Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 92 I 49



92 I 49

10. Urteil vom 18. Februar 1966 i.S. Eidg. Steuerverwaltung gegen
Schatzmann und Steuerrekurskommission des Kantons Aargau Regeste

    Wehrsteuer auf Gewinnen, die im Betriebe eines buchführungspflichtigen
Unternehmens bei der Veräusserung von Vermögensstücken erzielt werden
(Art. 21 Abs. 1 lit. d WStB).

    Wenn die veräusserte Liegenschaft zugleich privaten und geschäftlichen
Zwecken gedient hat, ist ihr Wert in Privat- und Geschäftsvermögen zu
zerlegen und nur der auf den geschäftlichen Teil entfallende Gewinn in
die Steuerberechnung einzubeziehen (Änderung der Rechtsprechung).

Sachverhalt

    A.- Albert Schatzmann erwarb im Jahre 1941 von seinem Vater das Wohn-
und Geschäftshaus Kasinostrasse 35 in Aarau. In dem Gebäude befanden
sich zwei Ladenlokale und drei Wohnungen. Schatzmann betrieb in einem der
Ladenlokale sein Photogeschäft und benützte auch eine Wohnung selber. Das
andere Ladenlokal und die anderen Wohnungen vermietete er. Im Jahre 1961
verkaufte er die Liegenschaft im Zusammenhang mit der Aufgabe seines
Geschäfts.

    B.- Er wurde für den beim Verkauf der Liegenschaft erzielten
Gewinn zu einer Jahressteuer gemäss Art. 43 WStB herangezogen. Die
Veranlagungsbehörde setzte den nach Art. 21 Abs. 1 lit. d WStB steuerbaren
Gewinn auf Grund der Annahme fest, dass die Liegenschaft im ganzen Umfange
zum Geschäftsvermögen des Steuerpflichtigen gehört habe.

    Schatzmann erhob gegen den Einspracheentscheid Beschwerde bei der
kantonalen Rekurskommission. Er beantragte in erster Linie, die Besteuerung
eines Liquidationsgewinns sei aufzuheben, weil er die Liegenschaft zum
überwiegenden Teile für private Zwecke genutzt habe und sie daher zu
seinem Privatvermögen zu rechnen sei. Eventuell verlangte er Herabsetzung
des steuerbaren Gewinns nach dem Ergebnis einer Zerlegung des Wertes der
Liegenschaft im Verhältnis der Mietwerte des geschäftlich und des privat
genutzten Teils.

    Die Rekurskommission hiess die Beschwerde teilweise gut, indem sie dem
Eventualantrag des Steuerpflichtigen folgte (Entscheid vom 30. September
1965).

    C.- Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die eidgenössische
Steuerverwaltung, den Entscheid der Rekurskommission aufzuheben und die
im Einspracheverfahren getroffene Veranlagung wiederherzustellen.

    Sie macht geltend, eine zugleich für private und geschäftliche
Zwecke genutzte Liegenschaft sei als Ganzes entweder dem Privat-
oder dem Geschäftsvermögen zuzuweisen. Es komme darauf an, welchem
Vermögensteil sie überwiegend diene (Präponderanz). Danach werde sie in
der Regel dem Privatvermögen zugerechnet, wenn die Einnahmen aus der
Vermietung von Räumlichkeiten an Dritte den Mietwert des dem Geschäft
dienenden Teils übersteigen. Auch in diesem Falle sei sie aber im ganzen
Umfange als Geschäftsvermögen zu betrachten, wenn der Steuerpflichtige
sie aus geschäftlichen Gründen erworben habe, was hier zutreffe. Es
sei unerheblich, dass Albert Schatzmann die Liegenschaft im Jahre 1955
ausgebucht habe. Er habe nach wie vor den gesamten Liegenschaftsertrag
als Geschäftseinnahme verbucht. Die von der Rekurskommission vorgenommene
Wertzerlegung stehe im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des
Bundesgerichts.

    D.- Die kantonale Wehrsteuerverwaltung beantragt Gutheissung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

    Die kantonale Rekurskommission hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.

    Der Steuerpflichtige beantragt Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Wehrsteuerbeschluss trifft für die Besteuerung des Einkommens
buchführungspflichtiger natürlicher Personen besondere Anordnungen. Danach
bilden Kapitalgewinne aus Veräusserung oder Verwertung sowie verbuchte
Vermehrungen des Wertes von Gegenständen des Geschäftsvermögens
Bestandteile des Roheinkommens (Art. 21 Abs. 1 lit. d und f), während
anderseits Entwertungen solcher Gegenstände und Geschäftsverluste
abgezogen werden dürfen (Art. 22 Abs. 1 lit. b und c). Es wird auf den
Geschäftserfolg abgestellt, wobei Gewinne und Verluste auf geschäftlichen
Investitionen einbezogen werden. Nicht berücksichtigt werden Gewinne und
Verluste, die im Privatvermögen des Kaufmanns entstehen.

    Bei gewissen Vermögensgegenständen ergibt sich die Zugehörigkeit
zum Geschäfts- oder zum Privatvermögen ohne weiteres aus ihrer äusseren
Beschaffenheit. So sind die vom Kaufmann bewohnte Villa und sein Hausrat
notwendigerweise zum Privatvermögen, Geschäftsgebäude (Fabrikbauten usw.)
sowie Maschinen, mit denen Waren hergestellt werden, und Warenlager
zum Geschäftsvermögen zu rechnen. Schwierigkeiten bereitet dagegen die
Zuteilung von Sachen, die - wie Wertpapiere und gewisse Liegenschaften -
ihrer Natur nach ebensogut für geschäftliche wie für private Verwendung
geeignet sind. In solchen Fällen ist nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichts für die Zuweisung die Gesamtheit der tatsächlichen
Verhältnisse massgebend (BGE 70 I 260 Erw. 3, 82 I 177 Erw. 1 und 2,
85 I 250 Erw. 3).

    Oft dienen Liegenschaften, namentlich Gebäude mit Wohn- und
Geschäftsräumen, zugleich privaten und geschäftlichen Zwecken. Solche
Objekte hat das Bundesgericht bei der Anwendung des Wehrsteuerbeschlusses
regelmässig im ganzen Umfange entweder zum Privat- oder zum
Geschäftsvermögen - meistens zu diesem - gerechnet in der Annahme,
dass die eine oder die andere Zweckbestimmung überwiegendes Gewicht habe
(BGE 82 I 178, 85 I 250 Erw. 3; s. auch 83 I 263; ASA Bd. 27 S. 332 und
334 f., Bd. 28 S. 452 f. und 455 ff., Bd. 29 S. 240 ff., Bd. 30 S. 136,
Bd. 32 S. 35 f. und 98 ff., Bd. 33 S. 148 ff.; nicht veröffentlichte
Urteile vom 14. November 1958 i.S. Windler und vom 28. September 1962
i.S. Remy). Zwar hat es gelegentlich erklärt, dass eine Aufteilung
einer und derselben Liegenschaft in Privat- und Geschäftsvermögen
sich unter Umständen rechtfertigen liesse (ASA Bd. 33 S. 150), und in
einer Streitigkeit über die Zulässigkeit einer Abschreibung (Urteil vom
9. Oktober 1959 i.S. Gasser, nicht publiziert) hat es darauf hingewiesen,
dass die Verwaltungspraxis Abschreibungen auf einem Gebäude, das zugleich
geschäftlichen und privaten Zwecken dient, nur soweit zulässt, als sie
den geschäftlichen Teil betreffen (Kreisschreiben der eidgenössischen
Steuerverwaltung vom 20. Dezember 1951, ASA Bd. 21 S. 272, 273); doch
hat es sich in diesem Falle mit der Feststellung begnügen können, dass
der Steuerpflichtige in den Geschäftsbüchern selber die Abschreibung auf
den geschäftlichen Teil der Liegenschaft beschränkt hatte, und in den
oben erwähnten anderen Fällen - betreffend Liegenschaftsgewinne - hat es
eine Aufteilung in Geschäfts- und Privatvermögen nicht als gerechtfertigt
erachtet.

    Indessen muss bei der Berechnung der Wehrsteuer vom Einkommen
buchführungspflichtiger natürlicher Personen das Privatvermögen so genau
wie möglich vom Geschäftsvermögen geschieden werden. Diese Anforderung
wird nicht genügend beachtet, wenn gemischt genutzte Liegenschaften
durchweg nach Massgabe der als vorwiegend bewerteten Zweckbestimmung
im ganzen Umfange entweder dem einen oder dem anderen Vermögenskomplex
zugeteilt werden. In der Tat kann diese Methode dazu führen, dass entgegen
dem Gesetz Gewinne und Verluste unberücksichtigt bleiben, obwohl sie im
Geschäftsvermögen entstanden sind, oder erfasst werden, obwohl sie das
Privatvermögen betreffen. Es geht nicht an, dass ein Steuerpflichtiger,
der eine und dieselbe Liegenschaft für private und geschäftliche Zwecke
verwendet, hinsichtlich der Wehrsteuer besser oder schlechter gestellt
wird als derjenige, welcher unter im übrigen gleichen Verhältnissen
für jeden der beiden Zwecke eine besondere Liegenschaft zur Verfügung
hat. Eine sachgemässe, der gesetzlichen Ordnung entsprechende Besteuerung
ist in der Regel nur dann genügend gewährleistet, wenn der Wert gemischt
genutzter Liegenschaften nach dem Verhältnis, in dem die private und die
geschäftliche Zweckbestimmung zueinander stehen, zerlegt und einzig der
danach sich ergebende geschäftliche Teilwert in die Steuerberechnung
einbezogen wird (I. BLUMENSTEIN, Die Vermögensgewinnsteuerpflicht
bei Veräusserung von Geschäftsliegenschaften, in Monatsschrift für
bernisches Verwaltungsrecht und Notariatswesen Bd. 53, S. 289 ff.; HÖHN,
Die Besteuerung der privaten Gewinne, S. 69 Anm. 17 a; ALTORFER, Geschäfts-
und Privatvermögen im Einkommenssteuerrecht, S. 87 ff.). Die eidgenössische
Steuerverwaltung hat denn auch für die Veranlagung geschäftlicher Betriebe
zur Wehrsteuer die Weisung erlassen, dass eine Abschreibung auf einem
Gebäude, das nur zum Teil geschäftlichen Zwecken dient, "entsprechend
zu reduzieren" sei (zit. Kreisschreiben). Mit Recht. Wie Abschreibungen
auf gemischt genutzten Liegenschaften nach Art. 22 Abs. 1 lit. b WStB auf
den geschäftlichen Teil beschränkt sind, so dürfen aber auch Vermehrungen
des Wertes solcher Liegenschaften gemäss Art. 21 Abs. 1 lit. d und f WStB
nur insoweit erfasst werden, als sie diesen Teil betreffen. Hier wie dort
ist der Wert der Liegenschaft zu zerlegen. Die ungeteilte Zuweisung zum
Geschäfts- oder zum Privatvermögen käme nur dann in Betracht, wenn die
private Zweckbestimmung im Verhältnis zur geschäftlichen oder umgekehrt
diese im Verhältnis zu jener völlig belanglos wäre (vgl. I. BLUMENSTEIN
aaO, S. 296).

    Gegen die Wertzerlegung ist eingewendet worden, sie lasse sich nur
schwer durchführen (J. KAUFMANN, Die Abgrenzung zwischen Geschäfts-
und Privatvermögen im eidgenössischen und zürcherischen Steuerrecht, in
Festschrift für E. Blumenstein, "Von der Steuer in der Demokratie", S. 121;
BOSSHARDT, Die neue zürcherische Einkommens- und Vermögenssteuer, S. 121;
GUHL, Die Spezialbesteuerung der Grundstückgewinne in der Schweiz, S. 319
und 341). Die Schwierigkeiten sind jedoch nicht derart, dass deswegen von
der Wertzerlegung abgesehen werden müsste. Dieses Verfahren wird von den
Wehrsteuerbehörden hinsichtlich der Abschreibungen bereits angewendet,
und es hat auch Eingang in die Steuerpraxis verschiedener Kantone und
Deutschlands gefunden; es hat sich also offenbar als durchführbar
erwiesen. Auch die Zuteilung nach dem Grundsatz der Präponderanz
kann Schwierigkeiten bereiten; setzt sie doch wie die auf Grund einer
Wertzerlegung vorgenommene Zuweisung eine Bewertung des privaten und
des geschäftlichen Teils des Vermögensobjektes voraus, wobei Schätzungen
erforderlich sind, soweit die massgebenden Tatsachen sich nicht belegen
lassen. Für die Zerlegung des Wertes einer gemischt genutzten Liegenschaft
kommen je nach den tatsächlichen Verhältnissen verschiedene Methoden in
Betracht. In vielen Fällen wird ohne weiteres auf das Verhältnis der
Mietwerte des privaten und des geschäftlichen Teils abgestellt werden
können; nötigenfalls wird das Ergebnis dieser Methode schätzungsweise zu
berichtigen sein (ALTORFER aaO, S. 102 ff.).

Erwägung 2

    2.- Schatzmann hat die Liegenschaft Kasinostrasse 35 zum Teil für
seinen der Buchführungspflicht unterliegenden Betrieb (Photogeschäft),
zum Teil für private Zwecke genutzt. Weder die geschäftliche noch die
private Verwendung war so unbedeutend, dass es sich rechtfertigen liesse,
die Liegenschaft als Ganzes dem Privat- oder dem Geschäftsvermögen
zuzuweisen. Mit Recht hat die Rekurskommission eine Wertzerlegung
vorgenommen. Der Gerichtshof hat keinen Grund, die dabei von ihr befolgte
Methode (Berechnung nach dem Verhältnis der Mietwerte) und das Ergebnis,
zu dem sie gelangt ist, zu beanstanden.

    Namentlich ist nichts dagegen einzuwenden, dass die Rekurskommission
die vom Steuerpflichtigen selber benützte Wohnung ohne Einschränkung zu dem
für private Zwecke verwendeten Teil der Liegenschaft gerechnet hat. Anders
wäre allenfalls zu entscheiden, wenn Schatzmann aus geschäftlichen Gründen
in besonderem Masse daran interessiert gewesen wäre, im gleichen Hause
zu wohnen, in dem er sein Ladengeschäft betrieben hat (vgl. BGE 85 I 250
Erw. 3, betreffend eine Bäckerei und Gastwirtschaft). So verhält es sich
indessen nicht.

    Der Steuerpflichtige hat somit den beim Verkauf der Liegenschaft
erzielten Gewinn in dem von der Vorinstanz festgelegten Umfange zu
versteuern.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.