Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 91 I 467



91 I 467

72. Urteil vom 7. Juli 1965 i.S. X. gegen Stadt und Kanton Luzern sowie
Kanton Solothurn, Einwohnergemeinde Solothurn und Römisch-katholische
Kirchgemeinde Solothurn. Regeste

    Art. 46 Abs. 2 BV, Doppelbesteuerung.

    1.  Der Verkauf sämtlicher Aktien einer Gesellschaft, deren
Hauptaktivum eine Liegenschaft ist, und der dabei erzielte Gewinn
unterstehen der Steuerhoheit des Belegenheitskantons, wenn der Kaufpreis
ganz oder doch zur Hauptsache den Gegenwert für das Grundstück der
Gesellschaft darstellt (Erw. 2).

    2.  Art. 46 Abs. 2 BV verbietet neben der aktuellen auch die virtuelle
Doppelbesteuerung (Erw. 3).

    3.  Die Einrede, ein Kanton habe sein Besteuerungsrecht
durch verspätete Geltendmachung verwirkt, steht nur den am
Doppelbesteuerungsstreit beteiligten Kantonen und nicht auch dem
Steuerpflichtigen selber zu. Voraussetzungen der Einrede (Erw. 4).

Sachverhalt

    A.- Die im Jahre 1937 gegründete "St. Gotthard AG" ist Eigentümerin
des Grundstücks Nr. 91 an der Bahnhofstrasse/Pilatusstrasse in Luzern;
sie betrieb das gleichnamige, seit 1870 bestehende Hotel mit Restaurant
gegenüber dem Bahnhof. Seit der Gründung der Gesellschaft war der
Leiter des Hotels, Y., deren Hauptaktionär; er erwarb in der Folge die
Gesamtheit der Aktien. Als Y. 1957 starb, gingen sämtliche Aktien in das
Eigentum der Tochter über, die mit X. in Solothurn verheiratet ist. Am 23.
Dezember 1961 verkaufte die St. Gotthard AG der Alleinaktionärin Frau X.
einen 340 m2 umfassenden Teil des Grundstücks Nr. 91 (das heute noch
1291,3 m2 misst) als neue Parzelle Nr. 3391. Mit Vertrag vom 29. Juni
1962 verkaufte Frau X. die Gesamtheit der Aktien der St. Gotthard AG dem
Schweizerischen Bankverein (SBV) zum Preis von ... Millionen Franken. Das
Hotel samt Restaurant wurde bis Ende 1963 weitergeführt. Am 18. März
1964 bewilligte der Stadtrat von Luzern der St. Gotthard AG und Frau
X. die Erstellung zweier zusammengebauter Häuser auf den Parzellen Nr. 91
und 3391. Das bestehende Gebäude wurde darauf abgebrochen. Der Neubau
des SBV nimmt die Filiale dieser Bank, weitere Geschäftsräumlichkeiten
und ein Restaurant auf.

    B.- X. führte in seiner Steuererklärung vom 17.  September 1963
für das Steuerjahr 1963, die auf dem Berechnungsjahr 1962 beruht,
als Bestandteil des steuerbaren Einkommens den mehrere Millionen
Franken betragenden Gewinn auf, den seine Ehefrau beim Verkauf der
Aktien der St.Gotthard AG erzielt hatte. Er vermerkte am Fusse
der Steuererklärung: "Unter Vorbehalt der Revision im Falle einer
interkantonalen Doppelbesteuerung". Die Steuerkommission des Bezirkes
Solothurn liess X. am 7. Oktober 1963 die Einschätzungsmitteilung für die
Staatssteuer des Steuerjahres 1963 zugehen, die das steuerpflichtige
Einkommen unter Einbeziehung jenes Gewinnes festsetzte. Auf Grund
dieser Einschätzung stellte die Steuerverwaltung der Einwohnergemeinde
Solothurn dem Steuerpflichtigen die Gemeindesteuer-Rechnung 1963 und die
Steuerverwaltung der Römisch-katholischen Kirchgemeinde Solothurn vorzeitig
die Kirchensteuer-Berechnung für das Steuerjahr 1964 zu. X. bezahlte
die Rechnungsbeträge am 30. November bzw. 3. Dezember und 21. Dezember
1963 unter dem Vorbehalt der Rückforderung im Falle der interkantonalen
Doppelbesteuerung.

    C.- Am 8. Juni 1964 teilte die Steuerkommission des Bezirkes Solothurn
den luzernischen Steuerbehörden auf dem Formular der Konferenz staatlicher
Steuerbeamter betreffend die "interkantonale Steuerausscheidung für
natürliche Personen" die Einschätzung des Einkommens und Vermögens
von X. unter Angabe der ihrer Ansicht nach auf die beteiligten Kantone
Solothurn, Luzern und Bern entfallenden Anteile mit. Die luzernischen
Steuerbehörden verlangten am 24. Juni und 27. Juli 1964 zusätzliche
Auskünfte, die ihnen die solothurnische Steuerverwaltung erteilte. Das
Finanzsekretariat der Stadt Luzern liess darauf am 11. August 1964
Frau X. wissen, dass der Verkauf der Gesamtheit der Aktien der Gotthard
AG wirtschaftlich betrachtet einer Handänderung gleichkomme und daher
in Luzern der Grundstücksgewinnsteuer und der Handänderungsgebühr
unterliege; es setzte ihr eine Frist von dreissig Tagen an, um das
Selbsteinschätzungsformular für diese Abgaben ausgefüllt und unter
Beilage der Beweismittel einzureichen. X. bestritt demgegenüber mit
Eingabe vom 11. September 1964, dass das Geschäft der Steuerhoheit des
Kantons Luzern unterstehe und dass er eine Steuererklärung abzugeben
habe. Die Finanzdirektion der Stadt Luzern beharrte mit Schreiben vom
14. September 1964 auf ihrem Standpunkt und setzte X. eine Nachfrist
von zehn Tagen zur Einreichung der Steuererklärung an. Dieser bestritt
mit Eingabe vom 24. September 1964 erneut die Steuerhoheit des Kantons
Luzern. Am 30. November 1964 stellte die Finanzdirektion der Stadt
Luzern Frau X. einen "Grundstücksgewinn-Berechnungsentwurf" zu unter
Ansetzung einer bis zum 31. Dezember 1964 laufenden Frist zur Erhebung von
Einwendungen. Die Eheleute X. machten mit Eingabe vom 29. Dezember 1964
von diesem Recht Gebrauch, wobei sie einen grundsätzlichen Entscheid über
die Inanspruchnahme der Steuerhoheit durch den Kanton Luzern verlangten.

    Der Stadtrat von Luzern hat diesen Entscheid am 28. Januar
1965 erlassen und den Verkauf sämtlicher Aktien der St. Gotthard
AG durch Frau X. an den SBV als in Luzern grundstücksgewinn- und
handänderungsgebührenpflichtig erklärt.

    D.- X. führt mit Eingabe vom 5. März 1965 für seine Ehefrau und
in eigenem Namen staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des
Art. 46 Abs. 2 BV mit dem Antrag, das Bundesgericht "möge die aus der
solothurnischen Veranlagung für 1963 und der grundsätzlichen Feststellung
des Steueranspruchs des Stadtrats von Luzern vom 28. Januar 1965 sich
ergebende Doppelbesteuerung beseitigen".

    E.- Der Regierungsrat des Kantons Solothurn schliesst, die
Beschwerde sei, soweit sie sich gegen diesen Kanton richtet, abzuweisen.
Er erhebt gegen Luzern die Einrede der Verwirkung des Steueranspruchs und
bestreitet, dass die Besteuerung des Gewinns aus dem Verkauf der Aktien
der St. Gotthard AG dem Ort der gelegenen Sache zustehe.

    F.- Der Stadtrat von Luzern beantragt, der in seinem Entscheid
vom 28. Januar 1965 grundsätzlich festgestellte Steueranspruch sei zu
bestätigen und die Steuerveranlagungen des Kantons, der Einwohnergemeinde
sowie der Römisch-katholischen Kirchgemeinde Solothurn seien, sofern und
soweit sie gegen das Doppelbesteuerungsverbot verstiessen, aufzuheben.

Auszug aus den Erwägungen:

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- (Prozessuales).

Erwägung 2

    2.- Die Kollisionsnormen zur Abgrenzung der Steuerhoheit der
Kantone, die das Bundesgericht in der Rechtsprechung zu Art. 46 Abs. 2
BV aufgestellt hat, haben von jeher das Recht zur Besteuerung der
Liegenschaften und ihres Ertrages dem Belegenheitskanton zuerkannt. Das
gleiche gilt nach der neueren Rechtsprechung grundsätzlich auch für
den bei der Veräusserung einer Liegenschaft erzielten Gewinn, und zwar
ohne Rücksicht darauf, ob dieser ohne Zutun des Veräusserers entstanden
oder das Ergebnis seiner Bemühungen sei (BGE 85 I 98 mit Verweisungen,
88 I 340). Ausschlaggebend dafür ist, dass der Mehrerlös, der den
persönlichen Bemühungen des Veräusserers zu verdanken ist, regelmässig
so sehr hinter dem Wertzuwachs zurücktritt, den das Grundstück infolge
äusserer Ursachen (wie Konjunktur- und Währungslage, Zunahme der Überbauung
und der Landnachfrage) sowie der Leistungen des Gemeinwesens (Anlage
von Strassen und Versorgungsnetzen, Errichtung von Schulen und anderen
öffentlichen Diensten usw.) erfährt, dass sich eine Sonderbehandlung
des (ausserdem meist schwer abzugrenzenden) geschäftlich bedingten
Mehrerlöses nicht rechtfertigen lässt (BGE 83 I 333, 85 I 100, 88 I
340). Der Zusammenhang, der dergestalt zwischen dem erzielten Gewinn und
dem Grund und Boden besteht, ist für die Begründung der Steuerhoheit des
Belegenheitskantons entscheidend. Diese Bindung ist sachlicher Art; es
kommt hierbei nicht auf die Stellung der Person an, die den Gewinn erzielt
hat (BGE 83 I 334, 85 I 101). Die Besteuerung des Grundstücksgewinns
steht daher auch dann dem Belegenheitskanton zu, wenn der Gewinn nicht
dem Eigentümer zufliesst, sondern einem Dritten, der kraft eines andern
Rechtsverhältnisses wirtschaftlich wie ein Eigentümer über das Grundstück
verfügen und den dabei erzielten Gewinn einziehen kann. In diesem Sinne
hat das Bundesgericht mit Bezug auf den Gewinn aus der werkvertraglichen
Fertigstellung einer im Rohbau verkauften Liegenschaft (BGE 83 I 186),
der Veräusserung eines Kaufrechts an einem Grundstück (BGE 83 I 332) und
dem Verkauf der Gesamtheit oder der überwiegenden Mehrheit der Aktien einer
Immobiliengesellschaft (BGE 85 I 101 f.; ASA 33 S. 347 Erw. 2 = ZBl 1965
S. 20) entschieden. Wenn bei der Ausscheidung der Steuerhoheiten in den
letztgenannten Fällen auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten und nicht auf
die zivilrechtliche Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses abgestellt wird,
so ist dafür der erwähnte sachliche Zusammenhang zwischen dem Gewinn und
der Liegenschaft massgebend und nicht, oder nur in unterstützendem Sinne,
der Gesichtspunkt der Bekämpfung der Steuerumgehung (BGE 85 I 99). Die
dargelegten Ausscheidungsgrundsätze greifen darum ohne Rücksicht auf die
Gründe Platz, die den Steuerpflichtigen in der Wahl der zivilrechtlichen
Form des Rechtsgeschäfts geleitet haben, das ihm den Gewinn eingebracht
hat.

    Der Stadtrat von Luzern macht im vorliegenden Fall geltend, der
Verkaufspreis der Aktien der St. Gotthard AG sei im wesentlichen durch
den Wert des Grundstücks der Gesellschaft bestimmt gewesen; der Gewinn aus
dem Verkauf der Aktien sei deshalb gemäss BGE 85 I 95 ff. (nach Abzug des
auf den Wert der übrigen Aktiven entfallenden Anteils) in Luzern als dem
Ort der gelegenen Sache steuerbar. Die Eheleute X. und der Regierungsrat
des Kantons Solothurn halten hingegen dafür, das genannte Urteil betreffe
nur den Verkauf der Aktien einer reinen Immobiliengesellschaft, nicht
aber die Veräusserung der Aktien eines Unternehmens, das in der eigenen
Liegenschaft ein Hotel betreibe.

    Aus den Akten ergibt sich, dass das Hotel St. Gotthard, das in den
vorausgegangenen Jahren renoviert worden war, beim Verkauf der Aktien
am 29. Juni 1962 noch in Betrieb stand. Der SBV als Käufer war jedoch
von Anfang an entschlossen, das bestehende Gebäude, das sich nicht für
Bankzwecke eignete, abzubrechen und durch einen Neubau zu ersetzen, der
in erster Linie die Filiale der Bank aufnehmen sollte. Nach dem Schreiben
der Generaldirektion des SBV an X. vom 2. März 1965 war zwar zunächst ein
"Hochhaus mit einem Hotel in den Obergeschossen" geplant. Wann dieses
Projekt aufgegeben wurde, ist aus den Akten nicht ersichtlich. Da die
Treuhandgesellschaft Visura, die der Gotthard AG als Beraterin zur
Seite stand, und die Schweizerische Hotel-Treuhand-Gesellschaft eine
Neuerstellung des Hotels schon 1960 als voraussichtlich unwirtschaftlich
bezeichnet hatten, ist jedoch anzunehmen, dass der SBV der Möglichkeit,
im Neubau auch einen Hotelbetrieb unterzubringen, von jeher nur eine
geringe Bedeutung beimass. Der Kaufvertrag vom 29. Juni 1962 weist denn
auch wohl auf den Abbruch des "heutigen Hotelgebäudes" hin; er enthält
dagegen nichts, was auf die Weiterführung des Hotelbetriebes im Neubau
Bezug hätte. Der Umstand, dass die St. Gotthard AG ein Hotel betrieb, kann
daher auf die Preisbildung keinen, oder doch nur einen untergeordneten
Einfluss gehabt haben.

    Ziff. 2 des Kaufvertrages steht dieser Annahme nicht entgegen. Die
vertragsschliessenden Parteien haben in dieser Bestimmung erklärt,
der Kaufpreis von ... Millionen Franken sei "in Berücksichtigung aller
Umstände" und insbesondere der Tatsachen festgesetzt worden, dass es sich
um den Verkauf des ganzen Aktienpaketes handle, dass die Verkäuferin mit
dem Verkauf der Aktien zwei "bewährte und ertragssichere Geschäftszweige
(Hotelbetrieb und Restaurant Gotthardloch) und damit ein bis zwei wertvolle
berufliche Existenzgrundlagen aufgebe", dass das Hotel und das Restaurant
über einen bedeutenden "Goodwill" verfügten, dass in den letzten Jahren
bedeutende Mittel in den Hotelbetrieb und die Liegenschaft investiert
worden seien und dass diese Liegenschaft gut gelegen sei. Diese - in
einem Kaufvertrag ungewöhnliche - Erklärung ist nicht beweiskräftig. Da
das Gebäude zum Abbruch bestimmt war, mussten die Erneuerungsarbeiten,
die daran vorgenommen worden waren, vollständig abgeschrieben werden;
es ist nicht anzunehmen, dass der Käufer für das renovierte Haus mehr
bezahlte, als er für ein unrenoviertes Gebäude aufzuwenden bereit gewesen
wäre. Ein dauernder Weiterbetrieb des Hotels im alten Haus wurde von
vornherein nicht in Betracht gezogen; zur Diskussion stand lediglich, ob
ein Teil des neuen Gebäudes als Hotel einzurichten sei. Wegen der ganz
anderen Raum- und Geschmacksverhältnisse hätte dabei nur ein kleiner
Teil der Möbel, die zusammen mit der Liegenschaft übernommen wur-.
den, wiederverwendet werden können; der Hauptteil des Mobiliars hätte
auch in diesem Falle auf dem Occasionsmarkt wohlfeil abgestossen werden
müssen. Weil eine Weiterführung des Hotels im neuen Hause nach Ansicht
der Fachleute voraussichtlich unwirtschaftlich gewesen wäre, kann der
"Goodwill" des Hotels und des Restaurants keinen wesentlichen Geldwert
aufgewiesen haben, zumal damit zu rechnen war, dass der neue Betrieb erst
lange nach der Schliessung des bestehenden eröffnet werden könne und das
neuzeitlich eingerichtete Hotel eine andere Kundschaft ansprechen werde
als das alte. Wenn der SBV sich entschloss, für den Erwerb der Aktien
... Millionen Franken aufzuwenden, so kann das somit nur im Hinblick
auf den Wert geschehen sein, den das Grundstück der Gesellschaft an sich
und für den Zweck der Erstellung einer Bankfiliale besass, nicht aber im
Hinblick auf das Hotel. Von entsprechenden Erwägungen hätten sich andere
Käufer leiten lassen, die bereit gewesen wären, die Aktien zu diesem
Preise zu erstehen.

    Für die Preisbildung war demnach, wenn nicht ausschliesslich, so
doch jedenfalls weit überwiegend der Bodenwert massgebend. Dass dieser
die genannte Höhe erreichte, ist nicht auf das Zutun des Veräusserers
oder den Betrieb des Hotels zurückzuführen, sondern das Ergebnis der
Verhältnisse, namentlich der baulichen Entwicklung der Stadt Luzern und
des Bahnhofquartiers, des Konjunkturverlaufs, der Bodenteuerung und der
Geldentwertung. Der sachliche Zusammenhang, der dergestalt zwischen
dem Verkaufspreis der Aktien und dem Grund und Boden besteht, führt
nach der in BGE 85 I 101 f. eingeleiteten und in ASA 33 S. 347 Erw. 2
weitergebildeten Rechtsprechung dazu, das Geschäft grundsätzlich der
Steuerhoheit des Belegenheitskantons zu unterstellen. Wenn der Stadtrat von
Luzern sich in seinem Entscheid vom 28. Januar 1965 bereit erklärt hat,
den Verkaufspreis des beweglichen Inventars vom Erlös aus dem Verkauf
der Aktien in Abzug zu bringen, so wird damit dem Umstand, dass mit der
Liegenschaft auch Mobiliar übernommen wurde und dass insofern nicht vom
Erwerb einer "reinen" Immobiliengesellschaft gesprochen werden kann,
genügend Rechnung getragen. Der Stadtrat von Luzern ist bei dieser
Erklärung zu behaften.

Erwägung 3

    3.- Ob der Gewinn aus einem Rechtsgeschäft, das wirtschaftlich gesehen
den Grund und Boden zum Gegenstand hat, durch die Einkommenssteuer
oder eine besondere Wertzuwachs- oder Grundstücksgewinnsteuer erfasst
werde, ist für die Steuerausscheidung ohne Belang (BGE 83 I 333
mit Verweisung). Der Kanton Luzern, der als Belegenheitskanton zur
Besteuerung des Verkaufs der Aktien der St. Gotthard AG zuständig ist,
erhebt auf diesem Rechtsgeschäft die Grundstücksgewinnsteuer und die
Handänderungsgebühr; die Einkommenssteuer entfällt dagegen, da es sich
um den nicht gewerbsmässigen Verkauf von Privatvermögen handelt (§
20 Abs. 1 Ziff. 3 StG). Der Kanton Solothurn, die Einwohnergemeinde
Solothurn und die Römischkatholische Kirchgemeinde Solothurn haben
demgegenüber von X. nur die Einkommenssteuer auf dem von seiner Ehefrau
erzielten Verkaufsgewinn bezogen. Das steht indessen der Annahme einer
unzulässigen Doppelbesteuerung nicht entgegen. Art. 46 Abs. 2 BV untersagt
nach der Rechtsprechung nicht nur die aktuelle, sondern auch die virtuelle
Doppelbesteuerung. Eine aktuelle Doppelbesteuerung liegt vor, wenn
ein und derselbe Steuerpflichtige von zwei oder mehreren Kantonen für
das nämliche Steuerobjekt zu Steuern herangezogen wird (BGE 18 S. 434,
36 I 579, 46 I 46, 90 I 296/97); als virtuelle Doppelbesteuerung ist
den Kantonen der Eingriff in die Steuerhoheit eines andern Kantons
selbst dann untersagt, wenn dieser von seinem Besteuerungsrecht keinen
Gebrauch macht, es also nicht zu einer mehrfachen Besteuerung des
Steuerpflichtigen kommt (BGE 83 I 332 Erw. 1 mit Verweisungen). Nach
den bundesgerichtlichen Ausscheidungsgrundsätzen stünde es dem Kanton
Luzern zu, die Einkommenssteuer vom Gewinn zu erheben, den Frau X. beim
Verkauf der Aktien der St. Gotthard AG erzielte. Dass der Kanton Luzern
auf Grund seiner Steuergesetzgebung diese Steuer nicht erhebt, ändert an
seiner Zuständigkeit nichts. Indem der Kanton Solothurn die betreffenden
Einkünfte mit der Einkommenssteuer belegt hat, hat er in die Steuerhoheit
des Kantons Luzern übergegriffen und damit Art. 46 Abs. 2 BV verletzt.

Erwägung 4

    4.- Hat ein Kanton unter Missachtung dieser Verfassungsbestimmung
Steuern erhoben, so wird er grundsätzlich rückerstattungspflichtig. Das
gilt allerdings nicht ausnahmslos. Im Hinblick auf die Rücksichtnahme,
welche die Kantone einander schulden, wie auch im Interesse der
Rechtssicherheit und zum Schutze von Treu und Glauben räumt die
Rechtsprechung einem Kanton, der in Unkenntnis des kollidierenden
Steueranspruchs eines andern Kantons formell ordnungsgemäss und in
guten Treuen Steuern bezogen hat, die Befugnis ein, dem mitbeteiligten
Kanton, der mit der Veranlagung ungebührlich lange zugewartet hat,
die Einrede der Verwirkung des Steueranspruchs entgegenzuhalten. Wird
diese Einrede, die nur dem betreffenden Kanton und nicht auch dem
interessierten Steuerpflichtigen zusteht, geschützt, so entfällt mit
dem Steueranspruch des säumigen Kantons auch die Rückerstattungspflicht
des Gemeinwesens, das ihm in Unkenntnis dieses Anspruchs in guten Treuen
und formell ordnungsgemäss in der Steuererhebung zuvorgekommen ist (BGE
85 I 96 mit Verweisungen; ASA 29 S. 341, 31 S. 450). Diese Regel ist
zunächst für Konflikte aufgestellt worden, die sich auf die periodische
Besteuerung des Einkommens und Vermögens beziehen; sie ist sodann auch auf
Erbschaftssteuern angewendet worden (BGE 74 I 271 Erw. 2 a). Es besteht
kein Grund, sie nicht auch auf andere nicht periodische Steuern wie die
hier streitige Grundstücksgewinnsteuer und Handänderungsgebühr anzuwenden.

    Der Regierungsrat des Kantons Solothurn hat gegenüber der Stadt
Luzern die Verwirkungseinrede erhoben. Zu prüfen ist, ob die beiden
Voraussetzungen erfüllt seien, woran die Rechtsprechung die Verwirkung
eines Steueranspruchs knüpft: ob einerseits der Kanton Solothurn und
die solothurnischen Gemeinden die von X. erhobenen Steuern formell
ordnungsgemäss, in guten Treuen und in Unkenntnis des kollidierenden
Steueranspruchs des Kantons Luzern bezogen haben, und ob andererseits
die Stadt Luzern die Einleitung und Durchführung des Steuerverfahrens
ungebührlich verzögert habe.

    a) Ein Kanton kann sich nicht schon dann auf die Unkenntnis des
kollidierenden Steueranspruchs eines andern Kantons berufen, wenn seine
Steuerbehörden diesen Anspruch beim Steuerbezug tatsächlich nicht kannten,
sondern nur, wenn sie ihn auch bei Anwendung der zumutbaren Sorgfalt
nicht kennen mussten und kennen konnten (LOCHER, Das interkantonale
Doppelbesteuerungsrecht, § 2, IV D, Nr. 17; BGE 74 I 275, 80 I 333 Erw. 1;
ASA 31 S. 450 Erw. 4). Von der Steuerbehörde wird damit mehr verlangt als
vom Steuerpflichtigen, der sein Beschwerderecht nur verwirkt, wenn er die
Steuerauflage eines Kantons (ausdrücklich oder durch schlüssiges Handeln)
anerkennt, obschon er den kollidierenden Steueranspruch des andern Kantons
tatsächlich kannte, nicht dagegen, falls er diesen Anspruch bloss hätte
kennen müssen oder kennen können (BGE 73 I 226, 76 I 16). Dass an die
Sorgfaltspflicht der Verwaltung höhere Anforderungen gestellt werden als
an die des Steuerpflichtigen, rechtfertigt sich im Hinblick darauf, dass
die Behörde nicht ihre eigenen Interessen, sondern die des Gemeinwesens
wahrzunehmen hat, dass sie über die umfassenderen Möglichkeiten der
Sachaufklärung verfügt und sie nicht wie der Steuerpflichtige prozessualen
Zwangslagen ausgesetzt sein kann (LOCHER, aaO, § 2, IV D, Nr. 17).

    Unter den vorliegenden Umständen fällt in diesem Zusammenhang in
Betracht, dass X. in der Steuererklärung, die er am 16. September 1963 in
Solothurn einreichte, sich die "Revision im Falle einer interkantonalen
Doppelbesteuerung" ausdrücklich vorbehielt. Einen entsprechenden Vorbehalt
brachte er bei der Zahlung der Steuern im November/Dezember 1963 an. Auch
ohne den in der Steuererklärung enthaltenen Hinweis konnte es übrigens
den solothurnischen Steuerbehörden angesichts der ganzen Sachlage nicht
entgehen, dass sich die Frage der interkantonalen Steuerausscheidung
stelle. Es kann ferner vorausgesetzt werden, dass die Behörden das
Urteil BGE 85 I 95 ff. kannten und demnach wussten, dass der Gewinn
aus dem Verkauf der Aktien einer Immobiliengesellschaft unter gewissen
Voraussetzungen im Belegenheitskanton zu versteuern ist. Wohl trat die
St. Gotthard AG nicht als Immobiliengesellschaft in Erscheinung; auch
war nach dem Kaufvertrag vom 29. Juli 1962 nicht klar, ob und wieweit das
Grundstück der Gesellschaft den Verkaufspreis bestimmte. Aus dem erwähnten
Urteil kann zudem nicht ohne weiteres entnommen werden, dass die darin
entwickelten Ausscheidungsgrundsätze auch auf die Sachlage anwendbar sind,
vor welche die solothurnische Steuerverwaltung sich gestellt sah. Es kann
somit nicht gesagt werden, sie habe den kollidierenden Steueranspruch des
Kantons Luzern gekannt oder kennen müssen; wohl aber ist festzustellen,
dass sie bei Aufwendung der zumutbaren Sorgfalt hätte erkennen können,
dass Luzern sachliche Gründe zur Geltendmachung eines Steueranspruchs
habe. Die Ungewissheit über die Absichten der luzernischen Behörden und
über die objektive Rechtslage hätten die solothurnische Steuerverwaltung
zu einem Meinungsaustausch veranlassen sollen. Dass das nicht geschah,
ist schwer verständlich und mit den Geboten einer ordnungsgemässen
Verwaltung kaum vereinbar. Es ist deshalb zweifelhaft, ob dem Kanton
Solothurn und den solothurnischen Gemeinden zugebilligt werden könne,
dass ihnen der kollidierende Steueranspruch des Kantons Luzern trotz
Aufwendung der erforderlichen Sorgfalt entgangen sei und dass sie demgemäss
die Steuerzahlungen von X. in guten Treuen entgegengenommen hätten.

    b) Selbst wenn diese Fragen zu bejahen wären, müsste die
Verwirkungseinrede indessen abgewiesen werden, da es an der zweiten
Voraussetzung für deren Gutheissung, der übermässigen Verzögerung
des Steuerverfahrens durch den mitbeteiligten Kanton, fehlt. Nach der
Rechtsprechung gilt die Veranlagung periodischer Steuern in der Regel
als verspätet, wenn sie nach Ablauf der in Frage stehenden Steuerperiode
erfolgt (BGE 50 I 98; 54 I 306; 63 I 236 Erw. 3; 68 I 138 Erw. 1; 74
I 118, 272; 76 I 13 Erw. 2; 79 I 221 Erw. 1; 80 I 333 Erw. 1). Bei den
nicht periodischen Steuern fällt diese Art der Befristung von vornherein
ausser Betracht. Das Bundesgericht hat in dieser Hinsicht in BGE 74 I 272
erkannt, dass der Erbschaftssteueranspruch, um nicht verspätet zu sein,
"in der Regel innert Jahresfrist seit dem Erbfall" geltend zu machen
ist. Die Frage, ob statt des Erbganges nicht die Kenntnis desselben
die Frist auslöse, stellte sich dabei dem Bundesgericht nicht; wäre sie
zu entscheiden gewesen, so wäre (aus den in BGE 74 I 275 und 80 I 333
Erw. 1 aufgeführten Gründen) der Zeitpunkt der Kenntnisnahme als Anfang
der Jahresfrist zu bezeichnen gewesen. Mit dieser Verdeutlichung ist der
Grundsatz auch auf die übrigen nicht periodischen Steuern anwendbar; um
rechtzeitig zu sein, muss der Steueranspruch innerhalb eines Jahres geltend
gemacht werden, seit die Steuerbehörde den Steuertatbestand kannte. Der
tatsächlichen Kenntnis ist hierbei wiederum der Fall gleichzustellen, da
die Steuerbehörden den Tatbestand bei Aufwendung der zumutbaren Sorgfalt
hätten kennen müssen oder kennen können (BGE 74 I 275, 80 I 333 Erw. 1;
ASA 31 S. 450 Erw. 4).

    Zu den zumutbaren Vorkehrungen gehört nach der Rechtsprechung
die Überwachung der öffentlichen Register (Handelsregister, Grundbuch,
Einwohnerkontrollen usw.) des eigenen Kantons (LOCHER, aaO, § 2, II D, Nr.
19). Dagegen kann von den Steuerbehörden im allgemeinen nicht erwartet
werden, dass sie auf andere Weise ständig das wirtschaftliche Geschehen
verfolgen, um steuerbare Tatbestände sogleich erfassen zu können. So hat
das Bundesgericht entschieden, dass die Steuerbehörden nicht gehalten sind,
regelmässig in die öffentlichen Register anderer Kantone Einsicht zu nehmen
oder sich auf Grund der Firmentafeln über geschäftliche Veränderungen auf
dem Laufenden zu halten (LOCHER, aaO, § 2, IV D, Nr. 19). Entsprechendes
hat von Zeitungsmitteilungen und -berichten zu gelten, da die Kenntnis der
privaten Presse nicht in den Pflichtenkreis der Steuerbehörden fällt. Eine
Ausnahme kann höchstens für besonders wichtige wirtschaftliche Geschehnisse
gelten, die durch die Behandlung in der Presse eine eigentliche Notorietät
erlangt haben. Dabei genügt es freilich nicht, dass das Geschehnis als
solches durch die Berichterstattung in den Zeitungen offenkundig wird;
es müssen vielmehr auch seine steuerlich erheblichen Seiten allgemein
bekannt werden.

    Im vorliegenden Fall veröffentlichten die Luzerner Tageszeitungen
am 21. und 22. Dezember 1962 eine Mitteilung des SBV über den Kauf der
Aktien der St. Gotthard AG und die beabsichtigte künftige Verwendung
der Liegenschaft, die sie mit redaktionellen Ergänzungen und Kommentaren
versahen. Dass es beim Kauf der Aktien im wesentlichen um eine Verschiebung
von Grundwerten ging, trat in den Artikeln jedoch nicht so greifbar in
Erscheinung, dass auch dieser Punkt an der Notorietät des Geschäftes
teilgehabt hätte. Das Gesuch um einen Vorentscheid über die Eröffnung von
Gaststätten im Neubau, das Frau X. und die St. Gotthard AG am 30. April
1963 dem Staatswirtschaftsdepartement des Kantons Luzern einreichten und
das dieses dem Stadtrat von Luzern zur Vernehmlassung unterbreitete, warf
kein zusätzliches Licht auf diese Seite der Angelegenheit. Gleiches gilt
vom Baugesuch, das der Stadtrat von Luzern am 18. März 1964 genehmigte. Es
kann somit nicht gefolgert werden, die städtischen Steuerbehörden hätten
auf diesem Wege vom streitigen Steuertatbestand Kenntnis erhalten oder
bei gehöriger Sorgfalt davon Kenntnis nehmen können.

    Anhaltspunkte für das Vorliegen einer wirtschaftlichen Handänderung
enthielt vielmehr erst die Zusammenstellung über die interkantonale
Steuerausscheidung, welche die Steuerkommission des Bezirkes Solothurn
am 8. Juni 1964 den luzernischen Steuerbehörden sandte. Diese verlangten
am 24. Juni 1964 und 27. Juli 1964 zusätzliche Auskünfte, die ihnen die
solothurnische Steuerverwaltung erteilte. Am 11. August 1964 liess das
Finanzsekretariat der Stadt Luzern Frau X. wissen, dass der Verkauf der
Gesamtheit der Aktien der St. Gotthard AG wirtschaftlich einer Handänderung
gleichkomme und daher in Luzern der Grundstücksgewinnsteuer und der
Handänderungsgebühr unterliege; es setzte ihr eine Frist von dreissig Tagen
an, um das Selbsteinschätzungsformular für diese Abgaben ausgefüllt und
unter Beilage der Beweismittel einzureichen. X. bestritt darauf mit Eingabe
vom 11. September 1964, dass das Geschäft der Steuerhoheit des Kantons
Luzern unterstehe und dass er eine Steuererklärung abzugeben habe. In
ihren Schreiben vom 14. und 24. September 1964 hielten beide Seiten an
ihrem Standpunkt fest. Am 30. November 1964 stellte die Finanzdirektion der
Stadt Luzern Frau X. einen "Grundstücksgewinn-Berechnungsentwurf" zu unter
Ansetzung einer bis zum 31. Dezember 1964 laufenden Frist zur Erhebung
von Einwendungen. In einer Eingabe vom 29. Dezember warfen die Eheleute X.
zahlreiche Rechts- und Tatfragen auf; sie verlangten einen grundsätzlichen
Entscheid über die Inanspruchnahme der Steuerhoheit durch den Kanton
Luzern. Dieser Entscheid erging am 28. Januar 1965, nicht ganz acht Monate
nach der erwähnten Mitteilung der solothurnischen Steuerverwaltung. Nachdem
die luzernischen Steuerbehörden vom Steuertatbestand Kenntnis erhalten
hatten, trieben sie das Steuerverfahren mithin so rasch voran, als es die
Umstände erlaubten. Es kann ihnen keine Säumnis vorgeworfen werden. Es
fehlt somit auch an dieser Voraussetzung für eine Gutheissung der
Verwirkungseinrede.

Erwägung 5

    5.- Zusammengefasst ergibt sich, dass der Verkauf der Aktien der St.
Gotthard AG und der dabei erzielte Gewinn der Steuerhoheit des Kantons
Luzern unterstehen und dass dieser seinen Steueranspruch nicht verwirkt
hat. Soweit die staatsrechtliche Beschwerde sich gegen die Stadt
und den Kanton Luzern richtet, ist sie deshalb abzuweisen. Soweit die
Einschätzungsmitteilung der Steuerkommission des Bezirkes Solothurn vom
7. Oktober 1963 für die Staatssteuer des Steuerjahres 1963 den genannten
Gewinn dem im Kanton Solothurn steuerbaren Einkommen des X. zurechnet,
verstösst sie gegen Art. 46 Abs. 2 BV und ist darum aufzuheben. Gleiches
gilt von der Gemeindesteuerrechnung 1963 der Steuerverwaltung der
Einwohnergemeinde Solothurn und der Kirchensteuer-Berechnung für
das Steuerjahr 1964 der Steuerverwaltung der Römisch-katholischen
Kirchgemeinde Solothurn. Sache der solothurnischen Steuerbehörden wird es
sein, das Einkommen des X. für das Steuerjahr 1963 (bzw. bezüglich der
Kirchensteuer für das Steuerjahr 1964) unter Ausschluss des Gewinns aus
dem Verkauf der Aktien der St. Gotthard AG (der lediglich bei Bemessung
der Progression berücksichtigt werden darf) neu einzuschätzen, die
geschuldeten Steuerbeträge auf Grund der bereinigten Einschätzung neu
festzusetzen und X. die Differenz nebst Zins zurückzuerstatten.