Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 92 IV 4



92 IV 4

2. Urteil des Kassationshofes vom 9. März 1966 i.S. R. gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. Regeste

    Art. 48 StGB; Bemessung der Busse.

    Nach dem Verschulden bestimmt sich die Härte der Strafe; nach den
Einkommens- und Vermögensverhältnissen unter anderem ist die Höhe der
Busse so zu bemessen, dass sie den Gebüssten in dieser Härte treffe.

Sachverhalt

    A.- R. fuhr am 7. April 1965 nach 01.45 Uhr, von einem Hochzeitsfest
kommend, mit 0,98 Gewichtspromille Alkohol im Blut seinen Personenwagen
Morris vom Golfhaus Zumikon bis zum General Guisan-Quai in Zürich 1. Seine
Geschwindigkeit wurde von der Polizei, die ihn wegen der auffallend
forschen Fahrweise anhielt, auf 70 km/Std. geschätzt.

    B.- Das Bezirksgericht Zürich, 4. Abteilung, verurteilte deshalb
R. am 31. August 1965 wegen Fahrens in angetrunkenem Zustande gemäss
Art. 91 Abs. 1 SVG zu einer Busse von Fr. 5'000.--, bedingt löschbar,
bei einer Probezeit von zwei Jahren.

    C.- Das Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, bei dem der
Verurteilte auf dem Wege der Berufung eine Herabsetzung der Busse beantragt
hatte, bestätigte durch Urteil vom 9. Dezember 1965 die erstinstanzliche
Entscheidung. Seine Begründung schliesst mit dem Satz: "Dabei ist sich
das Gericht bewusst, dass die Höhe der Busse sich nur halten lässt, wenn
man in erster Linie den Art. 48 StGB entscheidend seinlässt und erst
sekundär im so vorgeschriebenen Rahmen das Verschulden und die übrigen
Zumessungsfaktoren berücksichtigt; müsste primär auf das Verschulden
abgestellt werden, so würde die Strafe wesentlich geringer ausfallen".

    D.- Der Gebüsste führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das
vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung
- sinngemäss zur Herabsetzung der Busse gemeint - an das Obergericht
zurückzuweisen.

    Die Staatsanwaltschaft schliesst auf Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 48 Ziff. 2 Abs. 1 StGB bestimmt der Richter den Betrag
der Busse je nach den Verhältnissen des Täters so, dass dieser durch die
Einbusse die Strafe erleidet, die seinem Verschulden angemessen ist. Von
Bedeutung sind nach Absatz 2 der nämlichen Ziffer u.a. namentlich
das Einkommen und das Vermögen des Täters. Mit dieser Bestimmung
will nichts anderes erreicht werden, als dass durch die auszufällende
Busse der wirtschaftlich Starke nicht minder hart getroffen werde als
der wirtschaftlich Schwache. Darin liegt nicht, wie im angefochtenen
Urteil ausgeführt wird, eine Abweichung, sondern eine Bestätigung der
in Art. 63 StGB enthaltenen allgemeinen Strafzumessungsregel, die im
Hinblick auf die Besonderheit der Busse in Art. 48 Ziff. 2 StGB lediglich
eine entsprechende Verdeutlichung erfährt (vgl. zu dieser Bestimmung
die Kommentare THORMANN/VON OVERBECK N. 8 und LOGOZ N. 6 lit. c, sowie
WAIBLINGER in ZBJV Bd. 88 S. 198). Ebensowenig lässt sich sagen, das
Verschulden sei erst in zweiter Linie, innerhalb des durch Einkommen und
Vermögen gezogenen Rahmens zu würdigen. Das Verschulden bildet vielmehr
auch hier die Grundlage der Strafzumessung. Nach ihm bemisst sich, wie
hart die Strafe den Schuldigen treffen soll. Erst danach ist nebst den
übrigen in Art. 48 Ziff. 2 Abs. 2 StGB genannten Umständen (Familienstand,
Familienpflichten, Beruf, Erwerb, Alter, Gesundheit) anhand der Einkommens-
und Vermögensverhältnisse die Höhe der Busse so anzusetzen, dass sie den
Verurteilten in der dem Verschulden angepassten Härte treffe.

Erwägung 2

    2.- Nach den übrigen Erwägungen des Obergerichts würde das
Urteil vor Bundesrecht ohne weiteres standhalten. Das Verschulden des
Beschwerdeführers kann auf Grund der vorinstanzlichen Feststellungen
nicht als leicht bezeichnet werden, weder im Hinblick auf die vor seiner
Fahrt eingenommene Menge alkoholischer Getränke (ein Glas Champagner,
drei Gläser Weisswein und etwa fünf Gläser Bordeaux im Verlauf von sechs
Stunden), noch angesichts seiner Fahrweise, die mit 70 km/Std. innerorts
eine übersetzte Geschwindigkeit aufwies. Dazu kommt, dass R. schon
mehrmals wegen Verletzung von Verkehrsregeln hatte gebüsst werden müssen,
vorab wegen zu raschen Fahrens, vorschriftswidrigen und rücksichtlosen
Überholens. Müsste, wie die Vorinstanz erklärt, nach der Regel für
die gleiche Verfehlung ein Angeklagter mit einem Jahreseinkommen von
Fr. 12'000.-- mit Fr. 300.-- gebüsst werden. so erleidet R., der an
Einkommen das zwanzigfache erwirbt, mit einer Busse von Fr. 5'000.--
verhältnismässig immer noch das kleinere Strafübel als jener.

    Auch vom Gesichtspunkte des in Art. 91 Ziff. 1 SVG vorgesehenen
Strafrahmens, der für Fahren in angetrunkenem Zustande neben Bussen bis
zu Fr. 20'000.-- auch Gefängnisstrafen bis zu sechs Monaten vorsieht,
ist gegen die streitige Busse nichts einzuwenden.

Erwägung 3

    3.- Aus allen diesen Gründen stünde der Abweisung der Beschwerde
nichts im Wege und könnte von einer Rückweisung der Sache an die Vorinstanz
abgesehen werden, wenn diese in ihren Urteilserwägungen nicht zugleich die
unrichtige Auffassung vertreten würde, das Verschulden sei nur "sekundär"
im Rahmen der wirtschaftlichen Verhältnisse zu berücksichtigen, verbunden
mit der Erklärung, die Strafe würde erheblich geringer ausfallen, wenn
- wie es dem Grundgedanken des Gesetzes entspricht - primär auf das
Verschulden abgestellt werden müsste. Obwohl nach dem Gesagten nicht
einzusehen ist, weshalb unter den gegebenen, vom Obergericht zutreffend
gewürdigten Umständen die dem Beschwerdeführer aufzuerlegende Einbusse
geringer als Fr. 5'000.-- sein soll, ist es dem Kassationshof verwehrt,
sein eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen der kantonalen Richter
zu setzen. Der Vorinstanz ist daher Gelegenheit zu geben, auf Grund der
richtiggestellten Gesetzesauslegung neu zu entscheiden.

Entscheid:

Demnach erkennt der Kassationshof:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird dahin gutgeheissen, dass das
angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung im
Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.