Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 92 IV 44



92 IV 44

12. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 15. März 1966 i.S. Alder
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. Regeste

    Art. 251 StGB, Art. 36 ff. WUStB.

    Auf die Urkundenfälschung, die nur zur Hinterziehung der im Inland
erhobenen Warenumsatzsteuer begangen wird, sind ausschliesslich die
Strafbestimmungen der Art. 36 ff. WUStB anwendbar.

Sachverhalt

    A.- Im November 1959 verkaufte Pessina sein Simca-Sportcabriolet,
Jahrgang 1958, dem Autohändler Stutz in Zürich. Etwa am 23. des gleichen
Monats verkaufte Autohändler Meyer, nachdem er mit Stutz und dessen
Verkäufer Alder verhandelt hatte, den Occasionswagen Simca zum Preis
von Fr. 8500.-- an seinen Kunden Huber weiter. Dieser machte Meyer am 5.
Dezember 1959 eine Anzahlung von Fr. 5500.-- und bezahlte den Restbetrag
im März 1960, während Meyer für den Wagen am 30. November 1959 Fr. 7300.--
an Stutz entrichtet hatte.

    Bei diesem Gechäft erstellte Alder zuhanden von Meyer eine mit Pessina
unterzeichnete, vom 23. November 1959 datierte falsche Quittung des
Inhalts, dass Pessina von Huber für den Simca den Betrag von Fr. 8500.--
erhalten habe. Mit dieser gefälschten Quittung wollte er Meyer ein
Mittel zum Nachweis verschaffen, dass der Kauf direkt zwischen Pessina
und Huber zustande gekommen sei und daher nicht der Warenumsatzsteuer
unterliege. Meyer verwendete die Quittung nicht zum vorgesehenen Zweck.

    B.- Das Obergericht des Kantons Zürich erklärte Alder am 22. Juni
1965 der Urkundenfälschung im Sinne von Art. 251 Ziff. 1 StGB schuldig
und verurteilte ihn zu 14 Tagen Gefängnis.

    C.- Alder führt gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbeschwerde mit dem
Antrag auf Freisprechung.

    D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt Abweisung
der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Wer eine falsche Urkunde herstellt oder zur Täuschung gebraucht, um
kantonale Steuern zu hinterziehen, ist für die Urkundenfälschung nicht nach
Art. 251 StGB, sondern ausschliesslich nach den in Art. 335 Ziff. 2 StGB
vorbehaltenen Bestimmungen des kantonalen Steuerstrafrechts zu beurteilen,
vorausgesetzt, dass die Urkunde ihrer Natur nach nur für die Steuerbehörden
bestimmt ist, wie z.B. der Lohnausweis (BGE 81 IV 166 ff.), und nicht
zugleich andern als steuerrechtlichen Zwecken dient, wie dies z.B. beim
Vertrag über einen Grundstückkauf (BGE 84 IV 167) oder der ordentlichen
Geschäftsbuchhaltung und ihren Bestandteilen (BGE 91 IV 191 f.) der Fall
ist. Der Grund für die ausschliessliche Anwendung des Steuerstrafrechts
liegt darin, dass der Täter, der nur zum Zwecke der Steuerhinterziehung
eine Urkunde fälscht, einer ihm übergeordneten, mit öffentlichrechtlichen
Kontroll- und Zwangsbefugnissen ausgestatteten Verwaltung gegenübersteht
und es darum gerechtfertigt ist, seine Tat nach einem andern Masstab
zu beurteilen, als wenn er sie zum Nachteil einer Privatperson begeht,
die sich ihm gegenüber in gleichgeordneter Stellung befindet und daher
schutzbedürftiger ist. Art. 251 StGB bezweckt denn auch in erster Linie
den Schutz des einzelnen im privatrechtlichen Geschäftsverkehr, während
die Wahrheitspflicht im Steuerverfahren dem Interesse des Staates am
zuverlässigen und gesetzmässigen Gang der öffentlichen Verwaltung dient
und dieses Interesse durch die Strafbestimmungen der Steuergesetzgebung
im allgemeinen hinreichend geschützt wird (NOLL, Nebenstrafrecht und
Rechtsgleichheit, in ZStR 1959, 47 ff.).

    Was für die kantonalen Steuern gilt, trifft ebensosehr zu,
wenn die Herstellung oder der Gebrauch gefälschter Urkunden dazu
bestimmt ist, Bundessteuern zu hinterziehen. Auch hier rechtfertigt das
Unterordnungsverhältnis, in dem der Täter zur öffentlichen Verwaltung
steht, das Urkundendelikt, das zugleich Art. 251 StGB erfüllt, nach den
Sonderbestimmungen des eidgenössischen Steuerstrafrechts zu ahnden. Diese
Auffassung liegt im allgemeinen auch den bundesrechtlichen Steuererlassen
zugrunde. Einerseits stellen sie den Gebrauch falscher, verfälschter
oder inhaltlich unwahrer Urkunden durch Steuer- und Auskunftspflichtige
und die Gehilfenschaft Dritter, die zur Unterstützung des Steuerdelikts
Urkunden solcher Art ausstellen, ausdrücklich oder sinngemäss unter
Strafe (vgl. z.B. Art. 129, 131 des Wehrsteuerbeschlusses, Art. 16 und
17 des Verrechnungssteuerbeschlusses, Art. 40 des Bundesgesetzes über
den Militärpflichtersatz), und anderseits sehen sie, ausgenommen bei
der Getränkesteuer und der Warenumsatzsteuer auf der Wareneinfuhr, von
der Aufstellung einer KOIlisionsnorm durchwegs ab, was dahin auszulegen
ist, dass die Anwendung des Art. 251 StGB ausgeschlossen werden wollte
(NOLL, aaO S. 40). In diesem Sinne sind die Strafbestimmungen des
Steuerstrafrechts auch von der eidgenössischen Steuerverwaltung seit jeher
gehandhabt worden, und ebenso geht vom Grundsatz der Spezialität auch der
Vorentwurf zu einem Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht aus, der
die auf dem Gebiete des Verwaltungs-, insbesondere Fiskalrechts begangenen
Urkundendelikte unter Vorbehalt von Art. 317 StGB einer allgemeingültigen
Sonderordnung unterstellt (Art. 22 des Vorentwurfes der Expertenkommission
vom Oktober 1962). Die geltenden bundesrechtlichen Steuererlasse bedrohen
die Verwendung gefälschter Urkunden allerdings gleich wie die Steuerdelikte
im allgemeinen bloss mit Busse; einzig das neuere Bundesgesetz über
den Militärpflichtersatz (Art. 40) und für schwere Fälle auch der
Verrechnungssteuerbeschluss (Art. 16) sehen Gefängnis vor. Die Androhung
von Busse allein mag nach heutiger Anschauung, insbesondere im Vergleich
zu dem in Art. 251 StGB vorgesehenen Strafrahmen - Zuchthaus bis zu fünf
Jahren oder Gefängnis - als zu milde Strafe erscheinen. Das ist aber noch
kein ausreichender Grund, um vom Grundsatz, dass das einzig zum Zwecke der
Steuerhinterziehung begangene Urkundendelikt nach den Strafbestimmungen des
Steuerstrafrechts beurteilt werden soll, abzugehen. Die gleiche Auffassung
hat der Kassationshof schon in BGE 81 IV 169 in bezug auf das Verhältnis
zwischen den Strafbestimmungen des Wehrsteuerbeschlusses und Art. 251
StGB vertreten. Sie ist heute umso begründeter, als mit dem erwähnten
Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht die gesetzliche Grundlage
für einen erweiterten Strafrahmen geschaffen werden soll, der erlaubt,
inskünftig auch nach dem Sondergesetz Gefängnisstrafen auszufällen.

    Im vorliegenden Falle kommt eine Widerhandlung gegen die
Strafbestimmungen des Warenumsatzsteuerbeschlusses über die Erhebung
der Steuer im Inland (Art. 36 ff.) in Betracht, die - im Gegensatz
zur Warenumsatzsteuer auf der Wareneinfuhr (Art. 44 ff.) - in ihren
Grundzügen auf der gleichen Ordnung beruht, wie sie der Wehrsteuer und den
meisten andern Steuererlassen des Bundes zugrundeliegt. Dass die Art. 36
ff. WUStB den Gebrauch falscher, verfälschter oder unwahrer Urkunden im
Unterschied zu Art. 129 Abs. 2 WStB nicht besonders erwähnen und nicht
als qualifizierte Steuerhinterziehung unter erhöhte Strafdrohung stellen,
ist unerheblich. Der Straftatbestand der Steuerhinterziehung, begangen
durch falsche Auskunftserteilung gegenüber der Warenumsatzsteuerbehörde
(Art. 36 Abs. 2 lit. b WUStB), erfasst ausdrücklich auch das Verschleiern
von Tatsachen, worunter vor allem das Vorlegen falscher, verfälschter
oder unwahrer Urkunden und Belege fällt. Die vorsätzliche Täuschung
der Steuerbehörden mittels gefälschter Urkunden ist alsdann bei der
Strafzumessung als Erschwerungsgrund zu berücksichtigen (WELLAUER, Die
eidgenössische Warenumsatzsteuer, S. 465 Note 999).

    Die falsche Quittung, die der Beschwerdeführer beim Wiederverkauf
eines Occasionsautos ausstellte, diente nach ihrer Zweckbestimmung
ausschliesslich der Hinterziehung der Warenumsatzsteuer. Mit der Urkunde
wollte die Tatsache, dass der Occasionswagen durch einen steuerpflichtigen
Autohändler weiterverkauft wurde, verschleiert und vorgetäuscht werden,
dass der Verkauf ohne Einschaltung eines Grossisten direkt zwischen
zwei nicht steuerpflichtigen Privatpersonen stattgefunden habe. Zu einem
andern Zweck, als die Steuerbehörden über den Bestand der Steuerpflicht
irrezuführen, war die Quittung nicht bestimmt. Sie war als blosser
Beleg auch nicht Bestandteil der Buchhaltung und hatte daher nicht
wie die Eintragung in Geschäftsbüchern zum vorneherein auch dem Beweis
zivilrechtlicher Verhältnisse zu dienen. Auf die vom Beschwerdeführer
begangene Urkundenfälschung sind daher unter Ausschluss von Art. 251 StGB
einzig die Strafbestimmungen der Art. 36 ff. WUStB anwendbar.

Erwägung 3

    3.- Das angefochtene Urteil muss infolgedessen aufgehoben werden,
und es ist zu prüfen, ob der Beschwerdeführer auf Grund der Art. 36
ff. WUStB zu bestrafen ist. Nach den verbindlichen Feststellungen
des Obergerichts war von den am Autohandel beteiligten Händlern nicht
Stutz, sondern Meyer, der den Wagen auf eigene Rechnung weiterverkaufte,
steuerpflichtig. Dass dieser die geschuldete Warenumsatzsteuer im Sinne
von Art. 36 WUStB hinterzogen oder gemäss Art. 38 WUStB gefährdet habe,
ist nicht festgestellt. In der Beschwerdebegründung wird zwar behauptet,
Meyer habe die Umsatzsteuer entrichtet, doch ist diese Frage offenbar
nicht, jedenfalls nicht endgültig überprüft worden, und sie bleibt
deshalb abzuklären. Die eidgenössische Steuerverwaltung ist, wie sie in
ihrem Schreiben vom 3. März 1965 erklärte, dieser Frage nicht weiter
nachgegangen, weil die Steuerforderung als solche verjährt war; sie
vermutet aber, dass die Steuer von Meyer hinterzogen worden sei. Wird
dies festgestellt, kommt eine Bestrafung des Beschwerdeführers nach
Art. 39 WUStB wegen Anstiftung oder Gehilfenschaft zum Tatbestand der
Steuerhinterziehung in Betracht; eine Verjährung der Strafverfolgung
ist im Falle des Beschwerdeführers zufolge wiederholter Unterbrechung
offensichtlich nicht eingetreten (Art. 42 WUStB).

    Läge dagegen keine strafbare Haupttat vor, so dass Anstiftung und
Gehilfenschaft ausschieden, käme eine Bestrafung des Beschwerdeführers
allenfalls nur wegen versuchter Begünstigung (Art. 39 WUStB) in Frage.
Voraussetzung dazu wäre, dass der Wille des Beschwerdeführers nicht bloss
darauf gerichtet war, Meyer zur Begehung des Steuerdeliktes zu bestimmen
oder ihm dabei Hilfe zu leisten, sondern auch darauf, ihn zugleich mit der
gefälschten Urkunde der Strafverfolgung zu entziehen. Ausserdem müsste
der Tatbestand der Begünstigung unabhängig davon, ob der Begünstigte
eine Straftat begangen hat, strafbar sein, wie dies nach Art. 305 StGB
zutrifft (BGE 69 IV 120). Ob Art. 39 WUStB im gleichen Sinne ausgelegt
werden kann, erscheint nach dem Randtitel, der die Begünstigung zusammen
mit der Anstiftung und Gehilfenschaft unter dem einheitlichen Begriff
der Teilnahme zusammenfasst, indessen fraglich.