Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 92 II 313



92 II 313

47. Urteil der II. Zivilabteilung vom 14. Juli 1966 i.S. Frau
M. I.-Sch. gegen Frau A. B.-M. Regeste

    Streit der Witwe des Erblassers mit einer Schwester desselben um die
Zuweisung des landwirtschaftlichen Gewerbes nach bäuerlichem Erbrecht.
Art. 462 und 463 sowie Art. 620 ff. ZGB.

    Die erbrechtliche Stellung, wie sie der Witwe neben Erben des
elterlichen Stammes nach Art. 462 Abs. 2 ZGB zukommt, wird durch die Regeln
des bäuerlichen Erbrechts (Art. 620 ff. ZGB) nicht eingeschränkt. Diese
Regeln sind als Sonderrecht nicht ausdehnend auszulegen (Erw. 3).

    Nach Art. 462 Abs. 2 ZGB behält die Witwe den ganzen Nachlass (zu
1/4 zu Eigentum und zu 3/4 zu Nutzniessung) in ihrer Hand. Auch an einem
landwirtschaftlichen Gewerbe steht ihr der Besitz und die volle Nutzung
zu. Ist sie willens und fähig, das Gewerbe selber zu bewirtschaften, so
ist ihr mindestens die Nutzniessungam realen Erbschaftsvermögen (ausser
dem Vierteil zu Eigentum) zu belassen, und es kommt die Zuweisung des
Gewerbes an einen andern Erben nur unter Vorbehalt dieser Nutzniessung,
also zu nacktem Eigentum, in Frage (Erw. 3).

    Gründe, die im vorliegenden Falle die Zuweisung zu Eigentum gemäss Art.
620 ff. ZGB an die Witwe selbst und die Abweisung des von einer Schwester
des Erblassers erhobenen Anspruches rechtfertigen (Erw. 4).

Sachverhalt

    A.- Der Landwirt F. Sch.-K., geboren 1883, schloss am 2.  Juli 1948 mit
seinem Sohne F. Sch.-M., geboren 1919, einen "Liegenschafts-Abtretungs-
und Verpfründungsvertrag" ab. Danach übergab er ihm seine Liegenschaften
in Rickenbach, d.h. das etwas mehr als 10 ha umfassende Bauerngut
Buttenberg. Die Urkundsperson meldete den Vertrag bei der Gemeindekanzlei
Rickenbach an, und die Vertragsparteien waren fortan der Meinung, das
Grundeigentum sei auf den Sohn Sch. übertragen worden; doch war die
Fertigung durch den Gemeinderat unterblieben.

    Am 6. Juli 1959 starb der in kinderloser Ehe lebende F.-Sch. junior. Er
wurde beerbt von seinem Vater (die Mutter war schon vor vielen Jahren
gestorben), seinen vier Schwestern und seiner überlebenden Ehefrau A.
Sch.-M., geboren 1918.

    Über die Geltung des Vertrages vom 2. Juli 1948 entstanden zwischen
den Erben Meinungsverschiedenheiten. Am 4. Januar 1960 zog Vater Sch. die
Anmeldung des Vertrages bei der Gemeinderatskanzlei zurück, worauf die
Anmeldung im Tagebuch gelöscht wurde. Indessen reichte gegen ihn der
amtlich ernannte Vertreter der Erbengemeinschaft in deren Namen Klage
ein. Er verlangte, die das Heimwesen Buttenberg bildenden Liegenschaften
seien in das Eigentum der Erben des Sohnes Sch. zu übertragen, und es sei
festzustellen, dass die Vieh- und Fahrhabe auf den 1. Juli 1948 in dessen
Eigentum übergegangen sei. Vater Sch. beantragte die Abweisung der Klage;
er berief sich insbesondere auf Verjährung der aus dem Abtretungsvertrage
vom 2. Juli 1948 entstandenen Ansprüche. Die Klage wurde aber in allen
Instanzen gutgeheissen, vom Bundesgericht durch Urteil vom 2. Juli 1963
(BGE 89 II 256 ff.).

    B.- Am 2. August 1963 stellte Wwe. A. Sch.-M. bei der Kommission
für bäuerliches Erbrecht des Amtes Sursee das Gesuch um ungeteilte
Zuweisung des landwirtschaftlichen Heimwesens Buttenberg. Eine Schwester
des Erblassers Sch. junior, Frau M. I.-Sch., geboren 1929, stellte
ein gleiches Gesuch, das der Vater wie auch die andern Schwestern des
Erblassers unterstützten. Sie wünschten, dass der Hof in der Familie
Sch. bleibe. Nach dem am 21. Oktober 1963 eingetretenen Tode des Vaters
traten die drei Schwestern am 13. Dezember 1963 ihre Erbteile an Frau
M. I.-Sch. ab.

    Die Witwe des F. Sch. junior verehelichte sich am 3. Januar 1964 mit
dem seit 1958 verwitweten J. B., geboren 1903, Landwirt, "Schlossberg",
Römerswil.

    C.- Die Kommission für bäuerliches Erbrecht des Amtes Sursee entsprach
mit Entscheid vom 14. April 1964 dem Gesuch der Witwe des Erblassers,
nunmehr Frau A. B.-M., die nach wie vor in Rickenbach wohnte. Sie wies
ihr das Heimwesen Buttenberg zu Eigentum und zur Selbstbewirtschaftung zu,
mit einem Anrechnungswert von Fr. 59'600. für die Liegenschaften und Fr.
25'435.-- für den Viehbestand und die Betriebsgerätschaften, gemäss der vom
Schatzungsamt des Kantons Luzern am 3. Januar 1964 vorgenommenen Schätzung.
Zur Begründung des Entscheides wurde ausgeführt: Diese Bewerberin habe seit
dem Tode ihres Ehemannes das Heimwesen Buttenberg bewirtschaftet. Es könne
ihr nichts Nachteiliges nachgesagt werden, und der Betrieb sei gut geführt
worden. Die andere Bewerberin, Frau M. I.-Sch., die auf dem Buttenberg
aufgewachsen sei, habe eine Damenschneiderinnen-Lehre bestanden. Seither
habe sie jeweilen noch in den Ferien auf dem Buttenberg gearbeitet. Ihr
Ehemann sei ebenfalls auf einem landwirtschaftlichen Betrieb aufgewachsen
und besitze die Fähigkeiten eines Landwirtes; seit 14 Jahren sei er jedoch
als Chauffeur tätig.

    D.- Frau M. I.-Sch. liess es bei diesem Entscheide nicht bewenden. Sie
erhob am 15. Juni 1964 beim Amtsgericht Sursee gegen Frau A. B.-M. Klage,
womit sie ihren Zuweisungsanspruch erneuerte. Die Beklagte schloss
auf Abweisung der Klage und hielt am eigenen Anspruch auf Erwerb der
landwirtschaftlichen Liegenschaft und des lebenden und toten Inventars
zu den erwähnten Anrechnungswerten fest.

    Das Amtsgericht Sursee hob am 8. April 1965 den Zuweisungsentscheid
der Kommission für bäuerliches Erbrecht auf und hiess die Begehren der
Klägerin gut. Das Obergericht des Kantons Luzern schützte dagegen durch
Urteil vom 10. November 1965 die Appellation der Beklagten und wies ihr
in entsprechendem Sinne Liegenschaft und Inventar zu.

    E.- Mit vorliegender Berufung an das Bundesgericht hält die Klägerin
an der Klage fest.

    Die Beklagte beantragt Abweisung der Berufung und Bestätigung des
obergerichtlichen Urteils.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 2

    2.- Das Heimwesen Buttenberg bildet ohne Zweifel - was denn auch
unbestritten ist - ein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne des Art. 620
ZGB. Um die Zuweisung dieses Hofes bewerben sich die Ehefrau des Erblassers
(Beklagte) und dessen jüngste Schwester (Klägerin). Die ungeteilte
Zuweisung eines solchen Gewerbes kann nur ein Erbe verlangen (und zwar ein
einziger, sofern sich das Gewerbe nach Umfang und Beschaffenheit nicht in
mehrere lebensfähige Betriebe zerlegen lässt, Art. 621 ter, was hier nicht
zutrifft). Die Klägerin macht geltend, der Beklagten fehle die Eigenschaft
einer Erbin, da sie auf ihren Erbanspruch (Eigentumsanteil) verzichtet
habe. Das Obergericht verneint kurzweg das Vorliegen eines solchen
Verzichtes, was eine für das Bundesgericht verbindliche Feststellung
ist, sofern sie nicht auf offensichtlichem Versehen beruht (Art. 63
Abs. 2 OG). Laut den Ausführungen der Berufungsschrift soll die Beklagte
am 25. November 1959 erklärt haben, sie beharre auf der Nutzniessung an
der in Frage stehenden Liegenschaft. Damit habe die Beklagte die volle
Nutzniessung gewählt, woraus sich ergebe, dass sie "die Berechtigung nach
ZGB 620 an sich nicht habe - TUOR/PICENONI, Komm. Erbrecht, Art. 620 N. 14
a". Indessen kann einer dahingehenden Äusserung nicht die ihr von der
Klägerin beigelegte Bedeutung zukommen. Die Beklagte, deren Ehe kinderlos
war, konkurriert mit dem elterlichen Stamm des Erblassers und erhält daher
nach Art. 462 Abs. 2 ZGB einen Viertel zu Eigentum und drei Viertel zu
Nutzniessung. Wenn sie erklärte, sie beharre auf der Nutzniessung am Hof
Buttenberg, so war darin kein Verzicht auf ihren Eigentumsanteil enthalten.
Die Äusserung ist offenbar so zu verstehen: Wenn ihr der "Buttenberg" nicht
zu Eigentum zugewiesen werde, so beharre sie auf der Nutzniessung an diesem
Gewerbe (natürlich unbeschadet des Eigentumsviertels an der Erbschaft).
Vollends spricht die von der Klägerin angerufene Kommentarstelle nicht für,
sondern gegen ihren Standpunkt (siehe dort am Ende: "Wo der überlebende
Ehegatte Eigentum und Nutzniessung zu beanspruchen berechtigt ist, steht
ihm selbstverständlich als Erben der Anspruch auf ungeteilte Zuweisung
zu - vgl. Aarg. OG 9. 10.1922 SJZ Bd. 20 S. 88").

    Das Obergericht stellt sodann fest, dass sowohl die Klägerin wie auch
die Beklagte dieses Heimwesen selber bewirtschaften möchten, und dass
beide Parteien dazu geeignet seien. Keine könne sich auf einen ihr den
Vorrang gewährenden Ortsgebrauch berufen; im Kanton Luzern bestehe kein
solcher Gebrauch hinsichtlich der Stellung des überlebenden Ehegatten
gegenüber Geschwistern des Erblassers. Unter diesen Umständen sei nach
den persönlichen Verhältnissen der Erben über die Zuweisung zu entscheiden
(Art. 621 Abs. 1 ZGB).

    Hiervon waren schon die Kommission für bäuerliches Erbrecht und
das Amtsgericht Sursee zutreffend ausgegangen. Wenn die verschiedenen
kantonalen Instanzen im Ergebnis nicht miteinander überstimmen, so deshalb,
weil sie die einzelnen Tatsachen in verschiedener Weise würdigen. Die
Kommission für bäuerliches Erbrecht stellt auf die starke persönliche
Verbundenheit der Beklagten mit dem streitigen Heimwesen ab, das sie seit
1948 zuerst mit ihrem Ehemann und seit dessen Tode selbständig, und zwar
untadelhaft, bewirtschaftet hat. Die zwar auf diesem Hof aufgewachsene
und ebenfalls mit den ländlichen Arbeiten vertraute Klägerin stehe
diesem Heimwesen weniger nahe. Sie habe einen andern Beruf erlernt
und ausgeübt und seit langem nur noch gelegentlich auf dem Buttenberg
ausgeholfen. Das Amtsgericht Sursee legt demgegenüber das Hauptgewicht
auf den Zusammenhang des Heimwesens Buttenberg mit der Familie Sch.,
der bei Zuweisung an die Klägerin gewahrt werden könne. Diese sei im
ganzen genommen mit dem ehemals väterlichen Hof ebenso eng verbunden wie
die Beklagte. Im Unterschied zu dieser habe sie Nachkommen (vier Kinder,
worunter drei Knaben), so dass, wenn sie den Hof erhalte, er wahrscheinlich
in der Nachkommenschaft ihrer angestammten Familie bleiben werde. Das
Nutzniessungsrecht der Beklagten lasse sich nach Art. 463 Abs. 1 ZGB in
eine Jahresrente umwandeln und allenfalls durch eine einmalige Abfindung
ersetzen, so dass die Klägerin das Gut sogleich in Selbstbetrieb nehmen
könne. Dieser Betrachtung glaubt das Obergericht nicht beitreten zu
können. Es erklärt, das (zum Eigentumsviertel hinzutretende) gesetzliche
Nutzniessungsrecht der Beklagten lasse sich nur bei deren Zustimmung in
eine jährliche Rente umwandeln. Kraft dieses Nutzniessungsrechtes dürfe sie
auf dem Gute bleiben und es selber bewirtschaften; sie brauche sich nicht
durch einen Miterben aus diesem Lebensbereiche verdrängen zu lassen. Somit
könnte die Klägerin, wenn das Gut ihr nach bäuerlichem Erbrecht zugewiesen
würde. es vermutlich erst nach Jahrzehnten zur Selbstbewirtschaftung
übernehmen, nämlich (angesichts der Lebenserwartung der Beklagten von 31
Jahren) erst, wenn sie 66 Jahre alt sei; alsdann wäre sie aber zur Leitung
des Gutsbetriebes kaum mehr fähig, und ebensowenig ihr Ehemann. Bei dieser
Sachlage sei es aber auch zweifelhaft, ob eines ihrer Kinder den Beruf
eines Landwirtes ergreifen werde und später den Buttenberg übernehmen
könnte. Somit seien ausschliesslich die gegenwärtigen Verhältnisse in
Betracht zu ziehen. Die Beklagte verdiene den Vorzug, da sie eben in der
Lage sei, das Gut bei Zuweisung an sie zu Eigentum sogleich weiterhin
selber zu bewirtschaften (nunmehr mit ihrem Ehemann), während dies der
Klägerin versagt wäre. Ausserdem sei die nun seit 15 Jahren auf diesem
Hofe als Bäuerin tätige Beklagte hiezu geeigneter als die seit langem
nicht mehr in der Landwirtschaft lebende Klägerin. Diese berufe sich
auch zu Unrecht auf ihre grössere Beteiligung an der Erbschaft; denn
ihr eigener Erbteil von 3/32 sei geringer als der Eigentumsviertel der
Beklagten, und die durch Abtretung erworbenen Erbteile ihrer Schwestern
seien für die Anwendung von Art. 620 ff. ZGB ohne Belang.

Erwägung 3

    3.- Gemäss Art. 462 Abs. 2 ZGB erhält der überlebende Ehegatte neben
Erben des elterlichen Stammes einen Viertel zu Eigentum und drei Vierteile
zu Nutzniessung. Er behält somit den ganzen Nachlass in Händen, während
die Miterben zu Lebzeiten des überlebenden Ehegatten keine Nutzung an der
Erbschaft erhalten; sie haben nur das nackte Eigentum an ihrem Erbteil
(TUOR, 2. A., N 53/54 zu Art. 462).

    Demgegenüber will die Klägerin das bäuerliche Erbrecht als Sonderrecht
betrachtet wissen, das den Bestimmungen über das Nutzniessungsrecht des
überlebenden Ehegatten vorgehe. Daher habe der Nutzniessungsberechtigte
zu Gunsten des nach bäuerlichem Erbrecht anzuerkennenden Übernehmers
auf das Bewirtschaftungsrecht zu verzichten und das landwirtschaftliche
Gewerbe dem Übernehmer zur Nutzung zu überlassen. Es stehe nichts im
Wege, die dem überlebenden Ehegatten an sich zustehende Nutzniessung am
Gewerbe in eine solche am Übernahmepreis oder am erwirtschafteten Ertrag
umzuwandeln. Diese Auffassung stützt sich vornehmlich auf ESCHER, 3. A.,
N 44..46 zu Art. 620 ZGB, wo ebenfalls noch ausgeführt wird, das bäuerliche
Erbrecht diene der Erhaltung eines lebensfähigen Bauernstandes; es handle
sich bei der Übernahme eines Betriebes um ein Privileg, dem naturgemäss
andere Interessen weichen müssten, wie z.B. das Interesse des überlebenden
Ehegatten an der Bewirtschaftung des betreffenden Landgutes.

    Dieser Auffassung ist indessen das Obergericht mit Recht nicht
beigetreten. Das bäuerliche Erbrecht ist als Sonderrecht nicht ausdehnend
auszulegen; im Zweifel ist zu Gunsten der gemeinrechtlichen Ordnung zu
entscheiden (TUOR/PICENONI, Vorbem. zu Art. 620 ff., N 12). Zu beachten ist
auch, dass das Erbrecht des Zivilgesetzbuches ein systematisches Ganzes
bildet und aus sich selbst auszulegen ist. Von der sich dabei ergebenden
Rangordnung der Normen darf nicht abgegangen werden, wo sich ein solcher
Eingriff nicht aus Wortlaut und Sinn einer Sondernorm unzweifelhaft
ergibt (vgl. BGE 80 II 213/14). Was nun die Erbansprüche des überlebenden
Ehegatten betrifft, so sind sie in Art. 462 ZGB festgelegt. Die Art. 622
bis 625bis ZGB betreffend das bäuerliche Erbrecht stehen im Titel über die
Teilung der Erbschaft. Sie lassen die Erbansprüche als solche unberührt,
insbesondere auch diejenigen des überlebenden Ehegatten. Dieser wird in
jenen Bestimmungen gar nicht erwähnt, und es fehlt an jeglichem Vorbehalt,
wonach das Nutzniessungsrecht des überlebenden Ehegatten gegenüber einem
Übernehmer des Gewerbes aufgehoben oder beschränkt, namentlich etwa von
Gesetzes wegen in eine jährliche Rente umzuwandeln wäre. Nach Art. 463 ZGB
kann dem überlebenden Ehegatten eine solche Rente statt der Nutzniessung
nicht gegen seinen Willen aufgezwungen werden.

    Es liegt auch kein zwingender Grund zur Annahme vor, nach
dem wahren Sinn der Normen über das bäuerliche Erbrecht habe das
Nutzniessungsrecht des überlebenden Ehegatten vor den Ansprüchen eines zur
Selbstbewirtschaftung gewillten und als geeignet befundenen Übernehmers
zu weichen. Dem Art. 462 Abs. 2 ZGB liegt der Gedanke zu Grunde,
der überlebende Ehegatte solle gegenüber Erben des elterlichen oder
grosselterlichen Stammes in der wirtschaftlichen Stellung bleiben können,
in der er sich zu Lebzeiten des verstorbenen Gatten befand (TUOR, 2. A., N
7 zu Art. 462; vgl. auch TUOR/SCHNYDER, Das schweizerische Zivilgesetzbuch,
7. A., S. 314, wo ausgeführt wird, der erwähnte Grundsatz entspreche einer
tief ethischen Auffassung der Ehe, als einer Gemeinschaft, die über den Tod
hinaus ihre Wirkungen äussere; gemäss diesem Prinzip soll der überlebende
Ehegatte im vollen Genuss des Vermögens des verstorbenen Ehegatten bleiben,
um so wenigstens in finanzieller Beziehung die eingetretene Änderung nicht
zu verspüren). Das muss auch dann gelten, wenn sich in der Erbschaft ein
landwirtschaftliches Gewerbe befindet und der überlebende Ehegatte willens
und fähig ist, es weiterhin selber zu bewirtschaften. Mit Sinn und Zweck
des Art. 462 Abs. 2 ZGB wäre es somit nicht vereinbar, der Beklagten die
Bewirtschaftung des "Buttenbergs" zu verwehren, wenn der Hof der Klägerin
zugewiesen würde (vgl. O. K. KAUFMANN, Das neue ländliche Bodenrecht der
Schweiz, 1946, S. 299 ff.; BOREL/NEUKOMM, Das bäuerliche Erbrecht, 4. A.,
1954, S. 77 ff.; SJZ 49 S. 212).

    Nichts Abweichendes ist aus BGE 76 II 120 ff. zu folgern. In jenem
Falle standen ein Sohn des Erblassers (aus erster Ehe) und die Witwe
einander als Bewerber nach bäuerlichem Erbrecht gegenüber. Dem Sohne
kam nach Art. 621 Abs. 3 ZGB der Vorrang zu, und die Witwe konnte auch
nicht Anspruch darauf erheben, auf dem Hofe zu bleiben, weil die ihr nach
Art. 462 Abs. 1 ZGB neben Nachkommen des Erblassers bloss alternativ
statt eines Viertels zu Eigentum zustehenden Nutzniessung zur Hälfte
nicht den vollen Besitz und Genuss der ganzen Erbschaft gewährte, wie
dies nach Art. 462 Abs. 2 für die Beklagte zutrifft.

    BGE 50 II 459 ff. betraf einen Streit um Zuweisung nach bäuerlichem
Erbrecht zwischen einer Tochter und der Witwe des Erblassers. Der Vorrang
kam dabei der Tochter zu. Über das der Witwe durch Ehevertrag zugewendete
Nutzniessungsrecht äussert sich der Entscheid dahin (S. 464), es unterliege
der Herabsetzung; sollte es aber im Umfang des bäuerlichen Gewerbes
aufrecht bleiben, so hätte dies zur Folge, dass die Tochter das Gut zu
Lebzeiten der Witwe nicht zu vollem Genuss erhalten könne. Um so mehr muss
das Nutzniessungsrecht der Witwe im vorliegenden Falle zur Geltung kommen,
da es von Gesetzes wegen besteht und nicht der Herabsetzung unterliegt,
und da die Klägerin gegenüber der Beklagten nach bäuerlichem Erbrecht
keine Vorrangstellung einnimmt.

Erwägung 4

    4.- Bei dieser Sachlage ist die zu Gunsten der Beklagten ergangene
Entscheidung des Obergerichts nicht zu beanstanden. Wie dargetan,
könnte das Heimwesen "Buttenberg" der Klägerin nur zu nacktem Eigentum
zugewiesen werden, wobei es vermutlich auf Jahrzehnte hinaus sein Bewenden
haben müsste. Es liegt aber nicht im Sinn und Zweck des bäuerlichen
Erbrechts, einen landwirtschaftlichen Betrieb einem Bewerber zuzuweisen,
der mit grösster Wahrscheinlichkeit nie in die Lage kommt, das Gewerbe zum
Selbstbetrieb zu übernehmen, während ein anderer Bewerber den Hof bereits
mit Erfolg bewirtschaftet, ihn auch weiterhin bewirtschaften will und
dazu fähig ist, wie dies nach den Feststellungen des Obergerichtes bei der
Beklagten zutrifft. Unter diesen Umständen fallen die Familienverhältnisse
nicht ins Gewicht, die an und für sich zu Gunsten der Klägerin sprechen
könnten. Denn da der Hof auf alle Fälle vermutlich auf Jahrzehnte hinaus
in Händen der Beklagten bleiben muss, könnten die Kinder der Klägerin auch
bei Zuweisung des Gewerbes an diese (zu nacktem Eigentum) nicht auf dem
"Buttenberg" aufwachsen, und es besteht keine Gewähr dafür, dass eines von
ihnen ohnehin den Beruf eines Bauern ergreifen würde, um später einmal
den "Buttenberg" zu übernehmen und ihn damit der Nachkommenschaft des
F. Sch. sen. zu erhalten.

    Nebenbei mag bemerkt werden, dass sich auch bei Selbstbewirtschaftung,
wie sie die Klägerin in erster Linie wünscht, keine günstige Lage für
ihre Familie ergäbe. Der Hof Buttenberg wirft nicht so viel ab, dass
daraus eine solche Bauernfamilie neben den der Beklagten als Nutzniesserin
(ausser dem Eigentumsviertel) zukommenden fortlaufenden Leistungen ihren
Lebensunterhalt gewinnen könnte. Wird von einem Rohertrag von höchstens
Fr. 20'000.-- ausgegangen (nach dem amtlichen Schätzungsbefund vom
3. Januar 1964 beträgt er Fr. 17'250.--), so ist der Reinertrag kaum mehr
als Fr. 10'000.--, wovon 3/4 =Fr. 7'500.-- der Beklagten abzuliefern wären.

    Die Grösse der Erbteile kann neben den besprochenen Faktoren keine
entscheidende Rolle spielen. Übrigens zieht das Obergericht aus guten
Gründen nur den eigenen, ursprünglichen Erbteil der Klägerin, nicht auch
die ihr von ihren Schwestern abgetretenen Erbteile in Betracht. Denn es
geht nicht an, durch Abtretung von Erbteilen die nach bäuerlichem Erbrecht
zu treffende Entscheidung zu beeinflussen.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des
Kantons Luzern vom 10. November 1965 bestätigt.