Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 93 II 239



93 II 239

33. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 13. Juni 1967
i.S. Fleischli gegen Denzler Regeste

    Haftung des Notars aus Beurkundung eines Grundstückkaufs.

    Widerrechtliches Verhalten des Notars, der im Kaufvertrag auf
bestehende Grundpfandrechte hinweist, sie aber im einzelnen nicht aufführt
und auch nicht den Gesamtbetrag der Belastung angibt?

Sachverhalt

    A.- Jakob Denzler beurkundete am 27. August 1963 als Notar des Kreises
Stäfa einen Kaufvertrag zwischen der Sponda Wohnbau AG. als Verkäuferin und
August Fleischli als Käufer, über die beiden in Uerikon-Stäfa, im unteren
Schooren gelegenen Grundstücke Kat. No. 6967 und 6968. Der Kaufpreis für
beide Grundstücke wurde auf Fr. 340'000.-- festgesetzt, woran Fleischli
der Sponda AG. am Tage der Beurkundung eine Anzahlung von Fr. 80'000.--
leistete. Der Rest von Fr. 260'000.-- sollte bei der Eigentumsübertragung
bezahlt werden. In den "weiteren Bestimmungen" des Kaufvertrages wurde
u.a. folgendes vereinbart:

    "6. Das Vorliegen der Baubewilligung ist Voraussetzung für die
Eigentumsübertragung.

    Sollte keine Baubewilligung erteilt werden, ist die Anzahlung von Fr.
80'000.-- (Franken achtzigtausend) durch die SPONDA an den Käufer
A. Fleischli zurückzuerstatten.

    7. Die Verkäuferin hat die Grundstücke pfandfrei an den Käufer zu
übertragen. Sie ist für die Ablösung bestehender Hypotheken besorgt.

    8. Der Käufer verzichtet für heute auf Sicherstellung für die
geleistete Kaufsanzahlung von Fr. 80'000.--(Franken achtzigtausend).

    9. Vollzugsbeschränkungen: 1. Die bestehenden Grundpfandrechte sind
abzulösen und zu löschen...".

    Zur Zeit des Abschlusses und der Beurkundung dieses Kaufvertrages
lasteten auf dem Grundstück Kat. No. 6967 vier Grundpfandrechte im
Gesamtbetrage von Fr. 185'290.--. Notar Denzler führte sie im Kaufvertrag
weder einzeln auf noch erwähnte er den Gesamtbetrag der Belastung.

    Die Baubewilligung wurde in der Folge nicht erteilt. Die Sponda Wohnbau
AG. war jedoch nicht in der Lage, Fleischli die anbezahlten Fr. 80'000.--
und zwei weitere Beträge von je Fr. 2500.-- zurückzuerstatten, da am
24. November 1964 der Konkurs über sie eröffnet wurde. Das Verfahren
wurde am 17. Dezember 1964 mangels Aktiven eingestellt.

    B.- Am 16. Juni 1965 klagte Fleischli beim Bezirksgericht Meilen gegen
Denzler auf Zahlung von Fr. 80'000.-- nebst 5% Zins seit 27. August 1963
und Fr. 5000.-- nebst 5% Zins seit 7. November 1963 und behielt sich das
Nachklagerecht vor.

    Der Kläger machte geltend, der Beklagte habe pflichtwidrig unterlassen,
die genaue grundpfändliche Belastung der in Frage stehenden Grundstücke
in den Kaufvertrag aufzunehmen. Ferner habe er ihn über die bestehende
Grundpfandbelastung nicht aufgeklärt und über die Tragweite der
Ablösungsverpflichtung und über ihre Tauglichkeit zur Sicherung der
von ihm geleisteten Anzahlung von Fr. 80'000.-- nicht unterrichtet. Bei
Kenntnis der genauen Belastung hätte er der Sponda Wohnbau AG. weder die
Anzahlung von Fr. 80'000.-- geleistet, noch die beiden "Darlehen" von
je Fr. 2500.-- gewährt. Mindestens in diesem Umfange sei er durch das
schuldhafte und rechtswidrige Verhalten des Beklagten geschädigt worden.

    Das Bezirksgericht Meilen wies die Klage am 2. Juni 1966 ab. Gegen
diesen Entscheid appellierte der Kläger an das Obergericht des Kantons
Zürich, das am 3. November 1966 die Klage ebenfalls abwies.

    C.- Der Kläger hat die Berufung an das Bundesgericht erklärt. Er
beantragt, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage
gutzuheissen.

    Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen und das vorinstanzliche
Urteil zu bestätigen.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

    Wie die Vorinstanz verbindlich feststellt, fehlt es an einer kantonalen
Vorschrift, die den Notar verpflichten würde, die genaue grundpfändliche
Belastung eines Grundstückes im öffentlich beurkundeten Kaufvertrag
anzugeben.

    Die Vorinstanz hat die Frage einer entsprechenden Beurkundungspflicht
des Beklagten auch unter dem Gesichtspunkt des Bundesrechts geprüft und
verneint. Das wird vom Kläger unter Hinweis auf BGE 90 II 274 ff. als
Verletzung "eidgenössischer Vorschriften über die öffentliche Beurkundung"
gerügt.

    Der angerufene Entscheid erklärt, das kantonale Recht regle die
Pflichten der Urkundsperson nicht abschliessend; den Urkundspersonen, die
ein beurkundungspflichtiges Geschäft des Bundeszivilrechtes beurkunden,
würden ausserdem kraft Bundesrechts gewisse Pflichten auferlegt. Diese
ergäben sich für gewisse Fälle aus ausdrücklichen Bestimmungen des
Bundesrechts (vgl. Art. 499 ff. ZGB über die letztwillige Verfügung, die
auch für den Erb- und den Verpfründungsvertrag gelten) und im übrigen aus
dem Begriff der öffentlichen Beurkundung, welcher, soweit das Bundesrecht
diese Form fordert, trotz dem Fehlen einer bundesgesetzlichen Umschreibung
dem Bundesrecht angehöre. Nach diesem beurteile sich, was unter der
öffentlichen Beurkundung zu verstehen sei und welchen Mindestanforderungen
sie zu genügen habe.

    Das Bundesgericht vertritt im zitierten Entscheid die Auffassung
(S. 282/83), im Falle eines Verkaufes sei es für die Vertragsparteien,
namentlich für den Käufer, von grosser Bedeutung, welche Grundpfandrechte
eine Liegenschaft belasten. Die unrichtige Darstellung der
Grundpfandbelastung im öffentlich beurkundeten Kaufvertrag bilde also
einen klaren Verstoss gegen die Pflichten, die der Urkundsperson nach
Bundesrecht obliegen.

    Die Vorinstanz hat die vom Beklagten unterlassene Beurkundung der
einzelnen Pfandrechte deshalb nicht als Pflichtverletzung betrachtet,
weil sich der vorliegende Fall vom Tatbestand des zitierten Entscheides
wesentlich unterscheide. Während im Falle BGE 90 II 274 ff. der
Kaufpreis durch Übernahme der Grundpfandschulden und durch Verrechnung
von Fr. 40'000.-- zu tilgen war, habe sich hier die Verkäuferin, die
Sponda Wohnbau AG., verpflichtet, die Grundstücke pfandfrei auf den
Käufer zu übertragen und für die Ablösung bestehender Pfandrechte besorgt
zu sein. Zudem habe der Beklagte in der öffentlichen Urkunde nicht eine
bewusst unrichtige Feststellung getroffen, und er habe die Verpflichtung
der Verkäuferin zur Löschung der Grundpfandrechte nicht unerwähnt gelassen,
sondern sie in Ziff. 7 und 9 des Kaufvertrages festgehalten.

    Dieser Auffassung ist beizupflichten. Die in BGE 90 II 274 ff.
aufgestellten Beurkundungspflichten des Notars drängten sich im damals
beurteilten Fall auf. Die Grundpfandschulden waren vom Erwerber zu
übernehmen und mussten daher als Bestandteil des Kaufpreises gleich
wie dieser genau bestimmt werden. Dieses Erfordernis war jedoch im
vorliegenden Fall weder im Interesse der Parteien, noch zum Schutze des
Klägers geboten, sondern es genügte, dass der Beklagte in der Urkunde die
Pflicht der Verkäuferin zur Ablösung der Pfandrechte auf den Zeitpunkt
der grundbuchlichen Fertigung erwähnte. Die fehlenden Angaben über die
Grundpfandbelastung hatten - im Gegensatz zu BGE 90 II 274 ff. - auch
keine grundbuchtechnischen Nachteile zur Folge.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann,
und das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 3.
November 1966 bestätigt.