Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 92 I 60



92 I 60

12. Urteil vom 4. Februar 1966 i.S. Einwohnergemeinde Laufenburg gegen
Regierungsrat des Kantons Aargau. Regeste

    Sperrfrist für die Weiterveräusserung landwirtschaftlicher Grundstücke;
Ausnahmebewilligung (Art. 218, 218 bis OR).

    1.  Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Erw. 1).

    2.  Legitimation zur Beschwerde (Erw. 2).

    3.  Voraussetzungen der Ausnahmebewilligung. Es ist nicht erforderlich,
dass wichtige Gründe bei beiden Vertragsparteien vorliegen (Erw. 4).

    4.  Verweigerung der Ausnahmebewilligung in einem Falle, in dem der
Verkäufer einen Spekulationsgewinn erzielen und der Käufer, eine Gemeinde,
sich eine Baulandreserve vor einem weiteren Anstieg der Bodenpreise
sichern will (Erw. 5).

Sachverhalt

    A.- Der Kaufmann Emil Stutz, in Lenzburg, kaufte am 4.  Januar 1963 das
in der Gemeinde Laufenburg liegende, 406,64 a messende landwirtschaftliche
Grundstück "Grosse Schollenhalde" zum Preise von Fr. 191, 120.80. Am
5. Januar 1965, also vor Ablauf der zehnjährigen Sperrfrist des Art. 218
OR, verkaufte er es zum Preise von Fr. 406'640.-- an die Einwohnergemeinde
Laufenburg, welche überdies die Bezahlung der Grundstückgewinnsteuer
übernahm.

    Er und die Gemeinde ersuchten die Landwirtschaftsdirektion des
Kantons Aargau unter Berufung auf Art 218 bis OR, diese Veräusserung zu
gestatten. Die Landwirtschaftsdirektion wies das Gesuch ab.

    Auf Beschwerde der Gemeinde hin bestätigte der Regierungsrat des
Kantons Aargau diese Verfügung mit Entscheid vom 15. Juli 1965. Er
führte aus, die Gemeinde habe das Grundstück ursprünglich für den Bau
eines Spitals verwenden wollen, doch habe sie diese Absicht aufgegeben,
so dass auf ihrer Seite ein wichtiger Grund im Sinne des Art. 218 bis OR
nicht mehr vorliege. Auf jeden Fall fehle ein solcher Grund auf Seiten
des Verkäufers Stutz. Die Veräusserung habe spekulativen Charakter;
würde sie doch dem Verkäufer nach einer Besitzesdauer von nur zwei Jahren
einen hohen Gewinn verschaffen, mit dem er wiederum Land zum Zwecke der
Spekulation erwerben könnte.

    B.- Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die
Einwohnergemeinde Laufenburg, den Entscheid des Regierungsrates aufzuheben
und den Kaufvertrag vom 5. Januar 1965 zu genehmigen.

    Es wird geltend gemacht, der angefochtene Entscheid verletze Art. 218
bis OR. Die Auffassung des Regierungsrates, dass wichtige Gründe bei
beiden Vertragsparteien vorliegen müssten, sei willkürlich. Auf Seiten der
Beschwerdeführerin beständen solche Gründe. Da sie gebietsmässig eine der
kleinsten Gemeinden des Kantons Aargau sei und ihre Baulandreserve nur
6 ha umfasse, sei sie dringend auf weiteres Bauland angewiesen. Mit dem
Übergang an sie werde die "Grosse Schollenhalde" der Spekulation entzogen.
Auf dem Land könnten später öffentliche Bauten oder Wohnbauten, welche
voraussichtlich zu vernünftigen Bedingungen vermietet würden, erstellt
werden. Die Gemeinde habe ein grosses Interesse daran, das Grundstück
jetzt zu erwerben, da es noch zu einem annehmbaren Preise erhältlich
sei. Es müsse damit gerechnet werden, dass nach Ablauf der Sperrfrist
die Bodenpreise weiter gestiegen sein werden, und es sei nicht sicher,
dass das Land dannzumal nicht wieder in private Hände übergehe.

    Der Regierungsrat lasse denn auch durchblicken, dass er wichtige Gründe
bei der Beschwerdeführerin noch annehmen könnte. Er lege entscheidendes
Gewicht auf die Verhältnisse beim Verkäufer Stutz. Leider habe die Gemeinde
sich nicht schon zwei Jahre früher um das Grundstück beworben. Damals habe
Stutz noch kaum mit einem so raschen Weiterverkauf rechnen können. Die
blosse Möglichkeit, dass er mit dem Verkaufsgewinn anderes Land in
spekulativer Absicht erwerben werde, rechtfertige es jedenfalls nicht,
das Vorliegen eines wichtigen Grundes auf Seiten der Gemeinde zu verneinen.

    C.- Der Regierungsrat des Kantons Aargau und das eidgenössische Justiz-
und Polizeidepartement beantragen die Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 218 Abs. 1 OR dürfen landwirtschaftliche Grundstücke
während einer Frist von zehn Jahren, vom Eigentumserwerb an gerechnet,
weder als Ganzes noch in Stücken veräussert werden. Diese Bestimmung
ist gemäss Abs. 2 daselbst nicht anwendbar auf Bauland, auf Grundstücke,
die sich in vormundschaftlicher Verwaltung befinden, und auf Grundstücke,
die im Betreibungs- und Konkursverfahren verwertet werden. Art. 218 bis OR
sieht eine weitere Ausnahme vor: Die vom Kanton der gelegenen Sache als
zuständig erklärte Behörde kann aus wichtigen Gründen eine Veräusserung
vor Ablauf der zehnjährigen Frist gestatten, wie namentlich zum Zwecke
einer erbrechtlichen Auseinandersetzung, der Abrundung landwirtschaftlicher
Betriebe sowie zur Verhinderung einer Zwangsverwertung.

    Art. 218 bis OR bestimmte ursprünglich in einem zweiten Satz,
dass die kantonale Behörde endgültig entscheidet. Danach konnte
der Entscheid der einzigen oder letzten kantonalen Instanz nicht
mit einem ordentlichen eidgenössischen Rechtsmittel, sondern nur mit
staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte
angefochten werden. Durch das Bundesgesetz vom 19. März 1965 über die
Änderung der Vorschriften des ZGB und des OR betreffend das Baurecht und
den Grundstückverkehr ist der zweite Satz des Art. 218 bis OR aufgehoben
und ein neuer Art. 218 quater in das OR eingefügt worden, welcher u.a.
gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide über die Anwendung des
Art. 218 bis OR die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht
zulässt. Nach dieser neuen Ordnung, die am 1. Juli 1965 in Kraft getreten
ist, unterliegt der angefochtene Entscheid des Regierungsrates des Kantons
Aargau vom 15. Juli 1965 der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Erwägung 2

    2.- Die Gemeinde Laufenburg ist zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde
legitimiert (Art. 103 Abs. 1 OG); denn sie war in dem angefochtenen
Entscheide als Partei beteiligt, und zudem ist sie durch ihn, wie sie
geltend macht, in ihren Rechten verletzt, wenn vorausgesetzt wird, er
sei objektiv rechtswidrig.

Erwägung 3

    3.- Es ist nicht bestritten, dass die "Grosse Schollenhalde" ein
landwirtschaftliches Grundstück im Sinne des Art. 218 Abs. 1 OR darstellt
und nicht unter die in Abs. 2 ebenda (für Bauland usw.) vorgesehenen
Ausnahmen fällt. Die Liegenschaft untersteht daher dem Verbot der
Veräusserung vor Ablauf der zehnjährigen Sperrfrist, es sei denn, dass
sie davon nach Art. 218 bis OR auszunehmen wäre.

Erwägung 4

    4.- Das Veräusserungsverbot des Art. 218 Abs. 1 OR bezweckt,
den bäuerlichen Grundbesitz durch Unterbindung der Spekulation mit
landwirtschaftlichen Grundstücken zu erhalten. Art. 218 bis OR ermöglicht
es, Härten des grundsätzlich geltenden Verbots zu mildern, sofern die
besonderen Verhältnisse des einzelnen Falles dies rechtfertigen (BGE
89 I 9). In der Fassung dieser Bestimmung als Kann-Vorschrift kommt zum
Ausdruck, dass der kantonalen Behörde bei der Beurteilung des Sachverhalts
ein weiter Spielraum des Ermessens eingeräumt ist.

    Der Regierungsrat des Kantons Aargau hat sich früher auf den Standpunkt
gestellt, dass eine Ausnahme nach Art. 218 bis OR nur bewilligt werden
könne, wenn wichtige Gründe bei beiden Vertragsparteien vorhanden seien
(Beispiel: BGE 88 1 203). Auch im angefochtenen Entscheide scheint er von
dieser Auffassung auszugehen; denn er führt dort aus, selbst wenn bei der
Gemeinde Laufenburg wichtige Gründe vorlägen, müsste die Genehmigung des
Kaufvertrages verweigert werden, weil auf der Seite des Verkäufers solche
Gründe zweifellos fehlten.

    Nun hat aber das Bundesgericht schon zur Zeit, da seine Prüfung auf
den Gesichtspunkt der Willkür beschränkt war, erklärt, dass die starre
Anwendung dieses Grundsatzes mit Art. 218 bis OR nicht vereinbar sei. Dass
dem so ist, ergibt sich in der Tat aus den in dieser Bestimmung erwähnten
Beispielen, bei denen ein wichtiger Grund in aller Regel nur bei einer der
Vertragsparteien vorliegt. Das Bundesgericht hat es daher als willkürlich
bezeichnet, wenn die kantonale Behörde "das Vorliegen wichtiger Gründe
nicht im Zusammenhang mit dem ganzen Kaufgeschäft und als Einheit, sondern
getrennt beim Verkäufer und beim Käufer prüft und die Bewilligung zum
vorzeitigen Verkauf ohne jede Rücksicht auf das Gewicht und die Bedeutung
der bei der einen Vertragspartei bestehenden Gründe verweigert, wenn bei
der anderen Vertragspartei keine wichtigen Gründe im Sinne von Art. 218 bis
OR vorliegen" (Urteil vom 19. Dezember 1962 i.S. Scheuber gegen Aargau,
Erw. 2, abgedruckt im ZBl 64/1963 S. 155). Hieran ist festzuhalten. In
seiner Vernehmlassung schliesst sich übrigens auch der Regierungsrat
dieser Betrachtungsweise an.

Erwägung 5

    5.- Prüft man den Sachverhalt, wie er sich bei beiden Vertragsparteien
und im Zusammenhang darstellt, so ergibt sich:

    a) Es ist offenbar nicht bestritten, dass beim Verkäufer Stutz keine
wichtigen Gründe zu einem vorzeitigen Verkauf bestehen. Er würde, wenn
der Vertrag genehmigt würde, nach einer Besitzesdauer von nur zwei Jahren
einen Gewinn von rund Fr. 215'500.-- erzielen. Er hat das Grundstück nicht
für den Eigengebrauch erworben, sondern in der Absicht, es möglichst bald
wieder mit Gewinn zu veräussern, d.h. zum Zwecke der Spekulation. Solche
Spekulationsgeschäfte zu erschweren, ist gerade der Zweck der Sperrfrist
des Art. 218 OR (BGE 88 I 204). Durch eine Ausnahmebewilligung würde also
im vorliegenden Falle genau das ermöglicht, was das Gesetz verhindern
will. Ob der Verkäufer schon beim Erwerb der Liegenschaft einen so
baldigen und so grossen Gewinn beabsichtigt oder vorausgesehen hat, ist
unerheblich. Wenn der Gewinn seine Erwartungen übertrifft, ändert dies
nichts daran, dass es sich bei ihm um ein typisches Spekulationsgeschäft
handelt. Unter diesen Umständen braucht die Annahme des Regierungsrates,
dass der Verkäufer wohl mit dem Gewinn alsbald wieder anderes Land in
Spekulationsabsicht erwerben würde, nicht weiter geprüft zu werden.

    b) Die Gemeinde Laufenburg benötigt die "Grosse Schollenhalde" nicht
für einen sofort zu verwirklichenden öffentlichen Zweck, insbesondere nicht
für den Bau eines Spitals. Aus der Beschwerdeschrift geht hervor, dass
auch der Wohnbau, für den das Grundstück eventuell in Aussicht genommen
ist, nicht etwa unmittelbar bevorsteht. Benötigt aber die Gemeinde das
Land nicht vor dem Jahre 1973 (Ablauf der Sperrfrist), so wird ihre
Chance, es noch rechtzeitig erwerben zu können, durch das Verbot eines
vorzeitigen Kaufs nicht zerstört. Die Gemeinde fürchtet allerdings,
das Grundstück könnte ihr entgehen, wenn sie es nicht jetzt kaufen
kann. Allein unter gleichen Verhältnissen kann der heutige Eigentümer die
"Grosse Schollenhalde" vor dem Ablauf der Sperrfrist auch keinem Dritten
verkaufen. Ernster zu nehmen ist die Befürchtung der Gemeinde, dass die
Bodenpreise weiter ansteigen, sie also im Jahre 1973 einen höheren Preis
werde auslegen müssen als jetzt. Auch wenn, wie der Regierungsrat in der
Vernehmlassung ausführt, die Bodenpreise zurzeit "eher sinkende Tendenz
aufweisen", ist doch mit einer weiteren Verteuerung bis zum Jahre 1973
ernsthaft zu rechnen. Das ist aber der einzige Gesichtspunkt, den die
Gemeinde als wichtigen Grund für einen sofortigen Erwerb der "Grossen
Schollenhalde" anführen kann.

    c) Als wichtige Gründe stehen sich also gegenüber die Verhinderung
eines rechtlich verpönten Spekulationsgeschäftes auf der einen, die
Ermöglichung des sofortigen Bodenerwerbs durch die Gemeinde, um einer
allfälligen Erhöhung des Bodenpreises zuvorzukommen, auf der anderen
Seite. Wenn der Regierungsrat bei diesem Sachverhalt die Verunmöglichung
des Spekulationsgeschäfts in den ersten Rang gestellt und deshalb die
Ausnahmebewilligung verweigert hat, so hat er das ihm zustehende Ermessen
weder überschritten noch missbraucht. Nur dann, wenn ihm ein solcher
Ermessensfehler vorzuwerfen wäre, läge aber eine Rechtsverletztung
vor, die durch das Bundesgericht zu beheben wäre (BGE 87 I 438/9, 89 I
340). Die Befugnis der Gemeinde, die "Grosse Schollenhalde" nach Ablauf
der Sperrfrist zu erwerben, steht nicht im Streit. Ihre Chance, das
Land zu erhalten, wird dannzumal kaum geringer sein als jetzt. Sollte die
Gemeinde indessen aus einem Grunde, der heute noch nicht ersichtlich ist,
das Grundstück schon vor Ablauf der Sperrfrist zur Überbauung benötigen, so
kann sie es bereits vorher kaufen, sobald es in Bauland umgewandelt worden
ist. Alsdann gilt nicht mehr Art. 218 Abs. 1 OR, sondern Abs. 2 ebenda,
welcher Bauland von der Sperrfrist ausnimmt. Der heutige Eigentümer kann
das Land erschliessen, sei es ohne, sei es mit finanzieller Beihilfe der
Gemeinde, oder diese kann mit seiner Zustimmung die Erschliessung auch
gleich selber besorgen. Vorbehalten bleibt ferner das Recht der Gemeinde,
die Enteignung des Grundstückes für die Ausführung eines im öffentlichen
Interesse liegenden konkreten Bauvorhabens zu verlangen.

    Durch die Verweigerung der Ausnahmebewilligung hat also der
Regierungsrat weder die gegenwärtigen Bedürfnisse der Gemeinde Laufenburg
missachtet, noch ihr verunmöglicht, ihre allfälligen künftigen Interessen
zu wahren. Mit der Hintanstellung der Gefahr, dass die Gemeinde bei
Ablauf der Sperrfrist für den Boden vielleicht mehr wird bezahlen müssen
als heute, hat er die Rangordnung der sich gegenüberstehenden wichtigen
Gründe nicht sachwidrig bestimmt.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.