Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 93 III 84



93 III 84

15. Entscheid vom 29. Dezember 1967 i.S. Hinnen. Regeste

    Konkurs, Kollokationsplan

    1.  Eine Verfügung, durch welche die Konkursverwaltung eine zur Zeit
der Konkurseröffnung bereits im Prozess liegende Forderung gegen den
Gemeinschuldner abweist, statt sie gemäss Art. 63 Abs. 1 KV zunächst
lediglich pro memoria im Kollokationsplan vorzumerken, ist nicht
schlechthin nichtig, sondern nur innert der Frist von Art. 17 Abs. 2
SchKG anfechtbar. Beginn dieser Frist (Erw. 1).

    2.  Wird die Frist zur Beschwerde gegen eine solche Verfügung versäumt,
so ist der Streit darüber, ob die betreffende Forderung bei der Verteilung
der Konkursmasse zu berücksichtigen sei, im Kollokationsprozess nach
Art. 250 SchKG auszutragen. Bedeutung des Rückzugs der vom Gläubiger
eingeleiteten Kollokationsklage (Erw. 2).

    3.  Sind Art. 207 SchKG und Art. 63 KV auch auf Prozesse im Ausland
anwendbar? (Frage offen gelassen; Erw. 3).

Sachverhalt

    A.- Im Konkurs der Continental Uhrenfabrik AG, Sissach, liess Jürg
Hinnen, Singapur, durch seinen damaligen Vertreter Dr. V. am 27. Oktober
1965 eine Forderung von Fr. 269'673.24 wegen mangelhafter Erfüllung eines
Alleinvertretungsvertrags anmelden mit dem Bemerken, über diese Forderung
werde in Singapur ein Prozess geführt.

    Durch eingeschriebenen Brief an Dr. V. vom 5. Oktober 1966 wies die
Konkursverwaltung diese Forderung unter Angabe der Gründe hiefür ab. Sie
fügte bei, der Kollokationsplan, dessen Auflegung am 8. Oktober 1966
öffentlich bekanntgemacht werde, liege beim Konkursamt vom 10. bis 20.
Oktober 1966 zur Einsicht auf; Klagen auf Anfechtung dieses Plans seien
innert der gleichen Frist beim Gericht in Sissach anhängig zu machen.

    B.- Am 18. Oktober 1966 reichte Dr. V. für Hinnen, der inzwischen in
die Schweiz zurückgekehrt war, beim Bezirksgerichtspräsidenten von Sissach
Klage auf Zulassung der abgewiesenen Forderung in 5. Klasse ein. Mit
Eingabe vom 30. Januar 1967 teilte Dr. V. dem Bezirksgerichtspräsidenten
mit, Hinnen ziehe es vor, den Prozess in Singapur weiterzuführen; die Klage
gegen die Konkursmasse werde daher "angebrachtermassen" zurückgezogen. Die
Masse bezeichnete einen solchen Rückzug als "technisch nicht möglich",
da kein anderes Gericht den Kollokationsstreit beurteilen könne,
erklärte aber, sie sei damit einverstanden, dass der Kollokationsprozess
trotz diesem Rückzug, der auf einem Rechtsirrtum beruhe, weitergeführt
werde. Hinnen hielt jedoch durch Schreiben seines Anwalts vom 5. Juni
1967 am Rückzug der Klage angebrachtermassen fest. Am 16. Juni 1967
verfügte hierauf der Bezirksgerichtspräsident, das Verfahren werde als
durch Rückzug der Klage erledigt abgeschrieben. Diese - im zweitletzten
Satz des Dispositivs als rechtskräftig bezeichnete - Verfügung wurde
nicht angefochten.

    C.- Unter Bezugnahme auf diese Verfügung teilte das Konkursamt Sissach
Hinnen durch eingeschriebenen Brief vom 1. August 1967 mit, es schliesse
sich der Auffassung des Bezirksgerichtspräsidenten an, wonach Hinnen mit
dem Rückzug der Kollokationsklage als Gläubiger der behaupteten Forderung
aus dem hängigen Konkursverfahren ausscheide und daher an einer Verteilung
des Massevermögens nicht mehr partizipiere.

    Gegen diese Verfügung liess Hinnen durch seinen neuen Anwalt Dr. G.
Beschwerde führen mit den Anträgen:

    "Es sei die Verfügung vom 1. 8. 1967 ... aufzuheben und

    1. die Forderung von Fr. 269'673.24 im Konkurs zu kollozieren und fe
stzustellen, dass der Beschwerdekläger mit dieser Summe an der Verteilung
des Massevermögens partizipiert;

    2. e ventualiter die Forderung von Fr. 269'673.24 im Kollokationspla ne
pro memoria aufzuführen und bei positivem Ausgang des bei m High Court in
Singapore gegenüber der Continental Uhrenfab rik AG Sissach am 30. 4.1964
anhängig gemachten Prozesses zu kollozieren und bis zu diesem Zeitpunkt
mit dem definitiven Abschluss des Kollokationsplans zuzuwarten."

    Am 6. November 1967 erkannte die kantonale Aufsichtsbehörde, die
Beschwerde werde abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden könne.

    D.- Diesen Entscheid hat der Beschwerdeführer an das Bundesgericht
weitergezogen. Er wiederholt in der Rekursschrift die im kantonalen
Verfahren gestellten Anträge. Subeventuell beantragt er die Rückweisung
der Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung. Er macht im wesentlichen
geltend, seine Forderung habe gemäss Art. 63 Abs. 2 KV als anerkannt
zu gelten, da die zweite Gläubigerversammlung nicht beschlossen
habe, in den in Singapur hängigen Prozess einzutreten; die seine
Forderung abweisende Verfügung des Konkursamtes vom 5. Oktober 1966
sei nichtig, weil sie gegen Art. 63 Abs. 1 KV verstosse; da es sich beim
Kollokationsprozess um ein Inzidenzverfahren handle, sei auch die Verfügung
des Bezirksgerichtspräsidenten vom 16. Juni 1967 nichtig; eine rechtzeitig
geltend gemachte Forderung könne nicht damit beiseite geschoben werden,
dass man erkläre, die Beschwerde wegen Verletzung von Art. 63 KV sei
verspätet; dies um so weniger, als das Konkursamt dem Rekurrenten in der
angefochtenen Verfügung selbst Frist zur Beschwerde gesetzt habe.

    Das Bundesgericht weist den Rekurs ab.

Auszug aus den Erwägungen:

Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 63 Abs. 1 KV sind streitige Forderungen, die im
Zeitpunkte der Konkurseröffnung bereits Gegenstand eines Prozesses bilden,
im Kollokationsplan zunächst ohne Verfügung der Konkursverwaltung lediglich
pro memoria vorzumerken.

    Der Rekurrent ist der Meinung, seine Forderung falle unter diese
Vorschrift und hätte daher nicht durch eine Kollokationsverfügung
abgewiesen werden dürfen, wie es am 5. Oktober 1966 geschah; diese
Rechtsverletzung könne er heute noch rügen, weil eine gegen Art. 63 Abs. 1
KV verstossende Verfügung nichtig sei.

    Nichtig ist eine Verfügung, wenn sie gegen Vorschriften verstösst,
die im öffentlichen Interesse oder im Interesse eines unbestimmten
Kreises Dritter aufgestellt und daher zwingend sind (BGE 86 III 23/24,
87 III 99, 88 III 80, 89 IV 79 Erw. 3). Art. 63 Abs. 1 KV gehört, wie
schon in BGE 86 III 24 dargelegt, nicht zu diesen Vorschriften, da die
Art, wie eine zur Zeit der Konkurseröffnung bereits im Prozess liegende
Forderung gegen den Gemeinschuldner im Kollokationsplan behandelt wird,
nur für einen begrenzten Personenkreis - die Konkursgläubiger - von
Bedeutung ist. Beschwerden wegen Verletzung von Art. 63 Abs. 1 KV sind
daher bei Gefahr der Verwirkung des Beschwerderechts innert der Frist von
Art. 17 Abs. 2 SchKG zu führen. Dabei macht es entgegen der Auffassung des
Rekurrenten keinen Unterschied, ob der Beschwerdeführer einen Verstoss
gegen Art. 63 Abs. 1 KV bei Behandlung seiner eigenen Forderung oder
einen solchen bei der Behandlung von Forderungen anderer Gläubiger rügt.

    Die Frist zur Beschwerde wegen Verfahrensfehlern, die bei der
Aufstellung des Kollokationsplanes begangen worden sein sollen, läuft nach
der Rechtsprechung des Bundesgerichts gleich wie die Frist für die Klage
auf Anfechtung des Kollokationsplans (Art. 250 SchKG) für alle Beteiligten
von der öffentlichen Bekanntmachung der Auflegung des Kollokationsplans an,
sofern dieser nicht etwa erst später als in der Bekanntmachung angegeben
aufgelegt wird (BGE 56 III 226, 71 III 182 f.; vgl. auch BGE 48 III 192;
zum Begriff des Zeitpunktes der öffentlichen Bekanntmachung der Auflegung
des Plans siehe BGE 62 III 203 ff.). Wenn in BGE 86 III 24 gesagt wurde,
die Frist beginne mit dem Empfang der Anzeige von der Auflegung des Plans
(d.h. mit dem Empfang der Anzeige im Sinne von Art. 249 Abs. 3 SchKG),
so beruht das, wie das nachfolgende Zitat aus dem auf den Zeitpunkt der
öffentlichen Bekanntmachung der Auflegung abstellenden Entscheide BGE 71
III 182 f. zeigt, auf einem redaktionellen Versehen, das auf die damals
getroffene Entscheidung keinen Einfluss hatte.

    Innert der hienach massgebenden Frist hat sich der Rekurrent über
die Art der Behandlung seiner Forderung im Kollokationsplan nicht
beschwert. Er hat gegenteils innert der Frist des Art. 250 Abs. 1
SchKG Kollokationsklage eingeleitet. Die in der Beschwerde gegen die
Verfügung vom 1. August 1967 erhobene Rüge, das Konkursamt habe bei
der Aufstellung des Kollokationsplans Art. 63 Abs. 1 KV verletzt, ist
daher wegen Verspätung nicht zu hören. Hieran kann selbstverständlich
nichts ändern, dass das Konkursamt dem Rekurrenten in der eben erwähnten
Verfügung Frist zur Beschwerde setzte. Damit wurde der Rekurrent nur auf
die Möglichkeit hingewiesen, Beschwerde zu führen, um geltend zu machen,
diese Verfügung selbst sei gesetzwidrig oder unangemessen.

Erwägung 2

    2.- Die Versäumung der Frist zur Beschwerde gegen die Behandlung der
Forderung des Rekurrenten im Kollokationsplan hatte zur Folge, dass der
Streit darüber, ob diese Forderung bei der Verteilung der Konkursmasse
zu berücksichtigen sei, auf dem Wege des Kollokationsprozesses im Sinne
von Art. 250 SchKG auszutragen war. Die Entscheidung dieses Streites
hängt also vom Ausgang des vom Rekurrenten beim Konkursgericht in Sissach
eingeleiteten Prozesses ab. Das Ergebnis des in Singapur hängigen Prozesses
muss, da die Auseinandersetzung über die Forderung des Rekurrenten durch
eine rechtskräftig gewordene Anordnung des Konkursamtes in das Verfahren
nach Art. 250 SchKG verwiesen wurde, im vorliegenden Konkursverfahren
unberücksichtigt bleiben. Die zweite Gläubigerversammlung, die im
allgemeinen über die Fortführung von hängigen Prozessen gegen den
Gemeinschuldner zu entscheiden hat (Art. 63 Abs. 4 in Verbindung mit
Art. 48 KV; BGE 49 III 17, 83 III 77, 88 III 45) und die im vorliegenden
Falle nach der Darstellung des Rekurrenten am 15. Dezember 1966 stattfand,
hatte deshalb über die Fortführung des in Singapur hängigen Prozesses
gegen die Gemeinschuldnerin nicht zu entscheiden. Der Rekurrent kann also
daraus, dass die zweite Gläubigerversammlung keinen solchen Beschluss
fasste und dass auch kein Gläubiger mit Bezug auf diesen Prozess ein
Abtretungsbegehren im Sinne von Art. 260 SchKG stellte, nichts zu seinen
Gunsten ableiten.

    Der in Sissach eingeleitete Kollokationsprozess endigte damit, dass
der Gerichtspräsident das Verfahren als durch Rückzug der Klage erledigt
abschrieb. Diese Verfügung blieb unangefochten. Sie ist daher für die
Konkursbehörden massgebend.

    Muss die Kollokationsklage des Rekurrenten als zurück gezogen gelten,
so hat das Konkursamt mit Recht entschieden, der Rekurrent scheide als
Gläubiger aus dem hängigen Kon kursverfahren aus und nehme deshalb an
der Verteilung des Massevermögens nicht teil.

Erwägung 3

    3.- Da der Rekurs schon daran scheitert, dass der Rekurrent die
Frist für die Beschwerde gegen den Kollokationsplan versäumt hat und
dass seine Kollokationsklage als durch Rückzug erledigt erklärt wurde,
kann dahingestellt bleiben, ob Art. 207 SchKG und Art. 63 KV auf den
Prozess in Singapur überhaupt anwendbar waren (vgl. hiezu JAEGER N. 2 zu
Art. 207 SchKG, S. 66; SANDOZ, De l'effet de la faillite sur les procès
du débiteur, Diss. Lausanne 1938, S. 49/50) und welche Wirkungen das in
diesem Prozess ergehende Urteil an sich in der Schweiz entfalten könnte.