Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 91 IV 70



91 IV 70

21. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 6. Mai 1965 i.S. Hurni
gegen Generalprokurator des Kantons Bern. Regeste

    Art. 191 Ziff. 2 StGB. Unzüchtige Handlung. Ein sinnlicher Zungenkuss,
der von einem Manne einem Knaben gegeben wird, ist unzüchtig.

Sachverhalt

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

    Küsse aus Sinnenlust sind nicht ohne weiteres unzüchtig, es sei denn,
der Kuss wirke nach seiner besondern Art und nach den Begleitumständen
anstössig (BGE 76 IV 277). Das Gleiche muss auch für den Zungenkuss
gelten. Er braucht, wenn er unter erwachsenen Personen verschiedenen
Geschlechts gegeben wird, nicht notwendig in nicht leicht zu nehmender
Weise gegen das Sittlichkeitsgefühl eines normal empfindenden Menschen zu
verstossen und ist deshalb nicht schlechthin unzüchtig. Sind dagegen die
beteiligten Personen männlichen Geschlechts, so sind sinnliche Zungenküsse
nicht mehr harmlos, sondern erregen Anstoss; sie überschreiten eindeutig
die Grenzen des geschlechtlichen Anstandes und sind als unzüchtige
Handlungen zu bewerten (vgl. Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in
Strafsachen Bd. 18, Nr. 44). Umsomehr trifft dies zu, wenn die Handlung
von einem Manne an einem noch nicht 16-jährigen Knaben begangen wird. In
diesem Sinne hat der Kassationshof auch entschieden, als ein Lehrer eine
15-jährige Schülerin auf diese Art küsste (nicht veröffentlichtes Urteil
vom 23. September 1959 i.S. Steiger).

    Der Beschwerdeführer hat sich daher im Sinne von Art. 191 Ziff. 2
Abs. 1 StGB schuldig gemacht, und zwar auch dann, wenn die Berührung,
wie in der Beschwerde geltend gemacht wird, auf den Knaben keinen Eindruck
gemacht haben sollte. Der unzüchtige Charakter einer Handlung hängt nicht
davon ab, ob jemand tatsächlich Anstoss genommen hat. Massgebend dafür
ist nicht das Gefühl der Beteiligten oder einzelner Dritter, sondern
ob das Verhalten objektiv das Sittlichkeitsgefühl in nicht leicht zu
nehmender Weise verletze, was sich nach dem Durchschnittsempfinden des
Volkes beurteilt (BGE 78 IV 163).