Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 92 I 213



92 I 213

37. Urteil vom 13. Juli 1966 i.S. X. gegen Gemeinderat Y. und Amt für
Zivilschutz des Kantons Basel-Landschaft. Regeste

    Staatsrechtliche Beschwerde. Zulässigkeit der Beschwerde gegenüber
einem vom Bundesrecht als "endgültig" bezeichneten kantonalen Entscheid
(Erw. 1). Beginn der Frist zur Beschwerde gegen einen Entscheid, der als
eingeschriebene Sendung zugestellt und von der Post dem erwachsenen Sohn
des in den Ferien weilenden Adressaten ausgehändigt wird (Erw. 2 a).

    Wiederherstellung gegen die Folgen der Versäumung einer Frist
(Art. 35 OG). Irrtum über das zutreffende Rechtsmittel als unverschuldetes
Hindernis, innert der Frist zu handeln? Das Wiederherstellungsgesuch ist
innert 10 Tagen nach Wegfall des Hindernisses nicht nur einzureichen,
sondern auch zu begründen (Erw. 2 b).

Sachverhalt

    X. wurde im Jahre 1964 vom Gemeinderat Y. (Kt. Basel-Landschaft)
zum Ortschef des Zivilschutzes gewählt. Am 9. Februar 1966 eröffnete ihm
der Gemeinderat, dass er ihn mit sofortiger Wirkung von dieser Funktion
entbinde. X. erhob hie gegen Einsprache. Das Amt für Zivilschutz des
Kantons Basel-Landschaft wies diese mit Entscheid vom 17. Mai 1966 ab und
sandte den Entscheid am 18. Mai als eingeschriebene Sendung an X. ab. Diese
Sendung wurde von der Post am 21. Mai 1966 an den mehrjährigen Sohn des
Adressaten ausgehändigt.

    Mit Eingabe vom 24. Juni 1966 hat X. gegen den Entscheid des Amtes für
Zivilschutz vom 17. Mai 1966 staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung
des Art. 4 BV erhoben. Gleich zeitig ersucht er im Hinblick auf eine
am 23. Juni vom Amt für Zivilschutz erhaltene Mitteilung, die Frist zur
staatsrechtlichen Beschwerde sei abgelaufen, um Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand mit der Begründung, er habe sich zur Zeit der Zustellung zur
Kur in Montegrotto befunden, habe den Entscheid erst nach seiner Rückkehr
am 11. Juni erhalten und habe sich zunächst mit Eingabe vom 20. Juni an
das kantonale Verwaltungsgericht gewandt.

    Mit Schreiben vom 5. Juli macht X. weitere Ausführungen zur
Begründung des Wiederherstellungsgesuchs und erklärt dieses Schreiben
zum integrierenden Bestandteil der Beschwerde vom 24. Juni 1966.

    Am 27. Juni 1966 hat X. gegen den Entscheid des Amts für Zivilschutz
vom 17. Mai 1966 beim Bundesgericht auch eine "Berufung wegen Verletzung
von Bundesrecht" eingereicht.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Berufung an das Bundesgericht ist nur in Zivilsachen und
Zivilrechtsstreitigkeiten im Sinne der Art. 44-46 OG zulässig. Beim
Streit darüber, ob X. zu Recht aus dem Zivilschutz entlassen worden ist,
handelt es sich nicht um eine Zivilsache oder Zivilrechtsstreitigkeit,
sondern um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit. Der Entscheid
des Amts für Zivilschutz kann daher nicht mit der Berufung an das
Bundesgericht weitergezogen werden. Dagegen ist diesem Entscheid
gegenüber die staatsrechtliche Beschwerde zulässig. Nach Art. 82 Abs. 1
des Bundesgesetzes vom 23. März 1962 über den Zivilschutz (AS 1962
S. 1089 ff.) kann zwar in Streitigkeiten nicht vermögensrechtlicher
Natur gegen Entscheide der letzten kantonalen Instanz beim Eidg. Justiz-
und Polizeidepartement (EJPD) Beschwerde geführt werden, jedoch nur,
soweit der Entscheid von diesem Gesetz nicht als endgültig bezeichnet
ist. Nach Art. 68 Abs. 3 und 69 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 65 Abs. 1 der
bundesrätlichen Verordnung vom 24. März 1964 über den Zivilschutz (AS 1964
S. 343 ff.) entscheidet die Zivilschutzstelle des Kantons endgültig über
Einsprachen gegen die Entlassung und den Ausschluss aus dem Zivilschutz.
Das bedeutet, dass die in Art. 82 Abs. 1 des Zivilschutzgesetzes
vorgesehene Beschwerde an das EJPD unzulässig ist. Dagegen schliesst
der Umstand, dass der Entscheid als endgültig bezeichnet ist, die
staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte
nicht aus (BGE 91 I 48 mit Verweisungen). Die vorliegende staatsrechtliche
Beschwerde ist daher an sich zulässig, wogegen die gleichzeitige Berufung
unzulässig und auf sie nicht einzutreten ist.

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 89 Abs. 1 OG ist die staatsrechtliche Beschwerde binnen
dreissig Tagen, von der nach kantonalem Recht massgebenden Eröffnung oder
Mitteilung des angefochtenen Entscheids an gerechnet, dem Bundesgericht
schriftlich einzureichen. Der mit der vorliegenden Beschwerde angefochtene
Entscheid wurde von der Behörde, die ihn gefällt hat, am 18. Mai 1966 in
vollständiger Ausfertigung als eingeschriebene Sendung versandt und von der
Post am 21. Mai 1966 dem Sohne des Beschwerdeführers ausgehändigt. Wird die
30tägige Beschwerdefrist von diesem Tage an gerechnet, so endigte sie am
Montag, dem 20. Juni 1966 (Art. 32 OG). Auf die erst am 24. Juni 1966 der
Post übergebene Beschwerde ist daher wegen Verspätung nicht einzutreten,
wenn die Beschwerdefrist mit der Aushändigung der eingeschriebenen Sendung
an den Sohn des Beschwerdeführers begann und das vom Beschwerdeführer
gestellte Wiederherstellungsgesuch unbegründet ist.

    a) Der Sohn des Beschwerdeführers, dem die eingeschriebene Sendung von
der Post ausgehändigt wurde, ist vom Beschwerdeführer offenbar beauftragt
und ermächtigt worden, während seiner Ferienabwesenheit Postsachen für
ihn in Empfang zu nehmen. Selbst wenn er aber hiezu vom Beschwerdeführer
nicht besonders bevollmächtigt worden sein sollte, durfte ihm die Sendung
ausgeliefert werden, da er beim Beschwerdeführer wohnt und über 16 Jahre
alt ist (Art. 105 Abs. 2 lit b der VV zum Postverkehrsgesetz, AS 1962
S. 1789). War der Sohn des Beschwerdeführers aber zur Entgegennahme der
Sendung befugt, so begann die Beschwerdefrist mit dieser Entgegennahme zu
laufen und endigte am 20. Juni 1966 ohne Rücksicht darauf, ob der Sohn
den Entscheid dem Beschwerdeführer in die Ferien nachsandte oder bis zu
dessen Rückkehr beiseite legte (vgl. BGE 73 I 435/6, 81 III 88/9). Die
erst am 24. Juni eingereichte Beschwerde ist somit verspätet.

    b) Wiederherstellung gegen die Folgen der Versäumung einer Frist
kann nur erteilt werden, wenn der Gesuchsteller oder sein Vertreter durch
ein unverschuldetes Hindernis abgehalten worden ist, innert der Frist zu
handeln, und binnen 10 Tagen nach Wegfall des Hindernisses unter Angabe
desselben die Wiederherstellung verlangt und die versäumte Rechtshandlung
nachholt (Art. 35 Abs. 1 OG).

    Der Beschwerdeführer hat das Wiederherstellungsgesuch und
die staatsrechtliche Beschwerde am 24. Juni 1966 eingereicht. Für
den Entscheid darüber, ob die Voraussetzungen der Wiederherstellung
erfüllt seien, fällt nur die in dieser Eingabe enthaltene Begründung in
Betracht. Die Ausführungen in der Eingabe vom 5. Juli 1966 können, da das
Wiederherstellungsgesuch binnen 10 Tagen nach Wegfall des Hindernisses
nicht nur zu stellen, sondern auch zu begründen ist (BIRCHMEIER, Handbuch
des OG, N. 4 zu Art. 35 OG), nicht berücksichtigt werden.

    Ein unverschuldetes Hindernis im Sinne von Art. 35 Abs. 1 OG liegt nach
der neueren Rechtsprechung nicht nur vor, wenn es der Partei oder ihrem
Vertreter infolge eines von ihrem Willen unabhängigen Umstands objektiv
unmöglich war, innert der Frist zu handeln, sondern auch dann, wenn die
Möglichkeit, die Frist einzuhalten, zwar objektiv bestand, die Versäumung
aber aus andern Gründen als entschuldbar erscheint (BGE 76 I 357, 85 II
147/8). Im vorliegenden Falle war der Beschwerdeführer nicht verhindert,
die staatsrechtliche Beschwerde rechtzeitig einzureichen. Da er, wie er im
Wiederherstellungsgesuch ausführt, den angefochtenen Entscheid am 11. Juni
1966 erhalten hat, hatte er bis zum Ablauf der Beschwerdefrist (20. Juni
1966) noch 9 Tage Zeit zur Abfassung und Einreichung der Beschwerde. Dass
er diese Frist nicht benützte, ist nach seiner Darstellung darauf
zurückzuführen, dass er in der irrtümlichen Annahme, der Entscheid des Amts
für Zivilschutz unterliege der kantonalen Verwaltungsgerichtsbeschwerde,
am 20. Juni 1966 beim kantonalen Verwaltungsgericht ein Gesuch
um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der
zehntägigen Frist für dieses Rechtsmittel stellte. Dieser Irrtum des
Beschwerdeführers wäre höchstens dann entschuldbar, wenn er durch eine
falsche Rechtsmittelbelehrung hervorgerufen worden wäre (BGE 76 I 357/8,
85 II 148, 85 IV 113 Erw. 2). Das ist jedoch nicht der Fall. Dem Entscheid
des Amts für Zivilschutz war,weil dagegen kein ordentliches Rechtsmittel
gegeben war, keine Rechtsmittelbelehrung beigefügt, und dass ihm eine
Behörde, auf deren Auskunft er sich verlassen durfte, eine unrichtige
Rechtsmittelbelehrung erteilt hätte, hat der Beschwerdeführer nicht
behauptet und noch weniger dargetan. Die Verspätung ist somit selbst dann
nicht entschuldbar, wenn der Beschwerdeführer dafür, dass ihm sein Sohn
den Entscheid nicht in die Ferien nachsandte, nicht einzustehen haben
sollte. Das Wiederherstellungsgesuch ist daher abzuweisen, was zur Folge
hat, dass auch auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht einzutreten ist.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    1.- Das Wiederherstellungsgesuch wird abgewiesen.

    2.- Auf die Berufung und auf die staatsrechtliche Beschwerde wird
nicht einzutreten.