Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 92 I 123



92 I 123

22. Auszug aus dem Urteil vom 17. Juni 1966 i.S. Eidg. Steuerverwaltung
gegen Aerni und Wehrsteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich. Regeste

    Militärpflichtersatz

    1.  Die Fehler der Wehrsteuerveranlagung sind, auch
wenn diese rechtskräftig ist, für die Bemessung der
Militärpflichtersatz-Einkommenstaxe zu berichtigen.

    2.  Die Kosten für die Benützung des Autos zwischen Wohn- und
Arbeitsort über die Mittagszeit stellen dann notwendige Gewinnungskosten
dar, wenn der Pflichtige aus Gesundheitsrücksichten sein Mittagessen zu
Hause einnehmen muss.

Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 26 Abs. 3 des Bundesgesetzes über den
Militärpflichtersatz vom 12. Juni 1959 (MPG) und Art. 9 Abs. 1 der
entsprechenden Vollziehungsverordnung (MPV) wird die Einkommenstaxe von in
der Schweiz wohnhaften Ersatzpflichtigen, die der Wehrsteuer unterliegen,
"auf den Grundlagen dieser Steuer veranlagt" bzw. "nach dem für die
Wehrsteuer des Ersatzjahres massgebenden Einkommen" bemessen. Kraft der
Verweisung auf Art. 11 Abs. 2 MPG wird dasselbe erhöht um die Beiträge,
die wohl für den Militärpflichtersatz, nicht aber für die Wehrsteuer zu
berücksichtigen sind: Auslandeinkommen, Zuwendungen, Beiträge der Ehefrau
an die ehelichen Lasten. Die Praxis hat offenbar bisher die rechtskräftige
Wehrsteuerveranlagung unbesehen für den Militärpflichtersatz übernommen
(so auch das Bundesgericht in einem nicht veröffentlichten Urteil vom
25. Februar 1963 i.S. Aeschbacher, welcher allerdings lediglich die
Rechtskraft der Wehrsteuerveranlagung bestritten hatte; seine Beschwerde
wurde abgewiesen auf Grund der Feststellung, dass sie rechtskräftig war).

    Nach dem oben zitierten Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen ist
indessen nicht einfach auf die rechtskräftige Veranlagung der Wehrsteuer,
sondern auf deren Grundlagen, d.h. auf das dafür massgebende Einkommen
abzustellen. Die Wehrsteuer-Rekurskommission (KRK) hat hieraus den
Schluss gezogen, dass bei der Bemessung der Einkommenstaxe für den
Militärpflichtersatz allfällige Fehler der Wehrsteuererveranlagung trotz
deren Rechtskraft nicht zu übernehmen, sondern zu korrigieren seien,
und die EStV hat sich ihrer Auffassung angeschlossen. Das Bundesgericht
kann dieser Betrachtungsweise nur zustimmen. Die verfahrens-ökonomische
Erwägung, auf der jene Regelung beruht, muss in den - vermutlich seltenen
- Fällen, in denen eine unrichtige Wehrsteuerveranlagung rechtskräftig
geworden ist, zurücktreten hinter dem Postulat, den Militärpflichtersatz
auf Grund der massgebenden Tatsachen richtig zu bemessen. Die Rechtskraft
der Wehrsteuerveranlagung erstreckt sich nur auf die Wehrsteuer selbst,
nicht aber auf den Militärpflichtersatz, für den jene lediglich ein
Hilfsmittel der Einschätzung bildet. Wenn die Wehrsteuerveranlagung
fehlerhaft ist, so sind ihre Fehler bei der Bemessung der Einkommenstaxe
für den Militärpflichtersatz zu berichtigen.

Erwägung 2

    2.- Zu prüfen bleibt, ob die KRK den von ihr aufgestellten Grundsatz
richtig angewendet habe.

    a) Zu bestätigen ist einmal die Korrektur des Additionsfehlers, den
Aerni in seiner Wehrsteuererklärung zu seinen Ungunsten gemacht hatte
und der anscheinend von den Wehrsteuerbehörden nicht entdeckt worden war.

    b) Zutreffend ist sodann, dass nach den vorliegenden Verhältnissen
(Distanz vom Wohnort zum Arbeitsort 10,5 km, zur nächsten Bahnstation
2,5 km, schlechte Zugverbindungen) Aerni die Benützung der Bahn für die
Fahrt zur Arbeit und zurück nicht zuzumuten ist, er somit Anspruch hat,
für die Verwendung des eigenen Autos auf der nötigen Strecke 25 Rp. je
km als Gewinnungskosten am Arbeitseinkommen abzuziehen (BGE 84 I 69).

    c) Heikler ist die Frage, ob das unter b) Gesagte auch für die Fahrten
über den Mittag gilt, welche Aerni und die KRK einbezogen haben. Zwar ist
es durchaus verständlich, dass ein Arbeiter, der für die Fahrt zur Arbeit
über ein eigenes Auto verfügt, dieses auch dazu benützt, um über den
Mittag zu seiner Familie zurückzukehren, wenn die Dauer der Mittagspause
das erlaubt, wie es hier zutrifft. Das ist dann aber, wenigstens im
Regelfalle, nicht für die Erzielung seines Arbeitseinkommens erforderlich,
sondern dient dem Familienleben und seiner Annehmlichkeit. Der Abzug der
Gewinnungskosten ist im MPG nicht ausdrücklich erwähnt; es ergibt sich
daraus, dass nach Art. 11 Abs. 1 das "reine Einkommen" der Einkommenstaxe
unterliegt. Für dessen Ermittlung verweist Abs. 3 der selben Bestimmung
auf die Vorschriften betreffend die Wehrsteuer. Somit ist Art. 22 Abs. 1
lit. a WStB anwendbar, wonach die zur Erzielung des steuerbaren Einkommens
erforderlichen Gewinnungskosten am rohen Einkommen abgezogen werden. Zieht
es ein Pflichtiger aus Gründen des Familienlebens und der persönlichen
Annehmlichkeit vor, über den Mittag nach Hause zurückzukehren, so sind die
Auslagen dafür keine zur Erzielung seines Einkommens notwendigen Kosten. Er
hat dann - gleichgültig, welche Lösung er tatsächlich wählt - nur Anspruch
auf Abzug der Mehrkosten, die das auswärtige Mittagessen erfordern würde
(nicht veröffentlichtes Urteil vom 24. April 1964 i.S. Pernet, E. 3).

    Im vorliegenden Falle stellt sich indessen in diesem Zusammenhang noch
eine weitere Frage. Aerni macht geltend, er sei aus Gesundheitsrücksichten
darauf angewiesen, zuhause zu Mittag zu essen. Trifft das zu, so
erscheinen auch die Kosten der Fahrten über den Mittag als notwendige
Gewinnungskosten; dann kann der Pflichtige seine Stelle in Winterthur
nämlich nur versehen unter der Bedingung der täglichen Heimkehr über
die Mittagszeit. Dass ihm die Heimfahrt mit der Bahn nicht möglich ist,
hat die KRK im angefochtenen Entscheid bereits festgestellt und ist nicht
streitig. Jene erst vor Bundesgericht aufgestellte und mit keinen näheren
Angaben gestützte Behauptung bedarf jedoch der Abklärung. Man kann sich
fragen, ob sie überhaupt noch zu hören sei. Da aber, wie sich aus dem
Folgenden ergibt, die Sache ohnehin an die KRK zurückgewiesen werden muss,
mag diese auch den genannten Punkt prüfen.