Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 91 IV 54



91 IV 54

16. Auszug aus dem Entscheid der Anklagekammer vom 24. Februar 1965
i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt gegen Staatsanwaltschaft
des Kantons Baselland. Regeste

    Art. 351 StGB, Art. 264 BStP. Die Anklagekammer hat vorfrageweise
zu prüfen, wie die Gegenstand der Untersuchung bildenden Tatbestände
einstweilen zu würdigen seien. Sie ist in dieser Prüfung frei.
Ihr Entscheid ist jedoch für die kantonalen Behörden nur hinsichtlich
des Gerichtsstandes verbindlich.

Sachverhalt

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

    Ob jemand im Sinne von Art. 350 Ziff. 1 StGB verfolgt sei, beurteilt
die Anklagekammer unabhängig von der Stellungnahme der kantonalen
Behörden (BGE 85 IV 247 Erw. 2 und dort angeführte Urteile). Frei ist
die Anklagekammer auch in bezug auf die Frage, wie die Gegenstand der
Untersuchung bildenden Tatbestände einstweilen zu würdigen seien. Ein
Kanton soll den Gerichtsstand nicht dadurch beeinflussen können, dass er
die von ihm in Untersuchung gezogenen Handlungen rechtlich unzutreffend
beurteilt. Indem das Gesetz in Art. 350 Ziff. 1 den Gerichtsstand von der
Schwere der angedrohten Strafe abhängig macht, mutet es der Anklagekammer
zu, die dem Beschuldigten zur Last gelegten Handlungen vorläufig zu
würdigen (BGE 71 IV 166). Ergibt sich dabei, dass eine Handlung einer
schwereren Strafandrohung unterliegen könnte als die kantonale Behörde
annimmt, so ist dies bei der Anwendung des Art. 350 Ziff. 1 StGB zu
berücksichtigen (vgl. BGE 75 IV 138 Erw. 2).

    Freilich ist in diesem Stadium des Verfahrens die Strafsache meistens
noch nicht näher abgeklärt. Es ist deshalb oft schwierig zu sagen, welche
Handlungen der Beschuldigte überhaupt verübt und welche Strafbestimmungen
er allenfalls erfüllt habe. Der Gerichtsstand bestimmt sich indes nicht
nach dem, was der Täter begangen hat, sondern nach dem Tatbestand, der ihm
vorgeworfen wird, d.h. auf Grund der Aktenlage überhaupt in Frage kommt
(BGE 71 IV 167, 74 IV 125, 87 IV 44, 88 IV 44). Die Anklagekammer hat zudem
lediglich eine Vorprüfung vorzunehmen. Ob ein Straftatbestand wirklich
erfüllt und der Beschuldigte deswegen weiterzuverfolgen, dem Richter zu
überweisen und zu verurteilen sei, ist im nachfolgenden Strafverfahren zu
prüfen. Der Entscheid der Anklagekammer ist für die kantonalen Behörden
nur hinsichtlich des Gerichtsstandes verbindlich.