Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 92 I 427



92 I 427

72. Urteil vom 28. November 1966 i.S. Tuor gegen Eidg. Oberzolldirektion.
Regeste

    Fiskalische Belastung des Tabaks, Preisschutz, Ordnungsbusse

    (Art. 127 Abs. 1 lit. d, Art. 146 AHVG; Art. 94 der Verordnung
des Bundesrates betreffend die fiskalische Belastung des Tabaks vom
30. Dezember 1947 /4. Juni 1962).

    1.  Begriff der Konsumenten-Selbsthilfeorganisation im Sinne von
Art. 94 Abs. 4 lit. a der Tabaksteuerverordnung (Erw. 2).

    2.  Überprüfung der Gesetz- und Verfassungsmässigkeit der auf
gesetzlicher Delegation beruhenden Verordnungen des Bundesrates;
Klarstellung der Rechtsprechung (Erw. 3, 4).

    3.  Die in Art. 94 Abs. 4 lit. a der Tabaksteuerverordnung enthaltene
Bestimmung, welche nur den Konsumenten-Selbsthilfeorganisationen und nicht
auch den übrigen Kleinhändlern erlaubt, aus eigener Initiative über 8 %
hinausgehende Rabatte zu gewähren, verstösst gegen Art. 4 BV. Sie wird
in casu nicht angewendet, und die angefochtenen Ordnungsbussen werden
aufgehoben (Erw. 5, 6).

Sachverhalt

    A.- Art. 127 Abs. 1 lit. d des Bundesgesetzes über die Alters- und
Hinterlassenenversicherung (AHVG) ermächtigt den Bundesrat, Massnahmen
zur Regelung des Kleinhandels mit Tabakwaren zu treffen. Auf Grund dieser
Delegation hat der Bundesrat in seine Verordnung betreffend die fiskalische
Belastung des Tabaks vom 30. Dezember 1947 (TStV) Art. 94 mit dem Randtitel
"Preisschutz" aufgenommen. Nach Abs. 1 und 2 dieses Artikels ist der auf
den Packungen der Tabakfabrikate anzugebende Kleinhandelspreis für die
Abgabe an den Verbraucher im Kleinhandel verbindlich. Abs. 4 desselben
Artikels bestimmt in der Fassung gemäss BRB vom 4. Juni 1962 (AS 1962,
464):

    "Keine Verletzung der in Absatz 1 und 2 hiervor genannten Vorschriften
stellt dar:

    a.  die Gewährung von Rabatten (einschliesslich Rückvergütungen und
Gewinnanteile) bis auf 8 Prozent ausschliesslich in Form von Kassabons,
Rabattmarken oder Eintragungen auf Rabattkarten und dergleichen, die
erst eingelöst werden, wenn ihr rabattberechtigter Betrag mindestens
50 Franken ausmacht. Konsumenten-Selbsthilfeorganisationen, die in
erster Linie und vorwiegend andere Waren als Tabakfabrikate verkaufen,
dürfen ihren Mitgliedern für jene Waren auf die vorgenannte Weise
geleistete höhere Rabatte auch für Tabakfabrikate gewähren. An Orten,
wo eine Konsumenten-Selbsthilfeorganisation auch auf Tabakwaren mehr als
8 Prozent Rabatt leistet, dürfen die übrigen Kleinhändler den Rabatt bis
zur gleichen Höhe bemessen;..."

    Widerhandlungen gegen die Verordnung können mit einer Ordnungsbusse
von 5 bis 1000 Franken geahndet werden (Art. 146 AHVG).

    B.- Die Firma Denner Vereinigte Filialunternehmen AG, Zürich, gewährte
am 8. Mai 1965 in einer Filiale in Basel im Rahmen einer Verkaufsaktion
Kunden, die Zigaretten in Stangen zu 10 Päckchen kauften, einen Rabatt
von 16%. Dr. Bruno Tuor, Chef des Rechtsdienstes der Firma, der die
Verantwortung hiefür übernahm, wurde deshalb von der Oberzolldirektion
durch Verfügung vom 9. Februar 1966 wegen Widerhandlung gegen Art. 94
TStV zu einer Ordnungsbusse von Fr. 100.-- verurteilt; ausserdem wurden
ihm die Kosten der Untersuchung auferlegt.

    Ende Juni 1966 wurde auf Veranlassung Tuors bei einer Verkaufsaktion
in den Filialen der Firma Denner in Basel, Biel, St. Gallen und Zürich
den Käufern von Zigaretten wiederum ein Rabatt von 16% gewährt. Daher
wurde Tuor durch Verfügung der Oberzolldirektion vom 15. August 1966
wegen Widerhandlung gegen Art. 94 TStV mit einer weiteren Ordnungsbusse
von Fr. 1000.-- und den Kosten der Untersuchung belegt.

    C.- Gegen die Strafverfügung vom 9. Februar 1966 hat Tuor Beschwerde
beim Eidg. Finanz- und Zolldepartement erhoben. Die Beschwerde ist dem
Bundesgericht zur Behandlung als Verwaltungsgerichtsbeschwerde übergeben
worden. Das Gericht hat ihre Beurteilung nach einem Meinungsaustausch
mit dem Bundesrat übernommen.

    Tuor hat ferner die Strafverfügung vom 15. August 1966 mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten.

    Er beantragt, die beiden Verfügungen aufzuheben und ihn von Schuld
und Ordnungsbussen freizusprechen, unter Kostenfolge.

    Er macht geltend, die in Art. 94 Abs. 4 lit. a TStV getroffene Ordnung,
wonach einzig die Konsumenten-Selbsthilfeorganisationen und nicht auch
die übrigen Kleinhändler aus eigener Initiative höhere Rabatte als 8%
gewähren dürfen, schaffe eine Rechtsungleichheit, die in keiner Weise
gerechtfertigt sei und sich auch nicht auf eine ausdrückliche gesetzliche
Delegationsnorm stützen lasse. Diese Ordnung sei daher wegen Verletzung
des Art. 4 BV ungültig zu erklären. Übrigens könne man sich fragen, ob
die Firma Denner nicht auch als Konsumenten-Selbsthilfeorganisation zu
qualifizieren sei.

    D.- Die Oberzolldirektion beantragt Abweisung der Beschwerden.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Da die beiden Beschwerden Tatbestände gleicher Art betreffen und
dieselben Sachfragen stellen, rechtfertigt es sich, sie zu vereinigen
und nur ein Urteil zu fällen.

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer wirft beiläufig die Frage auf, ob die
Firma Denner nicht als Konsumenten-Selbsthilfeorganisation im Sinne von
Art. 94 Abs. 4 lit. a TStV qualifiziert werden müsse und daher durch
diese Bestimmung ermächtigt sei, aus eigener Initiative Rabatte, die
8% übersteigen, zu ge währen. Diese Frage ist jedoch offensichtlich zu
verneinen. In der ursprünglichen Fassung von Art. 94 Abs. 4 lit. a TStV
(BS 6, 273) waren dem Ausdruck "Selbsthilfeorganisationen" in Klammern
die Worte "Konsumvereine und Genossenschaften" beigefügt. Damit war
klargestellt, dass "Selbsthilfeorganisationen" nur solche Unternehmungen
sind, welche - wie die Konsumgenossenschaften - in der Hauptsache die
Förderung oder Sicherung der wirtschaftlichen Interessen der ihnen als
Mitglieder angehörenden Konsumenten in gemeinsamer Selbsthilfe bezwecken
(vgl. Art. 828 Abs. 1 OR). Der neue Text von Art. 94 Abs. 4 lit. a
TStV enthält zwar die in der früheren Fassung in Klammern gesetzten
Worte "Konsumvereine und Genossenschaften" nicht mehr, doch kann der in
ihm verwendete Ausdruck "Konsumenten-Selbsthilfeorganisationen" keinen
anderen Sinn als die durch ihn ersetzte Wendung "Selbsthilfeorganisationen
(Konsumvereine und Genossenschaften)" haben. Die Firma Denner verfolgt
aber, als Aktiengesellschaft, nicht den Zweck, die wirtschaftlichen
Interessen, welche ihre Mitglieder als Konsumenten haben, in
gemeinsamer Selbsthilfe zu wahren; sie gehört also nicht zu den
Konsumenten-Selbsthilfeorganisationen, sondern zu den "übrigen
Kleinhändlern" im Sinne von Art. 94 Abs. 4 lit. a TStV.

    Der vom Beschwerdeführer in erster Linie erhobene Einwand, dass die
in dieser Verordnungsbestimmung vorgesehene unterschiedliche Behandlung
der Konsumenten-Selbsthilfeorganisationen und der übrigen Kleinhändler
gegen Art. 4 BV verstosse, ist daher zu prüfen.

Erwägung 3

    3.- Art. 113 Abs. 3 BV bestimmt, dass die von der Bundesversammlung
erlassenen Gesetze und allgemein verbindlichen Beschlüsse, sowie
die von ihr genehmigten Staatsverträge für das Bundesgericht
massgebend sind. Dieser Grundsatz gilt nicht nur für die vom Gericht
ausgeübte Staatsrechtspflege, auf welche Art. 113 BV sich bezieht,
sondern allgemein, insbesondere auch für die dem Gericht übertragene
Verwaltungsrechtspflege. Art. 114 bis Abs. 3 BV wiederholt ihn in kürzeren
Worten für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (BURCKHARDT, Komm. der BV,
3. Aufl., S. 802). Erlasse des Bundes, die nicht unter Art. 113 Abs. 3
BV fallen, kann das Bundesgericht auf ihre Rechtsbeständigkeit prüfen. Es
unterwirft dieser Kontrolle insbesondere Verordnungen des Bundesrates.

    Eine solche Verordnung kann dem Bundesgericht unmittelbar nur im
Verfahren des Kompetenzkonflikts nach Art. 113 Abs. 1 Ziff. 1 BV und
Art. 83 lit. a OG zur Überprüfung unterbreitet werden. Sonst kann das
Gericht die Überprüfung nur akzessorisch vornehmen, insbesondere bei der
Beurteilung von Beschwerden gegen Entscheide, in denen die Verordnung
angewendet wird. Erachtet es in einem solchen Beschwerdeverfahren die
Verordnung als ungültig, so hebt es sie nicht auf, sondern versagt ihr
die Anwendung im konkreten Fall.

    Hier wird Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Verfügungen geführt,
durch welche der Beschwerdeführer wegen Widerhandlung gegen Art. 94 Abs. 4
lit. a TStV mit Ordnungsbussen belegt worden ist. Der Beschwerdeführer
ist legitimiert, einredeweise die Frage der Rechtsbeständigkeit dieser
Bestimmung zu stellen.

Erwägung 4

    4.- Art. 94 Abs. 4 lit. a TStV stützt sich auf die dem Bundesrat
in Art. 127 Abs. 1 lit. d AHVG erteilte Ermächtigung, Massnahmen zur
Regelung des Kleinhandels mit Tabakwaren zu treffen. Der Beschwerdeführer
macht geltend, dass diese Verordnungsvorschrift, soweit er sie beanstandet,
nicht durch eine ausdrückliche Delegationsnorm gedeckt sei, und vor allem,
dass sie gegen Art. 4 BV verstosse.

    Das Bundesgericht hat sich in älteren Entscheiden für befugt erachtet,
die Verfassungsmässigkeit einer Verordnung des Bundesrates zu überprüfen,
mit der Einschränkung, dass eine Verordnungsvorschrift, welche lediglich
einen bereits in einem Bundesgesetz ausgesprochenen Rechtssatz näher
ausführt, gleich wie das Gesetz selbst als rechtsbeständig gelten müsse
(BGE 51 I 450 Erw. 2; 53 I 433). In mehreren anderen Urteilen hat das
Gericht angenommen, dass es die auf gesetzlicher Delegation beruhenden
(unselbständigen) Verordnungen des Bundesrates nur daraufhin überprüfen
könne, ob sie sich in den Grenzen der Delegationsnorm halten (BGE 68 II
94/5, 317 Erw. 2 a; 81 I 371; 84 I 144, IV 75/6; 85 I 177, 292 Erw. 4;
87 I 321 Erw. 2, 435, IV 33; 88 I 280, 308; 92 IV 109). In einem Urteil
hat es ausdrücklich erklärt, dass es nicht zu untersuchen habe, ob eine
Verordnungsbestimmung "auch dann, wenn sie im Rahmen der gesetzlichen
Ermächtigung bleibt, gegen den Grundsatz der Rechtsgleichheit verstosse"
(BGE 87 I 321 Erw. 2). Später hat es ausgeführt, der Bundesrat habe
beim Gebrauch des ihm in der Delegationsnorm eingeräumten Ermessens das
Gebot der Rechtsgleichheit zu beachten; wenn eine Verordnungsvorschrift
unter diesem Gesichtspunkte zu beanstanden sei, so sei sie durch die
Delegationsnorm nicht gedeckt und daher ungültig (BGE 88 I 281, s. auch
308). Sodann hat das Gericht einer mit Rückwirkung ausgestatteten
unselbständigen Verordnung des Bundesrates die Anwendung in einem
bestimmten Fall versagt in Erwägung, dass die Rückwirkung zwar nicht durch
die Bundesgesetzgebung, wohl aber durch die Verfassung beschränkt werde
(BGE 92 I 230 ff.).

    Wie die vorstehend erwähnten Urteile zeigen, hat das Bundesgericht
die Frage, inwieweit es unselbständige Verordnungen des Bundesrates auf
ihre Rechtmässigkeit überprüfen könne, nicht immer gleich beantwortet. Es
rechtfertigt sich, diese Frage nochmals zu untersuchen (vgl. O.K. KAUFMANN,
Verfassung, Gesetz und Verordnung im schweizerischen Rechtsstaat, ZBl
1949 S. 18; H. BRUNNER, Die Überprüfung der Rechtsverordnungen des
Bundes auf ihre Verfassungs- und Gesetzmässigkeit, Diss. Bern 1953,
S. 67 ff.; A. GRISEL, Le contrôle des ordonnances fédérales en Suisse,
in: Conseil d'Etat, Etudes et documents, Paris 1962, S. 198; M. IMBODEN,
Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung, 2. Aufl., S. 344 Ziff. III).

    Gewiss verwehrt Art. 113 Abs. 3 BV dem Bundesgericht, eine in einem
Bundesgesetz enthaltene Delegationsnorm wegen Verfassungsverletzung
ungültig zu erklären. Richtig ist auch, dass das Gericht vorab die
Frage zu prüfen hat, ob eine Verordnung des Bundesrates sich in den
Grenzen der gesetzlichen Delegation halte. Dagegen kann aus Art. 113
Abs. 3 BV nicht geschlossen werden, dass dem Gericht die Kontrolle der
Verfassungsmässigkeit solcher Verordnungen überhaupt entzogen sei. Es
kommt darauf an, ob die gesetzliche Delegationsnorm den Bundesrat zum
Erlass einer Verordnung, die von einem Grundsatz der Bundesverfassung
abweicht, ermächtige oder nicht (vgl. BGE 62 I 79). Ist diese Frage
zu bejahen, so kann das Bundesgericht allerdings die Verordnung nicht
wegen der Verfassungswidrigkeit, welche vom Gesetz zugelassen wird,
ungültig erklären. Dagegen kann das Gericht einschreiten, falls die
Verfassungswidrigkeit der Verordnung nicht durch eine gesetzliche
Ermächtigung gedeckt ist (GRISEL aaO). Diese Befugnis steht ihm namentlich
dann zu, wenn es mit einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen einen
Entscheid befasst ist, der eine Verordnung des Bundesrates anwendet; gehört
doch auch die Bundesverfassung zum Bundesrecht, dessen Verletzung mit
diesem Rechtsmittel geltend gemacht werden kann (BGE 86 I 192/3; 88 I 307).

    Dass ein Gesetz den Bundesrat ermächtige, in der Verordnung
von der Verfassung abzuweichen, kann nicht ohne weiteres angenommen
werden. Vielmehr ist zu vermuten, dass der Gesetzgeber sich von der
Verfassung nicht habe entfernen wollen (BGE 51 I 451/2). Indessen wäre
es auch nicht richtig, die gegenteilige Auslegung eines Gesetzes von
vornherein auszuschliessen.

    Im vorliegenden Fall kann offen gelassen werden, ob die dem
Bundesrat in Art. 127 Abs. 1 lit. d AHVG delegierte Befugnis,
den Kleinhandel mit Tabakwaren zu regeln, die Ermächtigung in sich
schliesse, Preisschutzmassnahmen zu treffen und insofern vom Grundsatz der
Handels- und Gewerbefreiheit abzuweichen. Auf jeden Fall bestehen keine
Anhaltspunkte für die Annahme, dass jene Gesetzesvorschrift dem Bundesrat
die Befugnis erteile, bei der Ordnung des Kleinhandels mit Tabakwaren sich
vom Grundsatz der Rechtsgleichheit zu entfernen. Wohl bestimmt Art. 31
bis Abs. 5 BV, dass der Bund bei der Gesetzgebung über die Erhaltung
wichtiger, in ihren Existenzgrundlagen gefährdeter Wirtschaftszweige
"die Entwicklung der auf gegenseitiger Hilfe beruhenden Organisationen
der Wirtschaft gewährleistet", doch kann daraus nicht abgeleitet werden,
Art. 127 Abs. 1 lit. d AHVG sei in dem Sinne zu verstehen, dass der
Bundesrat solchen Organisationen eine Vorzugsstellung, welche sich sachlich
nicht begründen liesse und daher gegen den Grundsatz der Rechtsgleichheit
verstiesse, einräumen dürfe. Fehlt somit eine gesetzliche Ermächtigung des
Bundesrates zu einer von Art. 4 BV abweichenden Regelung des Kleinhandels
mit Tabakwaren, so hat das Bundesgericht die vom Beschwerdeführer erhobene
Rüge des Verstosses gegen diese Verfassungsbestimmung zu prüfen.

Erwägung 5

    5.- Art. 94 Abs. 4 lit. a TStV knüpft die Gewährung von Rabatten
bis zu 8% an Bedingungen, die für alle Konkurrenten gleich sind. Dagegen
unterscheidet die Bestimmung hinsichtlich der höheren Rabatte zwischen zwei
Gruppen von Konkurrenten: Während die Konsumenten-Selbsthilfeorganisationen
aus eigener Initiative über 8% hinausgehen dürfen, ist dies den übrigen
Kleinhändlern verwehrt; diese haben lediglich das Recht, an Orten,
wo eine Selbsthilfeorganisation mehr als 8% gibt, sich diesem Vorgehen
anzuschliessen, d.h. ihrerseits einen Rabatt bis zur gleichen Höhe zu
bewilligen. Die Selbsthilfeorganisationen geniessen also ein Privileg,
indem sie die Höchstgrenze der Rabatte und infolgedessen die Mindestpreise
der Tabakwaren mit Wirkung auch für die übrigen Kleinhändler bestimmen
können.

    Um diese offensichtliche Ungleichheit zu rechtfertigen,
macht die Oberzolldirektion geltend, praktisch seien einzig die
Selbsthilfeorganisationen in der Lage, über 8% hinausgehende Rabatte zu
gewähren. Diese Darstellung wird jedoch durch Tatsachen widerlegt. Wie der
vorliegende Fall zeigt, ist eine zu der Gruppe der übrigen Kleinhändler
gehörende bedeutende Unternehmung mit zahlreichen Filialen imstande,
mindestens gelegentlich einen Rabatt von 16% zu leisten.

    In Art. 94 Abs. 4 lit. a TStV ist von Rabatten der
Konsumenten-Selbsthilfeorganisationen gegenüber ihren Mitgliedern
die Rede. Indessen gewähren diese Organisationen nach der Darstellung
des Beschwerdeführers, die von der Oberzolldirektion nicht bestritten
wird, Rabatte nicht nur ihren Mitgliedern, sondern auch anderen
Konsumenten. Kämen nur die Mitglieder in den Genuss der Rabatte, so
würde dies übrigens die erwähnte Ungleichheit nicht rechtfertigen. In
der Tat kann jedermann gegen Entrichtung eines bescheidenen Betrags
Mitglied einer Konsumenten-Selbsthilfeorganisation werden. Die Rabatte
kommen praktisch auf jeden Fall der Gesamtheit der Konsumenten zugute,
gleichgültig ob sie von Selbsthilfeorganisationen oder von anderen
Kleinhändlern gewährt werden. Es besteht daher kein sachlicher Grund,
hinsichtlich der Festlegung der Rabatte einer Gruppe von Unternehmungen
eine Vorzugsstellung einzuräumen.

    Die Oberzolldirektion weist sodann darauf hin, dass man bei der
Ausarbeitung des Verordnungstextes nach einer Kompromisslösung gesucht und
dabei auch den Interessen der Firma Denner Rechnung getragen habe. Für
die Beurteilung der Frage, ob die umstrittene Verordnungsbestimmung mit
Art. 4 BV vereinbar sei, sind jedoch ausschliesslich objektive Erwägungen
massgebend. Auf die Beweggründe, welche zu der angefochtenen Ordnung
geführt haben, kommt es nicht an (BGE 83 I 171).

Erwägung 6

    6.- Die vorliegenden Beschwerden sind freilich nicht schon deshalb zu
schützen, weil Art. 94 Abs. 4 lit. a TStV eine gegen Art. 4 BV verstossende
Ungleichheit schafft. Gegenstand der Beschwerden sind Bussenverfügungen,
und diese können nur dann aufgehoben werden, wenn jene Ungleichheit
sich in ihnen konkret zu Lasten des Beschwerdeführers auswirkt. Die
Oberzolldirektion bestreitet, dass diese Voraussetzung erfüllt sei. Sie
macht geltend, nach Art. 94 Abs. 4 lit. a TStV seien über 8% hinausgehende
Rabatte nur zulässig, wenn sie ständig oder doch während längerer Zeit
gewährt werden; wenn also eine Selbsthilfeorganisation, gleich wie hier
die Firma Denner, nur gerade für einen Tag oder für ein paar Tage einen
Rabatt von 16% bewilligt hätte, so wäre dieses Verhalten ebenfalls als
Ordnungsverletzung im Sinne des Art. 146 AHVG zu ahnden gewesen.

    Indessen spricht Art. 94 Abs. 4 lit. a TStV mit keinem Wort von der
Dauer der Rabattgewährung. Es ist ausgeschlossen, auf Grund eines derart
klaren Textes eine Konsumenten-Selbsthilfeorganisation dafür zu büssen,
dass sie einen Rabatt, der den in der Bestimmung ausdrücklich umschriebenen
Bedingungen entspricht, bloss während einer kurzen Zeitspanne, sei es
auch nur für einen Tag, gewährt hat.

    Die Oberzolldirektion ist der Meinung, Art. 94 Abs. 4 lit. a TStV
habe nur dann einen vernünftigen Sinn, wenn gefordert werde, dass der von
der Selbsthilfeorganisation gewährte Rabatt ständig oder doch lange Zeit
gleich bleibe. Dieser Auslegung kann nicht beigepflichtet werden. Würde die
Selbsthilfeorganisation auch nur für kurze Zeit einen 8% übersteigenden
Rabatt gewähren, so würde die Konkurrenten nichts daran hindern, diesem
Beispiel zu folgen. Zudem würde die Auslegung, welche die Oberzolldirektion
der Verordnung gibt, zu ernstlichen Schwierigkeiten führen. Wären Rabatte
über 8% nur zulässig, wenn sie während längerer Zeit gewährt werden,
so müsste die erforderliche Dauer näher bestimmt werden. Hiefür bietet
aber Art. 94 Abs. 4 lit. a TStV keinerlei Handhabe.

    Es muss daher auf den Wortlaut dieser Bestimmung abgestellt und
angenommen werden, dass eine Selbsthilfeorganisation, im Unterschied zur
Firma Denner, während kurzer Zeit ungestraft einen über 8% hinausgehenden
Rabatt hätte gewähren können. Die Ungleichheit, welche Art. 94 Abs. 4
lit. a TStV schafft, wirkt sich somit konkret, in den angefochtenen
Bussenverfügungen, zu Ungunsten des Beschwerdeführers aus. Der vom
Beschwerdeführer - mit Recht - beanstandeten Verordnungsbestimmung
ist deshalb die Anwendung im vorliegenden Fall zu versagen, so dass die
angefochtenen Entscheide aufzuheben sind. Der Beschwerdeführer hat die ihm
darin auferlegten Ordnungsbussen und Untersuchungskosten nicht zu bezahlen.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerden werden gutgeheissen und die angefochtenen
Ordnungsbussen aufgehoben.