand somit die Gefahr, dass der Vollzug des
Geschäftes, d.h. die Zahlung des Kaufpreises gegen Aushändigung der
Dokumente, durch Nichtmitwirken des Begünstigten Lam verunmöglicht
werde. Das war für die Klägerin ein Grund, sich über Lam und über
die angebliche Käuferin zu erkundigen. Dass sie dies unterliess,
gereicht ihr zum Mitverschulden. Sie hat sich die Tragweite der
Unübertragbarkeitsklausel bei Ausrichtung der Provision vor Auszahlung
der Akkreditivsumme nicht genügend überlegt, oder falls sie es tat, das
damit verbundene Risiko in Kauf genommen. Hätte sie - aus diesem Grunde,
nicht aus der Befürchtung, der Kaufpreis könnte allenfalls nicht bezahlt
werden - die sich aufdrängenden Erkundigungen eingezogen, so wäre es
nicht zur Auszahlung der Provision gekommen.

    c) Diese Unterlassung wiegt jedoch nicht derart schwer, dass sie auch
der Beklagten gegenüber eine Herabsetzung des Anspruchs der Klägerin um
zwei Drittel rechtfertigen würde. Im Vergleich zu dem von der Beklagten als
Akkreditiv-Ausstellerin begangenen Fehler erscheint die mangelnde Vorsicht
der Klägerin als ein verhältnismässig leichtes Verschulden. Sie dachte
verständlicherweise in erster Linie an die Sicherung des Kaufpreises
und war offenbar dem raffinierten Vorgehen des Betrügers Lam nicht
gewachsen. Ausserdem hatte sie die Bank Leu als ihre Vertrauensbank
eingeschaltet und durfte annehmen, diese werde sie aufmerksam machen,
falls ihre Aufträge betreffend den Inhalt der Akkreditive für sie
nachteilig sein könnten; damit soll allerdings nicht gesagt sein, dass im
vorliegenden Fall eine solche Pflicht der Bank Leu bestand. Entscheidend
war für die Schädigung der Klägerin in erster Linie die Ausstellung der
Akkreditiv-Eröffnungsschreiben, in denen die Akkreditive zu Unrecht als
unwiderruflich bezeichnet waren. Dadurch hat die Beklagte den Betrüger Lam
überhaupt in die Lage versetzt, die Auszahlung der Provision zu erwirken.

    d) In Würdigung aller Umstände ist eine Herabsetzung des
Schadenersatzanspruchs der Klägerin um einen Viertel angemessen. Da sie
von der Bank Leu bereits einen Drittel erhalten hat, ist die Beklagte
nur noch zur Bezahlung von 5/12 des Gesamtschadens von Fr. 150 694.80 zu
verurteilen, was Fr. 62 789.50 ausmacht.

Erwägung 8

    8.- In Bezug auf den Verzugszins ist davon auszugehen, dass die
Klägerin auf jedem der beiden Schadensposten, d.h. auf der am 15. Juli
1965 ausbezahlten Provision von Fr. 104 493.70 und auf der am 19. Juli
1965 ausbezahlten zweiten Provision von Fr. 46 201.10, je einen Viertel
selber zu tragen hat. Das Handelsgericht hat jedoch der Klägerin auf
dem ganzen Betrag von Fr. 50 231.70, zu dessen Bezahlung es die Bank
Leu verurteilte, 5% Verzugszins ab 15. Juli 1965, dem Datum der ersten
Provisionszahlung, zugesprochen. Der Beklagten gegenüber steht der
Klägerin somit ein Verzugszinsanspruch ab 15. Juli 1965 für die erste
Provisionszahlung nur noch zu auf dem Unterschied zwischen dem von der
Bank Leu bezahlten Betrag von Fr. 50 231.70 und drei Vierteln von Fr. 104
493.70=Fr. 78 370.30, mithin auf Fr. 28 138.60; auf den drei Vierteln
des zweiten Schadenspostens von Fr. 46 201.10, d.h. auf Fr. 34 650.90,
läuft der Verzugszins ab 19. Juli 1965.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    In teilweiser Gutheissung der Berufung wird das Urteil des
Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 30. November 1966 gegenüber der
Beklagten Bank für Handel und Effekten (AG) aufgehoben und die Beklagte
verpflichtet, an die Klägerin zu zahlen:

    a) Fr. 28 138.60 nebst 5% Zins seit 15. Juli 1965;

    b) Fr. 34 650.90 nebst 5% Zins seit 19. Juli 1965.

    Im Mehrbetrag wird die Klage abgewiesen.