Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 92 I 486



92 I 486

80. Urteil vom 22. September 1966 i.S. Eidg. Steuerverwaltung gegen
B. und Rekurskommission des Kantons Bern. Regeste

    Wehrsteuer: Die Vergütungen, die der nicht zur Führung kaufmännischer
Bücher verpflichtete Grundeigentümer von einer Unternehmung als
Gegenleistung für die Ausbeutung der in seinem Boden liegenden Kies-
und Sandschicht erhält, sind bei seiner Veranlagung zur Einkommenssteuer
nicht zu berücksichtigen, wenn die Schicht in kurzer Zeit vollständig
abgetragen wird.

Sachverhalt

    A.- B. erwarb am 13. Februar 1959 zum Preise von Fr.  44'700.--
ein landwirtschaftliches Heimwesen (Parzellen Nr. 453, 454 und 455)
mit einer Fläche von 22'124 m2. Durch Vertrag vom 20. Juli 1959 räumte
er der Bauunternehmung M. AG in Form einer Dienstbarkeit das Recht ein,
auf einem Teil der Parzelle 453 und auf der ganzen Parzelle 454 während
20 Jahren Kies und Sand zu gewinnen. Die Gesellschaft verpflichtete
sich, dieses Areal vollständig auszubeuten, bevor sie anderswo Kies und
Sand abgrabe. Ferner verpflichtete sie sich, dem Eigentümer B. eine
Entschädigung von Fr. 2.50 für jeden Kubikmeter abgebauten Raumes
zu entrichten und die durch die Ausbeutung entstehende Grube wieder
aufzufüllen.

    B.- Auf Grund dieses Vertrages erhielt B. von der M. AG als
Entschädigungen im Jahre 1959 Fr. 17'222.--, im Jahre 1960 Fr. 66'000.--,
im Jahre 1961 Fr. 90'000.-- und im Jahre 1962 Fr. 109'299.--. Bei
seiner Veranlagung für die 11. und 12. Periode der Wehrsteuer wurden
diese Beträge, soweit sie nach Auffassung der Veranlagungsbehörde die
durch den Kies- und Sandabbau verursachte Verminderung des Bodenwerts
überstiegen, als Einkommen im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. b WStB
erfasst. Für die 12. Periode (Berechnungsjahre 1961 und 1962) ermittelte
die Veranlagungsbehörde ein steuerbares Einkommen von Fr. 53'600.--
Im Einspracheverfahren hielt sie an dieser Veranlagung fest.

    C.- Auf Beschwerde des Steuerpflichtigen hin befreite ihn die
Rekurskommission des Kantons Bern von der Wehrsteuer der 12. Periode. Sie
nahm an, die ihm von der M. AG bezahlten Entschädigungen stellten nicht das
Entgelt für eine Nutzung, sondern den Preis für eine teilweise Veräusserung
des Bodens dar. Es handle sich demnach nicht um Ertragseinkommen im Sinne
von Art. 21 Abs. 1 lit. b WStB, sondern um Kapitalgewinne, für die aber
der Beschwerdeführer nach lit. d ebenda nicht besteuert werden könne,
da er sie nicht im Betriebe eines buchführungspflichtigen Unternehmens
erzielt habe. Die Ausscheidung der Entschädigungen aus der Veranlagung
habe zur Folge, dass der Mindestbetrag des steuerpflichtigen Einkommens
nicht erreicht werde (Entscheid vom 3. Mai 1966).

    D.- Gegen diesen Entscheid erhebt die Eidg.  Steuerverwaltung
Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, ihn aufzuheben und
die Angelegenheit zur neuen Entscheidung an die Rekurskommission
zurückzuweisen.

    Sie macht geltend, der Vertrag vom 20. Juli 1959 sei ein Pachtvertrag
im Sinne des Art. 275 OR. Stellten somit die darin vorgesehenen
Entschädigungen für die Materialausbeutung Pachtzinse dar, so seien sie
beim Empfänger als Ertragseinkommen gemäss Art. 21 Abs. 1 lit. b WStB
zu erfassen.

    Von den bezahlten Entschädigungen sei der Wertverlust abzuziehen,
den das Land infolge des Materialabbaus erlitten habe. Diesen Verlust habe
die Veranlagungsbehörde indes zu hoch bemessen. Die Rekurskommission sei
anzuweisen, sein wirkliches Ausmass abzuklären.

    E.- B. und die kantonale Rekurskommission beantragen Abweisung,
die kantonale Wehrsteuerverwaltung Schutz der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 21 WStB unterliegen der Einkommenssteuer grundsätzlich
die gesamten Einkünfte des Steuerpflichtigen aus Erwerbstätigkeit,
Vermögensertrag oder anderen Einnahmequellen. Die sogenannte Quelle ist
gedacht als das Mittel, das dem Steuerpflichtigen Einnahmen zuführt,
die als Erträgnisse dem bisherigen Besitze gegenübergestellt werden. Der
Rohertrag der Quelle wird gekürzt um gewisse mit der Einkommenserzielung
verbundene Aufwendungen (Art. 22 WStB). Veränderungen der Quelle dagegen
sind bei Steuern auf Quellenerträgnissen in der Regel unbeachtlich. Der
Wehrsteuerbeschluss sieht nur für buchführungspflichtige Betriebe eine
abweichende Ordnung vor (Art. 21 Abs. 1 lit. d und f, Art. 22 Abs. 1
lit. b und c); danach werden Vermögensvermehrungen und -verminderungen
(Kapitalgewinne und -verluste) berücksichtigt, die unter Umständen nicht
oder nicht ausschliesslich den Ertrag der Einkommensquelle betreffen
(BGE 86 I 231 Erw. 1). Für B., der nicht buchführungspflichtig ist, gilt
jedoch diese Sonderordnung nicht. Er unterliegt der allgemeinen, nur die
Quellenerträgnisse erfassenden Ordnung der Wehrsteuer für Einkommen.

    Zu den Quellenerträgnissen gehört nach Art. 21 Abs. 1 lit. b WStB
auch "jedes Einkommen aus unbeweglichem Vermögen, gleichgültig, ob
es durch Vermietung oder Verpachtung oder durch Eigengebrauch erzielt
wird". Die Bestimmung erfasst einerseits den Ertrag, den der Eigentümer
dadurch aus dem Grundstück zieht, dass er es unmittelbar für sich selber
gebraucht oder nutzt, und anderseits das Entgelt, das ihm ein anderer
für die Überlassung des Gebrauchs oder der Nutzung zu entrichten hat,
sei es kraft Miete oder Pacht, sei es eines ähnlichen Verhältnisses
(Nutzniessung usw., vgl. Art. 21 Abs. 1 lit. c WStB, betreffend das
Einkommen aus beweglichem Vermögen).

    Die kantonale und die eidgenössische Steuerverwaltung nehmen an,
B. habe mit der M. AG einen Pachtvertrag abgeschlossen. Sie betrachten
demgemäss die Vergütungen, die er auf Grund des Vertrags erhalten hat,
als Pachtzins und damit als Vermögensertrag im Sinne von Art. 21 Abs. 1
lit. b WStB. Dagegen erblicken B. und die kantonale Rekurskommission
darin den Preis für die Veräusserung eines Teils der Substanz seines
Grundbesitzes. Ist dieser Auffassung zuzustimmen, so stellen die
Vergütungen nicht Quellenerträgnisse im Sinne des Art. 21 WStB dar
und fallen daher nicht in die Berechnung des steuerbaren Einkommens des
Empfängers B. Dieser hat nach Art. 21 Abs. 1 lit. d WStB Kapitalgewinne,
die er bei der Veräusserung von Bestandteilen seines Vermögens erzielt,
mangels Buchführungspflicht nicht zu versteuern.

Erwägung 2

    2.- Gegenstand einer Nutzung sind Sachen, welche Früchte (zeitlich
wiederkehrende Erzeugnisse oder Erträgnisse) abwerfen (Art. 275 OR;
Art. 756, 643 ZGB). Im Begriff der Frucht ist das Erfordernis der
Substanzschonung enthalten. Dieses Erfordernis ist indes nicht im Sinne der
Naturwissenschaft zu verstehen; massgebend sind vielmehr wirtschaftliche
Überlegungen. Danach können Erträgnisse (Früchte im weiteren Sinne)
auch anorganische Bodenbestandteile (Kohle, Steine, Sand und dgl.) sein,
die in einem Bergwerk, einem Steinbruch, einer Kiesgrube usw. gewonnen
werden (Art. 771 ZGB). Allerdings wird durch den Abbau von Mineralien
nach und nach die Substanz des Grundstücks vermindert. Handelt es sich
aber um eine Ausbeutung auf lange Sicht, so ist das wirtschaftliche
Erfordernis der Substanzschonung doch erfüllt, weil trotz Wegnahme von
Bestandteilen die Sache auf längere Zeit hinaus ihrer wirtschaftlichen
Funktion, wiederkehrende Erträgnisse abzuwerfen, erhalten bleibt (HAAB,
N. 5 und 6, MEIER-HAYOZ, N. 8 und 11 zu Art. 643 ZGB). In solchen Fällen
ist anzunehmen, dass die Ausbeutung dem Grundeigentümer, der sie selbst
vornimmt oder einem anderen gegen Entgelt überlässt, Quellenerträgnisse
im Sinne des Art. 21 WStB verschafft. Dagegen bringt ihm ein Abbau,
durch den das Mineralvorkommen in ganz kurzer Zeit erschöpft wird, nicht
zeitlich wiederkehrende Erträgnisse ein. Wenn der Grundeigentümer einem
anderen einen solchen raschen Abbau gegen Entgelt gestattet, liegt daher
nicht eine Pacht oder ein sonstiges Nutzungsverhältnis, sondern eine
Veräusserung eines Teils der Substanz des Grundstücks vor. Das Entgelt,
das der Eigentümer dafür empfängt, stellt also nicht ein Quellenerträgnis,
sondern eben den Preis für eine Veräusserung dar (vgl. BGE 86 I 231
Erw. 2).

    So verhält es sich hier. Zwar hat B. der M. AG durch den Vertrag
vom 20. Juli 1959 das Recht eingeräumt, auf seinem Land Kies und Sand
während 20 Jahren zu gewinnen. Indes hat sich die M. AG im gleichen Vertrag
verpflichtet, zunächst das dortige Vorkommen vollständig auszubeuten,
bevor sie anderswo Kies und Sand abgrabe. Daraus ist zu schliessen,
dass sie berechtigt war, das ihr von B. überlassene Vorkommen binnen
kurzem vollständig abzubauen. Das hat sie denn auch getan. Nach den
nicht widerlegten Angaben des B. und seines Schwiegersohnes hat sie
die Ausbeutung des Areals, auf das sich der Vertrag vom 20. Juli 1959
bezieht, bereits im Frühjahr 1963 beendet. Unter diesen Umständen können
die Entschädigungen, die B. von der Vertragspartnerin für die Ausbeutung
des Kies- und Sandlagers erhalten hat, bei ihm nicht als Einkommen aus
unbeweglichem Vermögen im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. b WStB erfasst
werden.

    Vergeblich wendet die Beschwerdeführerin ein, eine Veräusserung
könne nicht vorliegen, weil die M. AG sich verpflichtet habe, nach der
Ausbeutung die Grube aufzufüllen und damit die landwirtschaftliche Nutzung
des Bodens wieder zu ermöglichen. Die M. AG muss die ausgebeutete Grube
nicht wieder mit Kies und Sand auffüllen, sondern kann anderes Material
dafür verwenden. Die Auffüllung stellt eine der Gegenleistungen dar,
die sie dem Grundeigentümer für den Bezug des an sie veräusserten Kieses
und Sandes zu erbringen hat.

    Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.