Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 91 I 98



91 I 98

17. Urteil vom 12. Mai 1965 i.S. Kaufhaus Modern AG Wohlen gegen
Gemeinderat Wohlen und Regierungsrat des Kantons Aargau. Regeste

    Ladenschluss, Willkür, Handels- und Gewerbefreiheit. Art. 4 und 31 BV.

    1.  Die Annahme, § 2 des aargauischen Gesetzes über den Ladenschluss
vom 14. Februar 1940 ermächtige die Gemeinden zur Anordnung eines
ganztägigen Ladenschlusses unter der Woche, ist nicht willkürlich (Erw. 1).

    2.  Gewerbepolizeiliche Massnahmen sind gestützt auf Art. 31 Abs. 2
BV zulässig, dürfen aber den Grundsatz der Verhältnismässigkeit nicht
verletzen und müssen alle Gewerbegenossen gleich behandeln (Erw. 2 a
und b).

    3.  Vorschriften, welche die Schliessung der Ladengeschäfte während
einer bestimmten Zeitspanne an Werktagen anordnen, um den Ladeninhabern und
dem Personal die nötige Freizeit zu verschaffen, sind gewerbepolizeiliche
Vorschriften zum Schutze der öffentlichen Gesundheit und als solche
mit Art. 31 BV vereinbar. Dies gilt beim heutigen Stand der Dinge
grundsätzlich auch dann, wenn angeordnet wird, die Ladengeschäfte während
eines ganzen Werktages geschlossen zu halten (Erw. 2 c-g).

Sachverhalt

    A.- Nach § 1 des aargauischen Gesetzes über den Ladenschluss vom
14. Februar 1940 (LSG) sind an Werktagen die Verkaufsgeschäfte um 19.00
Uhr zu schliessen. In § 2 des Gesetzes wird bestimmt:

    "Sofern im Einzelfalle ein dringendes Bedürfnis nachgewiesen wird,
oder wenn mindestens zwei Drittel der Geschäftsinhaber der Gemeinde es
verlangen, kann der Gemeinderat mit Zustimmung der Polizeidirektion den
Ladenschluss im Sommer, d.h. vom 1. April bis 30. September, bis längstens
21 Uhr, im Winter, d.h. vom 1. Oktober bis 31. März, bis längstens 20
Uhr hinausschieben oder ihn früher ansetzen.

    Der Gemeinderat kann unter den gleichen Voraussetzungen für einzelne
Arten von Verkaufsgeschäften eine besondere Ordnung treffen. Eine solche
kann sich auch auf einzelne Tage beziehen, wie z.B. Ladenschluss am
Samstagnachmittag."

    B.- Auf Begehren des Handwerker- und Gewerbevereins hin beschloss
der Gemeinderat Wohlen am 8. Juni 1964, dass die Verkaufsgeschäfte am
Mittwoch den ganzen Tag geschlossen zu halten seien; für Milchgeschäfte,
Bäckereien und Konditoreien wurde eine besondere Ordnung getroffen.

    Gegen diesen Beschluss erhob die Kaufhaus Modern AG Wohlen, die in der
fraglichen Gemeinde ein Warenhaus betreibt, beim Bezirksamt Bremgarten
Beschwerde mit der Begründung, der Beschluss des Gemeinderates finde im
aargauischen Ladenschlussgesetz keine genügende Grundlage und verletze
die Handels- und Gewerbefreiheit. Der Bezirksamtmann hiess die Beschwerde
am 21. August 1964 gut. Er hielt dafür, § 2 Abs. 2 LSG erlaube es der
Gemeindebehörde nicht, die Schliessung der Verkaufsgeschäfte während eines
ganzen Werktages anzuordnen. Der angefochtene Beschluss laufe praktisch
auf die zwangsweise Einführung der Fünftagewoche hinaus, wofür weder eine
gesetzliche Grundlage noch eine Notwendigkeit bestehe.

    Der Gemeinderat Wohlen erhob gegen den Entscheid des Bezirksamtmannes
Beschwerde beim Regierungsrat des Kantons Aargau, der am 12. November
1964 die Beschwerde guthiess und zur Begründung ausführte, Vorschriften,
welche die Arbeitszeit des Personals und die Öffnungszeiten der
Geschäfte regelten, dienten der öffentlichen Gesundheit und seien,
da gewerbepolizeilicher Natur, mit Art. 31 BV vereinbar. Mit der in § 2
Abs. 2 LSG gebrauchten Wendung "einzelne Tage" werde ausdrücklich gesagt,
dass die Anordnung des Ladenschlusses sich auch auf einzelne ganze Tage
beziehen könne. Den Gesetzesmaterialien sei nichts zu entnehmen, was
darauf schliessen liesse, dass den Gemeindebehörden eine so weitgehende
Kompetenz nicht hätte eingeräumt werden wollen. Von den 109 Inhabern von
Ladengeschäften der Gemeinde Wohlen hätten 94, also beträchtlich mehr als
die vom Gesetz geforderte Zweidrittelmehrheit, den ganztägigen Ladenschluss
am Mittwoch gewünscht. In einer privaten Umfrage des Handwerker- und
Gewerbevereins hätten sich zudem von der Ladenkundschaft 3832 Personen für
und 469 gegen den ganztägigen Ladenschluss ausgesprochen. Ein ganztägiger
und behördlich allgemein verbindlich erklärter Ladenschluss bestehe bereits
auch in Brugg für die sogenannten Bedarfsartikelgeschäfte, sowie in Baden,
Ennetbaden und Wettingen für die Lebensmittelgeschäfte und Drogerien.

    C.- Gegen diesen Beschluss des Regierungsrates hat die Kaufhaus Modern
AG Wohlen staatsrechtliche Beschwerde wegen Willkür und Verletzung der
Handels- und Gewerbefreiheit eingereicht. Auf die Begründung der Beschwerde
wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen hingewiesen.

    D.- Der Regierungsrat des Kantons Aargau und der Gemeinderat Wohlen
beantragen, die Beschwerde abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Beschwerdeführerin macht geltend, der Entscheid des
Regierungsrates sei willkürlich, weil dadurch offensichtlich § 2 LSG
schwer verletzt werde. § 2 Abs. 2 LSG sei in Verbindung mit § 2 Abs. 1
LSG auszulegen und eindeutig so zu verstehen, dass der Abendladenschluss
auch nur für einzelne Tage um einige Stunden vorverlegt werden könne. So
betrachtet stelle Abs. 2 eine blosse Ergänzung von Abs. 1 dar, die es
ermögliche, den normalen Abendladenschluss statt generell auch bloss für
bestimmte Tage vorzuverschieben.

    Die dieser Auffassung entgegenstehende Auslegung von § 2 LSG durch
den Regierungsrat ist indessen keineswegs unhaltbar, denn es lässt sich
sehr wohl die Ansicht vertreten, schon der Hinweis auf die Möglichkeit
des Ladenschlusses am Samstagnachmittag zeige, dass sich Abs. 2 im
Unterschied zu Abs. 1 nicht auf den Abendladenschluss beziehe, und es
wäre zudem überflüssig, dem Gemeinderat für eine auf bestimmte Tage
beschränkte Ordnung eine Kompetenz einzuräumen, die ihm in Abs. 1 schon
in umfassender Weise zugeschieden sei. Fraglich ist deshalb nur, ob es
mit Wortlaut und Sinn von § 2 LSG schlechthin unvereinbar sei, wenn der
Regierungsrat annahm, diese Vorschrift ermächtige den Gemeinderat zur
Anordnung eines ganztägigen, nicht nur eines halbtägigen Ladenschlusses.

    Die besondere Ladenschlussordnung, die vom Gemeinderat erlassen
werden kann, kann sich auf einzelne Tage beziehen. Dieser Wortlaut von §
2 Abs. 2 LSG lässt sich ohne Willkür so verstehen, dass unter den vom
Gesetz erwähnten Voraussetzungen die Schliessung der Geschäfte während
eines einzelnen Tages angeordnet werden kann, demnach ein ganztägiger
Ladenschluss zulässig ist. Nicht zu übersehen ist allerdings, dass
sich die erwähnte Ordnung zwar auf "einzelne Tage" beziehen kann,
der Gesetzgeber aber dieser Regel den Zusatz beigefügt hat: "wie
z.B. Ladenschluss am Samstagnachmittag". Der Bezirksamtmann führte in
der Begründung seines Entscheides aus, wenn im Gesetz der Ladenschluss
am Samstagnachmittag beispielsweise erwähnt sei, so werde damit
angedeutet, dass die erwähnte Ordnung nur für einen Halbtag getroffen
werden dürfe. Diese Ansicht mag sich vertreten lassen; gleichwohl liegt
darin, dass das Gesetz als Beispiel den Samstagnachmittag nennt, nicht
mehr als eine ganz unbestimmte Andeutung. Auf jeden Fall wird damit
keineswegs in klarer Weise der Begriff des "einzelnen Tages" in dem Sinne
eingeschränkt, dass entsprechend dem Beispiel des Samstagnachmittages
die Schliessung der Verkaufsgeschäfte nur für einen bestimmten Halbtag
verfügt werden dürfte. Im Gegenteil lässt sich mit dem Regierungsrat
überlegen, dass es dem Gesetzgeber leicht gefallen wäre, die Möglichkeit
einer besonderen Regelung eindeutig auf einen einzelnen Halbtag zu
begrenzen, wenn das seinem Willen entsprochen hätte. Der Hinweis auf
den Samstagnachmittag kann deshalb in haltbarer Auslegung des Gesetzes
als blosse Exemplifikation betrachtet werden, die über die Tragweite der
allgemeinen Norm nichts aussagt, diese aber mindestens so klar einschränkt,
dass unter dem Gesichtspunkte des Willkürverbotes die Annahme unzulässig
wäre, die beispielsweise Nennung des Samstagnachmittages setze dem
Anwendungsbereich von § 2 Abs. 2 LSG keine Schranke. Die Auslegung,
die der Regierungsrat dieser Vorschrift zuteil werden liess, steht somit
nicht in offensichtlichem Widerspruch zu ihrem Wortlaut.

    Auch mit dem Sinn der gesetzlichen Regelung ist die vom Regierungsrat
vertretene Auffassung nicht eindeutig unvereinbar. Das aargauische
Ladenschlussgesetz will nach seiner ganzen Konzeption den Gemeindebehörden
weitgehende Freiheit gewähren, den Ladenschluss nach den besonderen
Verhältnissen und Bedürfnissen selbständig festzulegen. Der Rahmen der
Befugnisse des Gemeinderates ist nach der allgemeinen Tendenz des Erlasses
weit gespannt. Von daher gesehen erweist sich eine den Geltungsbereich
von § 2 Abs. 2 LSG nicht eng begrenzende Auslegung nicht als offenbar
sinnwidrig, sofern nur - was nach den bereits angestellten Überlegungen
zutrifft - eine solche Interpretation als durch den Wortlaut des Gesetzes
gedeckt erachtet werden darf. Die vom Regierungsrat vorgenommene Auslegung
lässt zudem die Möglichkeit offen, veränderten Anschauungen im Rahmen des
geltenden Gesetzes in weitem Masse Rechnung zu tragen; die Erwägung aber,
dem auf eine dauerhafte Ordnung bedachten Gesetzgeber sei daran gelegen,
dass sein Werk auch unter veränderten Verhältnissen noch tauge, liegt
durchaus im Bereich einer vernünftigen Auslegung. Die Beschwerdeführerin
wendet ein, in der parlamentarischen Beratung des Gesetzes habe die Frage,
wieweit den Gemeindebehörden gestattet werden solle, den Abend-Ladenschluss
um kurze Zeit hinauszuschieben oder vorzuverlegen, zu längerer Diskussion
Anlass gegeben; wenn schon darüber lange diskutiert worden sei, sei
der Schluss erlaubt, dass der Gesetzgeber weit davon entfernt gewesen
sei, an einen ganztägigen Ladenschluss zu denken. Damit lässt sich
die Willkürrüge nicht begründen. Die Tatsache, dass die Ansichten
mit Bezug auf die Kompetenz der Gemeindebehörden zur Verschiebung des
normalen Abend-Ladenschlusses auseinandergingen, lässt nicht zwingend
darauf schliessen, dass die gesetzgebende Behörde dem Gemeinderat
die Befugnis versagen wollte, die Verkaufsgeschäfte einen ganzen Tag
schliessen zu lassen. Es handelt sich um verschiedene Fragen, und es
liess sich bei der Gesetzesberatung in vernünftiger Argumentation der
Standpunkt vertreten, den Gemeinden sei wohl die Befugnis zu ganztägiger
Schliessung der Geschäfte zuzuweisen, nicht aber die Befugnis, die
abendliche Schliessungszeit gegenüber der normalen (19.00 Uhr) wesentlich
zu verschieben. Aus den Gesetzesmaterialien könnte nur dann ein für
den Standpunkt der Beschwerdeführerin erhebliches Argument hergeleitet
werden, wenn in den Beratungen klar die Meinung zum Ausdruck gebracht
worden wäre, die Befugnis zu ganztägiger Schliessung der Geschäfte sei den
Gemeindebehörden zu versagen, oder wenn allenfalls sogar der Hinweis auf
die Möglichkeit des Ladenschlusses am Samstagnachmittag in der Diskussion
ernstlich bekämpft worden wäre. An einem solchen Nachweis fehlt es. Selbst
wenn aber der Gesetzgeber im Jahre 1940 dem Gemeinderat nur die Befugnis
hätte übertragen wollen, die Verkaufgeschäfte halbtägig, nicht ganztägig
schliessen zu lassen, wäre dies nicht unbedingt massgebend. Was der
historische Gesetzgeber gewollt hat, ist für die Rechtsanwendung nicht von
vorneherein entscheidend, weil eine Norm mit der Zeit infolge veränderter
Verhältnisse eine andere Bedeutung erlangen kann, als sie ihr am Anfange
zugeschrieben wurde (BGE 88 I 157 mit Verweisungen).

    Damit ist dargetan, dass der angefochtene Entscheid des
Regierungsrates § 2 LSG nicht offensichtlich schwer verletzt (BGE 90
I 139). Die Beschwerdeführerin bezeichnet denn auch zwar allgemein die
Rechtsanwendung als willkürlich, ohne aber näher auszuführen, worin diese
Willkür erblickt wird; sie lässt es dabei bewenden, der Rechtsauffassung
des Regierungsrates ihre eigene gegenüberzustellen.

Erwägung 2

    2.- Nach Auffassung der Beschwerdeführerin verletzt der Entscheid des
Regierungsrates den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit. Bereits
die Gerichtspraxis, nach der es vor diesem Grundsatze zulässig sei,
die Schliessung der Ladengeschäfte an einem Halbtag anzuordnen, sei
in der Lehre auf Kritik gestossen. Es könne kein Zweifel bestehen,
dass ein allgemeinverbindlicher Ladenschluss an einem ganzen Tag die
Grenzen der gewerbepolizeilichen Massnahmen überschreite. Der ganztägige
Ladenschluss laufe auf eine zwangsweise Einführung der Fünftagewoche
hinaus und könne nicht anders denn als wirtschaftspolitische Massnahme
betrachtet werden, die nicht der Sorge um die Gesundheit der Arbeitnehmer
entspringe, sondern mit dem Ziel, die Stellung der Ladengeschäfte auf
dem Arbeitsmarkt zu stärken, eine Angleichung an die Arbeitsbedingungen
in anderen Wirtschaftszweigen verfüge.

    a) Art. 31 BV, der die Handels- und Gewerbefreiheit gewährleistet,
behält in Abs. 2 kantonale Bestimmungen über die Ausübung von Handel und
Gewerbe und deren Besteuerung vor, fügt aber bei, dass diese ihrerseits
den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit nicht beeinträchtigen
dürfen. Dieser Zusatz bedeutet, dass wirtschaftspolitische Massnahmen, die
zugunsten gewisser Erwerbszweige und Betriebsarten in die freie Konkurrenz
eingreifen, ausgeschlossen und nur gewerbepolizeiliche Massnahmen zulässig
sind, welche die Ausübung von Handel und Gewerbe aus polizeilichen
Gründen - zum Schutze der öffentlichen Ordnung, von Ruhe, Sicherheit,
Gesundheit, Sittlichkeit und Treu und Glauben im Geschäftsverkehr -
beschränken. Diese gewerbepolizeilichen Einschränkungen müssen einerseits
alle Gewerbegenossen gleich behandeln (Grundsatz der Rechtsgleichheit)
und dürfen anderseits nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung
des Zweckes erforderlich ist, durch den sie gedeckt sind (Grundsatz der
Verhältnismässigkeit). Wahren sie diese Grundsätze nicht, so verstossen
sie gegen Art. 31 BV (BGE 86 I 272 mit Verweisungen, 87 I 448 lit. b
und 453 Erw. 3, 88 I 236 Erw. 3, 89 I 30 Erw. 2, nicht veröffentlichter
Entscheid vom 14. November 1964 in Sachen Billeter). Das Bundesgericht
hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass Vorschriften, welche
die Schliessung der Ladengeschäfte während einer bestimmten Zeitspanne
an Werktagen anordnen, um den Ladeninhabern und dem Personal die nötige
Freizeit zu verschaffen, gewerbepolizeiliche Vorschriften zum Schutze der
öffentlichen Gesundheit und als solche mit Art. 31 BV vereinbar seien
(BGE 73 I 100 Erw. 2, 86 I 274 Erw. 1, 88 I 236, 89 I 31). Dabei hat
das Gericht mit einlässlicher Begründung dargetan, dass die gegen diese
Rechtsprechung gerichtete, von der Beschwerdeführerin erwähnte Kritik
nicht stichhaltig ist (BGE 86 I 275/276). Ein Anlass, von der bisherigen
Praxis abzuweichen, besteht deshalb nicht.

    b) In den Motiven einzelner bundesgerichtlicher Urteile wurde
etwa ausgeführt, es sei vor Art. 31 BV zulässig, die Ladengeschäfte
"an einem Werktag" schliessen zu lassen; es ist auch die Rede von der
Pflicht zur Gewährung eines "freien Wochentags oder -halbtags" (BGE 86
I 275, 89 I 31). Solche Formulierungen könnten zur Annahme verleiten,
das Bundesgericht habe bereits darüber befinden müssen, ob es unter dem
Gesichtspunkte der Handels- und Gewerbefreiheit zulässig sei, einen
Ladenschluss für einen ganzen Werktag anzuordnen. Tatsächlich hatte
sich jedoch der Staatsgerichtshof bis anhin nur mit solchen kantonalen
Entscheiden zu befassen, die den Ladenschluss an einem halben Werktag
anordneten. Die Anordnung des "Wirtesonntags" durch eine kantonale
Behörde (BGE 86 I 272) bildet nur scheinbar eine Ausnahme, denn hier
handelte es sich darum, den Angestellten einen freien Tag je Woche
zu gewähren, während für das Ladenpersonal im allgemeinen der Sonntag
ohnehin arbeitsfrei ist. Soweit die Ordnung des Ladenschlusses in Frage
steht, hatte das Bundesgericht bis jetzt nur darüber zu befinden, ob es
im Rahmen des gewerbepolizeilichen Zweckes bleibe, wenn eine kantonale
Behörde die Schliessung der Verkaufsgeschäfte an einem Halbtag anordnet. Im
vorliegenden Falle stellt sich demnach erstmals die Frage, ob es durch
diesen Zweck noch gedeckt sei, wenn angeordnet wird, die Ladengeschäfte
während eines ganzen Werktages geschlossen zu halten.

    c) Was zum Schutze der öffentlichen Gesundheit notwendig ist, lässt
sich nicht ein für allemal abschliessend bestimmen. Die Anschauungen
darüber wandeln sich im Laufe der Zeit, und mit ihrem Wandel verändert
sich auch der materielle Gehalt des gewerbepolizeilichen Zweckes. Mochte
es vor Jahrzehnten zum Schutze der Gesundheit des Ladenpersonals noch als
hinlänglich erscheinen, wenn die Verkaufsgeschäfte den ganzen Sonntag und
an Werktagen nicht erst zu später Abendstunde geschlossen wurden, so hat
sich mit der Zeit immer mehr die Anschauung verbreitet, die Arbeitnehmer
hätten einen Anspruch darauf, dass ihnen nicht nur ein angemessener
Feierabend, sondern neben dem Sonntag auch ein freier Wochenhalbtag gewährt
werde (nicht veröffentlichter Entscheid des Bundesgerichtes vom 9. Mai
1951 in Sachen Keller). Die Entwicklung ist dabei nicht stehen geblieben,
setzt sich doch in neuerer Zeit zusehends die Auffassung durch, es sei bei
der Hast des heutigen Lebens den Arbeitnehmern im Interesse der allgemeinen
Gesundheit ein ganzer Werktag zur Erholung einzuräumen. Bereits im Jahre
1960 wurde in der Botschaft zum Gesetz über die Arbeit in Industrie,
Gewerbe und Handel auf die "wachsende Verbreitung der Fünftagewoche"
hingewiesen (BBl 1960 II 915). Im Rahmen dieser Entwicklung haben auch
seither zahlreiche private und öffentliche Betriebe die Fünftagewoche
eingeführt. Die Möglichkeit, dem Ladenpersonal einen freien Werktag zu
gewähren, indem die Schliessung der Ladengeschäfte während eines ganzen
Werktages angeordnet wird, haben allerdings bis heute erst einzelne
Kantone geschaffen. Richtig ist auch, dass das Bundesgesetz über die
Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel vom 13. März 1964 noch nicht in
Kraft getreten ist und in Art. 21 den Arbeitnehmern, deren Arbeitszeit
wöchentlich auf mehr als fünf Tage verteilt ist, bloss jede Woche einen
freien Halbtag gewährleistet. Indessen ist zu berücksichtigen, dass es
sich dabei um eine Minimalvorschrift handelt und dass wohl auch hier
"die gesetzliche Fixierung der tatsächlichen Entwicklung nicht vorgreift,
sondern ihr nachfolgt" (BBl 1960 II 968). Selbst wenn sich jedoch daraus
gewisse Zweifel ergeben könnten, ob der Anspruch auf einen arbeitsfreien
Werktag bereits allgemeiner Anschauung entspricht, vermöchte das an der
Beurteilung nichts zu ändern. Beim Entscheid über die Frage, wie weit eine
gewerbepolizeiliche Schranke reichen darf, steht den kantonalen Behörden
ein gewisser Ermessensspielraum zu, da es im hier fraglichen Bereich
ihre Aufgabe ist, den Schutz der öffentlichen Gesundheit zu gewährleisten
(BGE 87 I 190). Beim heutigen Stand der Dinge kann nicht gesagt werden,
die aargauische Behörde habe sich nicht an diese Grenze ihres Ermessens
gehalten, wenn sie annahm, nach jetziger Auffassung sei zum Schutze der
Gesundheit des Ladenpersonals ein freier Werktag vonnöten. Unter diesem
Gesichtspunkte betrachtet ist deshalb die umstrittene Massnahme durch
den gewerbepolizeilichen Zweck gedeckt.

    d) Im Zusammenhang mit dem Einwand der Beschwerdeführerin,
die angefochtene Ladenschlussordnung sei nicht im Hinblick auf die
Gesundheit der Arbeitnehmer erlassen worden, sondern um die Stellung
der Inhaber von Ladengeschäften auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern,
ist daran zu erinnern, dass eine gewerbepolizeiliche Vorschrift auch
wirtschaftspolitische Folgen haben kann. "Sind für ein bestimmtes
Gewerbe nur gewerbepolizeiliche Einschränkungen zulässig, so ist eine
gewerbepolizeiliche Vorschrift nicht schon deshalb verfassungswidrig,
weil sie auch gewisse wirtschaftspolitische Auswirkungen hat. Die
Vorschrift darf aber nicht wegen dieser wirtschaftspolitischen Auswirkung
erlassen werden; letztere darf nur die unvermeidbare Begleiterscheinung
der polizeilichen Einschränkung sein, und sie darf nicht so intensiv
sein, dass dadurch die Folgen der polizeilichen Vorschriften - das
Opfer an Freiheit - in keinem vernünftigen Verhältnis mehr zum Wert
des zu schützenden polizeilichen Gutes stehen" (MARTI, Handels- und
Gewerbefreiheit S. 103). Die Tatsache, dass die von der kantonalen
Behörde getroffene Massnahme eine wirtschaftspolitische Wirkung in der
Weise entfaltet, dass es beim heutigen Mangel an Arbeitskräften den
Inhabern von Ladengeschäften erleichtert wird, in Konkurrenz mit andern
Arbeitgeberkategorien Personal zu finden, wenn die Fünftagewoche auch
für das Ladenpersonal gewährleistet ist, beraubt demnach an sich die
Massnahme ihres gewerbepolizeilichen Charakters nicht. Das wäre erst
der Fall, wenn die kantonale Behörde die umstrittene Massnahme gerade
und in erster Linie um der genannten wirtschaftspolitischen Auswirkung
willen beschlossen hätte. Das kann nicht angenommen werden. Wohl hat der
Gemeinderat in der Begründung seiner Beschwerde an den Regierungsrat auf
das wirtschaftspolitische Anliegen des Handwerker- und Gewerbevereins
hingewiesen, doch lag das Hauptgewicht der Argumentation auf den diesem
Hinweis folgenden Ausführungen: "Diese Ordnung liegt im Interesse der
Geschäftsinhaber und vor allem des Verkaufspersonals. Es handelt sich
dabei dem Sinne und Zwecke nach, wie die Polizeidirektion richtig ausführt,
einfach darum, die Arbeits- und Präsenzzeit im Interesse der Gesundheit und
des Wohlergehens von Geschäftsinhaber und Personal auf ein erträgliches
Mass zu reduzieren." Dies lässt erkennen, dass es dem Gemeinderat im
wesentlichen um den Gesundheitsschutz zu tun war, und der Regierungsrat hat
in seinem Entscheid die angefochtene Massnahme vollends nur im Hinblick auf
dieses gewerbepolizeiliche Ziel geschützt. Das Rechtsgut der öffentlichen
Gesundheit ist ausserdem solcher Art, dass sich nicht einwenden liesse, die
polizeiliche Einschränkung, welche sich die Ladeninhaber gefallen lassen
müssen, stehe zu seinem Wert in keinem angemessenen Verhältnis. Auch unter
diesem Gesichtspunkte betrachtet ist demnach die angefochtene Massnahme
durch den gewerbepolizeilichen Zweck, den sie verfolgt, gedeckt.

    e) Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist es zulässig, die
Schliessung allen Geschäften eines Gewerbezweiges und damit auch Betrieben
vorzuschreiben, die keine oder aber so viele Angestellten beschäftigen,
dass diesen ohne Stillegung der Geschäftstätigkeit abwechslungsweise die
nötige Freizeit gewährt werden könnte. Es soll damit vermieden werden,
dass unter den konkurrierenden Gewerbegenossen ungleiche Bedingungen
geschaffen werden, was gegen die Rechtsgleichheit verstossen würde (BGE
86 I 274 ff. mit Verweisungen). Das Argument der Beschwerdeführerin, ihrem
Personal seien bereits zwei freie Halbtage in der Woche eingeräumt, da die
Angestellten abwechslungsweise alle vier Wochen in den Genuss eines ganzen
arbeitsfreien Werktages kämen, ist im Lichte dieser bundesgerichtlichen
Praxis unbehelflich. Es liefe dem Grundsatz der Rechtsgleichheit zuwider,
wenn das Geschäft der Beschwerdeführerin des zahlreichen Personals
wegen nicht zu schliessen gezwungen wäre, während der Inhaber eines
Betriebes, dem wegen der geringen Zahl von Arbeitnehmern die Möglichkeit
der Auswechslung des Personals verschlossen ist, seinen Angestellten die
nötige Freizeit nur unter Schliessung des Geschäftes gewähren könnte.

    f) Die Beschwerde macht geltend, für Warenhäuser sei neben dem
Samstag der Mittwochnachmittag erwiesenermassen die beste Verkaufszeit der
Woche. Damit will offenbar behauptet werden, die beanstandete Massnahme
gehe über das hinaus, was zur Erreichung ihres Zweckes erforderlich sei,
da das angestrebte Ziel auch zu erreichen wäre, wenn die Verkaufsgeschäfte
an einem Tag geschlossen würden, der nach der Erfahrung einen geringeren
Durchschnittsumsatz aufweise als der Mittwoch (Verletzung des Grundsatzes
der Verhältnismässigkeit). Wenn es sich jedoch darum handelt, im Interesse
des Personals den Ladenschluss einheitlich an einem bestimmten Werktag
vorzuschreiben, wird es im allgemeinen nicht zu vermeiden sein, dass
für gewisse Geschäfte mehr Nachteile als für andere entstehen werden,
welcher Tag auch gewählt werden mag. Die Beschwerdeführerin hat auf
jeden Fall nicht dargetan, dass es ihr nicht möglich und zuzumuten
wäre, dem Personal am Mittwoch freizugeben, und ebenso wenig, dass die
Bestimmung eines anderen freien Tages nicht auch für andere Geschäfte
Unzukömmlichkeiten verursachen würde, die ebenso bedeutend wären wie jene,
welche ein Warenhaus infolge der beanstandeten Ordnung auf sich nehmen muss
(vgl. unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichtes vom 17. Dezember 1952
in Sachen Jenny).

    g) Schliesslich bringt die Beschwerdeführerin vor, die vom Gemeinderat
Wohlen eingeführte Ordnung trage den Bedürfnissen der Konsumenten
in keiner Weise Rechnung, dadiesewährend des Schliessungstages in
Wohlen überhaupt keine Einkäufe mehr tätigen könnten. Dass während der
Schliessungszeit nicht eingekauft werden kann, ist die Folge einer jeden
Ladenschlussordnung, und ausserdem schliesst der Umstand, dass sich
in einer Umfrage 3832 Personen für und nur 469 gegen einen ganztägigen
Ladenschluss ausgesprochen haben, die Annahme aus, dass die beanstandete
Massnahme die Interessen der Konsumenten in ungebührlicher Weise verletze.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.