Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 93 II 247



93 II 247

35. Urteil der I. Zivilabteilung vom 26. September 1967 i.S. Schwarzenbach
gegen Erben Schubert. Regeste

    Kollektivgesellschaft, Auflösung und Liquidation infolge Todes des
einen von zwei Gesellschaftern.

    Sinngemässe Heranziehung der Vorschriften über die Fortsetzung des
Geschäftes durch den verbleibenden Gesellschafter (Art. 579 f. OR),
wenn dieser als gesetzlicher Liquidator das Geschäft nicht liquidiert,
sondern faktisch an sich zieht (Erw. 1).

    Bestimmung des dem ausscheidenden Gesellschafter bzw. dessen Erben
zukommenden Betrages durch den Richter (Art. 580 OR); massgebende
Grundsätze (Erw. 2).

Sachverhalt

    A.- Die Ingenieure Otto Schubert und Ernst Schwarzenbach betrieben
seit 1928 als Kollektivgesellschafter ein Ingenieurbureau für Hoch- und
Tiefbau. Die Gesellschaft wurde 1929 in das Handelsregister eingetragen.
Einen schriftlichen Gesellschaftsvertrag schlossen die Beteiligten
nicht ab.

    Schubert starb am 24. August 1959. Verhandlungen zwischen
Schwarzenbach und den Erben Schubert (Witwe und Tochter) über eine
Übernahme des Geschäfts mit Aktiven und Passiven durch Schwarzenbach
verliefen ergebnislos. Schwarzenbach verlangte daher mit Schreiben vom
17. November 1959 die Liquidation der Kollektivgesellschaft, die er als
einziger Liquidator am 4. Mai 1960 in das Handelsregister eintragen liess.

    Schwarzenbach hatte sofort nach dem Tode Schuberts in den
Geschäftsräumlichkeiten der Kollektivgesellschaft ein eigenes
Ingenieurbureau eröffnet. Im Anschluss an die Erklärung, dass er die
Liquidation der Gesellschaft verlange, schloss er mit den Angestellten
derselben Anstellungsverträge ab. Er übernahm auch den Mietvertrag über
die bisher von der Gesellschaft benützten Bureauräume. Die im Zeitpunkt
des Todes von Schubert hängig gewesenen Aufträge liess er durch das von
ihm eröffnete eigene Bureau vollenden.

    Im Einvernehmen beider Parteien hatte Architekt Flatz am 4. September
1959 ein Gutachten zur Berechnung und Festsetzung der Ingenieurhonorare
aus den vollendeten und den noch in Bearbeitung stehenden Aufträgen
erstattet. Als Stichtag wurde der 31. August 1959 vereinbart.

    Gestützt auf die Liquidationsbilanz vom 30. November 1962 bezahlte
Schwarzenbach an die Erben Schubert insgesamt Fr. 255'382.90. Dieser
Betrag setzte sich zusammen aus der Hälfte des Kassabestandes und
des Inventarwertes am 31. August 1959, sowie aus der Hälfte der
Honorarguthaben gemäss dem Gutachten Flatz, bezogen auf den 30. November
1962. Einen Anspruch der Erben Schubert auf einen Honoraranteil aus nach
dem Stichtag geleisteter Arbeit an hängigen Aufträgen und auf Bezahlung
eines Kundschaftswertes lehnte Schwarzenbach ab.

    B.- Mit Klage vom 25. Juni 1963 forderten die Erben Schubert von
Schwarzenbach Fr. 70'403.30 nebst Zins. Diese Klagesumme besteht aus
zwei Beträgen:

    a) Fr. 45'413. 30 Verdienstanteil an den nach dem 31.  August 1959
verdienten Resthonoraren aus 13 Aufträgen, die am genannten Stichtag
hängig waren und vom Beklagten im eigenen Ingenieurbureau beendigt wurden;

    b) Fr. 25'000.-- für weiteren Geschäftswert, d.h. für den Wert
der eingearbeiteten Angestellten, des übernommenen Mietvertrages,
der Beleuchtungs- und Telephoninstallationen, des Planarchivs, der
Dauerkundschaft, sowie für einen Mehrwert des Geschäftsmobiliars.

    Die sog. Resthonorare, d.h. die Honorarbeträge, die nach dem Stichtag
auf den hängig gewesenen Aufträgen verdient wurden, belaufen sich, wie
nicht streitig ist, auf Fr. 287'851.20. Streitig ist nur, welcher Anteil
als Reingewinn zu betrachten und allenfalls zwischen dem Beklagten und den
Klägerinnen zu teilen ist. Die Klägerinnen gingen vom durchschnittlichen
Reingewinn der früheren Jahre aus und ermittelten so einen solchen
von 43,33%, was auf die Honorarsumme von Fr. 287'851.20 bezogen einen
Reingewinn von Fr. 136'239.97 ausmacht. Bei hälftiger Teilung hätte
sich somit ein Anspruch der Klägerinnen von Fr. 68,l 19.68 ergeben. Aus
der Einsicht, dass ein Dritter, der die in Frage stehenden Aufträge zur
Vollendung übernommen hätte, kaum mehr als 2/3 des Nettoverdienstes aus
ihnen bezahlt hätte, setzten sie ihre Forderung auf den oben erwähnten
Betrag von Fr. 45'413.30 herab.

    Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen.

    C.- Das Bezirksgericht Zürich sprach am 23. Juni 1964 den Klägerinnen
Fr. 40'872.-- nebst Zins als Verdienstanteil an den Resthonoraren zu;
im übrigen wies es die Klage ab.

    Auf Berufung des Beklagten und Anschlussberufung der Klägerinnen hob
das Obergericht Zürich am 4. Februar 1965 dieses Urteil auf und wies die
Sache zur Einholung eines Gutachtens und zu neuer Entscheidung an die
erste Instanz zurück. Es nahm den Standpunkt ein, der Beklagte habe die
Kollektivgesellschaft in Wirklichkeit nicht liquidiert, sondern faktisch
das ganze Geschäft übernommen; dafür schulde er den Klägerinnen die Hälfte
des angemessenen Gegenwertes, und zwar nicht nur für die am 31. August
1959 hängig gewesenen, von ihm übernommenen Aufträge, sondern auch für
den übrigen Geschäftswert (eingearbeiteter Angestelltenstab, ungefährdetes
Mietverhältnis, Telephoninstallationen und Beleuchtungskörper, Planarchiv,
Dauerkundschaft). Einzig einen Mehrwert des Mobiliars lehnte es ab.

    Der gemäss Weisung des Obergerichts von der ersten Instanz
zugezogene Sachverständige, Ingenieur Gruner, kam zum Schluss, der auf
die Resthonorare entfallende Gewinnanteil betrage Fr. 99'308.66, der
Wert des Angestelltenstabes Fr. 38'000.--, der Wert des Mietvertrages
Fr. 10'000.--. Der den Klägerinnen an dem sich daraus ergebenden
Gesamtbetrag von Fr. 147'308.66 zustehende Hälfteanteil mache somit
Fr. 73'654.33 aus. Gestützt auf dieses Gutachten sprach das Bezirksgericht
Zürich mit Urteil vom 23. November 1966 den Klägerinnen den eingeklagten
Betrag von Fr. 70'403.30 nebst Zins zu.

    Das Obergericht Zürich bestätigte diesen Entscheid am 16. März 1967.

    D.- Der Beklagte erklärte gegen das Urteil des Obergerichts die
Berufung an das Bundesgericht mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid
sei aufzuheben und die Klage abzuweisen.

    Die Klägerinnen beantragen, die Berufung abzuweisen und das
angefochtene Urteil zu bestätigen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der angefochtene Entscheid verletzt nach der Ansicht des Beklagten
Bundesrecht, weil das Obergericht bei der Ermittlung des den Klägerinnen
als Erben des verstorbenen Gesellschafters Schubert zustehenden Anteils
Art. 580 Abs. 2 OR herangezogen hat. Der Beklagte macht geltend, nachdem
die Liquidation der Gesellschaft eingetragen und durchgeführt worden sei,
dürfe die genannte Bestimmung nicht angewendet werden, sondern es sei
nach Art. 585 und 588 OR vorzugehen.

    a) Der Beklagte leitete zwar nach dem Scheitern der Verhandlungen
betreffend eine Übernahme des Geschäfts mit Aktiven und Passiven
die Liquidation ein, indem er beim Handelsregister die Auflösung
der Kollektivgesellschaft anmeldete. Als einziger verbleibender, zur
Vertretung der Gesellschaft befugter Gesellschafter war er gemäss Art. 583
OR alleiniger Liquidator. Ein Begehren der Klägerinnen, es sei gestützt auf
Art. 583 Abs. 2 OR durch den Richter ein zweiter Liquidator zu bestellen,
wurde von den zuständigen Instanzen abgewiesen.

    Nach den verbindlichen Feststellungen des Obergerichts ging jedoch der
Beklagte in der Folge nicht gemäss Art. 585 OR vor. Weder beendete er die
laufenden Geschäfte im Namen der Kollektivgesellschaft in Liquidation,
noch versilberte er das Vermögen der Gesellschaft, noch veräusserte er
das Geschäft als Ganzes an einen Dritten. Er zog vielmehr faktisch das
ganze Geschäft an sich, indem er die hängigen Aufträge ab dem Stichtag
durch sein eigenes Ingenieurbureau beenden liess, mit den Angestellten
der Gesellschaft Dienstverträge abschloss und den Mietvertrag sowie die
Geschäftseinrichtung übernahm. Mit diesem Vorgehen, das eine Liquidation
lediglich vortäuschte, verschaffte er sich genau das, was er zuvor durch
Übernahme des Geschäftes auf dem Verhandlungswege zu erreichen versucht
hatte. Bei dieser Sachlage rechtfertigt sich die sinngemässe Anwendung
der gesetzlichen Bestimmungen, die beim Ausscheiden des einen von zwei
Gesellschaftern unter Fortsetzung des Geschäftes durch den andern gelten
(Art. 579 ff. OR). In diesem Falle ist gemäss Art. 580 Abs. 2 OR der dem
ausscheidenden Gesellschafter zukommende Betrag durch Übereinkunft oder -
falls eine Einigung nicht möglich ist - durch den Richter festzusetzen
unter Berücksichtigung der Vermögenslage der Gesellschaft im Zeitpunkt
des Ausscheidens. Bei der hier gegebenen Sachlage bedeutet dies, dass der
Beklagte den Klägerinnen nicht bloss die Hälfte des Liquidationswertes,
sondern die Hälfte des im Zeitpunkt des Todes von Schubert vorhandenen
vollen Geschäftswertes auszurichten hat.

    b) Was der Beklagte in der Berufung vorbringt, ist nicht geeignet,
die Heranziehung des Art. 580 OR als unstatthaft erscheinen zu lassen.

    aa) So kommt nichts darauf an, dass die Übernahme der hängigen
Aufträge durch den Beklagten im Interesse einer möglichst vorteilhaften
Erledigung lag. Wie der Sachverständige Gruner zwar erklärt, hätten die
Hinterbliebenen Schuberts froh sein müssen, wenn die laufenden Verträge
ohne Verlust und mit bescheidenem Gewinn hätten beendigt (richtiger:
übertragen) werden können, falls der Beklagte seine Tätigkeit aufgegeben
und ein Dritter die Aufträge beendigt hätte. Die Übernahme der Aufträge
durch den Beklagten wirkte sich aber nicht bloss zugunsten der Klägerinnen,
sondern auch zugunsten des Beklagten aus, da die dadurch ermöglichte
Vermeidung der mit einer eigentlichen Liquidation verbundenen Unkosten
ihm ebenfalls zur Hälfte zugute kommt. Es rechtfertigt sich daher nicht,
als Wert der hängigen Aufträge nur den Betrag einzusetzen, der bei ihrer
Übernahme durch einen Dritten bezahlt worden wäre, der sich zunächst hätte
einarbeiten müssen - sofern der Auftraggeber einer Übertragung überhaupt
zugestimmt hätte. Anderseits kann freilich auch nicht bestritten werden,
dass einzelne Bauherren den Auftrag möglicherweise widerrufen und ihn
einem von ihnen gewählten Dritten übertragen hätten, wenn der Beklagte
die Arbeiten nicht durch sein eigenes Bureau hätte beendigen lassen. Eine
genaue Berechnung aller Vor- und Nachteile ist überhaupt nicht möglich. Auf
jeden Fall ist aber nicht zu sehen, weshalb bei der gegebenen Sachlage
die tatsächliche Übernahme des Geschäftes durch den Beklagten den Erben
des verstorbenen Gesellschafters nicht in gleicher Weise zugute kommen
sollte wie ihrem Erblasser, falls dieser zu Lebzeiten aus der Gesellschaft
ausgeschieden wäre und der andere Gesellschafter das Geschäft fortgesetzt
hätte. Das verlangt schon das Treueverhältnis unter Gesellschaftern, das
sich auch bei der Bemessung des dem Erben zukommenden Vermögensanteils
auswirken soll.

    bb) Unrichtig ist sodann auch die Auffassung des Beklagten,
der einer aus zwei Ingenieuren bestehenden, nicht kaufmännischen
Kollektivgesellschaft erteilte Auftrag erlösche, sobald die Gesellschaft
infolge des Todes des einen Gesellschafters aufgelöst und vom Überlebenden
formell nicht weitergeführt werde.

    Die Auflösung der Gesellschaft bedeutet nicht schon ihre
vollständige Beendigung. Sie bewirkt nur das Dahinfallen der durch den
Gesellschaftsvertrag begründeten gegenseitigen Pflicht, die Erreichung des
Gesellschaftszweckes zu fördern. Die Gesellschaft besteht weiter, aber nur
noch mit dem Abwicklungszweck; die sog. Abwicklungsgesellschaft ist jedoch
keine neue Gesellschaft, die an Stelle der bisherigen träte (BGE 59 II
423 f. Erw. 3, 70 II 56, 81 II 361 f.; WIELAND, Handelsrecht I S. 677;
SIEGWART, N. 2 zu Art. 574 OR in Verbindung mit N. 37 zu Art. 545/47,
N. 1 zu Art. 582; HARTMANN, N. 1 und 2 zu Art. 574 OR; ebenso für das
deutsche Recht FLECHTHEIM im Kommentar Düringer/Hachenburg zum HGB,
3. Aufl. II/2, Vorbem. zu § 131 Anm. 1 und § 131 Anm. 7; SCHLEGELBERGER,
HGB 4. Aufl. 1963, II § 131 N. 1).

    Besteht die Gesellschaft trotz der eingetretenen Auflösung als
Liquidationsgesellschaft weiter, so ist auch der vom Beklagten vertretenen
Auffassung der Boden entzogen, dass der erteilte Auftrag mit dem Tod
des einen Gesellschafters dahinfalle und die Fortführung durch den
andern Gesellschafter einer neuen Auftragserteilung gleichkomme, mit der
Folge, dass die Erben des verstorbenen Gesellschafters an dem nach der
Auflösung erzielten Reingewinn nicht mehr beteiligt sein könnten. Der
verbleibende Gesellschafter ist vielmehr zur einstweiligen Fortführung
der hängigen Geschäfte verpflichtet, und die Erben des verstorbenen
Gesellschafters haben Anspruch darauf, dass jener seine Fürsorgepflicht
erfüllt (Art. 547 Abs. 3; SIEGWART, Art. 545/47 OR N. 36 S. 205); dass
er gesetzlich bestimmter Liquidator ist, falls er bisher zur Vertretung
der Gesellschaft befugt war, ändert daran nichts.

    c) Der Anspruch der Erben des verstorbenen Kollektivgesellschafters auf
Beteiligung am Reingewinn aus den hängigen Geschäften lässt sich übrigens
schon aus dieser Fürsorgepflicht des verbleibenden Gesellschafters allein
ableiten: Die Fürsorgepflicht gebietet die bestmögliche Liquidation;
diese umfasst aber auch die Beendigung der hängigen Geschäfte, soweit
diese dem verbleibenden Gesellschafter zuzumuten ist. Beabsichtigt er,
sich vom Geschäft zurückzuziehen, ginge es freilich nicht an, Geschäfte,
deren Abwicklung mehrere Jahre erfordert, in die Beendigungspflicht
einzubeziehen. Wenn er aber, wie hier, ein gleichartiges Bureau
weiterführt, erstreckt sich die Fürsorgepflicht auch auf die Beendigung
von Geschäften, deren Durchführung eine Zeit von 2-3 Jahren in Anspruch
nimmt. Zieht er das ganze Geschäft faktisch an sich, wie es hier geschehen
ist, so genügt er seiner Fürsorgepflicht im Grunde genommen nicht;
das führt dazu, dass die von ihm übernommenen Geschäfte zu den Werten
einzusetzen sind, die sie für ihn haben, nicht zu denjenigen, die sie
für einen Dritten hätten, der sich vorerst einarbeiten müsste.

    Der Hauptstandpunkt des Beklagten, die Heranziehung des Art. 580 OR
verstosse gegen Bundesrecht, ist daher abzulehnen.

Erwägung 2

    2.- Der Beklagte macht geltend, selbst wenn die Klägerinnen nicht nur
Anspruch auf die Hälfte des Liquidationswertes, sondern auf die Hälfte
des vollen Geschäftswertes haben sollten, müsse das angefochtene Urteil
aufgehoben werden, weil die Vorinstanz den für die Ermittlung dieses
Anteils massgebenden Art. 580 Abs. 2 OR unrichtig ausgelegt habe. Sie
stelle nämlich auf den Wert ab, den das Geschäftfür ihn gehabt habe,
während nach Art. 580 OR der Verkehrswert massgebend sei, d.h. der Wert,
den die Aufträge und die übrigen Aktiven für einen Dritten gehabt hätten.

    a) Das Obergericht hat seinem Urteil das Gutachten des Sachverständigen
Gruner zugrunde gelegt, welches das Bezirksgericht in Befolgung des
Rückweisungsentscheides eingeholt hatte. Gruner stellte gemäss dem
ihm erteilten Auftrag den Wert der im Zeitpunkt des Todes von Schubert
vorhandenen Vermögensbestandteile fest, wobei er als massgebend den Wert
betrachtete, den die Aufträge für den Beklagten hatten. Das entsprach
offenbar dem Sinn des Rückweisungsurteils des Obergerichts; denn dieses hat
in seinem zweiten Urteil bei der Überprüfung des neuen bezirksgerichtlichen
Entscheides den Gesichtspunkt, von dem der Sachverständige ausging,
nicht beanstandet.

    b) Art 580 Abs. 2 OR weist den Richter an, die Abfindung an den
ausscheidenden Gesellschafter "in Berücksichtigung der Vermögenslage
der Gesellschaft im Zeitpunkt des Ausscheidens" festzusetzen
(ein allfälliges Verschulden des Ausscheidenden, das nach dem
Gesetz ebenfalls zu berücksichtigen wäre, fällt vorliegend ausser
Betracht). Das Gesetz sagt aber nicht, ob die Vermögenslage gestützt auf
bisherige Betriebsbilanzen oder auf Grund besonderer, im Hinblick auf
das Ausscheiden eines Gesellschafters neu zu erstellender Bilanzen zu
ermitteln sei, wobei entweder eine Liquidationsbilanz in Frage käme (in
welcher die veräusserlichen Werte zu ihrem mutmasslichen augenblicklichen
Einzelveräusserungswert eingesetzt werden), oder eine sog. Abfindungsbilanz
(bei der die einzelnen Vermögensbestandteile zu höchstzulässigen Werten
einzusetzen sind).

    Das Abstellen auf regelmässige, bisherige Betriebsbilanzen fällt ausser
Betracht, da der Ausscheidende (bzw. seine Erben) dadurch um ihren Anteil
an den stillen Reserven gebracht würden, zu deren Äufnung der Ausscheidende
ebenfalls beigetragen hat. In der Frage, ob eine Liquidationsbilanz oder
eine Abfindungsbilanz (auch Abschichtungsbilanz genannt) Grundlage der
Berechnung sein soll, gehen die Meinungen auseinander. HARTMANN (Art. 580
OR, N. 15/16) betrachtet die Abfindungsbilanz als massgebend; er führt aus,
es sei nicht der Liquidationswert einzusetzen, sondern der wahre Wert der
Aktiven, also der volle Wert des "lebenden Geschäftes", wie er sich für
die fortzusetzende Gesellschaft darstelle. Die gleiche Auffassung vertreten
WIELAND (op.cit. S. 721), sowie FLECHTHEIM (op.cit. S. 813, Anm. 10 zu §
138 HGB) und SCHLEGELBERGER (op.cit, N. 17 zu § 138 HGB). Demgegenüber
hält SIEGWART (N. 8/9 zu Art. 580 OR) eine Abfindungsbilanz nur dann
für voll berechtigt, wenn ein Gesellschafter nur ungern, aber freiwillig
zugunsten der andern auf die weitere Beteiligung verzichtet. Andernfalls
ist es nach seiner Meinung nicht gerechtfertigt, den Ausscheidenden von
der Tatsache der Fortsetzung des Geschäfts profitieren zu lassen; die
Abfindung auf Grund einer eigentlichen Abfindungsbilanz stelle jedenfalls
ein Maximum dar, dessen Zusprechung nur unter bestimmten Voraussetzungen
in Betracht komme.

    Die Auffassung, wonach die Auseinandersetzung auf Grund einer
Abfindungsbilanz zu erfolgen hat, verdient den Vorzug. Die Tatsache,
dass das Geschäft als Ganzes weitergeführt wird, eine Liquidation
also gerade vermieden wird, muss logischerweise zur Folge haben,
dass es nicht auf den Liquidationswert der einzelnen Bestandteile
des Gesellschaftsvermögens ankommen kann, den ein Dritter allenfalls
für sie bezahlen würde, sondern dass der Wert massgebend ist, den die
einzelnen Vermögensbestandteile für das weiter bestehende Unternehmen
haben. Demgemäss hat der Ausscheidende auch Anspruch auf einen Anteil am
mutmasslichen Reingewinn aus hängigen Geschäften, an den Vorteilen, die
sich aus dem Vorhandensein eines eingearbeiteten Angestelltenstabes und
aus dem Verbleiben in den bisherigen Geschäftsräumen usw. ergeben. Nur
diese Berechnungsweise führt zu einem befriedigenden Ergebnis, das den
schutzwürdigen Interessen des ausscheidenden Gesellschafters gerecht wird.

    Zum gleichen Ergebnis führt übrigens auch die folgende Überlegung: Nach
Art. 580 Abs. 2 OR hat der Richter bei der Festsetzung der Abfindungssumme
auch ein allfälliges Verschulden des Ausscheidenden zu berücksichtigen. Hat
dieser durch schuldhaftes Verhalten den guten Gang des Geschäftes gestört,
so ist der Richter somit befugt, diesem Umstand in der Weise Rechnung zu
tragen, dass er den Ausscheidenden von einer Beteiligung an den Vorteilen
aus einer Weiterführung des Geschäfts ausschliesst. Darum muss es umgekehrt
auch zulässig sein, dem schuldlos Ausscheidenden diese Vorteile zugute
kommen zu lassen, die der bisherigen Zusammenarbeit zu verdanken sind.

    c) Damit ist auch entschieden, dass beim Ausscheiden des einen von
zwei Gesellschaftern der "lebende Geschäftswert" der Wert ist, den ein
Vermögensbestandteil für den verbleibenden Gesellschafter hat. Dass der
lebende Geschäftswert für einen Dritten, der das ganze Geschäft übernähme,
vermutlich nicht so hoch wäre wie für den verbleibenden Gesellschafter,
der es weiterführt, ist kein Grund, diesem nicht den Wert anzurechnen,
den das Geschäft für ihn hat. Die dadurch bewirkte Besserstellung des
Ausscheidenden oder seiner Erben rechtfertigt sich aus dem Treueverhältnis,
das auf Grund der gesellschaftlichen Beziehungen zwischen dem Übernehmer
und dem Ausgeschiedenen bestand. Im vorliegenden Falle lässt sich diese
Begünstigung zudem aus der Fürsorgepflicht ableiten, die dem verbleibenden
Gesellschafter während der Liquidation obliegt.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des
Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 16. März 1967 bestätigt.