Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 93 III 39



93 III 39

8. Entscheid vom 16. Oktober 1967 i.S. Elmpt. Regeste

    Zwangsversteigerung von Grundstücken.

    1.  Ungültigkeit von Angeboten für Personen, die bei Stellung des
Angebots nicht namentlich bezeichnet werden (Art. 58 Abs. 3 VZG). (Erw. 2;
vgl. auch Erw. 7).

    2.  Fortsetzung der Steigerung im Falle, dass sich das letzte Angebot
als nach Art. 58 Abs. 3 VZG ungültig erweist (entsprechende Anwendung
von Art. 60 Abs. 2 VZG). (Erw. 3).

    3.  Befugnis des betriebenen Schuldners, an der Steigerung teilzunehmen
(Erw. 4).

    4.  Das Betreibungsamt darf ein Angebot des Schuldners nicht übergehen,
ohne ihm Gelegenheit zu geben, die Zweifel an seiner Fähigkeit zur
Erfüllung der Steigerungsbedingungen zu beseitigen (Erw. 5).

    5.  Hat der Schuldner das Recht zur Anfechtung des Zuschlags an
einen Dritten dadurch verwirkt, dass er an der vom Betreibungsamt
unter Missachtung seines Angebots fortgesetzten Steigerung nicht
teilnahm? (Erw. 6).

Sachverhalt

    A.- Auf Begehren des Pfändungsgläubigers Peter Elmpt, der seinen
Vater Carl Elmpt für eine Restschuld von Fr.74'642.70 nebst Zins betrieb,
versteigerte das Betreibungsamt Kreuzlingen am 14. Juni 1967 die dem
Schuldner gehörenden, betreibungsamtlich auf Fr. 211'000.-- geschätzten
und mit Grundpfandschulden von Fr. 104'844.10 belasteten Grundstücke
Parzellen Nr. 887 und Nr. 334 in Kreuzlingen. Die Steigerung begann mit
einem Angebote Fritz Schrepfers von Fr. 150'000.--. Auf das ebenfalls von
Schrepfer gemachte 5. Angebot von Fr. 162'000.-- folgte als 6. Angebot
ein solches des Schuldners von Fr. 250'000.--. Der Vertreter Peter Elmpts
rief dazwischen: "Dieses Angebot ist ungültig", doch ging die Steigerung
ohne Unterbruch weiter wie folgt:

    7. Angebot Fr. 251'000.-- Ed. Iten

    8. Angebot Fr. 252'000.-- F. Schrepfer

    9. Angebot Fr. 255'000.-- Ed. Iten.

    Das 9. Angebot wurde nicht überboten. Als das feststand, leistete
Iten die nach Ziffer 10 der Steigerungsbedingungen unmittelbar vor dem
Zuschlag zu erbringende Barzahlung von Fr. 10'000.-- und legte eine
ihm vom Schuldner erteilte Vollmacht vor mit der Erklärung, er habe
für diesen geboten. Der Betreibungsbeamte eröffnete ihm, das sei nicht
möglich, er könne die Liegenschaften nur für sich selbst ersteigern. Dies
wollte Iten nicht. In der Erwägung, der Schuldner habe auf den Erfolg
der Steigerung eingewirkt, ohne die Steigerungsbedingungen erfüllen zu
können, setzte hierauf das Betreibungsamt die Steigerung fort, indem es
auf das dem Angebot des Schuldners vorausgegangene Angebot Schrepfers
von Fr. 162.000.-- (das 5. Angebot) zurückgriff. Von da an boten nur
noch Peter Elmpt und Schrepfer. Ein Angebot Schrepfers von Fr. 180'000.--
blieb das höchste. Nachdem Schrepfer im Auftrag der einfachen Gesellschaft
Fritz Schrepfer und Emil Rutishauser die Anzahlung von Fr. 10'000.--
geleistet hatte, erteilte das Betreibungsamt diesen beiden den Zuschlag.

    B.- Mit Beschwerde vom 21. Juni 1967 verlangte der Schuldner die
Aufhebung dieses Zuschlags. Er machte geltend, das Betreibungsamt hätte
das letzte Angebot seines Vertreters Iten annehmen sollen; wenn es die
Angebote Itens und sein eigenes Angebot für unbeachtlich gehalten habe,
hätte es auf jeden Fall das Angebot Schrepfers von Fr. 252'000.-- nicht
übergehen dürfen.

    In Übereinstimmung mit der untern Aufsichtsbehörde wies die kantonale
Aufsichtsbehörde die Beschwerde am 6. September 1967 ab.

    C.- Den Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde hat der Schuldner
an das Bundesgericht weitergezogen.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- (Prozessuale Frage).

Erwägung 2

    2.- Das Betreibungsamt hat die Angebote Itens, der sich erst bei
Leistung der Anzahlung von Fr. 10'000.-- als Vertreter des Schuldners
zu erkennen gab, mit Recht als ungültig betrachtet; denn gemäss Art. 58
Abs. 3 VZG (vgl. auch Ziffer 3 Abs. 4 der Steigerungsbedingungen, Formular
VZG Nr. 13) dürfen Angebote für namentlich nicht bezeichnete oder erst
später zu bezeichnende Personen nicht angenommen, d.h. nicht zum Ausruf
entgegengenommen werden, weil alle Teilnehmer an der Steigerung Anspruch
darauf haben zu wissen, wer mit ihnen bietet (BGE 55 III 71, 57 III 82/83;
vgl. auch 82 III 58/59). Dieser Punkt ist heute nicht mehr streitig.

Erwägung 3

    3.- Darf das Angebot, welches das letzte und höchste geblieben
ist, nicht berücksichtigt werden, weil sich ergibt, dass es für eine
bei seiner Stellung nicht genannte Person gemacht worden ist, so hat
der Betreibungsbeamte in entsprechender Anwendung von Art. 60 Abs. 2
VZG die Steigerung fortzusetzen, indem er das nächsttiefere Angebot
nochmals ausruft, und zwar dreimal, wenn es auf die beiden ersten Ausrufe
hin nicht überboten wird. Ein auf das ungültige Angebot hin allfällig
bereits erteilter Zuschlag ist sogleich zu widerrufen (vgl. BGE 82 III
60, wo es sich um ein Angebot eines Vertreters handelte, der sich über
seine Vertretungsbefugnis an der Steigerung nicht genügend auszuweisen
vermochte). Ist das nächsttiefere Angebot seinerseits ungültig, so ist
auf das höchste gültige Angebot zurückzugreifen.

    Die Vorinstanz hält dafür, das Betreibungsamt habe das dem letzten
Angebot Itens unmittelbar vorausgegangene Angebot Schrepfers von
Fr. 252'000.-- mit Recht nicht berücksichtigt, weil es durch das auf
Fr. 251'000.-- lautende, nach Art. 58 Abs. 3 VZG nicht beachtliche
vorletzte Angebot Itens ausgelöst worden sei. Es kann dahingestellt
bleiben, ob das erwähnte Angebot Schrepfers aus diesem Grunde ausser acht
gelassen werden durfte, obwohl Schrepfer selber damals offenbar nicht
geltend machte, er lasse sich bei diesem Angebote nicht behaften. Das
Betreibungsamt durfte nämlich nur dann auf das Angebot Schrepfers von
Fr. 162'000.-- zurückgreifen, wenn nicht bloss die beiden Angebote
Itens und das Angebot Schrepfers von Fr. 252'000.-- unbeachtlich waren,
sondern wenn ausserdem anzunehmen war, auch das eigene Angebot des
Schuldners von Fr. 250'000.-- verdiene keine Beachtung, und von diesen
beiden Voraussetzungen war, wie im folgenden darzulegen ist, auf jeden
Fall die zweite nicht erfüllt.

Erwägung 4

    4.- Entgegen der Auffassung, die namentlich der Vertreter
des Pfändungsgläubigers Peter Elmpt in seiner Vernehmlassung an
die untere Aufsichtsbehörde vertrat, ist der betriebene Schuldner
grundsätzlich befugt, an der Zwangsversteigerung ihm gehörender
Gegenstände teilzunehmen. Die Zwangsversteigerung führt nicht zum
Abschluss eines privatrechtlichen Kaufvertrags zwischen dem Schuldner
und dem Ersteigerer, dessen Zustandekommen voraussetzen würde, dass der
Schuldner und der Ersteigerer verschiedene Personen sind. Der Zuschlag,
der das vom öffentlichen Recht beherrschte Zwangsversteigerungsverfahren
abschliesst, ist eine rechtsgestaltende amtliche Verfügung, mit welcher
der Steigerungsleiter dem bisherigen Eigentümer das Eigentum entzieht und
es dem Ersteigerer kraft Amtsgewalt verleiht. Die rechtliche Natur der
Zwangsversteigerung schliesst also nicht aus, dass der betriebene Schuldner
als Ersteigerer auftritt. In der Praxis ist denn auch schon längst
anerkannt, dass der Schuldner an der Versteigerung seiner Vermögenswerte
teilnehmen kann (BGE 27 I 601 Erw. 3 = Sep. ausg. 4 S. 239 Erw. 3; JAEGER
N. 2 B zu Art. 125 SchKG, S. 407, mit Hinweis auf § 1239 des deutschen
BGB und § 816 Abs. 4 der deutschen ZPO, wo ausdrücklich bestimmt ist,
dass der Eigentümer bei der Versteigerung mitbieten kann). Der Schuldner
kann hieran ein berechtigtes Interesse haben (so namentlich dann, wenn
es ihm erst unmittelbar vor dem Steigerungstermin gelingt, die Mittel
zur Deckung der Schulden, für die er betrieben ist, zu beschaffen).

Erwägung 5

    5.- Das Betreibungsamt liess das Angebot des Schuldners hauptsächlich
deshalb unberücksichtigt, weil es annahm, der Schuldner könne die
Steigerungsbedingungen nicht erfüllen.

    Der Umstand, dass ein Schuldner die Anordnung der Zwangsversteigerung
nicht zu verhindern vermochte, lässt in der Tat an seiner finanziellen
Leistungsfähigkeit zweifeln. Diese Zweifel genügen aber nicht, um ein
Angebot des Schuldners ohne weiteres als unbeachtlich zu erklären. Das
Betreibungsamt hat dem Schuldner vielmehr Gelegenheit zu geben, diese
Zweifel zu beseitigen. Nur wenn ihm das nicht gelingt, darf sein Angebot
übergangen werden.

    a) Bleibt ein vom Schuldner gemachtes Angebot nach dreimaligem
Ausruf das höchste, so hat das Betreibungsamt von ihm in Anwendung von
Ziffer 10 Abs. 3 der Steigerungsbedingungen (Formular VZG Nr. 13) neben
der vor dem Zuschlag zu leistenden Barzahlung noch Sicherheit für den
gestundeten Teil des Steigerungspreises durch Bürgschaft oder Hinterlegung
von Wertschriften zu verlangen (vgl. BGE 27 I 601 und JAEGER N. 2 B zu
Art. 125 SchKG). Kommt der Schuldner dieser Aufforderung an der Steigerung
nicht nach, so fällt sein Angebot dahin und ist die Steigerung gemäss
Art. 60 Abs. 2 VZG fortzusetzen (vgl. Ziff. 10 Abs. 3 des erwähnten
Formulars). Leistet er dagegen genügende Sicherheit, so ist ihm der
Zuschlag zu erteilen.

    b) Da die finanzielle Leistungsfähigkeit eines Schuldners, der es
zur Gant kommen lässt, in der Regel zweifelhaft ist und da die Stellung
von Angeboten durch Personen, welche die Steigerungsbedingungen nicht zu
erfüllen vermögen, wie z.B. das Anstellen von Strohmännern (vgl. BECKER
und OSER/SCHÖNENBERGER, je N. 2 zu Art. 230 OR) eine gegen die guten Sitten
verstossende Einwirkung auf den Erfolg der Versteigerung (Art. 230 Abs. 1
OR) darstellen kann, lässt sich auch erwägen, ob das Betreibungsamt die
Entgegennahme von Angeboten des Schuldners zum Ausruf davon abhängig machen
dürfe, dass der Schuldner seine Fähigkeit, die Steigerungsbedingungen
zu erfüllen, sogleich glaubhaft macht. Das kann z.B. dadurch geschehen,
dass der Schuldner das für die Anzahlung nötige Geld und die Bürgschafts-
oder Garantieerklärung oder die Wertschriften, mit denen er den gestundeten
Betrag sicherzustellen gedenkt, dem Steigerungsleiter vorzeigt.

    Im vorliegenden Falle hat das Betreibungsamt den Schuldner weder
im Anschluss an dessen Angebot noch im Anschluss an die Feststellung,
dass das letzte Angebot Itens unbeachtlich war, dazu eingeladen,
seine Fähigkeit zur Erfüllung der Steigerungsbedingungen glaubhaft zu
machen. Ebensowenig ist das Angebot des Schuldners dreimal ausgerufen
worden und das letzte geblieben. Er wurde demgemäss auch nicht
aufgefordert, die Sicherstellung im Sinne von Ziffer 10 Abs. 3 der
Steigerungsbedingungen zu leisten. Er erhielt also keine Gelegenheit,
die Zweifel an seiner finanziellen Leistungsfähigkeit zu beseitigen. Bei
dieser Sachlage war das Betreibungsamt nicht berechtigt, sein Angebot
als unbeachtlich zu betrachten und auf das Angebot Schrepfers von Fr.
162'000.-- zurückzugreifen.

Erwägung 6

    6.- Die Vorinstanz ist der Meinung, dem Schuldner sei durch
das Zurückgreifen auf das Angebot von Fr. 162'000.-- kein Nachteil
entstanden. Wenn er sich zum Bieten berechtigt gehalten habe, habe es
ihm freigestanden, sein Angebot von Fr. 250'000.-- zu erneuern. Das
Betreibungsamt habe ihn daran nicht gehindert. Die Tatsache, dass er
sich nicht mehr gemeldet habe, lasse sein vorheriges Angebot "zusätzlich"
als fragwürdig und nicht ernstgemeint erscheinen.

    Diese Erwägungen überzeugen nicht. Der Schuldner hat die Befugnis, den
Zuschlag an Schrepfer und Rutishauser wegen Übergehung seines Angebots
anzufechten, nicht verwirkt, indem er es unterliess, dieses Angebot
bei der vom Betreibungsamt angeordneten Fortsetzung der Steigerung
zu erneuern. Nachdem das Amt sein Angebot in der angegebenen Weise als
unbeachtlich behandelt und den Zwischenruf des Vertreters von Peter Elmpt,
dieses Angebot sei ungültig, nicht zurückgewiesen hatte, konnte es dem
Schuldner als zwecklos erscheinen, sich weiterhin an der Steigerung zu
beteiligen. Aus seinem Verhalten dürfen daher keine für ihn nachteiligen
Schlüsse gezogen werden.

Erwägung 7

    7.- Ist der Zuschlag aus den angeführten Gründen aufzuheben, so
kann dahingestellt bleiben, ob es mit Art. 58 Abs. 3 VZG und mit der
Rechtsprechung zu dieser Bestimmung (Erw. 2 hiervor) vereinbar war, die
Liegenschaften Schrepfer und Rutishauser zuzuschlagen, obwohl Schrepfer
nach dem Steigerungsprotokoll nur in seinem eigenen Namen geboten hatte.

Erwägung 8

    8.- (Verwertungskosten).

Entscheid:

Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid und
der den Rekursgegnern Fritz Schrepfer und Emil Rutishauser bei der
Zwangsversteigerung der Liegenschaften des Rekurrenten am 14. Juni 1967
zum Preise von Fr. 180'000.-- erteilte Zuschlag werden aufgehoben, und
das Betreibungsamt Kreuzlingen wird angewiesen, eine neue Steigerung
durchzuführen.