Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 92 I 288



92 I 288

50. Urteil vom 7. Oktober 1966 i.S. X. gegen Rekurskommission des
Kantons Bern. Regeste

    Art. 42 WStB. Aufgabe der Erwerbstätigkeit innerhalb einer
Berechnungsperiode.

    1.  Fallen die Begründung und die Begleichung eines Honoraranspruches
in verschiedene Berechnungsperioden, so kann das Einkommen nur einer
allein zugerechnet werden (Erw. 2).

    2.  Tragweite des Entscheides eines Steuerpflichtigen, das Einkommen
im Zeitpunkt der Zahlungseingänge zu versteuern (Erw. 3).

    3.  Wann ist die Veränderung des Einkommens eines
Selbständigerwerbenden dauernd? (Erw. 4).

Sachverhalt

    A.- Ing. X. war bei der Direktion einer eidg. Verwaltung als
Bundesbeamter tätig. Er wurde auf den 31. Oktober 1951 pensioniert,
wurde aber in der Folge als selbständigerwerbender Ingenieur von dieser
Direktion weiterhin beschäftigt. In dieser Eigenschaft erzielte er in
den Jahren 1952-1962 ein Einkommen von Fr. 765 728.25, das ihm wie folgt
ausbezahlt wurde:

    1952 Fr.      44 000.--

    1953 Fr.      24 000.--

    1954 Fr.      36 000.--

    1955 Fr.      65 000.--

    1956 Fr.      56 000.--

    1957 Fr.      90 000.--

    1958 Fr.      60 000.--

    1959 Fr.      363 228.25

    1960 Fr.      5 000.--

    1961 Fr.      -.-

    1962 Fr.      22 500.--

    Ing. X. hatte im Herbst 1959 alle Arbeiten beendigt; nachher übte er
für diese Amtsstelle keinerlei Tätigkeit mehr aus. Ing. X. versteuerte
sein Einkommen nach Massgabe der ihm jährlich geleisteten Zahlungen.

    In der Steuererklärung für die kantonalen Steuern der Jahre
1961/62 und die Wehrsteuer der 11. Periode hat der Steuerpflichtige die
Zahlungen, die ihm in den Jahren 1959 und 1960 geleistet worden waren,
nicht mehr aufgeführt. Er war der Meinung, dass er wegen der Aufgabe der
Erwerbstätigkeit gemäss Art. 42 WStB auf Grund des Gegenwartseinkommens zu
besteuern sei. Er deklarierte daher lediglich ein versteuerbares Einkommen
von Fr. 9954.--, das nicht aus Erwerbstätigkeit herrührte. Er wurde mit Fr.
193 000.-- veranlagt. Seine Einsprache und Beschwerde gegen die Veranlagung
blieben erfolglos.

    B.- Mit Entscheid vom 29. Dezember 1965 hat die kantonale
Rekurskommission entschieden, der Steuerpflichtige sei für die kantonalen
Steuern und die Wehrsteuer (der Periode 1961/62) auf Grund der Einkünfte,
die er in den Jahren 1959 und 1960 gehabt habe, zu besteuern. Das führte
bezüglich der Wehrsteuer zur Bestätigung der Veranlagung mit Fr. 193
000.--. Zugleich wurde aber festgestellt, dass ihm seit dem 5. Oktober
1962 kein Erwerbseinkommen mehr ausbezahlt worden sei. Ab diesem Zeitpunkt
wurde daher die Veranlagung auf Fr. 9900.-- angesetzt.

    C.- Der Steuerpflichtige ficht den Entscheid der kantonalen
Rekurskommission, soweit er die Wehrsteuer betrifft, durch
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht an. Er verlangt die
Herabsetzung des versteuerbaren Einkommens auf Fr. 9954.--. In der
Beschwerdeschrift wird ausgeführt, der Beschwerdeführer habe 1959 -
im Alter von 74 Jahren - jegliche Erwerbstätigkeit aufgegeben. Er habe
Anspruch auf Gegenwartsbesteuerung gemäss Art. 42 in Verbindung mit Art. 41
Abs. 4 WStB. Die Honorare, die ihm 1960 und 1962 noch ausbezahlt wurden,
seien Vergütungen für die frühere, im Jahre 1959 aufgegebene Tätigkeit. Sie
seien daher der Wehrsteuer nicht mehr unterworfen. Wann der letzte Betrag
an Honorar ausgerichtet worden sei, sei belanglos. Die gegenteilige
Meinung der Rekurskommission führe für Freierwerbende und andere
nicht buchführende Selbständigerwerbende zu unmöglichen Resultaten. Es
sei möglich, dass die letzte Vergütung erst nach Monaten oder Jahren,
vielleicht nach Abschluss langwieriger Prozesse ausbezahlt werde. Art. 42
WStB bezwecke eine Erleichterung zu Gunsten des Steuerpflichtigen. Er habe
darauf Anspruch, unbekümmert um seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit
vor der Aufgabe der Erwerbstätigkeit.

    D.- Die kantonale Rekurskommission Bern, die Wehrsteuerverwaltung
des Kantons Bern und die eidg. Steuerverwaltung (EStV) beantragen, die
Beschwerde sei abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 42 WStB hat der Steuerpflichtige Anspruch auf
Besteuerung nach den neuen Verhältnissen, wenn sich das Einkommen "im
Laufe der Berechnungsperiode" aus Gründen, die ausdrücklich genannt
sind und zu denen auch die "Aufgabe der Erwerbstätigkeit" gehört,
"dauernd verändert" hat. Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer
die Erwerbstätigkeit gegen Ende des Jahres 1959, also während der
Berechnungsperiode, aufgegeben hat. Umstritten ist bloss die andere
Voraussetzung der Gegenwartsbesteuerung, nämlich die dauernde Veränderung
des Einkommens während der Berechnungsperiode.

Erwägung 2

    2.- Die Beurteilung dieses Streitpunktes hängt zunächst davon ab,
ob man als "Einkommen im Sinne des Art. 42 WStB" die ausbezahlten
Honorare betrachtet, oder ob man die Begründung der Guthaben, die mit
den Honorarzahlungen beglichen wurden, als das entscheidende Merkmal
des versteuerbaren Einkommens betrachtet. In der ersten Annahme sind die
Honorarzahlungen, die der Beschwerdeführer in den Jahren 1959 und 1960
empfangen hat, als Einkommen dieser Jahre zu betrachten, in der zweiten
dagegen handelt es sich um Einkommen der Vorjahre.

    a) Bei der Begründung der Forderung und bei der späteren
Zahlung sind dem Steuerpflichtigen Rechte zugeflossen. Er ist aber
nur einmal bereichert worden; steuerbares Einkommen kann daher nur
einmal angenommen werden. Fallen die beiden Phasen, wie hier, in
verschiedene Berechnungsperioden, so kann das Einkommen nur einer
Berechnungsperiode, unter Ausschluss der andern, zugerechnet werden
(BGE 73 I 142). Vorherrschend ist in solchen Fällen, namentlich bei
buchführenden Steuerpflichtigen, die Besteuerung bei der Begründung des
festen Anspruches. Das ist der Zeitpunkt, in dem der Steuerpflichtige für
die von ihm erbrachten Leistungen Rechnung stellt und sie bucht (KÄNZIG,
Wehrsteuer, N. 17 zu Art. 21). Zeichnet indessen der Freierwerbende in
seinen Büchern nur die Geschäftseinnahmen auf, so wird üblicherweise
hierauf auch bei der Besteuerung abgestellt. Bei nicht buchführenden
Steuerpflichtigen ist es grundsätzlich nicht anders.

    Die Besteuerung im Zeitpunkt der Zahlungseingänge ist insbesondere im
Baugewerbe angezeigt, da selbst buchführende Gewerbegenossen Gewinne aus
nur teilweise erfüllten Werkverträgen regelmässig nicht verbuchen. Auch
der im Baugewerbe übliche Garantierückhalt des Auftraggebers von
10% (vgl. Art. 45 Abs. 2 der Honorarordnung für Maschinen- und
Elektro-Ingenieure sowie verwandte Berufe des Schweiz. Ingenieur- und
Architektenvereins) spricht für diese Lösung. Das gegenteilige Vorgehen
wäre für den steuerpflichtigen Baufachmann besonders dann nachteilig,
wenn er in heiklen Auseinandersetzungen oder Prozessen sein Guthaben erst
erkämpfen muss, was Jahre dauern kann.

    b) Im vorliegenden Fall hat der als Ingenieur tätig gewesene
Beschwerdeführer nie den Erwerb von Forderungsrechten gegenüber der
eidg. Amtsstelle deklariert. Er hat jeweils ausschliesslich die in den
Berechnungsjahren eingegangenen Zahlungen angegeben. Der Fiskus hat sich in
Anlehnung an die oben dargelegten Grundsätze mit dieser Ordnung abgefunden.

Erwägung 3

    3.- Hat sich der Steuerpflichtige für die Besteuerung seines
Einkommens im Zeitpunkt der Zahlungseingänge entschieden, so ist die
von ihm getroffene Wahl zu seinen Gunsten und Ungunsten folgerichtig
durchzuführen (vgl. BOSSHARD, Der steuerrechtliche Einkommensbegriff,
ZBl 1946 S. 309; derselbe: Die neue zürcherische Einkommens- und
Vermögenssteuer, S. 84). Der Beschwerdeführer hat bei seiner Pensionierung
im Jahre 1951 die Besteuerung nach den eingegangenen Zahlungen gewählt und
jahrelang die Vorzüge seines Entscheids für sich in Anspruch genommen. Er
kann nun nicht in einem für ihn günstigen Augenblick das System wechseln
und erklären, die Zahlungen, die er 1959 und 1960 empfangen habe, seien in
Wirklichkeit früher verdient worden. Selbst wenn dies richtig sein sollte,
sind diese Zahlungen, entsprechend der von ihm gewünschten Besteuerung
im Zeitpunkt der Zahlungseingänge, Einkommen der Jahre 1959 und 1960.

Erwägung 4

    4.- Damit ist die Frage, ob sich das Einkommen des Beschwerdeführers in
diesen beiden Jahren infolge Aufgabe der Erwerbstätigkeit dauernd verändert
habe, noch nicht entschieden. Zunächst fällt auf, dass das Einkommen im
Jahre 1959 sprunghaft angestiegen, 1960 ebenso sprunghaft zurückgegangen
ist. Wie sich aus den Erklärungen des Beschwerdeführers und der
eidg. Amtsstelle ergibt, ist die Ursache dieser Schwankungen aber nicht in
der Arbeitsleistung des Steuerpflichtigen, sondern bei seinem Auftraggeber
zu suchen. Im Jahre 1959 wurden ihm zahlreiche Garantierückhalte
bezahlt. Bei einem Selbständigerwerbenden, der lediglich die Eingänge
versteuert, sind Unterschiede, wie sie in den beiden Berechnungsjahren
1959 und 1960 zutage getreten sind, nicht aussergewöhnlich. Das trifft
erst recht zu für die Differenzen des Durchschnitts der Berechnungsperiode
gegenüber den früheren Berechnungsperioden und gegenüber der folgenden
Berechnungsperiode. Klar ist indessen, dass die ausserordentliche Höhe
der Einnahmen in den Jahren 1959 und 1960 keine dauernde Veränderung des
Einkommens darstellt. Der Vergleich mit dem stark zurückgegangenen Ertrag
der beiden folgenden Jahre zeigt das eindeutig. Damit fehlt es an einer
Voraussetzung für die Anwendung des Art. 42 WStB, weshalb die Beschwerde
abzuweisen ist.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.