Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 92 II 192



92 II 192

29. Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. Juni 1966 i.S. Eidgenössische
Militärversicherung gegen "Zürich" Versicherungsgesellschaft AG. Regeste

    Zivilrechtliche Haftung der Militärperson, die mit einem privaten
Motorfahrzeug andere Militärpersonen körperlich schädigt.

    Rückgriff der Eidgenössischen Militärversicherung auf die
Halterhaftpflichtversicherung des Schädigers.

    Zulässigkeit der Berufung.

    Art. 27, 29 MO; Art. 58, 65, 81 SVG; Art. 49 MVG; Art. 48, 50 OG.

Sachverhalt

    A.- Feldweibel W. Grogg fuhr am Morgen des 25. November 1960, am
Tage der Entlassung seiner Einheit aus dem Wiederholungskurs, mit seinem
Privatauto vom Demobilmachungsplatz Wiedlisbach, wo er den Materialverlad
überwacht hatte, zu dem ca. 3 km entfernten Zeughaus in Wangen a.A., wo die
Einheit das Material abzugeben hatte. Eine Bewilligung zur dienstlichen
Verwendung seines Privatfahrzeuges hatte er nicht eingeholt. Als er
ca. um 07.00 Uhr in Wiedlisbach wegfuhr, war es noch dunkel. Er fuhr mit
einer Geschwindigkeit von ca. 60 km/Std, die er auch nicht verminderte,
als er wegen eines aus der Gegenrichtung herannahenden Motorfahrzeugs
seine Scheinwerfer abblenden musste. Als er nach dem Kreuzen wieder
auf Fernlicht umschaltete, erblickte er vor sich auf kurze Distanz
das Materialabgabedetachement, das er selber abkommandiert hatte und
das ca. 10 Minuten früher abmarschiert war. Obwohl er sofort bremste,
konnte er nicht mehr rechtzeitig anhalten, sondern fuhr in die hinterste
Soldatengruppe hinein. Dabei wurden 10 Mann verletzt. Zwei von ihnen
bedurften nur ambulanter Behandlung; vier konnten nach unterschiedlich
langer Spital- und Nachbehandlung als vollständig geheilt entlassen werden;
bei den übrigen drei steht noch nicht fest, ob eine Teilinvalidität
zurückbleibt. Die Eidgenössische Militärversicherung leistete bis Anfang
1964 an und für die verunfallten Soldaten insgesamt Fr. 125'071.05.

    Fw. Grogg wurde am 12. Mai 1961 vom Divisionsgericht 4 der
Nichtbefolgung von Dienstvorschriften, der fahrlässigen Körperverletzung
und der fahrlässigen Störung des öffentlichen Verkehrs schuldig erklärt
und unter Ansetzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt zu 2 Monaten
Gefängnis verurteilt.

    B.- Mit Klage vom 17. April 1964 belangte die Eidgen.
Militärversicherung gestützt auf Art. 49 MVG die Versicherungsgesellschaft
"Zürich", bei der Grogg ohne summenmässige Begrenzung für seine
Halterhaftpflicht versichert ist, auf Ersatz der von ihr für die
verunfallten Soldaten erbrachten Leistungen; ferner behielt sie sich die
Geltendmachung des Ersatzanspruchs für weitere Leistungen vor, die sie
im Zusammenhang mit dem Unfall allenfalls noch erbringen muss.

    Die Beklagte bestritt ihre Ersatzpflicht und beantragte, die Klage
abzuweisen.

    C.- Der Appellationshof des Kantons Bern beschränkte gestützt
auf Art. 190 ff. der bernischen ZPO das Verfahren auf die Frage der
grundsätzlichen Haftung der Beklagten und wies am 17. Mai 1965 die Klage
"im Sinne eines selbständigen und berufungsfähigen Vorentscheides" ab.

    Die Begründung dieses Entscheides stützt sich auf die Rechtsprechung
des Bundesgerichtes, wonach ein Wehrmann zivilrechtlich für körperliche
Schädigungen, die er in Ausübung einer dienstlichen Tätigkeit andern
Wehrmännern zufügt, grundsätzlich nicht persönlich haftbar ist, ausser
bei vorsätzlicher oder besonders grobfahrlässiger Schadenszufügung (BGE
78 II 419 ff., 79 II 147 ff.). Der grundsätzliche Haftungsausschluss
gelte nach diesen unter der Herrschaft des MFG ergangenen Entscheiden
auch bei Unfällen von Militärmotorfahrzeugen. Das Inkrafttreten des
SVG habe keine Änderung der Rechtslage gebracht; denn Art. 81 SVG,
wonach bei Tötung oder Verletzung eines Militärversicherten durch ein
Militärfahrzeug der Bund den Schaden ausschliesslich nach den Vorschriften
über die Militärversicherung zu decken habe, stimme in seinem wesentlichen
Inhalt mit dem früheren Art. 57 MFG überein. Als Militärfahrzeug im Sinne
von Art. 81 SVG müsse auch ein dienstlich verwendetes Privatfahrzeug
betrachtet werden, da sonst der Grundsatz des Haftungsausschlusses
zwischen Wehrmännern illusorisch würde. Aus dem gleichen Grunde komme
auch nichts darauf an, dass der vorliegende Prozess sich nicht zwischen
Wehrmännern abspiele, sondern zwischen der Militärversicherung und der
Haftpflichtversicherung des schädigenden Motorfahrzeughalters und Lenkers;
denn wenn die Haftung der Beklagten bejaht würde, so wäre ihr Versicherter
Grogg möglicherweise dem Rückgriff nach Art. 65 Abs. 3 SVG ausgesetzt,
so dass letzten Endes doch die Frage der Haftung zwischen Wehrmännern
zur Diskussion stehe. Da sich der Unfall auf einer Fahrt ereignet habe,
die Fw. Grogg zu dienstlichen Zwecken unternommen habe und da ihn kein
schweres Verschulden treffe, könne er nicht persönlich belangt werden,
womit auch eine Haftung der Beklagten entfalle.

    D.- Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die Berufung an das
Bundesgericht erklärt. Sie beantragt, die Beklagte dem Grundsatze nach zu
verurteilen, ihr den Schaden aus dem Verkehrsunfall des Fw. Grogg vom 25.
November 1960 zu ersetzen.

    Die Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene
Urteil zu bestätigen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der angefochtene Entscheid ist entgegen der Auffassung der
Vorinstanz und der Klägerin nicht ein blosser Vorentscheid, sondern
ein Endentscheid; denn er lautet auf Abweisung der Klage, schliesst
das kantonale Verfahren endgültig ab und kann durch kein ordentliches
kantonales Rechtsmittel mehr angefochten werden (Art. 48 Abs. 1 OG). Dass
die Vorinstanz das Verfahren in Anwendung kantonalen Prozessrechts auf
die Frage der grundsätzlichen Haftung beschränkt hat, macht, wenn dieses
beschränkte Verfahren wie hier zur Abweisung der Klage geführt hat, den
Entscheid nicht zu einem blossen Vor- oder Zwischenentscheid im Sinne von
Art. 50 OG. Ein solcher läge nur vor, wenn der kantonale Richter die Frage
der grundsätzlichen Haftung der Beklagten bejaht hätte. Nur dann könnte
sich fragen, ob die Voraussetzungen des Art. 50 OG für eine sofortige
Anrufung des Bundesgerichtes erfüllt seien. Da der angefochtene Entscheid
ein Endentscheid der oberen kantonalen Instanz ist und der Streitwert
den nach Art. 46 OG erforderlichen Betrag von Fr. 8'000.-- übersteigt,
ist die Berufung zulässig.

Erwägung 2

    2.- Der Klägerin steht ein Anspruch gegen die Beklagte nur zu, wenn
der Fahrzeughalter Grogg den geschädigten Wehrmännern für die Folgen
des Unfalles, den er mit seinem Motorfahrzeug verursacht hat, persönlich
haftet. Denn eine Leistungspflicht der Versicherung tritt nur dann und nur
insoweit ein, als eine Haftpflichtforderung gegen den Halter besteht; die
Deckungspflicht des Versicherers reicht nicht weiter als die persönliche
Haftung des Halters mit Einschluss der Personen, für die er verantwortlich
ist (OFTINGER, Haftpflichtrecht II/2 S. 747 Ziff. 2). Wird der Versicherer
gestützt auf das unmittelbare Forderungsrecht des Geschädigten gemäss
Art. 65 SVG belangt, so muss deshalb vorweg die Frage der Haftpflicht des
Halters abgeklärt werden. Die Vorinstanz hat daher mit Recht die Auffassung
der Klägerin verworfen, die Frage des Haftungsausschlusses zwischen
Wehrmännern stelle sich überhaupt nicht, weil sich im Prozess nicht die
geschädigten Wehrmänner und der Halter, sondern die Militärversicherung
und die Halterhaftpflichtversicherung gegenüberstehen.

Erwägung 3

    3.- Die Vorinstanz hat zur Begründung der Klageabweisung unter anderm
auch Art. 81 SVG herangezogen, der bestimmt, wenn ein Versicherter der
Militärversicherung durch ein Militärfahrzeug getötet oder verletzt
werde, habe der Bund den Schaden ausschliesslich nach dem Gesetz über
die Militärversicherung zu decken.

    Dieser Bestimmung lässt sich jedoch für die Entscheidung
des vorliegenden Streitfalles nichts entnehmen. Sie betrifft
ausschliesslich das Verhältnis der Motorfahrzeughaftung des Bundes zur
Militärversicherung. Die Botschaft des Bundesrates zum SVG bemerkte zu
dem gleich wie Art. 81 des Gesetzes lautenden Art. 75 des Entwurfes:

    "Wird ein Versicherter der Militärversicherung durch ein privates
Motorfahrzeug geschädigt, so hat er dem Halter gegenüber alle Rechte wie
andere Geschädigte. Wenn der Schaden jedoch durch ein Militärfahrzeug
verursacht wird, 'haftet' der Bund wie bisher, nur nach dem Bundesgesetz
über die Militärversicherung. Ist der Unfall dagegen durch ein anderes
Motorfahrzeug des Bundes entstanden, z.B. durch ein Postauto, so hat der
Bund den von der Militärversicherung nicht gedeckten Teil des Schadens
nach dem Strassenverkehrsgesetz (Art. 69 [=Art. 73 SVG]) zu ersetzen".

    Diese Ausführungen zeigen, dass Art. 81 nur die Haftung des
Bundes regeln will. Er besagt, dass der Bund dem Militärversicherten
für den durch ein Militärfahrzeug verursachten Schaden nur nach den
Bestimmungen über die Militärversicherung aufzukommen habe, ihm dagegen
nicht überdies nach den Haftpflichtbestimmungen des SVG hafte, denen
nach Art. 73 Abs. 1 SVG grundsätzlich auch die Motorfahrzeuge des Bundes
unterstehen. Einen weitergehenden Sinn hat diese Bestimmung nicht (so auch
BGE 78 II 428 in bezug auf Art. 57 MFG, der inhaltlich mit Art. 81 SVG im
wesentlichen übereinstimmt). Insbesondere will sie nicht den Begriff des
Militärfahrzeuges von demjenigen des Nichtmilitärfahrzeuges abgrenzen. Die
Schlussfolgerungen, die der Appellationshof aus ihr in bezug auf die Frage
der Haftungsbefreiung des Fw. Grogg glaubt ziehen zu können, entbehren
daher der Grundlage.

Erwägung 4

    4.- Art. 27/28 der Militärorganisation (MO) überbinden dem Bund die
Haftung für Körper- und Sachschäden, von denen Zivilpersonen infolge
militärischer Übungen betroffen werden. Art. 103 des Beschlusses der
Bundesversammlung vom 30. März 1949 über die Verwaltung der schweizerischen
Armee (AS 1949 II S. 1118) verdeutlicht diese Bestimmung dahin, dass
die Haftung des Bundes die Geltendmachung von Schadenersatzforderungen
durch die Geschädigten gegen die am Unfall beteiligten Militärpersonen
ausschliesse, wie dies die bundesgerichtliche Rechtsprechung (BGE 47 II
179) von jeher angenommen hatte. Über die Haftung zwischen Wehrmännern
bestehen dagegen keine besonderen Vorschriften. Der Grundsatz, dass
der Wehrmann auch einem andern Wehrmann für dienstlich zugefügte Schäden
(unter Vorbehalt absichtlicher oder besonders grobfahrlässiger Schädigung)
persönlich nicht hafte, wurde vom Bundesgericht in den von der Vorinstanz
angerufenen Urteilen (BGE 78 II 419 ff. und 79 II 147 ff.) in analoger
Anwendung der Vorschriften über die Haftung gegenüber Zivilpersonen
aufgestellt. Das Bundesgericht begründete diese Rechtsprechung damit,
dass der den Art. 27/28 MO innewohnende Leitgedanke im Verhältnis zwischen
Wehrmännern nicht weniger zutreffe als im Verhältnis zwischen Wehrmann
und Zivilperson.

    Diese Überlegung erweist sich auch bei erneuter Prüfung als
stichhaltig. Der gesetzlich verankerte Ausschluss der persönlichen
Haftung gegenüber der Zivilperson hat seinen Grund darin, dass der Soldat
in Erfüllung der auf Art. 18 BV beruhenden allgemeinen Wehrpflicht
Dienst leisten muss. Bei seinen dienstlichen Verrichtungen handelt
er nicht aus freiem Willensentschluss, sondern er untersteht kraft der
militärischen Gehorsamspflicht dem Zwange des Dienstbefehls. Dadurch kann
er in Situationen kommen, die von seinen gewohnten Lebensverhältnissen
weit abliegen und denen er sich nicht als gewachsen erweist. Dazu kommt,
dass die militärische Ausbildung auf das Ziel der Kriegstüchtigkeit
ausgerichtet ist und darum nach Förderung von Forschheit und Draufgängertum
streben muss. Der Soldat wird so dazu erzogen, bei der Ausführung
der ihm befohlenen dienstlichen Verrichtungen erhöhte Risiken in Kauf
zu nehmen. Das kann ihn zu einer Handlungsweise veranlassen, die zur
körperlichen Schädigung Dritter führt und ihm unter zivilen Verhältnissen
als eine die Schadenersatzpflicht begründende Fahrlässigkeit angerechnet
werden müsste. Von solchen Handlungen eines Wehrmannes können aber nicht
nur Zivilpersonen betroffen werden, sondern es sind ihnen auch, ja sogar in
noch weit höherem Masse, seine Dienstkameraden ausgesetzt. Es ist daher,
wie in BGE 78 II 425 mit Recht hervorgehoben wurde, keine überzeugende
Erklärung dafür ersichtlich, weshalb die persönliche Haftung nicht auch
im Verhältnis zwischen Wehrmännern grundsätzlich ausgeschlossen sein
sollte. An dieser Rechtsprechung ist deshalb trotz der im Schrifttum
lautgewordenen Kritik (OFTINGER, op.cit. II/2 S. 877) festzuhalten.

    b) Hat der Bund auf Grund von Art. 27 f. MO für die Schädigung
von Zivilpersonen Ersatz zu leisten, so steht ihm nach Art. 29
MO der Rückgriff auf den Schädiger zu, wenn diesen ein Verschulden
trifft. Ebenso räumt Art. 49 des MVG der Militärversicherung für ihre
Leistungen das Rückgriffsrecht auf den Dritten ein, der mit bezug auf die
Gesundheitsschädigung oder den Tod des Versicherten schadenersatzpflichtig
ist. Im Hinblick auf den Zweck, der mit der grundsätzlichen Befreiung
des Wehrmanns von der persönlichen Haftung angestrebt wird, müssen für
die auf den genannten Bestimmungen beruhenden Rückgriffsansprüche die
gleichen Beschränkungen gelten wie für die direkte Belangbarkeit durch den
Geschädigten (so auch OFTINGER, op.cit. I S. 393, II/2 S. 878 oben). Denn
müsste der Wehrmann damit rechnen, auch schon bei leichtem Verschulden dem
Rückgriff seitens des Bundes bezw. der Militärversicherung ausgesetzt zu
sein, so würden dadurch seine Einsatzbereitschaft und sein Wagemut nicht
weniger beeinträchtigt als durch das Bestehen einer persönlichen Haftung
gegenüber dem Geschädigten.

    In folgerichtiger Weiterentwicklung der durch die mehrfach erwähnten
Entscheide begründeten Rechtsprechung ist somit festzuhalten, dass
ein Wehrmann für körperliche Schädigungen, die er Zivilpersonen oder
Dienstkameraden in Ausübung dienstlicher Verrichtungen nicht absichtlich
oder durch besonders schwerwiegendes grobfahrlässiges Verhalten zufügt,
weder dem Geschädigten persönlich haftbar ist noch vom Bund oder der
Eidgen. Militärversicherung auf dem Rückgriffswege verantwortlich gemacht
werden kann.

Erwägung 5

    5.- Der Grundsatz der Haftungsbefreiung im Verhältnis zwischen
Wehrmännern gilt, wie in BGE 78 II 428 f. mit überzeugender Begründung
dargelegt worden ist, auch für die Schadensstiftung bei befohlener Führung
eines Militärmotorfahrzeuges.

    Der hier in Frage stehende Unfall wurde indessen nicht durch ein
militärisches, sondern durch ein privates Motorfahrzeug verursacht. Unter
den Begriff des Militärfahrzeuges fallen gemäss Art. 128 Ziff. 4-6 des BRB
über die Verwaltung der schweizerischen Armee vom 22. August 1949 (AS 1949
II S. 1167) private Fahrzeuge nur, wenn sie von der Militärverwaltung
gemietet oder unter Beobachtung der dafür aufgestellten besonderen
Vorschriften militärisch requiriert worden sind. Diese Voraussetzungen
waren hier nicht erfüllt.

    Zudem handelte es sich nicht um eine befohlene Fahrt, sondern Fw. Grogg
verwendete sein privates Fahrzeug unerlaubterweise. Zwar unternahm er
die Fahrt nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht zu
rein privaten Zwecken, wie es z.B. zugetroffen hätte, wenn er den Wagen
benützt hätte, um in den Urlaub zu fahren. Er verwendete seinen Privatwagen
vielmehr im Zusammenhang mit der Erfüllung dienstlicher Verrichtungen,
nämlich um einerseits den Materialverlad am Demobilmachungsort und
anderseits die Materialabgabe im Zeughaus persönlich überwachen zu
können. Die dienstliche Verwendung des Fahrzeugs macht jedoch dieses
nicht zum Militärfahrzeug.

Erwägung 6

    6.- Es fragt sich, ob unter den gegebenen Umständen die analoge
Anwendung von Art. 27 MO gleichwohl gerechtfertigt sei. Das ist zu
verneinen. Wie dargelegt wurde, beruht die Übertragung der für die
Schädigung von Zivilpersonen geltenden Ordnung auf das Verhältnis
zwischen Wehrmännern darauf, dass der Soldat zur Dienstleistung und zur
Übernahme der damit verbundenen Gefahren gezwungen ist. Diese entscheidende
Überlegung trifft aber auf den vorliegenden Fall gerade nicht zu: Fw. Grogg
war nicht durch einen Dienstbefehl gezwungen, für die in Frage stehende
Fahrt seinen Privatwagen zu verwenden. Er benützte ihn, wenn auch zu
dienstlichen Zwecken, so doch aus freiem Willensentschluss, ja sogar im
Bewusstsein, dass er dazu nicht berechtigt war. Er nahm damit freiwillig
die Risiken auf sich, die mit dem Betrieb jedes Motorfahrzeugs verbunden
sind und die den Gesetzgeber zur Einführung der strengen Kausalhaftung
des Halters bewogen haben. Es besteht daher kein Anlass, die analoge
Anwendung von Art. 27 MO auf die eigenmächtige Verwendung eines privaten
Motorfahrzeuges auszudehnen und den Halter von seiner persönlichen Haftung
zu befreien.

    Ein solcher Haftungsausschluss liesse sich allenfalls noch in Erwägung
ziehen, wenn ein Unfall auf die mit militärischen Übungen verbundene
besondere Gefährlichkeit zurückzuführen ist. Das trifft hier jedoch
nicht zu. Der Unfall ereignete sich, weil Fw. Grogg die Geschwindigkeit
seines Fahrzeuges nicht der beschränkten Sichtweite anpasste, die er
beim Fahren mit abgeblendeten Lichtern hatte. Es handelte sich also
um eine Verwirklichung der dem Motorfahrzeug als solchem innewohnenden
Betriebsgefahr, bei der die dienstliche Verwendung keine Rolle spielte.

    Die Benutzung des privaten Motorfahrzeuges kann auch nicht etwa
damit gerechtfertigt werden, dass Fw. Grogg sich in einer an Notstand
grenzenden Lage befunden habe. Die Vorinstanz meint zwar, sein Vorgehen
sei objektiv gerechtfertigt gewesen, weil er das Distanzproblem nur
so habe bewältigen können und sich unter dem Druck einer beinahe
ausweglosen Situation hiezu entschlossen habe. Davon kann keine Rede
sein. Es bestand keine unumgängliche Notwendigkeit für Fw. Grogg, sowohl
den Materialverlad als auch die Abgabe persönlich zu überwachen. Eine
zweckmässige Organisation mit entsprechender Verteilung der Arbeit auf die
Unteroffiziere hätte genügt, um die ordnungsgemässe Durchführung dieser
dienstlichen Verrichtungen zu gewährleisten. Wenn Fw. Grogg glaubte,
die Arbeiten persönlich überwachen zu müssen, so hätte er sich mit einem
zivilen oder militärischen Fahrrad behelfen können, falls die Zeit nicht
ausreichte, um die 2-3 km betragende Entfernung vom Demobilmachungsort
zum Zeughaus zu Fuss zurückzulegen. Die Umstände vermochten somit die
Verletzung des Dienstbefehls, der die dienstliche Verwendung ziviler
Motorfahrzeuge grundsätzlich verbietet, nicht zu rechtfertigen.

Erwägung 7

    7.- Von der Auffassung, dass die persönliche Haftung des Halters bei
dienstlicher Verwendung eines privaten Motorfahrzeugs bestehen bleibt,
gehen übrigens auch die Vorschriften des bereits erwähnten BRB über die
Verwaltung der schweizerischen Armee aus. Diese erklären in Art. 159 die
Verwendung privater Motorfahrzeuge als bewilligungspflichtig und lassen
sie nur auf beschränkte Zeit und beim Vorliegen genau umschriebener
Voraussetzungen zu. Art. 160 Abs. 1 sodann bestimmt, dass solche
Fahrzeuge vom Halter oder dessen Beauftragten geführt werden und mit
kantonalen Kontrolschildern sowie mit eigener Haftpflichtversicherung
verkehren. Da die Deckungspflicht des Haftpflichtversicherers von
der persönlichen Haftung des Halters abhängt, wird das Bestehen einer
solchen durch diese Regelung notwendigerweise vorausgesetzt. Sie beruht
offensichtlich auf dem in Erw. 6 als entscheidend befundenen Kriterium,
dass die dienstliche Verwendung von Privatfahrzeugen völlig freiwillig
erfolgt. Das Verwaltungsreglement für die schweizerische Armee (VR 1958)
bestimmt denn auch in Ziff. 440 ausdrücklich, die Indienstnahme solcher
privater Motorfahrzeuge sei freiwillig und dürfe nicht befohlen werden;
ferner seien dem Halter vorgängig die Bedingungen gemäss Ziff. 442 VR
(die mit Art. 160 BRB übereinstimmt) bekannt zu geben. Der Halter kann
sich also nicht im Zweifel darüber befinden, dass seine Kausalhaftung,
der er nach dem SVG untersteht, auch bei der dienstlichen Verwendung des
Fahrzeugs bestehen bleibt. Scheut er diese strenge Haftung als Halter
wegen der mit der dienstlichen Verwendung verbundenen Gefahren, so soll
er das Fahrzeug eben nicht für dienstliche Zwecke verwenden.

    Bleibt nach diesen Bestimmungen die persönliche Haftpflicht des Halters
sogar bei bewilligter dienstlicher Verwendung des privaten Fahrzeugs
bestehen, so gilt dies selbstverständlich erst recht bei nichtbewilligter
Benützung desselben. Denn es ist nicht denkbar, dass der Wehrmann,
der sein privates Fahrzeug eigenmächtig und in bewusster Übertretung
dienstlicher Vorschriften benützt, besser gestellt sein sollte, als wenn
er die nach Art. 159 BRB erforderliche Bewilligung eingeholt hätte.

Erwägung 8

    8.- Da gemäss den vorstehenden Erwägungen Fw. Grogg als Halter
für die Folgen des in Frage stehenden Unfalles persönlich haftet,
sind die Voraussetzungen für die unmittelbare Belangung seiner
Haftpflichtversicherung erfüllt. Die Ansprüche der geschädigten Wehrmänner
gegen den Halter und dessen Haftpflichtversicherung sind gemäss Art. 49 MVG
auf die Klägerin übergegangen, soweit diese für den Schaden aufgekommen ist
oder noch aufkommen muss. Die Klage ist somit grundsätzlich begründet. Das
angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache zur Ermittlung der
Höhe der Rückgriffsansprüche der Klägerin an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Appellationshofs des
Kantons Bern, III. Zivilkammer, vom 17. Mai 1965 wird aufgehoben und
die Sache zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz
zurückgewiesen.