Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 91 I 457



91 I 457

71. Urteil vom 26. Mai 1965 i.S. Müller gegen Regierungsrat des Kantons
Solothurn. Regeste

    Art. 31 und 33 Abs. 2 BV; Apothekergewerbe.

    1.  Art. 33 Abs. 2 BV hindert die Kantone nicht, die Ausübung
wissenschaftlicher Berufsarten ausser vom Ausweis der fachlichen Befähigung
von weiteren polizeilichen Anforderungen abhängig zu machen (Erw. 2).

    2.  Die Kantone können für gewerbepolizeiliche Einschränkungen eine
formelle gesetzliche Grundlage verlangen (Erw. 3 a).

    3.  Die Vorschrift, dass ein "Heilmittelschrank" nur von einer im
Kanton gelegenen Apotheke mit Heilmitteln beliefert werden darf, verstösst
gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit und damit gegen Art. 31 BV
(Erw. 3 b, 4).

Sachverhalt

    A.- Die Verordnung des Kantonsrates von Solothurn über die Heilmittel
(VHM) vom 28. März 1962 sieht in § 6 Abs. 3 vor:

    "Soweit ein. Bedürfnis besteht, erteilt der Regierungsrat
eine Bewilligung zur Abgabe bestimmter den Apotheken und Drogerien
vorbehaltener Heilmittel an andere hierzu geeignete Verkaufsstellen
(Heilmittelschrankbewilligung)."

    "In Ausführung" dieser Bestimmung hat der Regierungsrat am 24. März
1964 eine Verordnung über die Erteilung von Heilmittelschrankbewilligungen
(VHS) erlassen. Diese schreibt in § 6 Abs. 1 vor:

    "Sämtliche Arzneimittel sind aus einer zu wählenden bestimmten Apotheke
des Kantons Solothurn zu beziehen. Von anderen Lieferanten dürfen keine
Arzneimittel bezogen werden."

    B.- Das Schwesternheim St. Gertrud in Seewen (Kanton Solothurn) und
Dr. Moritz Müller, Apotheker in Schinznach-Dorf (Kanton Aargau) ersuchten
den Regierungsrat am 14. November 1964, es sei dem Schwesternheim die
Führung eines Heilmittelschrankes und Dr. Müller dessen Belieferung
zu bewilligen.

    Der Regierungsrat hat am 12. Februar 1965 beschlossen:

    "1.  Es wird festgestellt, dass Schwester Gabriela Wild,
Schwesternheim St. Gertrud, Seewen, die Voraussetzungen zur Führung
eines Heilmittelschrankes erfüllt.

    2.  Die Heilmittelschrank-Bewilligung wird Schwester Gabriela Wild
erteilt, sobald sie eine Apotheke des Kantons Solothurn als Lieferantin
der Arzneimittel bezeichnet hat.

    3.  Im übrigen wird das Gesuch abgewiesen."

    In der Begründung wird ausgeführt, Seewen sei mehr als fünf
Weg-Kilometer von der nächsten Apotheke oder Drogerie entfernt, so dass
die örtlichen Voraussetzungen für die Zulassung eines Heilmittelschrankes
erfüllt seien. Die Bewilligung dürfe nur einem Bewerber erteilt werden,
der Gewähr für die einwandfreie Führung des Heilmittelschrankes biete;
hiefür komme lediglich eine natürliche Person und nicht eine Anstalt in
Betracht. Dem Schwesternheim als solchem könne deshalb die Bewilligung
nicht erteilt werden, wohl aber Schwester Gabriela Wild persönlich, der das
Schwesternheim die Führung des Heilmittelschrankes anvertrauen wolle. §
6 Abs. 1 VHS lasse ausserkantonale Apotheken nicht zur Belieferung
von Heilmittelschränken zu. Da der Inhaber eines solchen über keine
Fachkenntnisse im Arzneiwesen verfüge, müsse der Heilmittelverkehr
eingehend überwacht werden. Diese Überwachung habe, um wirksam zu sein,
sich auch auf den Lieferanten zu erstrecken, was die Berücksichtigung
ausserkantonaler Apotheken ausschliesse. Schwester Gabriela Wild
habe demnach vorerst einen innerkantonalen Lieferanten zu bezeichnen;
erst wenn das geschehen sei, könne ihr die Bewilligung zur Führung des
Heilmittelschrankes ausgehändigt werden.

    C.- Dr. Müller führt staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag,
es seien Ziff. 2 und 3 des Regierungsratsbeschlusses vom 12. Februar
1965 aufzuheben. Er macht im wesentlichen geltend, der Regierungsrat sei
nach Art. 12 Ziff. 2 der solothurnischen Kantonsverfassung (KV) nicht
zu einer Einschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit ermächtigt,
wie sie § 6 Abs. 1 VHS mit dem Ausschluss ausserkantonaler Apotheken
beinhalte. Dieser Ausschluss verstosse ausserdem gegen die in Art. 33
Abs. 2 BV gewährleistete Freizügigkeit der wissenschaftlichen Berufsarten
sowie gegen Art. 1 des diesen Verfassungssatz ausführenden Bundesgesetzes
betreffend die Freizügigkeit des Medizinalpersonals. Da § 6 Abs. 1 VHS
den Grundsatz der Verhältnismässigkeit missachte, verletze er zudem die
Handels- und Gewerbefreiheit (Art. 31 BV).

    D.- Der Regierungsrat schliesst auf Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass der Regierungsrat §
6 Abs. 1 VHS im angefochtenen Beschluss richtig angewendet hat. Er macht
vielmehr geltend, diese Bestimmung sei selber verfassungswidrig. Diese
Rüge ist zulässig. Das Bundesgericht kann die beanstandete Vorschrift zwar
nicht mehr aufheben, weil die Frist zu deren Anfechtung abgelaufen ist. Das
hindert das Bundesgericht jedoch nicht, in jedem einzelnen Anwendungsfall
vorfrageweise zu prüfen, ob die Bestimmung verfassungsmässig sei (BGE 90
I 79 Erw. 1, 91 Erw. I, 323/24 mit Verweisungen, 350).

Erwägung 2

    2.- Die Handels- und Gewerbefreiheit gewährleistet den freien Zugang
zu einer privaten Erwerbstätigkeit und die freie Ausübung der gewählten
Tätigkeit (vgl. BGE 80 I 143 mit Verweisungen, 84 I 21, 87 I 270/71; MARTI,
Handels- und Gewerbefreiheit, S. 55). Zu diesen Erwerbstätigkeiten gehören
auch die wissenschaftlichen Berufsarten (BGE 73 I 9 Erw. 5, 83 I 253 Erw. 2
mit Verweisungen). Gleich den andern privaten Erwerbstätigkeiten wird ihnen
der Schutz der Handels- und Gewerbefreiheit nach Art. 31 Abs. 1 BV nur im
Rahmen der Einschränkungen zuteil, die sich aus "der Bundesverfassung und
der auf ihr beruhenden Gesetzgebung" ergeben; Art. 31 Abs. 2 BV behält
ferner kantonale Bestimmungen über die Ausübung von Handel und Gewerben
(sowie deren Besteuerung) vor, die aber ihrerseits den Grundsatz der
Handels- und Gewerbefreiheit nicht beeinträchtigen dürfen. Mit dieser
Umschreibung zieht die Verfassung die Grenze gegen die gewerbepolitischen
Massnahmen, die in den freien Wettbewerb zur Sicherung oder Förderung
gewisser Erwerbszweige, Betriebsarten oder Landesgegenden eingreifen
und das wirtschaftliche Geschehen planmässig lenken. Art. 31 Abs. 2 BV
gestattet den Kantonen damit nur, gewerbepolizeiliche Vorschriften
zu erlassen, das heisst die Ausübung von Handel und Gewerbe aus
polizeilichen Gründen, zum Schutze der öffentlichen Ordnung, Ruhe,
Sicherheit, Gesundheit und Sittlichkeit sowie vonTreu und Glauben im
Geschäftsverkehr einzuschränken (BGE 86 I 274 mit Verweisungen; 87 I
117, 189 b, 448, 453 Erw. 3; 88 I 67 Erw. 5, 236 Erw. 3; 89 I 30 Erw. 2;
90 I 323; 91 I 104 Erw. 2 a).

    Ist die Ausübung eines Berufes mit erhöhten Gefahren für Dritte und
die Öffentlichkeit verbunden, deren Erkennung und Vermeidung besondere
Fachkenntnisse voraussetzt, so können die Kantone gestützt auf ihre
gewerbepolizeilichen Befugnisse für diesen Beruf einen Fähigkeitsausweis
einführen. Für die wissenschaftlichen Berufsarten hat die Bundesverfassung
dabei nach bestimmten Richtungen hin eine Sonderregelung getroffen. Art. 33
Abs. 1 BV stellt es den Kantonen anheim, die Ausübung dieser Berufsarten
von einem Ausweis der Befähigung abhängig zu machen. Die Kantone können
demnach für diese Berufe einen Fähigkeitsausweis verlangen, ohne dass
eine polizeiliche Notwendigkeit (die indessen regelmässig vorhanden
sein wird) noch eigens nachzuweisen ist (vgl. BGE 73 I 9 Erw. 4; MARTI,
aaO, S. 122/23). Der Bund ist nach Art. 33 Abs. 2 BV befugt, auf dem
Wege der Gesetzgebung dafür zu sorgen, dass derartige Ausweise für die
ganze Eidgenossenschaft gültig erworben werden können; solange ein solches
Gesetz für einen wissenschaftlichen Beruf nicht erlassen ist, muss der von
einem Kanton oder einer Konkordatsbehörde ausgestellte Fähigkeitsausweis
in allen Kantonen anerkannt werden (Art. 5 Üb. Best. BV).

    Von der ihm in Art. 33 Abs. 2 BV eingeräumten Zuständigkeit hat der
Bund durch den Erlass des Bundesgesetzes betreffend die Freizügigkeit
des Medizinalpersonals (Freizügigkeitsgesetz) vom 19. Dezember 1877
Gebrauch gemacht, das in Art. 1 lit. a "diejenigen Ärzte, Zahnärzte,
Tierärzte und Apotheker, welche nach Massgabe dieses Gesetzes ein
eidgenössisches Diplom erworben haben, ... zur freien Ausübung ihres
Berufes im Gebiete der ganzen Eidgenossenschaft befugt" erklärt. Das
besagt jedoch lediglich, dass die Kantone vom Inhaber eines solchen
Diploms keine weiteren Ausweise über seine wissenschaftliche Befähigung
verlangen dürfen; in Verbindung mit Art. 33 Abs. 2 BV gibt Art. 1 lit. a
des Freizügigkeitsgesetzes der eidgenössisch diplomierten Medizinalperson
einen verfassungsmässigen Anspruch darauf, dass jeder Kanton das Diplom als
genügenden wissenschaftlichen Ausweis für den betreffenden Beruf anerkennt
(BGE 80 I 153). Weitere Rechte kann der Inhaber eines eidgenössischen
Diploms aus diesen Bestimmungen nicht ableiten. Art. 33 Abs. 2 BV und
Art. 1 des Freizügigkeitsgesetzes stehen insofern unter dem Vorbehalt
des Art. 31 Abs. 2 BV, als sie die Kantone nicht hindern, die Ausübung
der wissenschaftlichen Berufsarten und insbesondere der Medizinalberufe
auf Grund des letztgenannten Verfassungssatzes andern polizeilichen
Beschränkungen zu unterwerfen. So können die Kantone die Berufsausübung
von einer Bewilligung abhängig machen, die ausser der Vorlegung des
eidgenössischen Diploms die Erfüllung weiterer, den Rahmen des Art. 31
Abs. 2 BV einhaltender polizeilicher Anforderungen voraussetzt (vgl.
BGE 29 I 280 Erw. 2 mit Verweisungen, 32 I 639 Erw. 2, 41 I 390 Erw. 1,
53 I 28/29, 73 I 9 Erw. 4, 79 I 121, 83 I 253 Erw. 2; MARTI, aaO, S. 123
mit Verweisungen).

    Art. 6 Abs. 1 VHS verstiesse nach dem Gesagten nur dann gegen
Art. 33 Abs. 2 BV und Art. 1 des Freizügigkeitsgesetzes, wenn er die
ausserkantonalen Apotheker ungeachtet des Vorliegens oder Fehlens eines
eidgenössischen Diploms mangels wissenschaftlicher Befähigung von der
Belieferung der Heilmittelschränke ausschlösse. Er geht indessen nicht
von dieser Erwägung aus, und dem Beschwerdeführer ist die Bewilligung zur
Belieferung des Heilmittelschrankes des Schwesternheims St. Gertrud nicht
mit der Begründung verweigert worden, das ihm verliehene eidgenössische
Diplom sei kein genügender Ausweis. Die Rüge der Verletzung von Art. 33
Abs. 2 BV und Art. 1 des Freizügigkeitsgesetzes geht mithin fehl.

Erwägung 3

    3.- Gestützt auf Art. 31 Abs. 2 BV können die Kantone im Bereiche des
Sanitätswesens die freie Berufsausübung im Interesse der öffentlichen
Ordnung, Gesundheit und Sittlichkeit sowie zur Wahrung von Treu und
Glauben im Verkehr zwischen Medizinalpersonen und Heilungsuchenden
einschränken (vgl. BGE 79 I 121, 81 I 121/22, 83 I 254); standespolitische
Überlegungen (wie die wirtschaftliche Sicherung der Angehörigen einzelner
Medizinalberufe) vermögen dagegen keine Eingriffe zu begründen (vgl. BGE
80 I 126, 143/44; 87 I 448). Bei der Ausgestaltung der den zulässigen
polizeilichen Zielen dienenden Einschränkungen haben die Kantone die
Grundsätze der Gesetzmässigkeit der Verwaltung, der Notwendigkeit und
Verhältnismässigkeit von Verwaltungsakten sowie der Rechtsgleichheit
(namentlich im Sinne der Wettbewerbsneutralität) zu berücksichtigen. In
räumlicher Hinsicht können sie nur diejenige Berufsausübung erfassen,
die das Kantonsgebiet in erheblicher Weise berührt, sei es, dass die
Tätigkeit hier vor sich geht oder dass sie mit Auswirkungen auf das
Kantonsgebiet übergreift, hinsichtlich derer der Beruf der polizeilichen
Regelung unterstellt werden kann (BGE 87 I 454 Erw. 5 mit Verweisungen).

    Der Beschwerdeführer beklagt sich über eine Verletzung der Grundsätze
der Gesetzmässigkeit, der Verhältnismässigkeit und in gewissem Sinne auch
der Rechtsgleichheit.

    a) Nach dem Grundsatz der Gesetzmässigkeit der Verwaltung müssen die
der Freiheit des Bürgers gezogenen Schranken auf gesetzlicher Grundlage
beruhen, das heisst sich auf eine generellabstrakte Norm stützen, die
ihrerseits verfassungsmässig ist (BGE 90 I 323 Erw. 3). Wie sich aus der
Gegenüberstellung namentlich mit Art. 32 ergibt, begnügt Art. 31 Abs. 2
BV sich damit, für kantonale gewerbepolizeiliche Einschränkungen der
Handels- und Gewerbefreiheit eine solche materielle gesetzliche Grundlage
zu verlangen; den Kantonen bleibt es aber unbenommen, zum Schutze des
Einzelnen weiter zu gehen und vorzusehen, dass derartige Anordnungen
einer formellen gesetzlichen Grundlage bedürfen (BGE 87 I 453 Erw. 4 mit
Verweisungen). Der Kanton Solothurn schreibt in diesem Sinne in Art. 12
Ziff. 2 Abs. 2 KV vor, dass die (die Handels- und Gewerbefreiheit)
"beschränkenden Verordnungen... vom Kantonsrat auszugehen" haben (was
auch bei der Umschreibung der Zuständigkeiten des Kantonsrates in Art. 31
Ziff. 11 KV zum Ausdruck kommt).

    Die vom Kantonsrat erlassene VHM beschränkt sich in § 6 Abs. 3 darauf,
den Regierungsrat zu ermächtigen, "soweit ein Bedürfnis besteht,... eine
Bewilligung zur Abgabe bestimmter den Apotheken und Drogerien
vorbehaltener Heilmittel an andere hierzu geeignete Verkaufsstellen
(Heilmittelschrankbewilligung)" zu erteilen. Die Voraussetzungen für die
Erteilung dieser Bewilligung und die daran zu knüpfenden Bedingungen und
Auflagen werden in § 6 Abs. 3 VHM nicht oder nur in ganz allgemeiner
Weise festgelegt. Hier treten die Vorschriften der VHS ein, die der
Regierungsrat "in Ausführung" der erwähnten Bestimmung aufgestellt hat
und die er in der Vernehmlassung ausdrücklich als Vollziehungsverordnung
bezeichnet. Art. 12 Ziff. 2 Abs. 2 KV schliesst es nicht aus, dass der
Regierungsrat auch im Bereiche der Gewerbepolizei von der ihm in Art. 38
Ziff. 1 KV eingeräumten Befugnis zum Erlass solcher Verordnungen Gebrauch
macht. Führt § 6 Abs. 1 VHS, um den es hier geht, lediglich eine Regelung
aus, die in grundsätzlicher Weise bereits in § 6 Abs. 3 VHM Gestalt
angenommen hat (vgl. BGE 85 I 84/85 mit Verweisungen; VEB 29 S. 61), so
vermag er in Verbindung mit dieser vom Kantonsrat ausgegangenen Bestimmung
eine Grundlage für Anordnungen gewerbepolizeilicher Natur abzugeben, die
den Anforderungen des Art. 12 Ziff. 2 Abs. 2 KV genügt. Ob § 6 Abs. 1
VHS sich in diesem Rahmen halte und damit formell verfassungsmässig sei,
kann indessen offen bleiben, da er sich, wie sich im Folgenden ergeben
wird, jedenfalls als materiell verfassungswidrig erweist.

    b) Nach dem Grundsatz der Notwendigkeit und Verhältnismässigkeit von
Verwaltungsmassnahmen dürfen Bestimmungen über die Ausübung von Handel und
Gewerben, die ein Kanton gestützt auf Art. 31 Abs. 2 BV erlässt, nicht
über das hinausgehen, was erforderlich ist, um den gewerbepolizeilichen
Zweck zu erfüllen, durch den sie gedeckt sind: sie müssen das richtige
Mittel zur Verwirklichung des im öffentlichen Interesse liegenden Zieles
sein und es erlauben, dieses unter möglichster Schonung der Freiheit des
Einzelnen zu erreichen; das gesteckte Ziel muss zudem in einem vernünftigen
Verhältnis zu den eingesetzten Mitteln, den zu seiner Erlangung notwendigen
Freiheitsbeschränkungen stehen (BGE 86 I 274 mit Verweisungen; 87 I 118,
272 a, 354/55, 448, 450/51, 453 Erw. 3; 88 I 67, 236 Erw. 3; 89 I 31;
90 I 323; 91 I 104 Erw. 2 a, 187; ZBl 1964 S. 161 Erw. 4, 5).

    § 6 Abs. 1 VHS schreibt in Satz 1 vor, dass der Inhaber des
Heilmittelschrankes sämtliche (dem Verkauf in Apotheken und Drogerien
vorbehaltenen) Arzneien aus einer von ihm zu wählenden bestimmten Apotheke
zu beziehen hat und dass diese im Kanton Solothurn gelegen sein muss. Die
Verfassungsmässigkeit des ersten Erfordernisses ist hier nicht bestritten,
wohl aber die des zweiten. Die Verpflichtung, die Lieferantin der Arzneien
aus dem Kreise der Apotheken im Kanton zu wählen, ist zur Gewährleistung
einer wirksamen Überwachung des Heilmittelverkehrs in die VHS aufgenommen
worden; sie dürfte nach der Vernehmlassung des Regierungsrates auch den
Nebenzweck verfolgen, eine enge Verbindung zwischen dem Inhaber des
Heilmittelschrankes und dem beliefernden Apotheker zu sichern und es
so zu ermöglichen, dass dieser sich persönlich des Heilmittelschrankes
annehmen kann und er in der Lage ist, fehlende Arzneien jederzeit rasch
nachzuliefern. Beide Zielsetzungen dienen der öffentlichen Gesundheit
und sind damit polizeilicher Natur. Die beanstandete Einschränkung
erweist sich jedoch von vornherein als ungeeignet, um den an zweiter
Stelle genannten Zweck einer engen Verbindung zwischen Apotheke und
Heilmittelschrank zu gewährleisten. Manche solothurnische Gemeinde,
in der sich ein Bedürfnis nach einem Heilmittelschrank einstellen kann,
ist von der nächsten ausserkantonalen Apotheke aus viel einfacher und
schneller zu erreichen als von einer Apotheke im Kanton; der Ausschluss
ausserkantonaler Apotheken läuft demnach mitunter dem Bestreben nach
Schaffung enger Verbindungen zwischen Abnehmer und Lieferant geradezu
zuwider. Als Zweck dieses Ausschlusses fällt somit ernstlich nur die
Gewährleistung einer wirkungsvollen Überwachung in Betracht.

    Die Notwendigkeit einer solchen Überwachung ist klar ausgewiesen, da
die Inhaber eines Heilmittelschrankes sich in der Regel im Arzneiwesen nur
ungenügend auskennen. Um voll wirksam zu sein, ist diese Überwachung nach
drei Richtungen hin vorzunehmen: sie hat die Abgabe der Arzneien durch
den Inhaber des Heilmittelschrankes, den Bestand und die Aufbewahrung
der Arzneien im Heilmittelschrank sowie die Belieferung desselben durch
den hierfür bezeichneten Apotheker zu erfassen. Entgegen den Darlegungen
des Regierungsrates im angefochtenen Beschluss und in der Vernehmlassung
lässt sich dabei die Belieferung des Heilmittelschrankes auch dann mit
ausreichender Sicherheit überwachen, wenn die beliefernde Apotheke in
einem andern Kanton liegt. Übernimmt ein ausserkantonaler Apotheker
die Belieferung eines Heilmittelschrankes, so übt er damit einen Teil
seines Berufes im Kantonsgebiet aus; er untersteht hinsichtlich dieser
Tätigkeit der Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und Gerichtshoheit des Kantons
Solothurn (vgl. BGE 87 I 454 Erw. 5 mit Verweisungen). Kraft dieser
Hoheit kann der Kanton die Belieferung eines Heilmittelschrankes durch
einen ausserkantonalen Apotheker der Bewilligungspflicht unterstellen;
er kann die Erteilung der Bewilligung davon abhängig machen, dass der
Bewerber ausser dem eidgenössischen Diplom genügende Ausweise über seine
persönliche Vertrauenswürdigkeit beibringt; er kann die Bewilligung
ferner mit der Auflage verbinden, über die gelieferten Arzneien laufend
oder in bestimmten Zeitabständen unter Beifügung der Belege Bericht zu
erstatten, wobei er die Möglichkeit hat, sich bei der Inspektion der
Heilmittelschränke, die nach § 41 VHM und § 11 VHS ohnehin stattzufinden
hat, von der Richtigkeit der Berichte des Lieferanten zu überzeugen;
gegen allfällige Mängel kann er mit den verwaltungsrechtlichen Mitteln
der Beschlagnahme widerrechtlich gelieferter Heilmittel (§ 31 VHM) sowie
des Bewilligungsentzuges (§ 30 VHM) einschreiten und eine Übertretung
von Verordnungsbestimmungen durch den ausserkantonalen Apotheker mit
den in § 32 VHM vorgesehenen Strafen ahnden. Entgegen der Ansicht des
Regierungsrates kann dabei auch dem § 10 VHS Nachachtung verschafft werden,
wonach der Lieferant (neben dem Inhaber des Heilmittelschrankes) für die
Qualität und die vorschriftsgemässe Abgabe der Heilmittel verantwortlich
ist. Die Bewilligung zur Belieferung eines Heilmittelschrankes kann mit
der Auflage verknüpft werden, dass der ausserkantonale Lieferant sich
in gleicher Weise des Betriebes des Heilmittelschrankes annimmt, wie
es ein im Kanton niedergelassener Apotheker zu tun hätte. Tatsächliche
Hindernisse stehen dieser Mitwirkung zumindest dann nicht entgegen, wenn
es sich um Bewerber aus Nachbarkantonen handelt, wie das hier zutrifft.

    Der Regierungsrat hat es dergestalt in der Hand, die Belieferung
eines Heilmittelschrankes durch einen ausserkantonalen Apotheker soweit
überwachen zu lassen, als es die öffentliche Gesundheit erfordert. Zwar
wird diese Überwachung unter Umständen mit vermehrten Umtrieben verbunden
sein, doch dürften sich die dadurch bedingten Mehraufwendungen in
bescheidenem Rahmen halten. Aufkeinen Fall aber geht es an, nur aus
derartigen fiskalischen Überlegungen in den freien Wettbewerb zwischen
kantonalen und ausserkantonalen Bewerbern um die Belieferung eines
Heilmittelschrankes einzugreifen.

Erwägung 4

    4.- Soweit § 6 Abs. 1 VHS ausserkantonale Apotheker allgemein von
der Belieferung von Heilmittelschränken ausschliesst, trägt er mithin dem
Grundsatz der Notwendigkeit und Verhältnismässigkeit der Einschränkungen
der Handels- und Gewerbefreiheit keine Rechnung; er verstösst damit
gegen Art. 31 BV (BGE 86 I 274 mit Verweisungen, 87 I 453 Erw. 3, 88 I
67 Erw. 5, 89 I 30/31, 91 I 104 Erw. 2 a). In diesem Sinne ist von dem
(im Schrifttum kritisierten; vgl. ABDERHALDEN, Wirtschaft und Recht
1949, S. 289) Ergebnis abzuweichen, zu dem das Bundesgericht im nicht
veröffentlichten Urteil vom 1. März 1948 i.S. Fuhrer mit Bezug auf eine
entsprechende Bestimmung des neuenburgischen Rechts gelangt ist. Dass
andere Kantone Vorschriften kennen, die sich mit § 6 Abs. 1 VHS decken,
vermag an diesem Schlusse nichts zu ändern; denn die Verfassungswidrigkeit
einer kantonalen Bestimmung wird nicht dadurch behoben, dass andere
Kantone gleiche Vorschriften erlassen haben.

    Da der in § 6 Abs. 1 VHS ausgesprochene allgemeine Ausschluss
ausserkantonaler Apotheker Art. 31 BV verletzt, hält auch die gestützt auf
diese Verordnungsbestimmung ergangene Verfügung vor der Verfassung nicht
stand. Ziff. 2 und 3 des angefochtenen Beschlusses des Regierungsrates
sind deshalb aufzuheben.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen gutgeheissen, und Ziff. 2
und 3 des Regierungsratsbeschlusses Nr. 848 vom 12. Februar 1965 werden
aufgehoben.