Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 92 I 314



92 I 314

56. Urteil vom 17. Juni 1966 i.S. Erben Caviezel und Emser Werke AG gegen
Kleinen Rat des Kantons Graubünden. Regeste

    Einspruch gegen Liegenschaftsverkauf: Begriff des landwirtschaftlichen
Heimwesens (Art. 19 EGG). Kleine Güter fallen darunter nur, wenn sich
aus der Bewirtschaftung des Landes ein ins Gewicht fallender Beitrag zum
Einkommen des Bewirtschafters erzielen lässt.

Sachverhalt

    A.- Die Erben des Prosper Caviezel-Cajochen haben am 13.  Februar
1964 der Emser Werke AG, einem Unternehmen der chemischen Industrie
in Domat/Ems, ein Einfamilienhaus und 3/4 Stallanteil mit Umschwung,
Baumgarten und Garten sowie 6 landwirtschaftliche Parzellen zum Preise
von Franken 41 000.-- verkauft. Die Grundstücke, die zusammen 5970
m2 messen, liegen auf dem Gebiete der aneinander grenzenden Bündner
Gemeinden Tumegl/Tomils und Paspels (Domleschg). Die Emser Werke
erklären, dass sie in dem Besitztum, nach Renovation des Wohnhauses,
einen ihrer Schichtarbeiter mit kinderreicher Familie als Mieter und
Pächter unterbringen wollen.

    B.- Das Departement des Innern und der Volkswirtschaft des Kantons
Graubünden hat in dem erwähnten Kauf einen Güteraufkauf im Sinne
von Art. 19 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes vom 12. Juni 1951 über
die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes (EGG) erblickt und daher
dagegen Einspruch erhoben. Die kantonale Landwirtschaftskommission hat
den Einspruch geschützt.

    Auf Beschwerde der Vertragsparteien hin hat der Kleine Rat des Kantons
Graubünden diesen Entscheid am 20. Dezember 1965 bestätigt. Er führt aus,
die Emser Werke seien bestrebt, über ihren Bedarf hinaus möglichst viel
landwirtschaftlichen Boden zusammenzukaufen; hätten sie doch in den Jahren
1957-1961 2014139 m2 Land in den Kreisen Domleschg, Thusis, Rhäzüns und
Trins erworben. Es sei nicht bewiesen und auch nicht wahrscheinlich, dass
ein Arbeiter mit zahlreicher Familie überhaupt in der Lage wäre, auf den
in Frage stehenden Wiesen nebenbei Landwirtschaft zu betreiben. Es gehe
um die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes. Auch Kleinheimwesen,
die für sich allein eine Familie nicht zu ernähren vermögen, ständen
unter dem Schutze des Art. 19 EGG.

    C.- Die Erben Caviezel und die Emser Werke führen
Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Kleinen
Rates und der gegen den Kaufvertrag vom 13. Februar 1964 erhobene Einspruch
seien aufzuheben. Sie machen geltend, das verkaufte Besitztum sei gar
kein landwirtschaftliches Heimwesen im Sinne des Art. 19 EGG. Auf jeden
Fall liege nicht ein Güteraufkauf vor.

    D.- Der Kleine Rat des Kantons Graubünden beantragt die Abweisung
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

    Das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement führt aus, es sei nicht
liquid, dass ein Güteraufkauf vorliege, sofern man es überhaupt mit einem
Heimwesen im Sinne des Gesetzes zu tun habe, was als fraglich erscheine.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

    Nach Art. 19 EGG ist ein Einspruch nur zulässig gegen Kaufverträge
"über landwirtschaftliche Heimwesen oder zu einem solchen gehörende
Liegenschaften". Als landwirtschaftliches Heimwesen im Sinne dieser
Bestimmung wird eine aus Land und Gebäuden bestehende Einheit angesehen,
die geeignet ist, einem Bauern (Eigentümer oder Pächter) als Lebenszentrum
und Grundlage für einen Landwirtschaftsbetrieb zu dienen (BGE 89 I
231). Das Bundesgericht hat in ständiger Rechtsprechung festgehalten, dass
Art. 19 EGG auf auch Kleinheimwesen anwendbar ist, deren Bewirtschaftung
für sich allein eine Familie nicht zu ernähren vermag (BGE 80 I 96, 412;
81 I 109, 254; 88 I 334; 89 I 57; 92 I 312).

    Immerhin muss Land von einer gewissen Ausdehnung vorhanden sein, damit
überhaupt von einem landwirtschaftlichen Heimwesen gesprochen werden kann
(BGE 81 I 109). Dieses Minimum lässt sich nicht in einem für alle Fälle
gültigen Flächenmass festlegen. Erforderlich ist aber, dass der Verdienst,
der sich aus der Bewirtschaftung des Landes erzielen lässt, einen ins
Gewicht fallenden Beitrag zum Einkommen des Bewirtschafters bildet.

    Zum Besitztum, um das es hier geht, gehören ein Wohnhaus mit
Stallanteil und etwas Umschwung und einige Wiesen. Es umfasst nicht ganz 60
a. Die Beschwerdeführer machen geltend, der aus der landwirtschaftlichen
Nutzung dieses kleinen Besitzes erzielbare Ertrag beziffere sich
höchstens auf Fr. 100 im Jahr. Der Kleine Rat ist dagegen der Meinung,
"bei richtiger Bewirtschaftung dürften sich ohne weiteres normale
Ertragsverhältnisse einstellen". Aber das landwirtschaftliche Einkommen,
das sich im Domleschg aus einem so kleinen Landbesitz erzielen lässt, wird
auf keinen Fall einige wenige hundert Franken im Jahr übersteigen. Unter
solchen Umständen kann nicht mehr von einem landwirtschaftlichen Heimwesen
im Sinne des Art. 19 EGG gesprochen werden, dies umsoweniger, als das
Wohnhaus derzeit so baufällig ist, dass es feuerpolizeilich gesperrt ist,
also einem Bauern nicht als Lebenszentrum dienen kann.

    Hat somit der von den Beschwerdeführern abgeschlossene Verkauf nicht
ein landwirtschaftliches Heimwesen zum Gegenstand, so unterliegt er dem
Einspruchsverfahren nicht. Daher stellt sich auch die Frage nicht, ob er
einen Güteraufkauf im Sinne des Gesetzes darstelle.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben
und der Einspruch für unbegründet erklärt.