Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 91 I 438



91 I 438

69. Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. Dezember 1965 i.S. Genossenschaft
Sporthaus Naturfreunde und Mitbeteiligte gegen Zürich, Direktion der
Justiz. Regeste

    Handelsregister; Zwangseintragung der Auflösung einer Genossenschaft
trotz Widerruf des Auflösungsbeschlusses.

    1.  Prüfungsbefugnis der Handelsregisterbehörden. Voraussetzungen
der Zwangseintragung gemäss Art. 60 HRegV (Erw. 1, 6).

    2.  Anwendung von Art. 738/739 OR im Falle der Auflösung einer
Genossenschaft (Art. 913 Abs. 1 OR). (Erw. 2.)

    3.  Der Auflösungsbeschluss der Generalversammlung einer
Aktiengesellschaft oder Genossenschaft (Art. 736 Ziff. 2, 911 Ziff. 2 OR)
ist unwiderruflich (Art. 739 Abs. 2 OR). (Erw. 2-5.)

Sachverhalt

    A.- Unter dem Namen "Sporthaus Naturfreunde" besteht gemäss Eintrag
im Handelsregister des Kantons Zürich eine Genossenschaft, deren Statuten
weder eine persönliche Haftung noch eine Nachschusspflicht der Mitglieder
vorsehen und deren Vermögen seit der Auflösung des von ihr betriebenen
Sportwarengeschäftes im wesentlichen aus der Liegenschaft Engelstrasse
64 in Zürich 4 besteht.

    Auf Antrag der Verwaltung beschloss die Generalversammlung vom
22. August 1964 den Verkauf der Liegenschaft und die Auflösung der
Genossenschaft. Die Durchführung dieser Massnahmen wurde der Verwaltung
übertragen.

    Mit Schreiben vom 15. September 1964 gab die Genossenschaft
dem Handelsregisteramte des Kantons Zürich vom Auflösungsbeschlusse
Kenntnis und ersuchte um eine Unterredung "zur Regelung der notwendigen
Formalitäten". Das Amt sandte ihr darauf eine von ihm vorbereitete
Anmeldung zur Eintragung ihrer Auflösung und ersuchte sie, die Anmeldung,
wenn für richtig befunden, mit den Unterschriften aller Mitglieder der
Verwaltung einzureichen.

    Diese Aufforderung wurde nicht befolgt. Eine auf den 30. Januar 1965
einberufene ausserordentliche Generalversammlung beschloss vielmehr, auf
den Beschluss vom 22. August 1964 zurückzukommen und die Genossenschaft
weiterzuführen, nahm den Rücktritt von vier Mitgliedern der Verwaltung
entgegen und wählte ein neues Mitglied.

    B.- Nach einem ergebnislosen Briefwechsel forderte das
Handelsregisteramt die fünf Mitglieder der im Amte stehenden Verwaltung
am 12. April 1965 in Anwendung von Art. 60 Abs. 1 HRegV auf, die Auflösung
der Genossenschaft und die damit verbundenen Änderungen zur Eintragung in
das Handelsregister anzumelden, weil der Auflösungsbeschluss vom 22. August
1964 nicht widerruflich sei. Die Direktion der Justiz des Kantons Zürich,
der das Amt wegen der gegen diese Aufforderung erhobenen Einwendungen
die Sache überwies (Art. 60 Abs. 2 HRegV), setzte den Mitgliedern der
Verwaltung mit Entscheid vom 23. Juli 1965 eine zehntägige Frist zur
Vornahme der vom Amt verlangten Anmeldung und wies das Amt für den Fall
der Nichtbenützung dieser Frist an, "von Amtes wegen einzu tragen, was
die Aufgeforderten anmelden sollten".

    C.- Die Genossenschaft und die Mitglieder ihrer Verwaltung haben gegen
diese Verfügung Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben. Sie beantragen dem
Bundesegricht, die angefochtene Verfügung aufzuheben und festzustellen,
dass sie nicht verpflichtet seien, die Auflösung der Genossenschaft und die
damit verbundenen Änderungen zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden.

    Die Direktion der Justiz und das Eidgenössische Justiz- und
Polizeidepartement beantragen die Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Ob der Beschluss der Generalversammlung einer Genossenschaft, diese
aufzulösen, widerruflich sei oder nicht, ist eine Frage des materiellen
Rechtes. Mit Bezug auf solche Fragen steht den Handelsregisterbehörden
und dem Bundesgericht als Verwaltungsgericht in Handelsregistersachen nur
eine beschränkte Prüfungsbefugnis zu. Eine nachgesuchte Eintragung aus
Gründen des materiellen Rechtes abzulehnen, ist ihnen nur gestattet, wenn
offensichtlich ist, dass der Vorgang, dessen Eintragung verlangt wird,
diesem Rechte widerspricht (BGE 86 I 107 mit Hinweisen). Entsprechend
dürfen sie in einem Verfahren, das darauf gerichtet ist, eine Eintragung,
Änderung oder Löschung zwangsweise herbeizuführen, über zivilrechtliche
Einwendungen des zur Anmeldung Aufgeforderten nur hinwegschreiten, wenn
die Einwendungen zweifellos unbegründet sind (BGE 78 I 450).

Erwägung 2

    2.- Die Genossenschaft wird gemäss Art. 913 Abs. 1 OR unter Vorbehalt
der nachfolgenden Bestimmungen (d.h. der Bestimmungen der Absätze 2 bis 5
über die Verteilung des Vermögens) nach den für die Aktiengesellschaft
geltenden Vorschriften liquidiert. Das OR regelt die Liquidation
der Aktiengesellschaft in Art. 739 bis 747. Für die Liquidation der
Genossenschaft gilt also u.a. Art. 739 OR, wonach die in Liquidation
tretende Gesellschaft bis zum Abschluss dieses Vorganges die juristische
Persönlichkeit sowie (mit dem Zusatz "in Liquidation") die bisherige
Firma behält (Abs. 1) und die Befugnisse der Gesellschaftsorgane mit
dem Eintritt der Liquidation auf die Handlungen beschränkt werden, die
für die Durchführung der Liquidation erforderlich sind, ihrer Natur nach
jedoch nicht von den Liquidatoren vorgenommen werden können (Abs. 2).

    Mit den Wendungen "Tritt die Gesellschaft in Liquidation" (Abs. 1)
bezw. "mit dem Eintritt der Liquidation" (Abs. 2) knüpft Art. 739 an
Art. 738 OR an, der bestimmt, die aufgelöste Gesellschaft trete unter
Vorbehalt der Fälle der Fusion, der Übernahme durch eine Körperschaft
des öffentlichen Rechts und der Umwandlung in eine Gesellschaft
mit beschränkter Haftung in Liquidation. Auch diese Bestimmung, die
nach dem Randtitel die Folgen der Auflösung ordnet und ein notwendiges
Zwischenglied zwischen den Vorschriften über die Auflösungsgründe und jenen
über den Zustand der Liquidation und deren Durchführung bildet, muss für
die Genossenschaft entsprechend gelten. Die aufgelöste Genossenschaft
tritt demnach unter Vorbehalt der Fälle der Fusion (Art. 914 OR) und
der Übernahme durch eine öffentlichrechtliche Körperschaft (Art. 915 OR)
in Liquidation.

    Ein gültiger Auflösungsbeschluss der Generalversammlung hat also bei
der Genossenschaft in Bezug auf die rechtliche Stellung der Körperschaft
und die Befugnisse ihrer Organe die gleiche Bedeutung wie bei der
Aktiengesellschaft.

    So verhielt es sich angesichts der Tatsache, dass die Auflösung durch
Beschluss des zuständigen Organs für die Genossenschaft in den hier in
Betracht kommenden Punkten im wesentlichen gleich geregelt war wie für
die Aktiengesellschaft (Art. 664 ff. und 709 ff. aoR), auch schon vor
der Revision der Titel 24 ff. (Art. 552 ff.) des OR (vgl. BACHMANN in
"Das schweiz. OR, Titel 23 bis Schluss", 1915, N. 2 zu Art. 709).

Erwägung 3

    3.- Vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 18. Dezember 1936
über die Revision der Titel 24 - 33 des OR (1. Juli 1937) vertraten das
Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) und der Bundesrat
die Auffassung, der Auflösungsbeschluss der Generalversammlung einer
Aktiengesellschaft löse die Gesellschaft als Erwerbsgesellschaft auf;
sie bleibe nur zum Zwecke der Liquidation bestehen; demgemäss habe die
Generalversammlung nur noch beschränkte Befugnisse; sie könne keine
Beschlüsse mehr fassen, die nicht die Durchführung der Liquidation
betreffen, insbesondere nicht deren Aufhebung beschliessen; auch für
das schweizerische Recht erscheine die (im französischen Schrifttum
vertretene) Auffassung als begründet, "dass eine Erwerbsgesellschaft,
wenn sie einmal öffentlich, durch Publikation des Auflösungsbeschlusses
im Handelsamtsblatt, aus dem Verkehrsleben ausgeschieden ist und sich
nachher wieder daran beteiligen will, die für eine Neugründung vorgesehenen
Gesetzesbestimmungen beobachten muss" (Entscheid des EJPD vom 28. Juni 1926
i.S. Steppdeckenfabrik Lesta AG in Liq., BURCKHARDT, Schweiz. Bundesrecht
III Nr. 1528 III; Entscheid des Bundesrates vom 9. März 1928 i.S. Pharmex
SA, Verwaltungsentscheide der Bundesbehörden 1928 Nr. 41).

    Zur Frage, ob die Generalversammlung einer durch Ablauf der in den
Statuten festgesetzten Zeit aufgelösten Aktiengesellschaft nachträglich
deren Fortsetzung beschliessen könne, führte das Eidgenössische Amt für
das Handelsregister in einem Schreiben vom 17. August 1932 aus, das müsse
jedenfalls dann möglich sein, "wenn die tatsächlich nicht liquidierende
Gesellschaft ihre Auflösung beim Ablauf der Frist nicht gewollt hat und nur
die rechtzeitige Beschlussfassung über die Fortsetzung unterblieben ist"
(Die Schweiz. Aktiengesellschaft 1932/33 S. 142).

    Bei der Beratung der erwähnten Gesetzesrevision warf THALMANN in der
ständerätlichen Kommission die Frage auf, ob ein Liquidationsbeschluss
rückgängig gemacht werden könne. Der Vorsteher des EJPD empfahl, diese
Frage wie jene des Aktienmantels der Praxis zu überlassen. Die Kommission
sprach sich mehrheitlich gegen die Aufnahme einer Bestimmung aus, die
den Widerruf des Auflösungsbeschlusses erlaubt hätte (Protokoll der
Verhandlungen der III. Session vom 15. April 1929, S. 14, 16/17). Im
Ständerat erwähnte THALMANN die bestehende, nach der Auffassung der
Kommission von der Praxis zu entscheidende Meinungsverschiedenheit
und vertrat persönlich die Ansicht, gegen den Widerruf eines
Auflösungsbeschlusses lasse sich zivilrechtlich nichts Triftiges
einwenden (Sten. Bull. Ständerat, Herbstsession 1931, S. 18). Nach ihm
äusserte sich in beiden Räten niemand zu dieser Frage. Die Bestimmungen
des bundesrätlichen Entwurfs über die Auflösung durch Beschluss der
Generalversammlung (Art. 726 Ziff. 2 = Art. 736 Ziff. 2 OR) und den Zustand
der Liquidation (Art. 728 = 739 Art. OR) wurden ohne weitere Diskussion
angenommen. Art. 738 OR entstammt der Vorlage der Redaktionskommission
vom 26. November 1936.

    Das Bundesgericht, das seit dem 1. März 1929 für die Beurteilung
von Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Entscheide des Eidgenössischen
Amtes für das Handelsregister und der kantonalen Aufsichtsbehörden in
Handelsregistersachen zuständig ist, erklärte in seinem Urteil vom 14.
September 1938 i.S. Arnold, angesichts des klaren Wortlauts des Gesetzes
(Art. 738/39 OR), der den Niederschlag schon früher anerkannter Grundsätze
bilde, könne kein Zweifel darüber bestehen, dass ein Beschluss auf Widerruf
der Liquidation und Fortsetzung der Gesellschaft nicht zulässig sei
(Praxis des Bundesgerichts 27 Nr. 153 und Die Schweiz. Aktiengesellschaft
1938/39 S. 68; in BGE nicht erschienen). - Das Eidgenössische Amt für das
Handelsregister vertrat in einem Schreiben vom August 1953 die Ansicht,
für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung müsse in dieser Beziehung mit
Rücksicht auf Art. 823 OR das gleiche gelten wie für die Aktiengesellschaft
(Verwaltungsentscheide der Bundesbehörden 1953 Nr. 43). - Im Urteil vom
21. Dezember 1954 i.S. Moroge, das eine andere Frage zum Gegenstand hatte,
bemerkte das Bundesgericht, es brauche nicht geprüft zu werden, ob an der
im Urteil vom 14. September 1938 geäusserten, von den Beschwerdeführern
beanstandeten Auffassung festzuhalten sei (BGE 80 I 388).

    In der schweizerischen Lehre sind die Meinungen geteilt. Dass
der Auflösungsbeschluss widerrufen werden könne, verneinen für die
Aktiengesellschaft BACHMANN (aaO N. 1 zu Art. 664), EGGER (Komm., 2. Aufl.
1930, N. 2 zu Art. 76 ZGB), WIELAND (Handelsrecht II, 1931, S. 180), F. v.
STEIGER (Das Recht der AG in der Schweiz, 2. Aufl., 1952, S. 341) und GUHL
(Das Schweiz. OR, 5. Aufl. 1956, S. 568, 570), für die Genossenschaft F. v.
STEIGER (Grundriss des schweiz. Genossenschaftsrechtes, 1963, S. 139). Die
Möglichkeit, die Auflösung der Körperschaft durch einen Beschluss ihrer
Organe rückgängig zu machen, bejahen dagegen grundsätzlich: für den Verein
EGGER (aaO), für die Aktiengesellschaft SCHUCANY (Komm., 2. Aufl. 1960, N.
3 zu Art. 736 OR), für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung WIELAND
(aaO S. 332 f.), JANGGEN/BECKER (Komm., 1939, N. 5 ff. zu Art. 820 OR),
CARRY (Schweiz. Jur. Kartothek, Karte 804, 1943, I A 2), und W. v. STEIGER
(Komm., 1965, N. 29 ff. zu Art. 820 OR). Die Befürworter dieser Möglichkeit
sind jedoch (soweit sie diese Fragen überhaupt behandeln) nicht einig
darüber, in welchen Fällen ein solcher Beschluss zulässig sei und ob er
mit Mehrheit oder nur einstimmig gefasst werden könne.

    In Deutschland lässt § 215 Abs. 1 des Aktiengesetzes von 1937, das auch
in Oesterreich gilt, in Fortentwicklung der Lehre und Rechtsprechung zu §
307 HGB einen (mit qualifizierter Mehrheit zu fassenden) Beschluss auf
Fortsetzung der durch Zeitablauf oder Beschluss aufgelösten Gesellschaft
zu, solange noch nicht mit der Verteilung des Vermögens unter die
Aktionäre begonnen ist. In Frankreich, wo einschlägige Vorschriften
fehlen, herrscht nach DE JUGLART (Sirey 1939 II 97 ff.), den RIPERT
anführt (Traité élémentaire de droit commercial, 4. Aufl. 1959, no. 1426
S. 672), und nach VERDIER (Encyclopédie Dalloz, Droit commercial III,
Sociétés, 1958, Stichwort Liquidation, no. 44) die Auffassung vor,
der Auflösungsbeschluss sei unwiderruflich. In Italien ist nach einem
Urteil der Corte di cassazione vom 21. Juli 1960 zulässig, dass die
Gesellschaftsversammlung die Anordnung der Liquidation widerruft und
die Fortsetzung der Gesellschaftstätigkeit beschliesst, solange die
Liquidation nicht abgeschlossen ist (Rivista del diritto commerciale 1961
II 34 ff.; vgl. auch 1947 II 66 unten mit Hinweisen). Umstritten ist,
ob es für einen solchen Beschluss der Einstimmigkeit bedürfe (erwähnte
Zeitschrift 1947 II 69 ff. u. 1961 II 34 ff., Noten MIGNOLI u. FOSCHINI;
bejahend die Corte di cassazione in einem Urteil vom 24. März 1962,
erwähnte Zeitschrift 1962 II 420).

Erwägung 4

    4.- Wie JANGGEN/BECKER und W. v. STEIGER (N. 6 bezw. 29 zu Art. 820
OR) zutreffend bemerken, lässt sich die Auffassung, die Auflösung sei
unwiderruflich, nicht darauf stützen, die nach der Auflösung bestehende
Liquidationsgesellschaft sei ein neues Rechtssubjekt und könne aus diesem
Grunde am Schicksal der aufgelösten Gesellschaft nichts ändern. Aus
Art. 739 Abs. 1 OR ergibt sich klar, dass die Gesellschaft in Liquidation
mit der Gesellschaft, die vor Eintritt des Auflösungsgrundes bestand,
identisch ist (vgl. BGE 90 II 257). Dass die aufgelöste Gesellschaft
fortbesteht, ist heute auch im benachbarten Ausland anerkannt (vgl. die
Hinweise bei W. v. STEIGER, N. 1 zu Art. 820 OR; VERDIER, aaO no. 20 ff.;
Urteile der Corte di cassazione vom 21. Juli 1960 und 24. März 1962 in
Rivista del diritto commerciale 1961 II 37, 1962 II 419 ff.).

Erwägung 5

    5.- Eine andere Frage ist es, ob die Auflösung der Gesellschaft die
Befugnisse der Generalversammlung derart beschränkt, dass sie nicht mehr
beschliessen kann, die Auflösung rückgängig zu machen.

    Das Bundesgericht nahm in seinem Urteil vom 14. September 1938
i.S. Arnold an, die Rückgängigmachung der Auflösung könne unter keinen
Umständen zu den für die Durchführung der Liquidation erforderlichen
Massnahmen gehören, auf welche die Befugnisse der Gesellschaftsorgane
nach Art. 739 Abs. 2 OR mit dem Eintritt der Liquidation beschränkt
werden; der Widerruf des Auflösungsbeschlusses sei aus diesem Grunde
unzulässig. W. v. STEIGER ist demgegenüber der Ansicht, Art. 739 Abs. 2 OR
befasse sich nur mit den Befugnissen der Gesellschaftsorgane im Hinblick
auf die Liquidation und bilde keine genügende Grundlage zur Lösung des
Problems der "Rückgründung", d.h. der Wiederherstellung der Lage, die
vor der Auflösung bestanden hatte (N. 29 zu Art. 820 OR).

    a) Art. 739 Abs. 2 OR regelt nach dem deutschen Randtitel den
"Zustand der Liquidation" und die - den Gesellschaftsorganen während
dieses Zustandes zustehenden - "Befugnisse" (französisch: "La société
pendant sa liquidation", "Compétence"; italienisch: "Condizione della
società durante la liquidazione"). Der Zustand der Liquidation beginnt
gemäss Art. 738 OR, wonach die aufgelöste Gesellschaft in Liquidation
tritt, mit dem Eintritt des Auflösungsgrundes, gegebenenfalls also mit dem
Auflösungsbeschluss. Er ist die unmittelbare Folge dieses Ereignisses. Die
in Art. 737 OR vorgeschriebene Eintragung der (nicht durch Konkurs
erfolgten) Auflösung ist für den Übergang in den Liquidationszustand nicht
konstitutiv. Vielmehr kommen dieser Eintragung und ihrer Unterlassung nur
die in Art. 933 OR vorgesehenen Wirkungen gegenüber Dritten zu (so auch
JANGGEN/BECKER und W. v. STEIGER, je N. 1 zu Art. 821 OR). Der Übergang
in das Liquidationsstadium hängt nach dem Gesetz auch nicht davon ab,
dass mit der Durchführung der Liquidation begonnen wird. Wenn Art. 739
Abs. 2 OR sagt, dass die Befugnisse der Organe der Gesellschaft "mit
dem Eintritt der Liquidation", "con l'inizio della liquidazione", auf
die zu deren Durchführung erforderlichen Handlungen beschränkt werden
bezw. "pendant la liquidation" auf solche Handlungen beschränkt sind,
so muss das folglich heissen, diese Beschränkung trete schon mit dem die
Gesellschaft auflösenden Ereignis, z.B. also mit dem Auflösungsbeschluss
ein.

    Der Grundsatz, dass die Befugnisse der Gesellschaftsorgane mit
dem Eintritt der Liquidation "auf die Handlungen beschränkt" werden,
"die für die Durchführung der Liquidation erforderlich sind", wird
in Art. 739 Abs. 2 OR (dessen drei Fassungen einander in diesem
Punkte genau entsprechen) vorbehaltlos ausgesprochen. Der Nachsatz:
"ihrer Natur nach jedoch nicht von den Liquidatoren vorgenommen werden
können", sieht nicht eine Ausnahme von der vorher aufgestellten Regel
vor, sondern schränkt die Zuständigkeit der Gesellschaftsorgane noch
mehr ein. Das Gesetz enthält keinen Anhaltspunkt dafür, dass Art. 739
Abs. 2 nur die Befugnisse der Gesellschaftsorgane im Hinblick auf die
Liquidation behandle, d.h. lediglich den Sinn habe, hinsichtlich der
Liquidationsmassnahmen die Befugnisse dieser Organe einerseits und der
Liquidatoren anderseits gegeneinander abzugrenzen. Es sagt nicht bloss,
die Gesellschaftsorgane seien für die zur Durchführung der Liquidation
erforderlichen Handlungen nur insoweit zuständig, als diese Handlungen
nicht von den Liquidatoren besorgt werden können, sondern stellt in
erster Linie den allgemeinen Grundsatz auf, dass die Befugnisse der
Gesellschaftsorgane auf die für die Liquidation notwendigen Handlungen
beschränkt werden. Für diese Anordnung wäre in einer Bestimmung, die von
vornherein nur die Zuständigkeit für solche Handlungen zum Gegenstand
hätte, kein Raum. Art. 739 Abs. 2 ZGB regelt also nicht bloss diese
Frage, sondern sagt darüber hinaus abschliessend, welche Befugnisse den
Gesellschaftsorganen nach der Auflösung der Gesellschaft noch zustehen.

    Dass der Widerruf des Auflösungsbeschlusses nicht eine zur Durchführung
der Liquidation erforderliche Handlung ist, steht ausser Zweifel. Es
handelt sich vielmehr um eine besonders deutlich auf die Fortsetzung der
Gesellschaft abzielende Handlung.

    Die vom Bundesgericht im Urteil vom 14. September 1938 i.S. Arnold
vertretene Auffassung, dass die Gesellschaftsorgane nicht befugt seien,
den einmal gefassten Auflösungsbeschluss zu widerrufen, entspricht also,
wie schon damals festgestellt, dem klaren Wortlaut von Art. 738/739 OR.

    b) Aus dem von W. v. STEIGER (aaO) angerufenen Art.  939 Abs. 2 OR,
wonach bei Widerruf des Konkurses die Eintragung der durch den Konkurs
bewirkten Auflösung der Gesellschaft im Handelsregister zu löschen ist,
folgt nur, dass eine gemäss Art. 736 Ziff. 3 OR durch Eröffnung des
Konkurses aufgelöste Gesellschaft im Falle des Konkurswiderrufs ohne Zutun
der Gesellschaftsorgane in den frühern Zustand zurückkehrt. Mit der Frage,
ob die Gesellschaftsorgane befugt seien, die aus einem andern Grunde
eingetretene, insbesondere die von ihnen selber beschlossene Auflösung
rückgängig zu machen, hat Art. 939 Abs. 2 OR nichts zu tun.

    Das Gesetz enthält auch sonst keine Vorschrift, die den aus dem
Wortlaut von Art. 738/739 OR zu ziehenden Schlüssen entgegenstünde. Der
von den Beschwerdeführern angerufene, aus Art. 55 Abs. 1 ZGB abgeleitete
Grundsatz, wonach die Organe der juristischen Person deren Willen im Rahmen
ihrer Zuständigkeit frei bilden und ihn daher an sich auch jederzeit frei
ändern können (BGE 88 II 104), muss vor der in Art. 738/739 OR enthaltenen,
die Befugnisse der Organe der aufgelösten Gesellschaft beschränkenden
Sonderregelung zurücktreten.

    c) Angesichts der eindeutigen Fassung des Gesetzes wäre
unerheblich, wenn nach den Materialien anzunehmen wäre, der Widerruf des
Auflösungsbeschlusses sei von den gesetzgebenden Behörden als zulässig
betrachtet worden. So verhält es sich im übrigen nicht. Wie in Erwägung
3 hievor dargelegt, wurde die Aufnahme einer dahin gehenden Bestimmung in
das Gesetz von der ständerätlichen Kommission ausdrücklich abgelehnt und
gingen die Räte auf die für die Zulässigkeit des Widerrufs eintretende
Ansichtsäusserung Thalmanns im Ständerat nicht ein.

    d) Es kann auch nicht die Rede davon sein, dass die dem
Gesetzeswortlaut zu entnehmende Lösung sachlich offensichtlich unhaltbar
sei und dass das Gesetz aus diesem Grunde einer andern, vom Wortlaut
abweichenden Auslegung bedürfe. Der Blick auf Gesetzgebung, Lehre und
Rechtsprechung der Schweiz und ihrer Nachbarstaaten (Erwägung 3 hievor)
zeigt, dass in diesem Punkte verschiedene Lösungen vertretbar sind. Der
aus dem Wortlaut von Art. 738/739 OR abzuleitende Grundsatz, dass die
Gesellschaftsorgane nicht gültig beschliessen können, die Auflösung
der Gesellschaft rückgängig zu machen, wird in Frankreich von der
herrschenden Meinung vertreten, obwohl dort entsprechende Vorschriften
nicht bestehen. Die schweizerische Praxis hat diesen Grundsatz, wenn man
vom Schreiben des Eidg. Amtes für das Handelsregister vom 17. August
1932 betreffend die Fortsetzung einer durch Zeitablauf aufgelösten
Gesellschaft absieht, schon vor der Revision der Titel 24 ff. des OR und
auch seither ständig befolgt. (Die Behauptung Thalmanns im Ständerat, das
Schweiz. Handelsamtsblatt 1926 Nr. 254 enthalte eine die Rückgängigmachung
eines Auflösungsbeschlusses zulassende Handelsregisterpublikation,
stimmt nicht; es wurde dort, S. 1911 rechts unten, nur die durch
den Widerruf des Konkurses veranlasste Wiedereintragung einer gemäss
Art. 28 Ziff. 1 der HRegV von 1890 infolge Konkurseröffnung gelöschten
Gesellschaft veröffentlicht). Diese Praxis hat sich nach der Auffassung der
Handelsregisterbehörden bewährt. Auf jeden Fall ist nicht bekannt geworden,
dass sie ernsthafte Nachteile verursacht hätte. Unter diesen Umständen darf
sich der Richter über den klaren Wortlaut des Gesetzes nicht hinwegsetzen.

    Es mag freilich Fälle geben, wo der Widerruf des Auflösungsbeschlusses
die Interessen der Öffentlichkeit, auf welche die angeführten Entscheide
des EJPD, des Bundesrates und des Bundesgerichts hinwiesen, nicht
gefährden würde, und auf der andern Seite mag zutreffen, dass Missbräuche
möglich bleiben, auch wenn die sog. Rückgründung einer Aktiengesellschaft
allgemein und vorbehaltlos als unzulässig erklärt wird. Das genügt jedoch
nicht, um eine vom eindeutigen Gesetzeswortlaut abweichende Auslegung
zu rechtfertigen.

    Eine Änderung der bisherigen Rechtsprechung ist um so weniger am
Platze, als die grundsätzliche Zulassung des Widerrufs eine Reihe von
Fragen aufwerfen würde, die das Gesetz nicht regelt (so die Fragen, bis
wann der Widerruf zulässig sei, ob er mit Mehrheit oder nur einstimmig
beschlossen werden könne, und welche Vorkehren zu treffen wären, um
eine Benachteiligung der Gläubiger zu vermeiden). Dadurch würde die
Rechtssicherheit gefährdet.

Erwägung 6

    6.- Da der Widerruf des Auflösungsbeschlusses demnach bei der
Aktiengesellschaft und mithin (vgl. Erwägung 2 hievor) auch bei der
Genossenschaft zweifellos nicht zulässig ist, selbst wenn er vor der
Eintragung dieses Beschlusses und vor Beginn der Liquidationstätigkeit
erfolgt, waren die kantonalen Handelsregisterbehörden befugt, sich über die
zivilrechtlichen Einwendungen der Beschwerdeführer gegen die Eintragung
dieses Beschlusses hinwegzusetzen und die Zwangseintragung anzuordnen
(Erwägung 1 hievor).

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.