Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 91 IV 99



91 IV 99

29. Urteil des Kassationshofes vom 6. Mai 1965 i.S. Schmid gegen Stadtrat
von Winterthur. Regeste

    Art. 35 Abs. 4 der Verordnung über die Strassensignalisation vom
31.Mai 1963. Die Vorschrift, dass parkierte Fahrzeuge vor Ablauf der
Parkzeit wieder in den Verkehr einzufügen sind, bedeutet, dass sie sich
aus dem nähern Gebiet, in dem sie parkiert waren, entfernen müssen.

Sachverhalt

    A.- Im Stadtzentrum von Winterthur, wo auch der Obere Graben liegt,
besteht die sog. "Blaue Zone", in der das Parkieren von Fahrzeugen nur
mit Parkscheibe, also zeitlich beschränkt, zulässig ist. Am 25. Oktober
1963 parkierte Schmid um 13.30 Uhr ein Personenauto vor dem Hause Oberer
Graben 10 und stellte die Parkscheibe zutreffend auf die Ankunftszeit
13.30 - 14.00 Uhr, so dass er den Wagen bis 15.00 Uhr dort stehen lassen
durfte. Um 15 Uhr unterbrach Schmid wegen Ablaufs der Parkzeit eine in
seinem Bureau am Oberen Graben 14 geführte Besprechung, begab sich zum
abgestellten Wagen und verstellte ihn um 25 - 50 m auf ein Parkfeld vor dem
Hause Oberer Graben 26, wo er die Parkscheibe auf die Ankunftszeit 15.00
- 15.30 Uhr einstellte. Anschliessend kehrte er, nachdem er Zigaretten
gekauft hatte, in sein Bureau zurück, um die Besprechung fortzusetzen.

    B.- Der Stadtrat von Winterthur büsste Schmid gestützt auf diesen
Sachverhalt mit Fr. 5.-. Der Gebüsste verlangte hierauf gerichtliche
Beurteilung.

    Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichtes Winterthur
erklärte Schmid am 28. Januar 1965 der Übertretung von Art. 35 Abs. 2
und 4 SSV schuldig und bestätigte die ausgefällte Busse von Fr. 5.-.

    Die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde, die Schmid gegen dieses Urteil
einreichte, wurde vom Obergericht des Kantons Zürich abgewiesen, soweit
darauf einzutreten war.

    C.- Schmid führt gegen das Urteil des Einzelrichters
Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht mit dem Antrag auf
Freisprechung.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Art. 35 Abs. 4 der Verordnung über die Strassensignalisation
vom 31. Mai 1963 (SSV) bestimmt, dass ein Fahrzeug, das an einem Ort
abgestellt wird, wo das Parkieren zeitlich beschränkt ist, vor Ablauf
der Parkzeit wieder in den Verkehr eingefügt werden muss.

    Mit der Beschränkung der Parkzeit will verhindert werden, dass
Parkierungsflächen während längerer Zeit von den gleichen Fahrzeugen
besetzt gehalten werden, mit der Folge, dass andern Fahrzeugführern
jede Möglichkeit zum Parkieren verschlossen bleibt. Dem gleichen Zweck,
Dauerparkierer fernzuhalten, dient auch die Vorschrift, dass parkierte
Fahrzeuge spätestens mit Ablauf der Parkzeit wieder in den Verkehr
einzufügen sind. Danach ist in erster Linie verboten, die bewilligte
Parkdauer zu überschreiten oder auf der gleichen Parkfläche nacheinander
zweimal zu parkieren. Art. 35 Abs. 2 Satz 3 SSV schreibt denn auch
ausdrücklich vor, dass die zu Beginn des Parkierens richtig eingestellte
Parkscheibe bis zur Wegfahrt nicht mehr verändert werden darf. Der
Fahrzeugführer, dessen Parkzeit abläuft, hat aber nicht nur vom Parkplatz
wegzufahren, um ihn andern freizugeben, sondern er ist darüber hinaus
verpflichtet, sein Fahrzeug vorerst wieder in den Verkehr einzufügen,
ehe er anderswo erneut parkiert. Damit will gesagt werden, dass es nicht
erlaubt ist, unmittelbar nach der Benützung einer Parkfläche in deren Nähe
eine andere mit beschränkter Parkzeit wieder in Anspruch zu nehmen. Könnte
nach abgelaufener Parkzeit das Fahrzeug auf einen nahe gelegenen Platz
verstellt werden, um mit dem Parkieren neu zu beginnen, so hätte dieses
Vorgehen die gleiche Wirkung, wie sie einträte, wenn entgegen dem Verbot
des Art. 35 SSV die gleiche Parkfläche zweimal hintereinander zum Parkieren
benützt würde. Denn mit der Parkzeitbeschränkung soll erreicht werden,
dass die Parkierungsflächen eines Stadtteils oder Geschäftsviertels
möglichst vielen Fahrzeugführern zur Verfügung stehen. Dazu ist nicht
nur erforderlich, dass die Parkfelder bei Ablauf der Parkdauer geräumt
werden, sondern auch, dass frei gewordene Plätze nicht wieder von
Fahrzeugen belegt werden, die unmittelbar vorher bereits in der Nähe
parkiert hatten. Der Sinn des Wiedereinfügens parkierter Fahrzeuge in
den Verkehr kann daher nur sein, dass sie sich aus dem nähern Gebiet,
in dem sie parkiert waren, entfernen müssen, was nicht heisst, dass sie
in einem andern Teil der Blauen Zone nach vorheriger Einfügung in den
Verkehr nicht wieder parkieren dürften.

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer fuhr nach der Ausfahrt aus dem Parkplatz
im Oberen Graben 25 - 50 m weit und parkierte am Ende dieser Strecke in
der gleichen Strasse ein zweites Mal. Mit dieser kurzen Fahrt hat er sich
nicht aus dem Gebiet des ersten Parkplatzes entfernt und daher auch nicht
sein Fahrzeug wieder in den Verkehr eingefügt. Sein Verhalten verstiess
somit gegen Art. 35 Abs. 4 SSV. Daran ändert nichts, dass eine dringliche
berufliche Besprechung den Beschwerdeführer hinderte, einen entfernteren
Parkplatz aufzusuchen; Gründe solcher Art, die jeder Berufstätige zur Hand
hat, vermögen Gesetzesübertretungen nicht zu rechtfertigen. Ebenso ist
unerheblich, dass der Beschwerdeführer nach dem Verstellen des Fahrzeuges
zunächst Zigaretten kaufte, bevor er zur Fortsetzung der Besprechung in
sein Bureau zurückkehrte. Auch der Kauf von Zigaretten berechtigte ihn
nicht, innerhalb des gleichen Gebietes erneut zu parkieren.

Entscheid:

Demnach erkennt der Kassationshof:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.